KdiH

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43.1.57. Frankfurt a. M., Museum für Angewandte Kunst, Linel-Sammlung L. M. 47

Bearbeitet von Regina Cermann

KdiH-Band 5

Datierung:

Nach 1535 (s. 26r).

Lokalisierung:

Nürnberg.

Besitzgeschichte:

Auf 4v Eintrag M. Martin Kraus / 1776, auf 63v mit Bleistift Venig. Die laut Schilling (1929) auf 62r ausradierte »Besitzangabe« lautet Vatter vnser. Ave Maria. Entweder 1892 von Michael Linel (1830–1892) oder 1916 von seinem Bruder Albert Linel (1833–1916) gestiftet bzw. später mit Hilfe ihres Stiftungsvermögens oder aus Veräußerungen gewonnenen Mitteln erworben (vgl. Hanebutt-Benz [1983] S. 179–192, Soltek/Neugebauer/Veldhuis [1991] S. 26 f.).

Inhalt: Fragment eines Gebetbuchs

1r–63r

30-teiliger Gebetszyklus zum Leben und Leiden Christi, ursprünglich 38-teilig, (21 Gebete stimmen überdies partiell mit einem anderen, 31-teiligen Zyklus überein, vgl. Erfurt, Universitätsbibliothek, Dep. Erf. CA. 8º 39, 57r–86r; für neun Gebete, die insbesondere das dort ausgesparte Prozeßgeschehen betreffen, wurden andere Vorlagen herangezogen [Flucht nach Ägypten = Thomas von Kempen, ›Meditationes et orationes‹, deutsch; Christus vor Hannas, Christus vor Kaiphas, Christus vor Pilatus, Christus vor Herodes, Ecce homo, Kreuzannagelung, Auferstehung, Noli me tangere]). Fehlbindung zu Beginn: Das erste Gebet (1r–1v) und die nachfolgenden Kommuniongebete (1v–3v) gehören an das Ende der Handschrift.

1r–1v

Gebet zum Jüngsten Gericht O liebster herr Jhesu christe du ernsthafftiger vnnd strenger Richter

1v–3v

Vier Kommuniongebete: Herr ihesu christe du leben vnd du warheit des ewigen lebens Ich bitt dich mach vnns dein teylhafftig der du kommen bist von himel …, O herr ich bin nit wirdig …, Die empfahung des zartten fronleichnams vnsers herren …, O herr das ich in mein mund genommen hab

4r–62v

Gebete von der Verkündigung bis Pfingsten: 5r O herr ihesu christe du ewige weyjsheytt gottes himlischenn vatters du Konig der erhen Ich erman dich deiner heiligen leichlichenn zukunfft

4r

Miniatur: Verkündigung, Figuren nach einem Kupferstich von Wenzel von Olmütz (Lehrs 3). 4v leer, bis auf »Provenienzeintrag« (s. o.)

6r

Miniatur: Geburt Christi. 6v leer

8r

Miniatur: Anbetung der Hl. Drei Könige. 8v leer

10r

Miniatur: Darbringung im Tempel. 10v leer

12r

Miniatur: Flucht nach Ägypten. 12v leer

14r

Miniatur: Palmsonntag (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 19v). 14v leer

16r

Miniatur: Letztes Abendmahl. 16v leer

18r

Miniatur: Fußwaschung (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 71v). 18v leer

20r

Miniatur: Gebet am Ölberg (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 95v [seitenverkehrt]). 20v leer

22r

Miniatur: Gefangennahme (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 98v). 22v leer

24r

Miniatur: Christus vor Hannas. 24v leer

26r

Miniatur: Christus vor Kaiphas, nach einem Holzschnitt von Hans Sebald Beham (Bartsch 87), datiert 1535. 26v leer

28r

Miniatur: Christus vor Pilatus. 28v leer

30r

Miniatur: Christus im weißen Spottgewand vor Herodes. 30v leer

32r

Miniatur: Christus im weißen Spottgewand vor Pilatus (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 110v [seitenverkehrt]). 32v leer

