KdiH

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43.1.56. Esztergom (Gran), Föszékesegyházi Könyvtár, Mss. III. 171

Bearbeitet von Regina Cermann

KdiH-Band 5

Datierung:

Anfang 16. Jahrhundert (nach 1501 [erste deutsche ›Hortulus animae‹-Ausgabe]).

Lokalisierung:

Augsburg (1v, 2r Nennung von Afra [Sich aber an mich armen … mit den augenn deiner barmhertzigkaytt mit welchenn du hast angesehenn … Affram Jn dem gemaynenn hauß …; … Mitt der hayligenn affra …] bzw. 3v Ulrich und Afra u. a. im Schuldbekenntnis; 9v, 10r Erweiterung der Litanei um Ulrich, Simpert und Afra; 94r–98r Gebete zu Ulrich, Afra, Simpert). Mit einem ›Gilgengart‹-Druck [Augsburg: Hans Schönsperger d. Ä., um 1520] zusammengebunden.

Besitzgeschichte:

Von derselben Hand wie Nr. 43.1.34. geschrieben, daher möglicherweise der Bibliothek des Presbyters Balthasar Blutfogel († 1516) in Bártfa zuzuweisen. 159[0?] JKP (*1r). Am 26. 7. 1830 hat Professor Johannes Pribelyi das Buch, das er von seinem Schüler Johannes Schulcz erhalten hatte, der Bibliothek des Domkapitels in Tyrnau geschenkt (*9r). Auf modernem Vorsatzblatt durchgestrichene Signatur GH. VI. 24 (Iv). 1853 mit Rückkehr des seit 1543 aufgrund der Türkenherrschaft nach Tyrnau verlegten Kapitels nach Esztergom überführt.

Inhalt: Gebetbuchfragment, wohl weitgehend exzerpiert aus einer der seit 1501 auf Deutsch vorliegenden ›Hortulus animae‹-Ausgaben (vgl. Nr. 43.1.191.: Abschrift einer verlorenen Ausgabe von 1510, vgl. Dörnhöffer [1907–1911]; über keine Entsprechungen im Druck verfügen die Texte auf 1r–4r, 17r–17v, 24v, 25v–26v, 32r, 38v–39v, 46r–47v, 51v–53r, 54v–58r, 82r–82ar, 84r–88r, 94r–98r, 106r–129r; diese Erweiterungen liegen z. T. in Nr. 43.1.197., 21r–21v, 29r, 30r–30v, 36v, 69v–70v, 57r–58r, 64r–65v, 110r–110v vor, wo auch die anderen Texte größtenteils vorkommen); eingebunden zwischen Teilen eines kolorierten ›Gilgengart‹-Drucks.

*1r–*19r

Anfang und Schluß eines ›Gilgengart‹-Drucks (Clemen [1913] a8, bj–bvij, ov–oviij)

1r–1v

Einleitungsgebet zu Tagzeiten vom Mitleiden Mariens oder anderen Gebeten Herre thu mir auff mein leffzenn vnnd mein mundt wirt verkundenn dein lob (Ps. 50,17) Maria ker dein barmhertzige augenn zu mir

1v–4r

Vorbereitungsgebet zur Messe Herre Jhesu xp̄e der du die welt in deinem plut hast erloͤst erhoͤre mich armen sunder …, Schuldbekenntnis

4r–7v

Anderes Schuldbekenntnis und Gebete als Vorbereitung zur Messe (vgl. Nr. 43.1.191., 341v–347v; Haimerl [1952] S. 146, Anm. 907–911)

8r–13r

Litanei (Reihe der Bischöfe aus dem ›Hortulus animae‹ erweitert um Ulrich und Simpert, der Jungfrauen und Witwen um Afra u. a.), Fürbitten, Gebete (vgl. Nr. 43.1.191., 149r–159r)

13v–16r

Acht Morgengebete, z. T. mit Ablaß In dem namen vnnßers herren Jhū xp̄i des gecreutzigitten stand ich auff … (vgl. Nr. 43.1.191., 168r–172r; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 864)

