Von einer Hand des 19. Jahrhunderts (?) auf 1r eingetragen zum Geburtstag seiner Cousine [Ottilie] geschenkt [Lombard]. 1878 als Teil der Handschriftensammlung des Altertumsforschers, Buchhändlers und Bibliothekars David Laing (1793–1878) in die Universitätsbibliothek gelangt (ehem. Laing MSS. III. 14).
Sieben Bußpsalmen, in der Übersetzung von Geert Groote (van Wijk [1940] S. 139–145) mit Litanei (darunter seuerijn, kunibert, heribert, anno), Fürbitten, Kollekten
Vier Kommuniongebete (zwei vor, zwei nach Empfang des Sakraments): O Ewige grondelose vnbegrijfliche vnbekante vnsprechliche got, eyn oirspronck alles guedes …, O here alre engelen glorie ich arme sundersse schame mich ind vntsie mich zo gain zo der taiffelen des alre hoichsten wirtschaff …, Here got bestedige in mich dat du hais gewirckt …, O here ihū xp̄e die altzijt vur vnse sunden geoffert werdes …
Miniatur: Petrus und Paulus, nach einem Kupferstich vom Meister E. S. (Lehrs 94: hier Petrus und Andreas)
121v
Miniatur: Christophorus
122v
Miniatur: Georg
123v
Miniatur: Antonius
124v
Miniatur: Katharina (vgl. Kupferstich vom Meister der Berliner Passion[lehrs 71]: seitenverkehrt, Schwert und Rad in einer Hand)
125v
Miniatur: Barbara
126v–172r
Lange Totenvigil (Ottosen [1993] 25/44/47 138/93/83 40/79/18; Lesungen Gruppe 1n [Utrecht])
126v
Miniatur: Katafalk, dahinter lugen zwei Köpfe von Pleurants hervor
172v–179v
Gebete für die Wochentage Des sondages sprich. Almechtiger got mijn schepper in here Ich dijn arme creature ermane dich hude dijns kreftigen loeuelichen vperstentnis …
Gebet mit Ablaß von Papst Bonifatius Ich bidden dich lieue here ihū xp̄e ewige wijsheit des vaders ind vnse glorie gyff vnsen gedencken genadenrijche luterheit …
Miniatur: Anbetung der Hl. Drei Könige (vgl. Kraków, Biblioteka Czartoryskich, Ms. Czart. 3017, 4v; St. Petersburg, Natsionalnaia Biblioteka, Ms. Lat. O.v.I.206, 13v)
185r
leer
185v
Miniatur: Erasmus
188r–189v
Gebet St. Bernards über das heymlichste ind vnbekanste lijden [Christi] O lieue here Jhesu criste sanftmoedige lamp godes Ich arme snoede sundige mynsche gruessen die alre heilichste wonde …
Miniatur: Ursula mit vier Gefährtinnen unter ihrem Mantel
I. Kodikologische Beschreibung:
Pergament, 191 Blätter, moderne Bleistiftfoliierung, 146 × 105 mm (geringfügig beschnitten), zwei Vor- und zehn Nachsatzblätter aus Papier. Lagenformel: VI+I13 (+1), IV+122 (+14), 4 IV54, IV+163 (+60), 14 IV175, IV+1184 (+183), III+2–1191 (+185, 190, –1 nach 191). Professionelle Bastarda, eine Hand, einspaltig, 17 Zeilen (nur 180r 18 Zeilen, um die Rückseite für eine Miniatur freizuhalten), rote Strichel, Rubriken, ein- bis dreizeilige rote und blaue Lombarden.
