KdiH

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43.1.190. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 1847

Begonnen von Regina Cermann, fortgeführt von Isabel von Bredow-Klaus

Ergänzung zum gedruckten KdiH

Datum der Veröffentlichung: 15.02.2021

Datierung:

1537.

Lokalisierung:

Halle (99r).

Besitzgeschichte:

Kardinal Albrecht von Brandenburg (Porträt 9v, 98v, Kolophon 99r), nach dessen Tod im Besitz der Mainzer Dombibliothek (vgl. von der Gönna [1982] S. 62), Schenkungsvermerk des Kurfürsten Johann Schweikart von Cronberg, Erzbischof von Mainz 1604−1626, an Kaiser Ferdinand II. 1623 (Ir COD. MS. THEOLO. N. 497), danach in der Hofbibliothek, dann in der Kaiserlichen Fideikommiß-Bibliothek (1r Ex Bibliotheca Caes. Viennensi), die 1920 in der Nationalbibliothek aufging.

Inhalt: Andachtsbuch vom Leiden Christi für Kardinal Albrecht von Brandenburg Parallelhandschrift von Nr. 43.1.108. Los Angeles, Ms. Ludwig IX 19 und 43.1.111. Modena, Biblioteca Estense, alfa.u.6.7
1r−99r

Thomas von Kempen, ›Orationes et Meditationes de Vita Christi. Tractatus prioris‹, deutsch: ›Gebet und Betrachtungen des Lebens des mitlers gotes‹, wohl Abschrift von VD 16 D 1305, gedruckt 1521 bei Grimm & Wirsung, Augsburg, ohne Titelblatt Ü: Von dem gantzen Leben des Mitlers Gottes vnd der Menschen Jesu christi: Zcum ersten, eyn Dancksagung vnd gebete, gott zulobenn, vnnd leyttende zu andacht A: Got meyn herr, ich beger dich zu loben, wan dich zuloben bekenne ich mich beschaffen seyn. Thu auff meynen munde, in deynem lob, das ich singe die eer deinem nhamenn Erweck meyn hertz in dich ...

Pohl 5 (1902) S. 4−214.
2v

Miniatur: Erschaffung Evas. Im Hintergrund Vertreibung. Bordüre: Erschaffung der Vögel und Fische

4v

Miniatur: Verkündigung an Maria. Bordüre: Gideon kniet vor dem mit Tau benetzten Vlies I: Iud: VI

6r

Miniatur: Geburt Christi. Bordüre: Moses vor dem brennenden Dornbusch. EXODI: 3

8v

Miniatur: Beschneidung Christi. Bordüre: Beschneidung Isaacs. GEN: 21

9v

Miniatur: Jesusknabe, umgeben von Engeln mit den Marterwerkzeugen. Zwei Medaillons mit Profilköpfen in Grisaille (links Kardinal Albrecht von Brandenburg nach Dürers Großem Kardinal [B 103], rechts nicht identifiziert). Bordüre: Verehrung des Namens Jesu

10v

Miniatur: Anbetung der Könige. Bordüre: Die Königin von Saba vor König Salomon. 3 RE: 10

12v

Miniatur: Darbringung Jesu im Tempel. Bordüre: Samuel wird zu Eli gebracht. I [Re:] 1

13v

Miniatur: Flucht nach Ägypten. Bordüre: Michal verhilft David vor den Häschern Sauls zur Flucht. I RE: 27

15r

Miniatur: Bethlehemitischer Kindermord. Bordüre: Athalia lässt die Königskinder umbringen. 4 RE 14

16r

Miniatur: Der 12-jährige Christus im Tempel. Bordüre: Saul wird von Samuel dem Volk als König vorgestellt, rechts in brauner Grisaille. I RE 14

17v

Miniatur: Taufe Christi. Bordüre: Durchzug durch das Rote Meer EXO 1[4]

18v

Miniatur: Die drei Versuchungen Christi durch den Teufel. Bordüre: Christus in der Einsamkeit

20v

Miniatur: Auferweckung des Lazarus. Bordüre: Elias erweckt den Sohn der Witwe von Sarepta. 3 REG: 17

22v

Miniatur: Einzug Christi in Jerusalem. Bordüre: David kehrt siegreich mit dem Haupt des Goliaths zurück. I RE 14