16r–22r

Fünf Dankgebete (vier vgl. Nr. 43.1.191., 172r–181r; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 865)

22r–25v

Fünf Empfehlungen zu Gott und Maria (vier vgl. Nr. 43.1.191., 181r–185v; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 866; Nr. 1–4)

25v–28r

Drei Gebete an Christus und an Maria, um ein seliges Ende zu erwerben (zwei vgl. Nr. 43.1.191., 185v–188v; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 866, Nr. 5)

28v–29v

Gebete beim Verlassen des Hauses, beim Betreten einer Kirche (vgl. Nr. 43.1.191., 188v–190v; Haimerl [1952] S. 140 f., Anm. 867, 868)

29v–32r

Sechs Gebete zur Hl. Dreifaltigkeit, eines mit Ablaß von Papst Martin (fünf vgl. Nr. 43.1.191., 190v–194v; Haimerl [1952] S. 141, Anm. 869)

32r–36v

Abendgebete (vgl. Nr. 43.1.191., 160r–167v; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 863)

36v–37r

Passionsgebet, mit Ablaß O du vnsprungklicher [!] prunn aller weyßhaytt wie bistu so gar versiegenn, (vgl. Nr. 43.1.191., 120r–121r; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 861; Kornrumpf [1987] Sp. 1271 f., Version C)

37r–38v

Anaphorisches Tagzeitengebet zum Leiden Christi, mit Ablaßkraft von 1000 Paternoster und Ave Maria Alle herschafft dienett alle weyßhaytt sorgette … (vgl. Nr. 43.1.191., 121r–123r; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 862)

38v–39v

Lesung für Mittwoch vor Ostern (Prophezeiung des Leidens Christi) In den tagenn sprach ysaias der prophet herre wer hatt geglaubt vnßerm gehör … (Is 53,1–12)

39v–43r

Johann von Neumarkt, ›Tagzeiten vom Leiden Christi‹ (Paraphrase des Hymnus ›Patris sapientia‹, deutsch; vgl. Nr. 43.1.191., 99r–105r; Haimerl [1952] S. 139, Anm. 851; Klapper [1935] Nr. 1,2–13)

43r–45r

›Bedas Gebet von den sieben letzten Worten Christi am Kreuz‹ (vgl. Nr. 43.1.191., 105r–107v; Haimerl [1952] S. 139, Anm. 852)

45r

›Fünf Worte‹ O lieber herre Jhū xp̄e Ich beger das dein hayliger name sey mein letztes wort … (vgl. Nr. 43.1.191., 107v–108r; Haimerl [1952] S. 139, Anm. 853)

45r–47v

Zwei Gebete zu den fünf Wunden Christi (eins vgl. Nr. 43.1.191., 108r–109v; Haimerl [1952] S. 139, Anm. 854)

47v–48v

Gebet, vor einem Kruzifixus zu sprechen, mit soviel Tagen Ablaß von Papst Gregor III. versehen, wie Christus Wunden zählte (fungiert andernorts als Gebet zur Wandlung), angeblich auf Bitten eines englischen Königs (sonst Königin) geschehen Ich bitte dich aller liebster herre Jhū xp̄e durch die aller höchstenn liebe … (vgl. Nr. 43.1.191., 113r–114r; Haimerl [1952] S. 139, Anm. 856)

48v–49v

Passionsgebet nach einer Steininschrift in S. Giovanni in Laterano, mit Ablaß von Papst Bonifatius VIII., bestätigt von Papst Benedikt XI., hier Augustinus zugeschrieben O herre Jhū criste, ayn sun des lebendigen gottes, der du vmb vnnßer erlößung willenn … (vgl. Nr. 43.1.191., 114r–115v; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 858)

49v

›Anima Christi‹, deutsch (vgl. Nr. 43.1.191., 115v–116r; Haimerl [1952] S. 140 Anm. 859)

49v–51r

Passionsgebet Gregors d. Gr., ›Adoro te in cruce pendentem‹, deutsch (siebenteilig), mit Ablaß (vgl. Nr. 43.1.191., 110r–111v; Haimerl [1952] S. 139, Anm. 855)