17 Miniaturen (1v, 14v, 60v, 72v, 95v, 120v, 121v, 122v, 123v, 124v, 125v, 126v, 172v, 180v, 183v, 185v, 190v), eine weitere vielleicht verloren (vor 182). Eine zehn- (15r), eine acht- (127r), drei siebenzeilige Buchmalerinitialen (61r, 73r, 96r), begleitet von drei- (15r, 61r, 73r, 96r) bzw. zweiseitigen Bordüren (127r), die sich aus Goldrispen, Akanthus, Blütenzweigen, Fruchtkolben und Blüten zusammensetzen. 25 drei- bis fünfzeilige Blattgoldinitialen auf rot-blau gespaltenem oder geviertem Grund mit gelbem bzw. weißem Federwerk. Zehnzeiliges ›H‹ auf 15r ähnelt einer Kupferstichvorlage Israhels van Meckenem (Lehrs 567, vgl. auch Lehrs 598: Ornamentblume, vermutlich nach einem verlorenen Stich vom Meister der Berliner Passion), siebenzeiliges ›H‹ auf 61r einer Holzschnittinitiale in einem Kölner Stundenbuchdruck von ca. 1485 (aijr, gijr, vgl. GW 12997, GfT [1907–1939] Taf. 327 [rechte Abb.]). – Von Marrow (in: Logutova/Marrow [2003] S. 153, Anm. 38) unter Vorbehalt dem Meister des Stundenbuchs der Mechthild von Hessen zugeschrieben (vordem Meister der Sibylla von Kleve genannt; nach München, Staatsbibliothek, Cgm 84). Dickmann ([2004] S. 289 f., 292, 299) hat sich dieser Zuweisung vorsichtig angeschlossen, allerdings in der namensgebenden Handschrift Cgm 84 zwischen Miniatur- und Dekormalern unterschieden: Dem Hauptmeister ordnete sie alle Miniaturen und einige Ranken in klassischem Akanthusstil zu, während der sich auf 80v nennende Johannes Wilberg in ihren Augen allein für die Goldrispen verantwortlich war (vgl. dagegen Hemfort [2001] S. 109–122, 208).
Format und Anordnung:
Ganzseitige Miniaturen in der Größe des Schriftspiegels, 80–82 × 50–53 cm, stets auf verso-Seiten gegenüber von Textanfängen plaziert; sechs Miniaturen als Einzelblätter hinzugebunden (1, 14, 60, 183, 185, 190; unliniert, Vorderseiten leer), elf Bestandteil des regelmäßigen Quaternionenverbunds (72, 95, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 172, 180; liniert, Vorderseiten beschrieben). Alle Miniaturen farblich doppelt eingefaßt: entweder außen Rot, innen Blau (60v, 120v, 121v, 122v, 123v, 124v, 172v, 183v) bzw. umgekehrt (1v, 95v, 125v, 126v, 180v, 185v, 190v) oder außen Rot und innen Gold (14v, 72v). Bis auf 1v, 172v, 180v zudem schmaler Spalt zwischen Miniatur und Farbleisten freigelassen. Bemerkenswerterweise wird keine einzige Miniatur von einer Bordüre umrahmt, selbst dann nicht, wenn auf der gegenüberliegenden Textseite eine solche prangt (15r, 61r, 73r, 96r, 127r). Optisch schließen sich Bild- und Textseiten der höchsten Ausstattungskategorie daher nicht zu einer Einheit zusammen, die Miniaturseiten wirken im Kontrast zu den reich verzierten Textseiten eigentümlich nackt. Verstärkt wird das Ungleichgewicht noch durch eine etwas disharmonische Farbgebung bei den Initialen und Bordüren. Meist ist man jedoch in das andere Extrem verfallen und hat die Textseiten bei der Ausgestaltung vernachlässigt: Weder die Eröffnungsminiatur noch eines der Heiligenbilder zieht eine Buchmalerinitiale oder Bordüre nach sich; die Texte, die sie schmücken, heben schlicht mit zweizeiligen Lombarden an ( 2r, 121r, 122r, 123r, 124r, 125r, 126r, 184r, 186r, 191r). Allein zwei durch Miniaturen ausgezeichnete kleinere Gebetseinheiten beginnen mit Buchmalerinitialen (173r, 181r). Es hat fast den Anschein, als ob hier zwei nicht sonderlich aufeinander abgestimmte Hände tätig waren: Während die eine die Miniaturen ausführte, kümmerte sich die andere um Initialen und Bordüren – ohne dabei auf die Bildseiten Rücksicht zu nehmen (sollten die Miniaturen zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt gewesen sein, hätten zumindest elf leere verso-Seiten einen deutlichen Hinweis auf deren Planung gegeben).