24v

Miniatur: Letztes Abendmahl. Bordüre: Begegnung Abrahams und Melchisedechs. GEN: 14

25v

Miniatur: Fußwaschung: Bordüre: Abraham wäscht den drei Engeln die Füße. GEN: 18

27v

Miniatur: Verrat des Judas und Auszahlung seines Lohnes. Bordüre: Josef wird von seinen Brüdern verkauft. GEN: 37

28v

Miniatur: Gebet Christi am Ölberg. Bordüre: David bittet Gott um das Ende der im Volk wütenden Pest. 2 RE: 24

30v

Miniatur: Gefangennahme. Bordüre: Joab ersticht Abner. 2 RE: 3

32r

Miniatur: Abführung Christi. Bordüre: Abführung des Achior. IVDI 5

33v

Miniatur: Flucht der Jünger bei der Gefangennahme. Bordüre: Architektur, Engel schießt mit Bogen

35v

Miniatur: Christus vor Annas. Bordüre: Michäas weissagt König Achabs Tod. 3 RE 22

36v

Miniatur: Verleugnung Petri. Bordüre: Blüten und Pretiosen

38r

Miniatur: Christus vor Kaiphas. Bordüre: Jeremias vor dem König Sedekias. 3 RE 26

41r

Miniatur: Christus vor Pilatus. Bordüre: Gefangener Prophet vor einem König. willkürliches Schriftzitat 3 RE 26

42v

Miniatur: Christus wird im weißen Kleid vor Pilatus gebracht (diese mit der folgenden Miniatur wie in Modena vertauscht). Bordüre: Hasenjagd

43v

Miniatur: Christus vor (Pilatus) Herodes. Bordüre: Hirschjagd

46r

Miniatur: Geißelung Christi. Bordüre: Job im Elend. IOB: 1

47v

Miniatur: Dornenkrönung. Bordüre: Simei bewirft David mit Steinen. 2 RE 16

49r

Miniatur: Ecce homo. Bordüre: Die Vision des Zacharias. ZAHA: 3

51v

Miniatur: Handwaschung des Pilatus. Bordüre: Das Volk vor König Cyrus. DANIEL 19

53v

Miniatur: Kreuztragung Christi. Bordüre: Abraham und Isaak auf dem Weg zur Opferstätte. GEN: 22

56v

Miniatur: Kreuzigung. Bordüre: Opferung Isaaks. GEN 22

60r

Miniatur: Schmerzensmann. Bordüre: Thronsaal. Monogramm GG

69v

Miniatur: Tafel mit der Kreuzesinschrift Jesu. Bordüre: Blumen

71v

Miniatur: Maria und Johannes unter dem Kreuz. Bordüre: Die eherne Schlange

74r

Miniatur: Mater dolorosa, umgeben mit den Szenen der sieben Schmerzen Mariens. Bordüre: Entenjagd

88v

Miniatur: Lanzenstich. Bordüre: Erschaffung Evas

91r

Miniatur: Joseph von Arimathia bittet Pilatus um den Leichnam Christi. Bordüre: Wildschweinjagd

93r

Miniatur: Beweinung. Bordüre: Naemi trauert um um ihren Mann und ihre Söhne. RVTH NOLITE ME VOCARE NOEMI SED MARAAM

96v

Miniatur: Grablegung. Bordüre: Jonas wird ins Meer geworfen

98v

Miniatur: Verehrung der fünf Wunden Christi mit Kardinal. Bordüre: Engel halten als Wappenschilde die Marterwerkzeuge Christi. Miniatur oben mit 46 beschriftet

99r

Kolophon Got dem almechtigen zu lob vnd milter betrachtung des bitteren leydens Jesu christi vnsers seligmachers. Durch den hochwirdigsten In got vater Herrn Albrechten Cardinaln Legatum natum Etzbischoffen zu Magdeburg vnd Meyntz etc. Bestalt vnd geschrieben In der Ertzbischofflichen stad Hall Anno domini 1537. Geendet am 25 tag Septembris.