51v–53r

›Die drei Geschoß‹, am Karfreitag zu beten O herre Jhesu christe, warer gott von warem gott

53r–54v

Gebet zu den Gliedern Christi, mit Ablaß Seyest gegruͤst du hayliges haupt vnsers behalters Jhū christi … (vgl. Nr. 43.1.191., 117v–120r; Haimerl [1952] S. 140, Anm. 857)

54v–56v

Sieben Gebete zu Christus: O Aller guͤttigister herre Jhū xp̄e Ich bitt dich du woͤllest auff mich sehen mit den augenn deiner barmhertzigkayt … (mit Ablaß), O Guter Jhesu in dein hende beuilhe ich meyn gayst …, O herre gott ainen armen suͤnder bekenn ich mich …, Kvm herr du suͤsßer Jhū der du bist ain mitler …, O liber herre Jhū xp̄e Du bist vmb vnnsern willenn kommen auff dis ertrich … (für ein seliges Ende), Macht des almechtigenn vatters Des aingebornenn sun krafft des hayligenn gaystes … (Pestgebet), O herre Jhū xp̄e mit deiner erbermde ward ich geborn

56v–58r

Sieben Worte Christi am Kreuz Das erst wortt + Vatter vergib yn …, anschließend Gebet Ich beuilhe mich heút vnnd ewiglichenn in dein krafft

58r–58v

Anfang des Johannesevangeliums (Io 1,1–14; vgl. Nr. 43.1.191., 421r–422v)

59r–65v

Zyklus von Kommuniongebeten, beginnend mit ›Sant Bernhartz Curß‹ (vgl. Nr. 43.1.191., 366r–378v; Haimerl [1952] S. 143, Anm. 897), bricht ab 65van mir volbracht werde, hye ym zeytt vnnd

59r

Historisierte Initiale: Johannes Ev. oder Priester, Kelch segnend

66r–68r

Sechs Gebete zur Elevation (vgl. Nr. 43.1.191., 379v–384r), erstes mit Ablaß von Papst Benedikt Seyest gegruͤsßet du warer fronleichnam vnnsers herrn …, ›Adoro te devote‹, deutsch Ich bette andechtiglichenn an dich verborgene gotthaytt … (Thomas von Aquin zugeschrieben), Gegruͤsset seyestu ain liecht der welt …, O Almechtige kraftt des ewigenn gottes …, Bis wilkum warer gott vnnd auch warer mensch …, O herre Jhū xp̄e ain sun des lebendigen gottes … (auf Bitten König Philipps von Frankreich von Innozenz VI. mit Ablaß versehen)

68v

Gebet zum Empfang des Weihwassers O herre gott verleych mir durch diße geschoͤpffde des geweychtenn wasßers gesunthaytt … (vgl. Nr. 43.1.191., 408v–409r)

69r–69v

Zwei Gebete zum Schutzengel (vgl. Nr. 43.1.191., 217r–219v), zweites bricht 69v ab … des alles hastu mich nye lasßen entgelten (ca. ein Blatt Textverlust)

70r–70v

Suffragium zu Johannes Ev. (vgl. Nr. 43.1.191., 241r–242v)