Bildaufbau und -ausführung:
Für drei Miniaturen lassen sich Kupferstichvorlagen nachweisen: Der Vera icon (1v) liegt ein Blatt vom Meister E. S. zugrunde (Lehrs 173); penibel bis in einzelne Faltenzüge wurden Tuch und Antlitz übernommen und mit feinen Stricheln ausgemalt, allein die Figur der Veronika und der Kreuznimbus wurden fortgelassen. Die hier waltende Sorgfalt wurde bei den übrigen Miniaturen nicht mehr an den Tag gelegt. Ein anderer Stich vom Meister E. S. wurde für die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus (120v) abgewandelt (Lehrs 94): Der rechte Jünger erhielt statt des in der Vorlage vorhandenen Andreaskreuzes ein Schwert als Attribut in die Hand, um ihn als Paulus auszuweisen. Die zierliche Baldachinarchitektur und das Ehrentuch, die den eigentlichen Reiz der Graphik ausmachen, wurden nicht mit übernommen – wohl um die beiden Heiligen den übrigen Kompositionen anzugleichen, die sich mit Ausnahme von 72v, wo blauer Himmel über den goldenen Nimben der Pfingstgemeindemitglieder aufscheint, sonst vor einer neutralen Blattgoldfolie abspielen; nur im unteren Bereich wurde den Agierenden eine realistische Standfläche aus geblümten Kachelböden (14v, 72v, 120v, 122v, 123v, 124v, 126v, 180v, 185v, 190v) oder begrünten Erdstreifen (60v, 95v, 125v, 172v, 183v) geboten; für Christophorus war zudem ein Gewässer unerläßlich (121v), damit er legendenkonform mit dem Schöpfer der Welt auf den Schultern durch dieses waten kann. Die Gregoriusmesse auf 180v folgt bis auf den ausgesparten Diakon vorn rechts und die hinzugefügten Holzstufen vor dem Altar exakt einem Blatt Israhels van Meckenem (Lehrs 118). Beide Abweichungen kommen zwar auf einem Kupferstich vom Meister der Berliner Passion (Kelberg [1983] S. 229, Gr 8) vor, dafür sind dort aber die Arma Christi anders arrangiert. Vielleicht hat es eine dritte Variante gegeben, die beide Versionen vereinigt hat.
Israhels Blatt mit der Gregoriusmesse diente dem Meister des Stundenbuchs der Mechthild von Hessen auch in der für ihn namensgebenden Handschrift Cgm 84 als Grundlage (335v); doch wurde das Geschehen dort in einen veritablen Kirchenraum verlegt. Ferner stellt das Jüngste Gericht – bis auf minimale Abweichungen (sechs statt vier auffahrende Seelen, lichter Himmel und eine ferne Bergkette anstelle von Blattgoldgrund) – eine weitere Entsprechung zwischen Cgm 84 (86v) und vorliegendem Kodex (95v) dar. Es steht zu vermuten, daß hierfür ebenfalls eine graphische Vorlage existiert hat. Auffälligerweise stimmen beide Miniaturen aber auch in der Farbgebung überein (Johannes trägt beide Male z. B. ein braunes Gewand mit grünem Überwurf). Bei der Verkündigung (MS 46, 14v; Cgm 84, 13v) und dem hl. Antonius (MS 46, 123v; Cgm 84, 350v) hingegen, die gleichfalls in beiden Stundenbüchern begegnen, driften die Handschriften auseinander: In Cgm 84 orientierte man sich an Kupferstichen des Meisters E. S. (Lehrs 10, 138), während in MS 46 zumindest für den Engelsgruß der nächste Bezugspunkt im St. Petersburger Liber precum zu sehen ist (St. Petersburg, Natsionalnaia Biblioteka, Ms. Lat. O.v.I.206, 5v): Maria, die hinter einem schräg rechts positionierten Betpult kniet, läßt überrascht die mit der Rechten soeben umgeblätterte Buchseite fahren, während sie ihre Linke aufmerkend erhoben hat, um auf den Gruß des dicht neben ihr niedergegangenen Engels zu reagieren. In einer anderen dem Meister des St. Petersburger Liber precum zugeschriebenen Verkündigungsminiatur (Nr.43.1.74., 1v; vgl. Marrow in: Logutova/Marrow [2003] S. 115, 143, Abb. 10) schreckt Maria mit beiden Händen synchron hoch. Diese Version wurde mehrfach im Kupferstich (vgl. ein ehem. Israhel van Meckenem zugeschriebenes Blatt [lehrs 10, Abb. Hollstein German, Bd. 24A, S. 5], ein von Lehrs nicht erfaßtes [vgl. München, Hartung & Hartung, Auktion 100, 15. 5. 2001, Nr. 140, 8v, Abb. S. 206, erneut angeboten Berlin, Galerie Gerda Bassenge, Auktion 87, 25.–26. 5. 2006, Nr. 822], eines vom Meister des Dutuitschen Ölbergs[lehrs 10; Abb. 299] sowie eines vom Meister der Marter der Zehntausend[lehrs 2]), wie auch im Holz- (z. B. Schramm Bd. 21, Nr. 679 bzw. TIB Bd. 87, S. 136, Nr. 1) und Metallschnitt (Schreiber 2184; Nr.43.1.47., 1v[schreiber 2183]; [schreiber 2183a]; Schramm Bd. 8, Nr. 42 bzw. TIB Bd. 86, S. 371, Nr. 1193) reproduziert (vgl. Lehrs Bd. III, S. 63 f.). Gabriel allerdings weist in allen Darstellungen ein leicht unterschiedliches Spiel der Hände auf: Mal unterstreicht er allein mit Gesten seine Rede, mal entrollt sich über seinen Händen noch ein Spruchband, mal verleiht ein Zepter ihm als göttlichem Sendboten zusätzliche Würde. Die in MS 46 von ihm eingenommene stark aufgerichtete Körperhaltung, sein empor gestreckter rechter Zeigefinger, die auf das gebeugte Knie sacht abgestützte Linke mit dem Zepter sind Eigenheiten, die sich – mit Ausnahme des Botenstabs – allesamt in einem Holzschnitt wiederfinden, der vermutlich in einem um 1485 verlegten Kölner Stundenbuch zuerst gebraucht wurde (‹ajv›; erneut in Dietrich Coeldes ›Christenspiegel‹, Köln: Johann Koelhoff d. Ä. 1489; Nr. 67.8.b., vgl. TIB Bd. 87, S. 46, Nr. 91). Ein anderes Detail, das dort seine Entsprechung findet, sind die gemusterten Fliesen (die u. a. auch beim Meister mit den Blumenrahmen[lehrs 105] oder dem Meister des hl. Erasmus[lehrs 85] begegnen).