100r

Kupferstich: Albrecht Glockendon, Erschaffung Adams (1541)

I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 100 Blätter, ein Vor- und ein Nachsatzblatt, 235 × 182 mm, beschnitten, Bastarda mit Cadellen und ausschwingenden Zierstrichen von einer Hand: Georg Stierlein (Biermann [1975] S. 213–219, schreibt demselben auch Aschaffenburg, Ms. 8 und Ms. 9 und Bamberg, Msc. Lit. 119 zu; Merkl [1999] S. 487, 489; Georgi [2006a]; Thoss [2008] S. 7), einspaltig, 33 Zeilen + Reklamant (ab 12), Schriftspiegel unten und an den Seiten rot ausgegrenzt, 180–200 × 125 mm, 75 Initialen: eine zwölfzeilige (1r), zwei achtzeilige (38v, 96r), 27 siebenzeilige, 26 sechszeilige, sieben fünfzeilige, zwei vierzeilige (95v), zehn dreizeilige Initialen (94v–95v), zwei Initialen mit Schrift (Ps. 21,19 [63r] , Jes. 53,2 [86v]), Rubriken, rote und blaue einzeilige Lombarden, zahlreiche Cadellen. Das Titelblatt und die Wappenseite sind womöglich bei der Neubindung 1755 abhanden gekommen, hierbei wurden zum Schutz der Miniaturen Papierblätter mit eingebunden.

II. Bildausstattung:

42 ganzseitige Miniaturen, obwohl die letzte Miniatur auf Blatt 98v mit 46 bezeichnet ist, ein Kupferstich (100r), eine Bordüre (1r). Zudem Akanthusranken, die von den Initialen ausgehen, eine Ranke mit einem Rosenzweig (77v).

Als Vorlage für die Miniaturen dienten sowohl die Handschrift Los Angeles, The J. Paul Getty Museum, Ms. Ludwig IX 19, Nr. 43.1.108. (S. Bening) als auch Modena, Biblioteca Estense, alfa.u.6.7, Nr. 43.1.111. (N. Glockendon), beide gleichfalls für Kardinal Albrecht von Brandenburg verfertigt. Steinmann (1964, S. 156) hat nachgewiesen, dass dieser Text nicht vom Druck, sondern von Nr. 43.1.108. abgeschrieben worden ist, Merkl (1999, S. 488, Anm. 746) hält dies jedoch nicht für gesichert, Brinkmann/Georgi (2006, S. 294) nennen es dagegen aufgrund von Abweichungen unter den Texten gesichert, dass der Druck als Vorlage gedient habe.

Miniaturen von Gabriel Glockendon (zuletzt Merkl [1999] S. 489; Thoss [2008]; Bilderwelten [2016] S. 178). Früher fälschlich Georg Glockendon d. Ä. zugeordnet (Zusammenfassung der älteren Forschung bei Merkl [1999] S. 101). Sein Monogramm GG steht auf 60r, der Initialschmuck stammt von Georg Stierlein (Monogramm GS 38v, Signatur 80v).

Format und Anordnung:

130−133 × 85−90 mm, mit Bildrahmen 168−172 × 113−125 mm mit schlichten, goldenen Leisten, die mit Rot, Schwarz oder Grün abgesetzt werden. Die szenischen Bordüren mit alttestamentlichen Darstellungen umgeben die ganzseitigen Miniaturen wie im Glockendon-Gebetbuch in Modena (Nr. 43.1.111.). Deutlich wird auch hier wie in Modena, dass zuerst die Miniaturen angefertigt und um diese herum der Text geschrieben wurde, so dass die Textanfänge nicht immer neben den Miniaturen stehen, sondern nur in deren Nähe. Zuletzt wurden die Ranken und Initialen eingefügt, die den Text öfter überschneiden. Nur der Textbeginn auf 1r trägt eine Bordüre mit Renaissancemotiven und Akanthus auf Goldgrund. Auf einigen Blättern ist auf dem breiten Rand eine kleine Tafel zu sehen, welche die Bibelstelle der in der Bordüre abgebildeten alttestamentlichen Szene angibt. Die Miniaturen sind ohne Rücksicht auf die Positionierung der Bordüren recto oder verso eingeheftet. Bei der schnitt- oder bundseitigen Bordürenanordnung orientierte sich Gabriel Glockendon häufig an Nikolaus Glockendon, obwohl diese auch schon bei Nikolaus meist keine Relevanz hatte. 24 der 42 Bordüren sind falsch angelegt oder die Blätter falsch eingeheftet, bevor der Schreiber begonnen hat. Bei sechs Bordüren entschied Gabriel Glockendon sich extra für eine seitenverkehrte Darstellung in den Bordüren (16r, 18v, 28v, 35v, 38r, 71v). Bei drei weiteren übernahm er die Konzeption der Bordüre so wie im Getty-Andachtsbuch in Los Angeles Nr. 43.1.108., obwohl N. Glockendon diese seitenverkehrt übernommen hatte. Er führte sie somit auf die ursprüngliche Anordnung zurück (32r, 49r, 53v). Offenbar war demnach eine durchdachte Anordnung geplant, die aber durcheinander geriet. Bei den Versoseiten ermöglichte ihm das eine bessere Anordnung des breiteren Randes an der Außenseite, nicht aber bei den Rectoseiten. Der Text übernimmt eine typische Eigenheit des gedruckten Buches indem er den Schriftspiegel durch zentriertes Verkürzen der Zeilen an den Kapitelenden konisch schmaler werden lässt.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Miniaturen zeigen einen sehr figuren- und detailreichen, kleinteiligen Bildraum, wodurch sie häufig überladen wirken. Dieser Filigrandekor erstreckt sich vor allem auf Architekturteile wie Bögen, Säulen, Architrave, Wanddekor und die bunt gemusterten Fußböden. Die weitläufigen Landschaften im Hintergrund vieler Miniaturen dagegen vermitteln eine luftige Weite, die durch zahlreiche Bäume und Büsche strukturiert wird. Glockendon arbeitete sehr routiniert und technisch versiert. Einige Figuren, vor allem Jesus, sind manieriert überlängt (18v, 25v, 32v), dabei aber nie schlank, sondern trotzdem kräftig proportioniert. Vor allem durch Schlaufen und Faltentäler entstehen kurvige Gewänder. Die sehr kleinen Köpfe mit ihren schmalen, spitzen Nasen, hohen Stirnen und Spitzbärten können kaum Ausdruck vermitteln. Im Verhältnis zu den Vorlagen verwendet Glockendon vermehrt Renaissancemotive (12v modernisierte Kapelle, 24v Palladiomotiv, 27v Pilaster, Statuen, 46r und 47v Fries, 74r Girlanden). Er modernisierte nicht nur die Architektur und Ausstattung, sondern auch die Kleidung der Dargestellten (27v und 30v Hüte, Pumphosen, Strümpfe, 33v Ausschnitt, Rüstung, Strümpfe, 35v Kettenhemd, 42v, 43v und 46r geschlitzte Hosen, 88v Zipfelmütze, 98v Pelze). In den Bordüren finden sich einige von Cranach inspirierte Jagdszenen (42v, 43v, 74r, 91r) statt der Bordüren der Vorbilder, auf denen Architektur- oder Blumenarrangements waren. Zudem nutzt Glockendon Renaissance-Architekturelemente in den Bordüren (1r, 33v, 35v, 36v, 93r), die er wie schon Nikolaus Glockendon in die Streublumen (36v) oder in eine Szene (93r) integriert. Eine reine Streublumenbordüre findet sich nur einmal (69v). Zwar orientiert sich Glockendon sehr eng an den beiden älteren Vorlagen, aber durch kleine Änderungen in den Motiven schafft er einen anderen Eindruck von mehr luftiger Weite. Er verbessert beispielsweise die Komposition der Anbetung der Könige, indem er den 2. König nicht mehr sein Geschenk direkt auf dem Kopf des ersten abstellen lässt, wie es in der flämischen Tradition ungeschickterweise erschien. Er entzerrt dadurch die Szene, dass er stattdessen den ersten König Christi Füße küssen und das Kind nach der Schatulle greifen lässt. Zudem öffnet er die Rückwand des Gebäudes und ermöglicht einen weiten Blick in die Landschaft. Nachtszenen gelingen ihm nicht überzeugend, zum Beispiel die Verhaftung Jesu (33v) übermittelt keinen Eindruck von Dunkelheit, die Fackeln brennen am helllichten Tag. Bei der Schöpfung kehrt Glockendon wieder zur Beningschen Vorlage zurück und gibt nur Vögel und Fische wieder, keine Landtiere. Der Pfau beim Sündenfall spiegelt sich im Wasser, was Bening nicht berücksichtigt hatte, Nikolaus aber schon und erst recht Gabriel, der ein feines Spiegelbild entwirft.
Wie im Este-Andachtsbuch in Modena Nr. 43.1.111. ordnet Glockendon die alttestamentlichen Präfigurationen in den Bordüren um die neutestamentlichen Hauptbilder an. Viele Miniaturen und Bordüren sind direkte Übernahmen der beiden Vorlagen von Simon Bening und Nikolaus Glockendon. In einigen Miniaturen wird deutlich, dass Glockendon beide Werke vorlagen, da er mit Vorlagen aus beiden älteren Handschriften arbeitete und nur sehr wenige andere Vorlagen hinzuzog.