71r–82v

13 Mariengebete (zwölf vgl. Nr. 43.1.191., 195v–213v, 321r–321v, Haimerl [1952] S. 141, Anm. 870, 873, S. 142, Anm. 879): Fünf Schmerzen Mariens (Simeons Prophezeiung, Flucht nach Ägypten, Gefangennahme, Kreuzigung, Grablegung); Reimgebet Maria durch deines kindes plut … (Wackernagel [1864–1877] Bd. II, Nr. 61); Gebet vom Mitleiden Mariens, St. Bernhard zugeschrieben O Du rayne zarte erwirdige suͤsse muter vnnd magt …; ›Stabat mater dolorosa‹, deutsch, mit Ablaß von Papst Bonifatius (… vnd hayst zu lateyn Planctus beate marie virginis …, vgl. Nr. 43.1.191., 200v); Gebet zum newenn fest von Mariae Mitleiden Umbkertt ist mein hertz …; 75v Nachtrag: Annengebet; Ablaßgebet von Papst Sixtus IV., vor vnnßer liben frawenn bild in der sunnenn zu sprechen Gegrúsßet seyestu aller hayligste maria …; ›Goldenes Ave Maria‹ (s. 84v–85r), St. Bernhard geoffenbart; ›Sieben irdische Freuden Mariens‹ (Wiederfindungs-Typus); ›Sieben himmlische Freuden Mariens‹ (Überbietungs-Typus); ›Auslegung der fünf Buchstaben des Namens Maria‹; O Maria du gewaltige kuͤnigin der hymel Du haylige kayserin der engel …; O Du ewige dochter des ewigenn vatters O du ewige muter des außerwelten suns …; Ablaßgebet Papst Cölestins Ich bitte dich aller hayligste maria du muter gottes … (›Deprecor te domina mea‹, deutsch), bricht 82v ab … mir armenn sünder N verley, Fortsetzung erfolgt auf eingeklebtem Zettel (82ar) von Nachtragshand vor der zeyt

83r–83v

Aegidius Romanus, ›Salve sancta facies‹, deutsch, hier Papst Johannes XXII. zugeschrieben, mit Ablaß (vgl. Nr. 43.1.191., 339r–340v)

84r–88r

Fünf Mariengebete: Gebet zur Verkündigung Ich grüß dich keusche Jungkfrawe maria mit dem aller süssistenn grus …, ›Goldenes Ave Maria‹ (s. 76r–76v), O werde Jungkfrawe maria O du himelkuͤnigin du zyer der engell …, O Jungkfrawe ob allenn Jungkfrawenn o milte fraw Sancta maria beweyße mir dein genad …, O du haylige keusche gesegnete Jungkfrawe maria O du wirdiger tempel …, bricht 87v ab … Da mit sein nam, Fortsetzung erfolgt 88r von Nachtragshand gebenedeyt sey …

88r–98v

Heiligensuffragien: 88r–88v Ursula mit ihrer Gesellschaft (von Nachtragshand geschrieben, als Patronin einer Bruderschaft angerufen, bricht 88v ab … von dem leib, amen, jn die bruderschaft, Grundgebet vgl. Nr. 43.1.191., 301r–301v), 89r–89v Katharina (vgl. Nr. 43.1.191., 305r–306v), 89v Nachtragshand: Seelengebet, 90r–90v Petrus (vgl. Nr. 43.1.191., 226v–228r), 91r–91v Thomas (vgl. Nr. 43.1.191., 238v–240r), 92r–92v Georg (vgl. Nr. 43.1.191., 251r–252r), 93r–93v Antonius (vgl. Nr. 43.1.191., 267r–268r), 94r–95v Ulrich (fünf), 96r–96v Afra (bricht 96v ab … Dyr ist wol), 97r–98r Simpert (bricht 97v ab … dein hayliger leychnam wardt, auf 98r fortgeführt von Nachtragshand getragen jn die kirchen), 98v Zehntausend Märtyrer (Nachtragshand; vgl. Nr. 43.1.191., 254r–255r)

95v

Miniatur: Bischof Simpert von Augsburg thronend, zu seinen Füßen kniet die Mutter des vom Wolf geraubten Kindes

99r–99v

Suffragium zum Fest Circumcisio domini (vgl. Nr. 43.1.191., 311r–312r)

100r–100v

Suffragium zu den 14 Nothelfern mit Anrufung von 20 Heiligen (vgl. Nr. 43.1.191., 263v–265v; Haimerl [1952] S. 147 f.; Anm. 919–921)

101r–105r

Seelengebete für Vater und Mutter, den siebten und 30., einen/mehrere Jahrestage, einen kürzlich verschiedenen Mann, eine Frau etc. (vgl. Nr. 43.1.191., 491r–500v)

105v

Gebet vom Jüngsten Gericht O gewaltiger richter Barmhertziger vnd gerechter gott … (vgl. Nr. 43.1.191., 500v–501v)