Im angeführten Stundenbuchdruck taucht zudem eine Kreuzigung auf (fjv; vgl. TIB Bd. 87, S. 45, Nr. 86), dessen Kruzifixus dem hiesigen vollkommen entspricht (60v; vgl. auch Gummlich [2003] S. 231, 249 f.). Maria, eingehüllt in ihren Mantel, mit elegisch-schlaff vor der Brust verschränkten Armen ist ebenfalls gut vergleichbar. Nur Johannes zeigt, obgleich identisch positioniert und gekleidet, eine etwas abweichende Handhaltung; für ihn stellt ein 1473 zu datierendes Kanonblatt das nächste Vergleichsmoment dar (Köln, Diözesan- und Dombibliothek, Dom Hs. 257, 139v; vgl. Gummlich [2003] Taf. 29). Die beiden anderen in der Inkunabel vorkommenden Holzschnitte (Büßer vor Salvator mundi, Purgatorium, lviijv, oviijv; vgl. TIB Bd. 87, S. 45 f., Nr. 87, 90) verfügen über kein Äquivalent in MS 46. Stilistisch bilden alle vier aber eine Einheit; ihre Vorlagen dürften dem von Marrow (in: Logutova/Marrow [2003]) konstituierten Œuvre des Meisters des St. Petersburger Liber precum zuzuschlagen sein, zumal der Holzschnitt mit der Kreuzigung exakt einem bislang unbekannten Kanonblatt in einem Missale Coloniense entspricht (Alba Iulia, Batthyaneum, Ms. I-26 [K 5 II 8], 185v), das fraglos seine Handschrift trägt.
Der Meister des Stundenbuchs der Mechthild von Hessen ist stilistisch nicht leicht zu positionieren: Dickmann (2004) stellte ihn in eine Traditionslinie mit dem Meister des St. Petersburger Liber precum und stärkte somit seine Anbindung an Köln, während Hemfort (2001) sein Hauptwerk Cgm 84 für die im Bergischen Land gelegene Zisterzienserabtei Altenberg in Anspruch nahm. Zwischen MS 46 und Cgm 84 bestehen zweifellos Unterschiede, die Dickmann ([2004] S. 296 f., 299) aber im Rahmen einer künstlerischen Weiterentwicklung durchaus für vereinbar in einer Persönlichkeit hielt: Der hermetische Blattgoldgrund in MS 46 ist in Cgm 84 einer lichten Landschaft gewichen, wodurch die Gestalten dort nicht mehr so scharf konturiert und hölzern wirken. Die in MS 46 markant aus den Gesichtern hervortretenden Nasen sind in Cgm 84 stärker in die kleineren Köpfe der nunmehr modisch überlängten Figuren eingepaßt. In Cgm 84 orientierte sich der Meister des Stundenbuchs der Mechthild von Hessen vermehrt an Kupferstichen des Meisters E. S. (vgl. Hemfort [2001] S. 110 f.), wohingegen hier eher der Einfluß des Meisters des St. Petersburger Liber precum zu verspüren ist (vgl. 14v, 60v, 183v; Dickmann [2004] S. 292) bzw. seines potentiellen Lehrmeisters, der um 1461 zwei zusammengehörende Teile eines Lektionars in Kopenhagen (Kongelige Bibliotek, Gl. kgl. S. 1604 4º) und Krakau (Biblioteka Czartoryskich, Ms. Czart. 