43.1.57. Frankfurt a. M., Museum für Angewandte Kunst, Linel-Sammlung L. M. 47
Bearbeitet von Regina Cermann
KdiH-Band 5
Nach 1535 (s. 26r).
Nürnberg.
Auf 4v Eintrag M. Martin Kraus / 1776, auf 63v mit Bleistift Venig. Die laut
1r–63r |
30-teiliger Gebetszyklus zum Leben und Leiden Christi, ursprünglich 38-teilig, (21 Gebete stimmen überdies partiell mit einem anderen, 31-teiligen Zyklus überein, vgl. Erfurt, Universitätsbibliothek, Dep. Erf. CA. 8º 39, 57r–86r; für neun Gebete, die insbesondere das dort ausgesparte Prozeßgeschehen betreffen, wurden andere Vorlagen herangezogen [Flucht nach Ägypten = Thomas von Kempen, ›Meditationes et orationes‹, deutsch; Christus vor Hannas, Christus vor Kaiphas, Christus vor Pilatus, Christus vor Herodes, Ecce homo, Kreuzannagelung, Auferstehung, Noli me tangere]). Fehlbindung zu Beginn: Das erste Gebet (1r–1v) und die nachfolgenden Kommuniongebete (1v–3v) gehören an das Ende der Handschrift. | |
1r–1v |
Gebet zum Jüngsten Gericht O liebster herr Jhesu christe du ernsthafftiger vnnd strenger Richter … | |
1v–3v |
Vier Kommuniongebete: Herr ihesu christe du leben vnd du warheit des ewigen lebens Ich bitt dich mach vnns dein teylhafftig der du kommen bist von himel …, O herr ich bin nit wirdig …, Die empfahung des zartten fronleichnams vnsers herren …, O herr das ich in mein mund genommen hab … | |
4r–62v |
Gebete von der Verkündigung bis Pfingsten: 5r O herr ihesu christe du ewige weyjsheytt gottes himlischenn vatters du Konig der erhen Ich erman dich deiner heiligen leichlichenn zukunfft … | |
4r |
Miniatur: Verkündigung, Figuren nach einem Kupferstich von Wenzel von Olmütz ( |
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6r |
Miniatur: Geburt Christi. 6v leer | |
8r |
Miniatur: Anbetung der Hl. Drei Könige. 8v leer | |
10r |
Miniatur: Darbringung im Tempel. 10v leer | |
12r |
Miniatur: Flucht nach Ägypten. 12v leer | |
14r |
Miniatur: Palmsonntag (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 19v). 14v leer | |
16r |
Miniatur: Letztes Abendmahl. 16v leer | |
18r |
Miniatur: Fußwaschung (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 71v). 18v leer | |
20r |
Miniatur: Gebet am Ölberg (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 95v [seitenverkehrt]). 20v leer | |
22r |
Miniatur: Gefangennahme (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 98v). 22v leer | |
24r |
Miniatur: Christus vor Hannas. 24v leer | |
26r |
Miniatur: Christus vor Kaiphas, nach einem Holzschnitt von Hans Sebald Beham ( |
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28r |
Miniatur: Christus vor Pilatus. 28v leer | |
30r |
Miniatur: Christus im weißen Spottgewand vor Herodes. 30v leer | |
32r |
Miniatur: Christus im weißen Spottgewand vor Pilatus (vgl. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 2752, 110v [seitenverkehrt]). 32v leer | |
33r |
Miniatur: Geißelung. 33v leer | |
35r |
Miniatur: Dornenkrönung, im Beisein des Pilatus. 35v leer | |
37r |
Miniatur: Ecce homo. 37v leer | |
39r |
Miniatur: Handwaschung des Pilatus. 39v leer | |
41r |
Miniatur: Kreuzannagelung. 41v leer | |
43r |
Miniatur: Kreuzigung. 43v leer | |
45r |
Miniatur: Kreuzabnahme. 45v leer | |
47r |
Miniatur: Beweinung. 47v leer | |
49r |
Miniatur: Grablegung. 49v leer | |
51r |
Miniatur: Christus in der Vorhölle. 51v leer | |
53r |
Miniatur: Auferstehung, nach einem Kupferstich von Albrecht Dürer ( |
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55r |
Miniatur: Christus als Gärtner. 55v leer | |
57r |
Miniatur: Ungläubiger Thomas. 57v leer | |
59r |
Miniatur: Himmelfahrt Christi. 59v leer | |
61r |
Miniatur: Pfingsten, Maria und Petrus in Anlehnung an einen Holzschnitt Albrecht Dürers ( |
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63r |
Miniatur: Jüngstes Gericht. 63v leer |
Pergament (grob, rauh, wellig, fleckig, Blatt 40 eingerissen), 63 Blätter, 135–140 × 106 mm (beschnitten; bei Blatt 11 fehlt unterhalb des Schriftspiegels ein 35 × 90 mm großer Streifen), moderne Bleistiftpaginierung unten in der Mitte (für die Beschreibung nicht herangezogen), Lagenformel: II–1+1
oberdeutsch.