106r–114r

Passion nach Matthäus (Mt 26,1–27,66)

114v–121v

Passion nach Markus (Mc 14,1–15,46), bricht 121v ab vnnd legt yn jn, darunter fortgeführt von Nachtragshand ain grab

114v

Miniatur: Maria Magdalena trocknet Christus die Füße mit ihrem Haar

122r–129r

Passion nach Lukas (Lc 22,1–23,53), bricht 128v ab das sie dise ding sehen, fortgeführt von Nachtragshand auf 129r vnd nym war da was auch ain gerechter guter hofman

129v

leer

130r–135v

Passion nach Johannes (Io 18,1–19,42; vgl. Nr. 43.1.191., 125r–134r)

*20r–*71v

Mittelteil eines ›Gilgengart‹-Drucks (Clemen [1913] ev–eviij, f–l8)
I. Kodikologische Beschreibung:

Handschrift: Pergament (nur Blatt 98 Papier), 135 Blätter + ¼ hohes Blatt (82a), 135 × 95 mm, beschnitten, moderne Bleistiftfoliierung oben rechts. Lagenformel kaum rekonstruierbar, da die Handschrift wegen einstiger reicher Ausmalung schon früh gefleddert worden ist. Anfänglich regelmäßiger Aufbau in Quaternionen (nur das erste Blatt der ersten Lage fehlt), nach Blatt 65 vermehrt Blattverluste; vielfach handelt es sich heute um Einzelblätter, die an Falzen neu – und einige Male offensichtlich falsch (so Blatt 83, 99, eventuell 70) – zusammengeklebt worden sind. Einige Lücken werden durch Textabbruch signalisiert (65v, 69v, 82v, 87v, 96v, 97v, 121v, 128v), wobei größere verlorene Partien bis auf 69v von zwei zeitgenössischen Nachtragshänden auf eingefügten Blättern korrekt ergänzt (82a, 88, 98, 129), kleinere ignoriert (65v, 96v) oder auf dem Blattrand nachgetragen worden sind (121v). Bei den Ausbesserungsmaßnahmen ist eine Vertauschung der Blätter 96 und 97 passiert, denn die Miniatur mit Simpert (95v) eröffnet heute das Gebet zu Afra (96r–96v), während das entsprechende Gebet zum Augsburger Bischof erst auf 97r–98r folgt. Der ›Hortulus animae‹, aus dem die meisten Texte entlehnt sind, bietet nur bedingt Ansatzpunkte für die Rekonstruktion, da die Gebete im vorderen Teil der Handschrift, der einigermaßen intakt sein dürfte, streckenweise schon anders gruppiert sind (zusammenhängende Textblöcke nur auf 13r–32r, 36v–38v, 39v–47v, 47v–49v). Zudem wurde das Korpus mit Texten angereichert, die z. T. spezifisch auf Augsburg zugeschnitten sind (s. o.). Nichtsdestotrotz dürften die Heiligengebete heute künstlich auseinandergerissen und in Unordnung geraten sein (wenn man den ›Hortulus animae‹ als Richtschnur nimmt, ordnen sich die Blätter wie folgt: 69 Schutzengel, 90 Petrus, 70 Johannes Ev., 91 Thomas, 92 Georg, 93 Antonius, 100 14 Nothelfer, 88 Ursula, 89 Katharina). Darüber hinaus dürften ganze Lagen mit Texten fehlen (so die sieben Bußpsalmen [vor Blatt 8]; eine stattliche Anzahl von Heiligensuffragien [vgl. Nr. 43.1.191., 216r–310v; Haimerl [1952] S. 141]; fast alle Gebete zu den Herren- und Marienfesten des Kirchenjahrs [Relikt Blatt 99], vgl. Nr. 43.1.191., 311r–337v; Haimerl [1952] S. 142, Anm. 874 bis S. 143, Anm. 892 [außer Anm. 879]; das Totenoffizium [vor 101]). Haupthand: Bastarda, dieselbe Hand wie in Nr. 43.1.34. (Balthasar Blutfogel?), einspaltig, 23 Zeilen, Rubriken, rote Strichel, Caputzeichen, ein- bis dreizeilige rote und blaue Lombarden. Eine acht- (1r), eine sechs- (13v), sieben fünf- (8r, 32r, 39v, 59r, 69r, 71r, 106r), sieben vier- (66r, 84r, 94r, 99r, 115r, 122r, 130r), 16 dreizeilige Initialen (40r, 50r, 57r, 70r, 76r, 77r, 83r, 86r, 89r, 90r, 91r, 92r, 93r, 96r, 97r, 100r): blauer oder roter Buchstabenkörper, vereinzelt auch Gelb, Grün oder Rosa, umspielt von rotem, blauem oder gelbem Fleuronnée. Drei Nachtragshände: I. 75v, 82ar, 88r–88v, 98r–98v Bastarda, einspaltig, 23–24 Zeilen, Unterstreichungen, einzeilige Lombarden. II. 121v, 129r Bastarda (eigenwillig). III. 89v Hand des 17. Jahrhunderts (?).