33r

Miniatur: Geißelung. 33v leer

35r

Miniatur: Dornenkrönung, im Beisein des Pilatus. 35v leer

37r

Miniatur: Ecce homo. 37v leer

39r

Miniatur: Handwaschung des Pilatus. 39v leer

41r

Miniatur: Kreuzannagelung. 41v leer

43r

Miniatur: Kreuzigung. 43v leer

45r

Miniatur: Kreuzabnahme. 45v leer

47r

Miniatur: Beweinung. 47v leer

49r

Miniatur: Grablegung. 49v leer

51r

Miniatur: Christus in der Vorhölle. 51v leer

53r

Miniatur: Auferstehung, nach einem Kupferstich von Albrecht Dürer (Bartsch 17), datiert 1512. 53v leer

55r

Miniatur: Christus als Gärtner. 55v leer

57r

Miniatur: Ungläubiger Thomas. 57v leer

59r

Miniatur: Himmelfahrt Christi. 59v leer

61r

Miniatur: Pfingsten, Maria und Petrus in Anlehnung an einen Holzschnitt Albrecht Dürers (Bartsch 51). 61v leer

63r

Miniatur: Jüngstes Gericht. 63v leer
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament (grob, rauh, wellig, fleckig, Blatt 40 eingerissen), 63 Blätter, 135–140 × 106 mm (beschnitten; bei Blatt 11 fehlt unterhalb des Schriftspiegels ein 35 × 90 mm großer Streifen), moderne Bleistiftpaginierung unten in der Mitte (für die Beschreibung nicht herangezogen), Lagenformel: II–1+14 (–/+ 4), 13 I–1+130 (–/+ 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30), I–1+233 (–/+ 32, + 33), 15 I–1+163 (–/+ 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, 51, 53, 55, 57, 59, 61, 63), Fraktur, eine Hand, einspaltig, 12–14 Zeilen, Rubriken, zweizeilige goldene Anfangsbuchstaben.

Schreibsprache:

oberdeutsch.

II. Bildausstattung:

31 Miniaturen (4r, 6r, 8r, 10r, 12r, 14r, 16r, 18r, 20r, 22r, 24r, 26r, 28r, 30r, 32r, 33r, 35r, 37r, 39r, 41r, 43r, 45r, 47r, 49r, 51r, 53r, 55r, 57r, 59r, 61r, 63r), jeweils von einer breiten Blattgoldleiste umgeben, die beidseitig schwarz konturiert ist. Sieben weitere wohl verloren (zwei vor Blatt 4, je eine vor Blatt 6, 8, 12, 41, 55). – Spätwerk Albrecht Glockendons d. Ä. (um 1495–1545) oder Frühwerk seines Sohnes Jörg Glockendon d. J. (1521/22–1547/48). Vgl. zu diesen Merkl (1999) S. 70–88, 419–423, Kat. 85.

Format und Anordnung:

Ganzseitige Miniaturen, 123–137 × 88–100 mm, stets auf recto-Seiten von Einzelblättern aus sehr dickem Pergament gemalt, deren Rückseiten leer sind, jeweils an das vorausgehende Textblatt angestückt und als Unionen gebunden. Obwohl Bild- und Textblätter in alternierender Abfolge auftreten, stehen die miteinander korrelierenden Miniaturen und Gebete nie einander gegenüber: Entweder trifft eine leere Seite mit dem Anfang eines Gebets oder der Schluß eines Gebets mit der bereits das nächste Thema vorgebenden Miniatur zusammen. Zweimal allerdings ist dieses Schema durchbrochen: In der ersten Lage ist das letzte Gebet des Zyklus (1r–1v) fälschlicherweise mit der Eröffnungsminiatur (4r) verbunden und dazwischen ein Doppelblatt mit Text eingeschaltet worden (2r–3v), das an den Schluß des Zyklus gehört, während Lage 15 um ein Blatt mit einer zweiten Miniatur erweitert wurde (33r), weil für letzteres kein Textblatt existiert. Die z. T. fehlerhafte, unprofessionell kleinteilige Art der Bindung, bei der die Miniaturen zudem durch eine leere Seite abge-rückt vor dem Text stehen, dürfte – abgesehen vom anzunehmenden Verlust sieben weiterer Bild-Textpaare (s. u.) – nicht dem ursprünglichen Zustand entsprechen.