31 Miniaturen (4r, 6r, 8r, 10r, 12r, 14r, 16r, 18r, 20r, 22r, 24r, 26r, 28r, 30r, 32r, 33r, 35r, 37r, 39r, 41r, 43r, 45r, 47r, 49r, 51r, 53r, 55r, 57r, 59r, 61r, 63r), jeweils von einer breiten Blattgoldleiste umgeben, die beidseitig schwarz konturiert ist. Sieben weitere wohl verloren (zwei vor Blatt 4, je eine vor Blatt 6, 8, 12, 41, 55). – Spätwerk Albrecht Glockendons d. Ä. (um 1495–1545) oder Frühwerk seines Sohnes Jörg Glockendon d. J. (1521/22–1547/48). Vgl. zu diesen
Ganzseitige Miniaturen, 123–137 × 88–100 mm, stets auf recto-Seiten von Einzelblättern aus sehr dickem Pergament gemalt, deren Rückseiten leer sind, jeweils an das vorausgehende Textblatt angestückt und als Unionen gebunden. Obwohl Bild- und Textblätter in alternierender Abfolge auftreten, stehen die miteinander korrelierenden Miniaturen und Gebete nie einander gegenüber: Entweder trifft eine leere Seite mit dem Anfang eines Gebets oder der Schluß eines Gebets mit der bereits das nächste Thema vorgebenden Miniatur zusammen. Zweimal allerdings ist dieses Schema durchbrochen: In der ersten Lage ist das letzte Gebet des Zyklus (1r–1v) fälschlicherweise mit der Eröffnungsminiatur (4r) verbunden und dazwischen ein Doppelblatt mit Text eingeschaltet worden (2r–3v), das an den Schluß des Zyklus gehört, während Lage 15 um ein Blatt mit einer zweiten Miniatur erweitert wurde (33r), weil für letzteres kein Textblatt existiert. Die z. T. fehlerhafte, unprofessionell kleinteilige Art der Bindung, bei der die Miniaturen zudem durch eine leere Seite abge-rückt vor dem Text stehen, dürfte – abgesehen vom anzunehmenden Verlust sieben weiterer Bild-Textpaare (s. u.) – nicht dem ursprünglichen Zustand entsprechen.
Für drei Kompositionen lassen sich konkrete graphische Vorlagen benennen (4r, 26r, 53r), wobei der 1535 datierte Holzschnitt von Hans Sebald Beham (26r) einen terminus post quem für die Anfertigung der Miniaturen darstellt. Recht getreu wurden bei der Verkündigung (4r) die Figuren und das Lesepult übernommen, die im Vordergrund plazierte Lilienvase wurde jedoch eliminiert und die detailliert geschilderte bürgerliche Wohnstube mit Fensterausblick auf ein geschäftiges städtisches Treiben in eine weitaus sparsamer ausgestattete Kammer auf dem Lande verwandelt. Auch bei der Vorführung Christi vor Kaiphas (26r) liegt das Hauptaugenmerk auf den Figuren: Der effektvoll die Aufmerksamkeit auf sich ziehende rückansichtige Scherge im Kettenhemd, der gerade zum Schlag ausholt und den Blick auf den Hauptprotagonisten ein wenig verstellt, wie auch der Hohepriester, der theatralisch sein Gewand zerreißt, lassen den von einer Phalanx weiterer Soldaten Eskortierten fast zur Nebenfigur geraten; die im Hintergrund angedeutete Palastarchitektur hingegen, die einen Bedeutungsbogen über das Haupt des Gefangenen spannt, wurde ausgespart und durch freien Himmel ersetzt; statt dessen muß ein goldener Scheibennimbus für die Aura des Angeklagten sorgen. Die Auferstehung Christi (53r) hebt sich nicht nur durch leuchtende Farbenpracht ein wenig von den übrigen Miniaturen ab, sondern insbesondere durch eine minutiösere Ausführung, bei der die feine Linienführung von Albrecht Dürers Kupferstich noch ihre Wirkung zeitigt. Auch hier wurde der Hintergrund jedoch frei gestaltet: Die in der Ferne im Morgenlicht herannahenden Frauen, die sanfte Hügellandschaft mit vereinzelten Bäumen wurde summarisch durch eine seitlich ansteigende Wiese und ein grandioses Bergmassiv ersetzt.
Der Einfluß Dürers ist auch in anderen Bildern spürbar: Um Teilzitate nach Dürers 1511 abgeschlossener Kleiner Holzschnittpassion handelt es sich z. B. auf 39r (Handwaschung des Pilatus nach
Ein viel älterer Rückgriff fand auf 22r statt: Der ergeben sich abführen lassende Christus ist einem Kupferstich Martin Schongauers (
Ein ähnliches Renkontre unterschiedlicher Vorlagen spielt sich zuvor beim Esel ab, der bei der Flucht nach Ägypten bzw. beim Einzug nach Jerusalem willfährig seinen Dienst tut: Ein prachtvolles Exemplar seiner Gattung, das dem Leben nachempfunden ist, steht Maria während des Bethlehemitischen Kindermords zur Verfügung (12r), Christus dagegen kommt an seinem Ehrentag auf einem schmächtigen, steifbeinigen Maultier dahergeritten (14r), das eher dem hölzernen Requisit eines mittelalterlichen Prozessionszugs gleicht.