Druck: Pergament, 71 Blätter, moderne Bleistiftfoliierung oben rechts (hier mit Sternchen ausgewiesen: *1r–*19r, *20r–*71v). Lagenformel: IV*8 (a8), IV–1*15 (bj–bvij), IV–4*19 (ov–oviij), IV–4*23 (ev–eviij), 6 IV*71 (f–l8). Rote Strichel, Caputzeichen sowie zwei- bis dreizeilige rote und blaue Lombarden von Hand eingefügt.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch (Vizkelety [1969–1973]).

II. Bildausstattung:

Zwei Miniaturen (95v, 114v), wohl mindestens 23 weitere verloren. Eine Federzeichnung in einer der fünfzeiligen Fleuronnéeinitialen (59r). Eine vierzeilige Buchmalerinitiale (101r). – Eine Hand.

Format und Anordnung:

Eine ganzseitige Miniatur, 119 × 80 mm (114v), eine ¾ große, 85 × 73 mm (95v), umgeben von polierten Blattgoldleisten, die mit Schwarz profiliert wurden. An den Ecken und in der Mitte der Leisten jeweils Goldpollen, umkreist von schwarzen Federstrichen, von denen Federbüschel dynamisch ausstreben. Die Miniaturen stehen auf verso-Seiten und leiten einen neuen Textabschnitt ein. Höchstwahrscheinlich fehlt eine beträchtliche Anzahl von Miniaturen, so wohl vor Blatt 1, 66, 69, 70, 71, 76, 77, 83, 84, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 96, 99, 100, 106, 122, 130. Hier hebt der Text stets oben auf einer recto-Seite mit Caputzeichen, Rubrik, Fleuronnéeinitiale neu an, weshalb auf den vorhergehenden Seiten oft drei bis zwölf Zeilen ausgespart wurden. Außerdem dürften Illustrationen zu den verlorenen Bußpsalmen (vor 8), dem Totenoffizium (vor 101) und weiteren Heiligensuffragien existiert haben.

Bildaufbau und -ausführung:

Der deplorable Erhaltungszustand (Blätter stark restauriert an den Fälzen, Pergament wellig, fleckig, Verlust zahlreicher Miniaturen, mehrere Gesichter auf 114v verwischt) sollte nicht darüber hinweg täuschen, daß es sich einst um eine bedeutsame Handschrift gehandelt haben muß. Die Reste der Ausstattung zeigen keinerlei Ähnlichkeit mit Nr. 43.1.34., auch wenn beide Handschriften von derselben Hand geschrieben wurden. Sollte sich die Konjektur mit Balthasar Blutfogel überhaupt als berechtigt erweisen, gälte es vordringlich, die unterschiedlichen Lokalisierungsvorschläge plausibel zu erklären. Obwohl die vorliegende Handschrift das für Augsburg am Ende des 15. Jahrhunderts charakteristische Akanthusdekor à la Augsburg-Salzburger Missalien-Werkstatt vermissen läßt (vgl. zuletzt Beier [2004]) und die einzige Buchmalerinitiale auf 101r nicht deren Formenkanon entspricht, besteht aufgrund einiger Textelemente kein Zweifel, daß die Handschrift originär in die Stadt am Lech gehört (s. o.; von einem Aufenthalt Blutfogels dort ist jedoch nichts bekannt; vgl. Krämer, Scriptores possessoresque, Eis [1965] S. 205).