Gabriel Glockendon übernahm 19 Miniaturen, die sich im Getty-Andachtsbuch Nr. 43.1.108. und im Este-Andachtsbuch Nr. 43.1.111. befinden (6r, 8v, 9v, 16r, 18v, 24v, 20v, 27v, 28v, 30v, 32r, 33v, 36v, 42v, 43v, 49r, 56v, 60r, 88v, 98v). Hierbei nahm er jedoch einige wenige Änderungen vor: bei der Verehrung des Jesuskindes 9v ergänzte er zwei Medaillons mit Profilköpfen in Grisaille (links Kardinal Albrecht von Brandenburg nach Dürers Großem Kardinal [B 103], rechts nicht identifiziert), beim Abendmahl 24v tauschte er die Person des Judas. Dieser ist nicht mehr die Rückenfigur im Vordergrund, sondern sitzt rechts daneben. Die Rückenfigur und die Christus- und Johannesgruppe sind wie bei N. Glockendon nach Dürer (B 114) angelegt. Die Auferweckung des Lazarus (20v) ist volkreicher gestaltet und für die Kreuzigung 88v und Allerheiligen 98v übernahm Gabriel die erweiterten Versionen Nikolaus’, die auf Benings Vorlagen zurückgehen.
Sechs andere Miniaturen kopieren Vorlagen aus dem Getty-Andachtsbuch, die Nikolaus nicht übernommen hatte (25v, 47v, 51v, 53v, 96v). Eine weitere Miniatur, die Verehrung der Inschriftentafel auf 69v, ist dichter an Getty als an der ähnlichen Darstellung in Modena, hat aber einen anderen Charakter und benutzt wiederum eine andere Textvorlage. Gabriel Glockendon müssen somit die beiden anderen Exemplare des Textes von Albrecht zur Verfügung gestellt worden sein.

In der Regel hat Gabriel Glockendon auf den kleinen Schrifttafeln die Bibelstellen von Bening übernommen, nur auf 38r schreibt er 3 RE 26 statt bei Bening Jere 26. Deutlich zeigen sich diese Übernahmen, wenn Bening eine falsche Stelle angegeben hat, Nikolaus diese korrigiert hat und Gabriel dennoch die falsche von Bening übernommen hat (z. B.: 46r IOB: 1 müsste Job 2 sein). Nur auf 51v übernimmt Gabriel die Falschkorrektur von Nikolaus mit DANIEL 19 statt 14. Er nahm ein paar Änderungen an den Zitaten der Bibelstellen vor, die aber in der Regel keine Verbesserungen brachten (beispielsweise 1 RE 1 der Vorlagen zu 1 RE 15, aber auch das ist falsch, richtig wäre 1 RE 10).
Für 14 Miniaturen (2v, 4v, 10v, 12v, 22v, 24v, 35v, 38r, 41r, 46r, 71v, 74r, 91r, 93r) und zwei Bordüren (17v, 38r) stellte er Kombinationen aus beiden Vorlagen her. Er kombinierte zweimal auch eine Miniatur aus dem Getty-Andachtsbuch mit einer Bordüre aus dem Modenenser (28v, 32r) oder schuf die Miniatur nach Modena und den Rand nach beiden Vorlagen (38r). Da er beide Vorlagen benutzte, die im Besitz Albrechts waren, liegt es nahe, dass er in Halle gearbeitet hat, nicht in Nürnberg. Dort hätte er sicherlich noch mehr Vorlagenmaterial zur Verfügung gehabt. Gabriel Glockendon benutzte aber nicht nur diese beiden Andachtsbücher als Vorlage, sondern übernahm für drei Miniaturen andere Vorlagen. Die Flucht nach Ägypten (13v) entlehnte er aus dem Stundenbuch Albrechts von Brandenburg in Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 9, 32v von Nikolaus Glockendon, die Figurengruppe in der Mitte des Bethlehemitischen Kindermords (15r) seitenverkehrt aus dem Gebetbuch des Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg (Kassel, LB, Mss. math. et art. 50, 44r), ebenfalls von Nikolaus Glockendon. Dürers Säule mit dem Satyrn in der Bordüre auf 36v wurde aus dem Gebetbuch Kaiser Maximilians (München, 2 L.impr.membr. 64., 19r) kopiert, das sich wohl zeitweilig in Kardinal Albrechts von Brandenburg Besitz befand (vgl. Bilderwelten [2016] S. 178, Abb. S. 179). Der kolorierte Kupferstich mit der Erschaffung Adams (100r) ist ein Kupferstich von Albrecht Glockendon. Nur die Taufe Jesu (17v) scheint unabhängig von den Vorlagen.