Bildaufbau und -ausführung:

Für drei Kompositionen lassen sich konkrete graphische Vorlagen benennen (4r, 26r, 53r), wobei der 1535 datierte Holzschnitt von Hans Sebald Beham (26r) einen terminus post quem für die Anfertigung der Miniaturen darstellt. Recht getreu wurden bei der Verkündigung (4r) die Figuren und das Lesepult übernommen, die im Vordergrund plazierte Lilienvase wurde jedoch eliminiert und die detailliert geschilderte bürgerliche Wohnstube mit Fensterausblick auf ein geschäftiges städtisches Treiben in eine weitaus sparsamer ausgestattete Kammer auf dem Lande verwandelt. Auch bei der Vorführung Christi vor Kaiphas (26r) liegt das Hauptaugenmerk auf den Figuren: Der effektvoll die Aufmerksamkeit auf sich ziehende rückansichtige Scherge im Kettenhemd, der gerade zum Schlag ausholt und den Blick auf den Hauptprotagonisten ein wenig verstellt, wie auch der Hohepriester, der theatralisch sein Gewand zerreißt, lassen den von einer Phalanx weiterer Soldaten Eskortierten fast zur Nebenfigur geraten; die im Hintergrund angedeutete Palastarchitektur hingegen, die einen Bedeutungsbogen über das Haupt des Gefangenen spannt, wurde ausgespart und durch freien Himmel ersetzt; statt dessen muß ein goldener Scheibennimbus für die Aura des Angeklagten sorgen. Die Auferstehung Christi (53r) hebt sich nicht nur durch leuchtende Farbenpracht ein wenig von den übrigen Miniaturen ab, sondern insbesondere durch eine minutiösere Ausführung, bei der die feine Linienführung von Albrecht Dürers Kupferstich noch ihre Wirkung zeitigt. Auch hier wurde der Hintergrund jedoch frei gestaltet: Die in der Ferne im Morgenlicht herannahenden Frauen, die sanfte Hügellandschaft mit vereinzelten Bäumen wurde summarisch durch eine seitlich ansteigende Wiese und ein grandioses Bergmassiv ersetzt.

Der Einfluß Dürers ist auch in anderen Bildern spürbar: Um Teilzitate nach Dürers 1511 abgeschlossener Kleiner Holzschnittpassion handelt es sich z. B. auf 39r (Handwaschung des Pilatus nach Bartsch 36), 57r (Christus und ungläubiger Thomas nach Bartsch 49) und 61r (Petrus und Maria aus dem Kreis der Pfingstgemeinde nach Bartsch 51). Während bei letztgenanntem Blatt die Figuren recht getreu übernommen wurden, ist die Anverwandlung bei den vorherigen weitaus pauschaler. Vielleicht stammen die Vorlagen auch von einem Dürer-Schüler bzw. aus der reichen Nachfolge.