Für die Miniaturen bietet sich zudem als nächstes Vergleichsstück das Gebetbuch der Sibylla von Freyberg, geb. Gossembrot aus dem Jahr 1509 an (Nr. 43.1.97.), das stilistisch mit einem anderen, 1499 von Lienhart Mercklin für Melchior Stuntz in Augsburg geschriebenen Gebetbuch zusammenhängt (Nr. 43.1.208.): Beide Handschriften sind vielleicht Hans Renner, dem Vater von Narziß Renner, zuzuweisen, wenn man – wie dies Merkl (in: Merkl/Obhof/Neidl [2002] S. 172) vorsichtig angedeutet hat – das vollkommen unbekannte Œuvre dieses Meisters induktiv vom Werk seines Sohnes her zu erschließen sucht (s. Nr. 43.1.80.). Sowohl in Nr. 43.1.97. auf 129v, als auch in Nr. 43.1.208. auf 120v findet sich zudem die selten anzutreffende Wolfslegende aus der Vita des hl. Simpert dargestellt, die hier auf 95v begegnet: Vermutlich weil keine ganze Seite mehr zur Verfügung stand, mußte der Bischof in diesem Fall auf einem geschnitzten und mit blauem Tuch ausgeschlagenen Thron Platz nehmen. Vor ihm kniet die Mutter des von einem Wolf geraubten Kindes und betet den Rosenkranz. Aus einer gespenstisch im Dämmerlicht liegenden Landschaft ist der Wolf durch einen Mauerdurchtritt herbeigeschlichen, um das Kind zwischen den Zähnen unversehrt zurückzubringen. Der im vollen Ornat erscheinende Bischof, der beredt mit seinen Zeigefingern achtungs- bzw. weisungsgebietend gestikuliert, erhielt erstaunlich individuelle, milde Gesichtszüge (ältlicher, grauhaariger Mann mit hängenden Wangen, schlaffem Kinn, aber wachem Blick). Vor allen Dingen durch die weich modulierten Gesichtszüge unterscheidet sich vorliegende Handschrift von den beiden Vergleichsstücken, wo mit kräftigen, harsch eingeschriebenen Linien zumeist eine Verhärtung und Nivellierung des Ausdrucks einhergeht. Ausgerechnet die Gesichter sind auf der zweiten Miniatur jedoch überwiegend zerstört ( 114v): In einem prunkvollen, bund ausgemalten Saal (links eine zinnenbekrönte Tür, rückwändig eine auf vier Säulen ruhende Gewölbearchitektur mit Butzenglasfenstern) sitzt Christus mit vier seiner Apostel bei seinem Gastgeber Simon zu Tisch. Im Vordergrund kniet Maria Magdalena und reibt mit ihrem Haar Christi Füße trocken, woraufhin der Hausherr seinen Stuhl zurückrückt, sich umwendet und indigniert auf die Sünderin zeigt. Auch Petrus und Johannes nehmen an dem Vorgang lebhaft Anteil, während Christus weiter gemessen seine Lehren erteilt. Vergleichbare Säulenarkaturen findet man zwar auch in Nr. 43.1.97., nur wird hier der Raumblick stets durch Goldgrund versperrt (2v, 12v, 21v, 74v, 79v, 97v).

Als illuminiertes Pergamentexemplar sucht der Augsburger Frühdruck eine Handschrift zu imitieren; eine weitere Luxusausgabe hat sich in Budapest, Eötvös Lóránd Tudományegyetem, Egyetemi Könyvtár, Cod. germ. 3 erhalten (anders koloriert).