3017) geschaffen hat (vgl. 72v, 183v; Marrow in: Logutova/Marrow [2003] S. 140. – Dickmann [2004] S. 174 schlägt vor, zumindest in einem der beiden Bände ein Frühwerk des Meisters des St. Petersburger Liber precum zu erblicken). Aufgrund der Verwendung unterschiedlichen Vorlagenmaterials ist die Eigenleistung des Meisters des Stundenbuchs der Mechthild von Hessen schwer zu ermessen, zumal seine Vorbilder nicht immer genau zu eruieren sind: So könnte die hl. Katharina auf 124v seitenverkehrt einen Kupferstich vom Meister der Berliner Passion (Lehrs 71) abwandeln; bei der Anbetung der Hl. Drei Könige (183v), der Auferstehung Christi (172v) und dem Totenamt (126v) wird eine Ökonomie fühlbar, die szenisches Beiwerk, das ursprünglich wohl einmal in den Kompositionen angelegt war, für entbehrlich hielt, wie z. B. die Stallarchitektur, die Grabwächter oder den Kirchenraum. Leicht komisch nehmen sich auf diese Weise die beiden Pleurants aus (126v), die sich einsam hinter dem Katafalk verschanzt haben und mit ihren Augen argwöhnisch hinüberspähen. Eine gewisse Zagheit der Zeichnung macht sich beim hl. Erasmus (185v) wie auch beim hl. Antonius (123v) bemerkbar, die vor dem Auge des Betrachters zurückzuweichen scheinen, derweil die anderen Heiligenfiguren gerade durch ihre dralle, ja derbe Präsenz auffallen.
Bildthemen:
Neun Miniaturen entfallen auf Heiligengebete (120v, 121v, 122v, 123v, 124v, 125v, 183v, 185v, 190v), fünf leiten klassische Stundenbuchtexte ein (14v, 60v, 72v, 95v, 126v), zwei schmücken kleinere Gebetseinheiten (172v, 180v), eines steht dem Büchlein als Eröffnungsbild voran (1v). Vor Blatt 182 fehlt möglicherweise eine Miniatur mit der hl. Anna. Der von Dickmann ([2004] S. 290) angenommene Verlust einer weiteren Miniatur vor Blatt 188 (hl. Bernhard) ist fragwürdig: Zum einen gehört der zwischen 187/188 befindliche Falz zur hinzugebundenen Miniatur 190, zum anderen beginnt das entsprechende Gebet nicht wie alle anderen mit Miniaturen ausgezeichneten Texte oben auf der Seite, sondern erst in der dritten Zeile.
Farben:
Als Grundfarbe tiefes Blau, Grün, Rot, welches durch unterschiedlich dicht gestrichelten Farbauftrag zu Rosa mutiert, daneben Weiß, Beige, Ocker, Mittel- und Dunkelbraun, Grau, Graublau, Schwarz, Hellblau, sehr lichtes Violett, Gelb. Außer Rosa wurden Beige und Violett, selten Blau und Grau nicht deckend aufgetragen. Bis auf 72v stets Blattgold für den Hintergrund. In den Bordüren tauchen neue Farbkombinationen auf: Kräftiges Rot, Blau, Grün wird mit zartem Rosa bzw. Violett kontrastiert; grüner und roter Akanthus mit Gelb abgesetzt, während diese Töne in den Miniaturen sonst dunkel abschattiert sind. Im Gegensatz zum Meister des St. Petersburger Liber precum, der seine Karriere wohl mit Tüchleinbildern begonnen hat (Marrow in: Logutova/Marrow [2003] S. 145 f., Dickmann [2004] S. 284–286), verwendet der Meister des Stundenbuchs der Mechthild von Hessen seltener durchlässige, sondern deckende Buchmalerfarben.
Literatur:
Borland (1916) S. 84–87, Nr. 46, Pl. XIII (14v+15r). – Behrend (1906) mit Durchpausen der Miniaturen auf 124v, 122v und der Initialen auf 127r, 15r, 96r; Vollmer (1933) S. 268; Rost (1939) S. 340; Gummlich (2003) S. 209, 222, 224, Abb. 28 (60v); Marrow in: Logutova/Marrow (2003) S. 115, 118, Abb. 11 (14v), 18 (183v); Dickmann (2004) S. 288–292, 298 f., 301, Abb. 5.22.01–5.22.23 (alle Miniatur- und Zierseiten bis auf 120v, außerdem 184r).