Ein viel älterer Rückgriff fand auf 22r statt: Der ergeben sich abführen lassende Christus ist einem Kupferstich Martin Schongauers (Lehrs 20) entlehnt; die Figur war offenbar so eindrücklich, daß selbst Simon Bening sie noch zitiert hat (Nr. 43.1.108., 102v). Auch der nackte Baum scheint dem Repertoire des Colmarer Meisters zu entstammen. Alle übrigen bei der Gefangennahme anwesenden Personen wurden hingegen ausgewechselt. Auf diese Weise wirkt der eigentlich am Zipfel seines Gewandes von einem Schergen fortgezerrte Christus unmotiviert, da der neue Häscher – der aus einer Kreuztragung entnommen worden zu sein scheint – den Rocksaum nicht wirklich ergreift. Interessanterweise kommt die hier gebotene Figurenkonstellation mit ihrem unplausiblen Handlungsablauf (Christus hält seine Hände überkreuz vor dem Leib, ohne wie bei Schongauer gefesselt zu sein) komplett in einem bereits wohl Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Nürnberger Manuskript vor (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 98v. Stoffgruppe 73. Leben Jesu). Noch vier weitere Miniaturen (14r Palmsonntag, 18r Fußwaschung, 20r Gebet am Ölberg, 32r Christus vor Pilatus) stimmen – wenn auch z. T. seitenverkehrt – mit der älteren Handschrift überein (ebd., 19v, 71v, 95v, 110v). Von diesen, auf einem älteren Mustervorrat basierenden Kompositionen heben sich diejenigen auf 4r, 8r, 24r, 26r, 28r, 30r, 33r, 35r, 39r, 55r ab, denen ganz offensichtlich ein modernerer Zeitgeist anhaftet, wie Kostüme (24r, 28r Kuhmaulschuhe, 28r, 30r, 35r Schaube bzw. Faltrock in Knielänge, 35r geschlitzte Pluderhose, 8r, 24r, 30r Barette, 26r antikisierende Rüstungen, 30r Landsknechtskleidung, 55r hochgeschlossenes Leibchen mit kleinem Stehkragen), Requisiten (30r, 39r Thronmöbel) oder Architekturelemente (24r Kamin, 33r Säule mit Entasis) verraten. Die Extreme prallen deutlich bei der Kleidung des Pilatus aufeinander: Während der römische Statthalter eigentlich durchgängig anhand von Turban und Schaube zu erkennen ist (28r, 35r, 37r, 39r – später begegnet allerdings auch Joseph von Arimathia in dieser Tracht [49r]), erscheint er auf 32r plötzlich in einem altertümlichen langen Tappert, mit spitzem Hut und Krempe. Nachdem in der Miniatur zuvor (30r) König Herodes in seinem Habitus stark an Kaiser Karl V. erinnert (Tizians Bildnis in München, Alte Pinakothek, Inv.-Nr. 632, entstand freilich erst 1548 auf dem Reichstag in Augsburg), fällt der Kontrast zu dem hier gebrauchten zeitlosen Prototyp eines Herrschers (32r) besonders stark auf.

Ein ähnliches Renkontre unterschiedlicher Vorlagen spielt sich zuvor beim Esel ab, der bei der Flucht nach Ägypten bzw. beim Einzug nach Jerusalem willfährig seinen Dienst tut: Ein prachtvolles Exemplar seiner Gattung, das dem Leben nachempfunden ist, steht Maria während des Bethlehemitischen Kindermords zur Verfügung (12r), Christus dagegen kommt an seinem Ehrentag auf einem schmächtigen, steifbeinigen Maultier dahergeritten (14r), das eher dem hölzernen Requisit eines mittelalterlichen Prozessionszugs gleicht. Schilling ([1929] S. 233) hat die Flucht nach Ägypten (12r) auf Dürers entsprechenden Holzschnitt in seinem Marienleben zurückgeführt (Bartsch 89). Parallelen mit dem annähernd doppelt so großen Blatt (295 × 209 mm) bestehen allerdings nur in groben Zügen, im Detail gibt es sehr wohl Unterschiede (Josef führt den Esel mit der Linken bzw. Rechten am Zügel und schreitet mit dem rechten bzw. linken Bein voran [wobei Waden und Füße bei L. M. 47 fehlen], der Esel neigt seinen Hals stärker zur Erde und wackelt mit den Ohren andersherum, außerdem hebt er seinen rechten Huf weniger an, Maria ist des Strohhuts verlustig gegangen, das Köpfchen des Kindes ist dem Betrachter zu- bzw. abgewandt, der Ochse trottet hinter statt neben dem Esel, die Reise führt nicht durch einen dichten, geheimnisvollen Wald, sondern durch eine lichte Landschaft mit spillriger Dattelpalme als einzigem Hinweis auf die fremdländische Gegend usw.).