Bildthemen:

Auf den zu erschließenden Miniaturen dürften dargestellt gewesen sein: vor 1 Mater dolorosa?, 66 Elevation, 69 Schutzengel, 70 Johannes Ev., 71 fünf Schmerzen Mariens?, 76 Maria in sole, 77 sieben Freuden Mariens?, 83 Vera icon, 84 Verkündigung, 89 Katharina, 90 Petrus, 91 Thomas, 92 Georg, 93 Antonius, 94 Ulrich, 96 Afra, 99 Beschneidung, 100 14 Nothelfer. Ungewiß ist die Themenwahl zu den Evangelienperikopen vor Blatt 106, 122, 130, denn die einzige erhaltene Miniatur zu Lc 22,1–23,53 wurde wider Erwarten nicht mit einem Passionsmotiv, sondern mit dem Gastmahl im Hause des Pharisäers Simon illustriert (114v). Das Ereignis wird von allen Evangelisten geschildert, jedoch salbt Maria Magdalena gemäß Mt 26,6–13 und Mc 14,3–9 Christi Haupt, nach Lc 7,36–50 und Io 12,1–8 hingegen seine Füße. Bei allen Evangelisten außer Lukas wird die Szene in Hinblick auf das Begräbnis begriffen, nur bei Lukas – dem die Miniatur vorausgeht – steht das Moment der Sündenvergebung im Zentrum. Seine singuläre Interpretation dürfte daher hier maßgeblich sein; für die drei fehlenden Miniaturen aber lassen sich daraus keine Rückschlüsse gewinnen. Vor den verlorenen Bußpsalmen (vor 8) und dem Totenoffizium (vor 101) dürften Bilder mit David im Gebet und Seelen im Fegefeuer o. ä. gestanden haben. Von den zahlreichen Illustrationen zu den Heiligensuffragien blieb nur eine erhalten (95v). Sie entfällt auf einen spezifischen Augsburger Heiligen, der naturgemäß in der überregional ausgerichteten ›Hortulus animae‹-Vorlage nicht vorkommt (ebenso wie Ulrich und Afra): Der Simpertkult nahm 1491 in Augsburg starken Aufschwung, als in der Reichsabtei St. Ulrich und Afra seine Gebeine feierlich erhoben und im Jahr darauf die neue Grabkapelle des offiziell nie kanonisierten Heiligen im Beisein des späteren Kaisers Maximilian I. eingeweiht wurde (vgl. Pächt [1964], St. Simpert [1978]; s. auch Nr. 51.30.1.). Zu diesem Ereignis wurde dem Herrscher eine illustrierte ›Vita Sancti Simperti‹-Handschrift dediziert (München, Staatsbibliothek, Clm 30044).

Farben:

Miniaturen: Blau, Grün, Rosa, Rotorange, Ocker, Beige, Gelb, Braun, Rehbraun, Violett, Grau, Weiß, Schwarz, Blatt- und Pinselgold. Buchmalerinitiale: Bordeaux, Grau, Ocker auf türkisfarbenem Grund, mit Pinselgold gehöht. Druck: Grell und ohne Aussparungen koloriert, andere Farben als in der Handschrift gebraucht: Rot, Rotorange, Gelborange, Gelb, Blau, Hellblau, Grau, Violett, Bordeaux, Grün, Rosa, Ocker, Weiß, Schwarz, Pinselgold.

Literatur:

Vizkelety (1969–1973) Bd. 2, S. 167–178, Taf. V (95v). – Berkovits (1948) S. 354 f., Nr. 31, Abb. 349 f. (95v, 114v); Bergmann (1986) S. 481; Hilg (1992) Sp. 1164 f.; Ruh/Schmidtke (1995) Sp. 832 f.; Krass (1995) Sp. 212 (unter der falschen Signatur Hs. 63); Krass (1998) S. 168, 174, 187, 190 f.; Merkl (1999) S. 32, Nr. 4.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 86: 59r. Textseite mit historisierter Initiale: Johannes der Evangelist (oder Priester, einen Kelch segnend).

Abb. 87: 114v. Maria Magdalena trocknet Christus mit ihrem Haar die Füße.

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Abb. 86.
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Abb. 87.