Bildthemen:

Bei den Bildthemen übernimmt Gabriel Glockendon grundsätzlich die Vorlagen. Siehe hierzu ausführlich unter Nr. 43.1.108. und 43.1.111. Dargestellt wird die Erschaffung Evas, an die sich ein Zyklus von Bildern aus dem Leben und Leiden Jesu von der Verkündigung an Maria bis zur Bitte Josephs von Arimathäa um den Leichnam Christi anschließt. Gabriel vertauschte die Miniaturen 42v und 43v der verschiedenen Vorführungen Christi vor Pilatus und Herodes wie in Nr. 43.1.111., deutlich zu sehen am Text und an der Kleidung Christi. Bei den Bordüren nahm er einige wenige Änderungen vor: bei der Flucht nach Ägypten verzichtet er auf die Erbsen der beiden Vorlagen, auf 36v bei der Verleugnung Petri ergänzt er dagegen Pretiosen. Wo Bening und N. Glockendon die Bordüren mit Architekturen oder Blumen versehen hatten, gab Gabriel Glockendon auf vier Bordüren Jagdszenen wieder (42v, 43v, 74r, 91r). Auf 60r umgibt den Schmerzensmann ein Thronsaal statt Streublumen und auf 93v ergänzte Gabriel den Text zur trauernden Ruth. Die Initialen mit Schrift nennen direkt die typologischen Bibelstellen zum folgenden Text der Zerreißung der Kleider Christi (Ps. 21,19 [63r]) bzw. zum Anblick Christi am Kreuz (Jes. 53,2).

Farben:

G. Stierleins Farben sind stumpf (Muschelgold, oft geritzt, Blau Rot, Orange, Hellviolett, Grün, Blassgrün, selten Gelb). Gelbe und weiße Höhung.

G. Glockendon: reiche, leuchtende Palette (Rotorange, Rot, Rosa, Violett, Grau, Weiß, Blau, Hellblau, Grün, Braun, Gelb, Hellbraun, Pinselgold). Changierende Farben.

Literatur:

Denis I,3 (1795) Sp. 3183–3185 (Nr. 949); Tabulae 1 (1864) S. 294 (Nr. 497); Unterkircher (1957) S. 52; Unterkircher 4 (1976) S. 20, Abb. 137. – von der Gabelentz (1899) S. 59f.; Holter/Oettinger (1938) S. 149f.; Steinmann (1964) S. 150−157, 159; Fabich (1972) S. 147f., Nr. 18; Biermann (1975) S. 18f., 146f., 205−212, 217, 249−251, 257f., Abb. 183 (60r), 282 (6r), 283 (15r); Das Gebetbuch des Kardinals Albrecht von Brandenburg (1980) S. 28–30; Plotzek (1982) S. 311f.; Tacke (1992) S. 167f.; Merkl (1999) S. 19, Nr. 10, S. 99, 102, 487−490, Nr. 128, Abb. 454, 457−461 (9v, 36v, 27v, 60r, 96v, 98v); Christ ist geboren (2006) S. 88, Abb. 20 (6r), S. 127, Abb. 17 (10v), S. 132, 152f., Abb. 13 (8v), S. 190f., Abb. 15 (15r); Georgi (2006a); Brinkmann/Georgi (2006) S. 294, 297, 304; Taylor Cashion (2006) S. 141f.; König (2006) S. 105; König (2006a) S. 82; Thoss (2008); Cermann (2010) S. 22 Anm. 7, 89; Pfändtner (2016) S. 89f.; Cermann (2018) S. 271.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus; manuscripta.at