Sowohl bei den altertümlicheren als auch bei den moderneren Miniaturen macht sich ein gewisser Hang zur dramatischen Inszenierung bemerkbar: Das Gebet am Ölberg (20r) und die Gefangennahme (22r) spielen sich vor nächtlichem Himmel ab, in leichter Untersicht wird die Kreuzannagelung vor Augen geführt (41r), wobei die Marter besonders grausam mit krummen Nägeln ausgemalt wird (in schriftlichen Quellen ist gewöhnlich von stumpfen Nägeln die Rede, vgl. Kemper [2006] S. 271 f.). Bei der Kreuzigung (43r) wurde das Kreuz aus der Mitte schräg an die Seite gerückt, um mehr die affektive Hinwendung der einsam darunter Ausharrenden zu thematisieren; dieses gesuchte Aufbrechen eines lang tradierten Bildschemas dürfte ein Reflex auf Albrecht Dürers Gemälde der ›Sieben Schmerzen Mariens‹ darstellen (Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. 1875–1881 [Inv.-Nr. 1880: Klage Mariens unter dem Kreuz], Mitteltafel: München, Alte Pinakothek, Inv.-Nr. 709), eine Idee, die nachfolgend in der Donauschule weiter Resonanz fand (vgl. z. B. Lukas Cranachs d. Ä. Klage unter dem Kreuz von 1503, München, Alte Pinakothek, Inv.-Nr. 1416). Auch das an sich vollkommen traditionell vorgestellte Jüngste Gericht (63r) erfuhr durch Hinzufügung einer schmalen, leicht abfallenden Erdkuppe in der linken unteren Ecke und den sich biegenden Wipfel eines Schößlings, der bis in die Wolken vorstößt, plötzlich eine Kühnheit in der Perspektive, die erfrischend wirkt.

Es ist durchaus möglich, daß in der Neuzeit vereinzelt Stellen auf sehr malerische und effektvolle Weise überarbeitet wurden. Diesen Verdacht erwecken z. B. auf 12r der braungrau abschattierte Esel, 22r der abgestorbene Baum, der vom funkensprühenden Feuer der Fackel illuminiert wird, der Nachthimmel, 41r die weißen Wolken, das abgedunkelte Laub, 61r die Wolkenaureole. Im Gegenzug finden sich aber auch Partien, die vorgezeichnet, jedoch nicht ausgeführt wurden, so auf 4r die Banderole des Engels, Taube des Hl. Geistes, 14r der Baum des Zachäus, eine Menschenmenge im Hintergrund, 18r der zwölfte Apostel, Fensterausblick, 28r die weiter sich ausdehnende Rauchwolke, 32r das Fensterkreuz, die Füße von zwei Soldaten, das Thronpodest. Manchmal ist die komplette Vorzeichnung auf den verso-Seiten recht gut zu erkennen (z. B. 12v, 32v, 53v).