Sowohl bei den altertümlicheren als auch bei den moderneren Miniaturen macht sich ein gewisser Hang zur dramatischen Inszenierung bemerkbar: Das Gebet am Ölberg (20r) und die Gefangennahme (22r) spielen sich vor nächtlichem Himmel ab, in leichter Untersicht wird die Kreuzannagelung vor Augen geführt (41r), wobei die Marter besonders grausam mit krummen Nägeln ausgemalt wird (in schriftlichen Quellen ist gewöhnlich von stumpfen Nägeln die Rede, vgl.
Es ist durchaus möglich, daß in der Neuzeit vereinzelt Stellen auf sehr malerische und effektvolle Weise überarbeitet wurden. Diesen Verdacht erwecken z. B. auf 12r der braungrau abschattierte Esel, 22r der abgestorbene Baum, der vom funkensprühenden Feuer der Fackel illuminiert wird, der Nachthimmel, 41r die weißen Wolken, das abgedunkelte Laub, 61r die Wolkenaureole. Im Gegenzug finden sich aber auch Partien, die vorgezeichnet, jedoch nicht ausgeführt wurden, so auf 4r die Banderole des Engels, Taube des Hl. Geistes, 14r der Baum des Zachäus, eine Menschenmenge im Hintergrund, 18r der zwölfte Apostel, Fensterausblick, 28r die weiter sich ausdehnende Rauchwolke, 32r das Fensterkreuz, die Füße von zwei Soldaten, das Thronpodest. Manchmal ist die komplette Vorzeichnung auf den verso-Seiten recht gut zu erkennen (z. B. 12v, 32v, 53v).
Die für das Frühwerk von Albrecht Glockendon d. Ä. stereotypen drolligen Gesichter (vgl. Nr. 43.1.52. [1519], Nr. 43.1.167. [um 1513/14, zusammen mit seinem Bruder Nikolaus Glockendon, der den vorderen Teil illuminiert hat], Nr. 43.1.199. [um 1514/15]) tauchen hier nur noch sporadisch auf, so auf 41r Maria und Johannes, 45r zwei Marien, Nikodemus (?), 47r Maria und Johannes, 49r drei Marien und Johannes, während entsprechend seinen reiferen Werken (z. B. Wien, Nationalbibliothek, Cod. 1880 [1535], vgl.
31-teiliger Bilderzyklus zu einem 30-teiligen Gebetszyklus zum Leben und Leiden Christi, in dem das Prozeßgeschehen ausführlich geschildert wird. Das Gebet zur Miniatur auf 32r fehlt (Verspottung Christi im weißen Gewand). Möglicherweise wurde es vom Schreiber übersprungen, denn in der bereits um 1512 von Johann Stuchs in Nürnberg gedruckten Ausgabe dieses Gebetbuchs wird genau an dieser Stelle ein Holzschnitt wiederholt (ciijv und ciiijv Christus vor Herodes) – während hier Christus im Spottgewand differenziert erst Herodes (30r) und dann Pilatus vorgeführt wird (32r). Anhand des Frühdrucks, der mit 39 Holzschnitten von Wolf Traut ausgestattet wurde (einer fungiert als Titelblatt; vgl.
Auf 10r wurde das Thema der Miniatur unten im Bildfeld notiert Crist ward in tempel geopfert. Mehrmals wurden Bibelstellen von späterer Hand mit Tinte unter die Miniaturen geschrieben (4r Luce 1, 8r Matt. 2, 14r Matt. 21, 18r Ioan 13, 20r Luce 22, 22r Luce 22), weitere nachträgliche Quellenangaben dürften durch Beschnitt der Seiten verlorengegangen sein (z. B. 26r).
Rot, Rosa, Blau, Hellblau, Grün, Hellgrün, Gelb, Ocker, Orange, Beige, Weiß, Violett, Braun, Rotbraun, Hell- und Dunkelgrau, Blaugrau, Schwarz, Silber (oxydiert), Blatt- und Pinselgold. Farben vielfältig abgetönt, oft mit Gold gehöht. Sehr farbenreiche (vgl. z. B. den in allen Farben schimmernden Steinsarkophag auf 49r, 53r), für die Glockendon-Werkstätten in Nürnberg durchaus charakteristische Palette. Miniaturen z. T. stark abgegriffen.
Abb. 83: 30r. Christus vor Herodes.
Abb. 84: 32r. Christus vor Pilatus.
Abb. 85: 40v+41r. Textseite. Kreuzannagelung