Die für das Frühwerk von Albrecht Glockendon d. Ä. stereotypen drolligen Gesichter (vgl. Nr. 43.1.52. [1519], Nr. 43.1.167. [um 1513/14, zusammen mit seinem Bruder Nikolaus Glockendon, der den vorderen Teil illuminiert hat], Nr. 43.1.199. [um 1514/15]) tauchen hier nur noch sporadisch auf, so auf 41r Maria und Johannes, 45r zwei Marien, Nikodemus (?), 47r Maria und Johannes, 49r drei Marien und Johannes, während entsprechend seinen reiferen Werken (z. B. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 1880 [1535], vgl. Merkl [1999] S. 413–416, Kat. 81, Abb. 135 F, 137 F, 354, 356, 358–360, 362) Köpfe mit individuelleren Zügen, die unweigerlich etwas größer geraten und plötzlich auch Mut zur Häßlichkeit aufweisen (28r Soldat mit vorhängender Unterlippe), hier mehr und mehr die Oberhand gewinnen (z. B. 8r mittlerer König, 24r Hannas, 30r Herodes, Soldaten, 41r Scherge oben rechts, 55r Maria Magdalena). Allerdings dürfte dieser Zuwachs im Ausdruck nicht unwesentlich dem Vorlagenmaterial geschuldet sein. Da Albrecht Glockendon mit seinem Sohn Jörg in einer Werkstatt zusammen gearbeitet hat, ist die Abgrenzung zwischen den beiden schwierig, denn die einzigen sicheren Proben von der Kunst des Jüngeren befinden sich ausgerechnet in einer Prunkhandschrift, die beide signiert haben (Nürnberg, Stadtbibliothek, Hertel Ms. 9 [1542–44]; vgl. Merkl [1999] S. 419–423, Kat. 85). Gewisse zittrige Entgleisungen, die hier neben geschickt und locker hingeworfenen Linien begegnen, können sowohl dem Altersstil, aber auch den Unsicherheiten eines angehenden Buchmalers zuzuschreiben sein.

Bildthemen:

31-teiliger Bilderzyklus zu einem 30-teiligen Gebetszyklus zum Leben und Leiden Christi, in dem das Prozeßgeschehen ausführlich geschildert wird. Das Gebet zur Miniatur auf 32r fehlt (Verspottung Christi im weißen Gewand). Möglicherweise wurde es vom Schreiber übersprungen, denn in der bereits um 1512 von Johann Stuchs in Nürnberg gedruckten Ausgabe dieses Gebetbuchs wird genau an dieser Stelle ein Holzschnitt wiederholt (ciijv und ciiijv Christus vor Herodes) – während hier Christus im Spottgewand differenziert erst Herodes (30r) und dann Pilatus vorgeführt wird (32r). Anhand des Frühdrucks, der mit 39 Holzschnitten von Wolf Traut ausgestattet wurde (einer fungiert als Titelblatt; vgl. Oldenbourg [1973] S. 128 f., Taf. 33, Abb. 5–8), läßt sich der Verlust sieben weiterer Szenen konstatieren: Sündenfall, Vertreibung aus dem Paradies, Heimsuchung, Beschneidung, Bethlehemitischer Kindermord, Kreuztragung sowie die drei Marien am Grabe. Insbesondere das Fehlen der Kreuztragung ist angesichts des ansonsten sehr ausführlichen Zyklus deutliches Indiz für die Unvollständigkeit der Handschrift.

Auf 10r wurde das Thema der Miniatur unten im Bildfeld notiert Crist ward in tempel geopfert. Mehrmals wurden Bibelstellen von späterer Hand mit Tinte unter die Miniaturen geschrieben (4r Luce 1, 8r Matt. 2, 14r Matt. 21, 18r Ioan 13, 20r Luce 22, 22r Luce 22), weitere nachträgliche Quellenangaben dürften durch Beschnitt der Seiten verlorengegangen sein (z. B. 26r).

Farben:

Rot, Rosa, Blau, Hellblau, Grün, Hellgrün, Gelb, Ocker, Orange, Beige, Weiß, Violett, Braun, Rotbraun, Hell- und Dunkelgrau, Blaugrau, Schwarz, Silber (oxydiert), Blatt- und Pinselgold. Farben vielfältig abgetönt, oft mit Gold gehöht. Sehr farbenreiche (vgl. z. B. den in allen Farben schimmernden Steinsarkophag auf 49r, 53r), für die Glockendon-Werkstätten in Nürnberg durchaus charakteristische Palette. Miniaturen z. T. stark abgegriffen.

Literatur:

Schilling (1929) S. 233 f., Nr. 207. – MAI Microfiche 605, Feld G10 (22r) bzw. unter http://www.bildindex.de.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 83: 30r. Christus vor Herodes.

Abb. 84: 32r. Christus vor Pilatus.

Abb. 85: 40v+41r. Textseite. Kreuzannagelung

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Abb. 83.
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Abb. 84.
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Abb. 85.