KdiH

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43.1.76. ehem. Innsbruck, Servitenkloster, 9. A; Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 11-2001; Berlin, Staatliche Museen – Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Min 14691 a

Begonnen von Regina Cermann, fortgeführt von Isabel von Bredow-Klaus

Ergänzung zum gedruckten KdiH

Datum der Veröffentlichung: 20.08.2017, ergänzt 30.5.2023.

Datierung:

2. Hälfte 15. Jahrhundert, ca. 1480−1490.

Lokalisierung:

Florenz.

Besitzgeschichte:

Vermutlich für eine Bewohnerin des Klosters St. Klara oder St. Martha in Nürnberg, da Franziskus im Kalender erscheint (Alai [2019] S. 195). Im 16. Jahrhundert in Nürnberg (auf der Versoseite des letzten Vorsatzblattes ... mein herzen liebe Frau Elzerlin (?) geschückt ein Klosterfrau von Nyernberg im 1542 jar. Gott der almächtig sei; darunter: 1608. Diss bichl hat meiner herzliebsten Frau Mutter gehort. Gott verleih ier und aller gläubigen Sellen die ewig Rhue. Anna Dorothe Thamerin (?); 1r Ex dono illustrissimi domini domini Joannis Caroli comites de Stahlburg etc. (Schenkung an Volders bei Hall in Tirol); darunter Conventus S. Caroli Borromei ordinis servorum beatae virginis Mariae 1704 (Servitenkloster in Volders); darunter Eintrag des Servitenklosters Innsbruck: Ad conventum divi Josephi Oeniponte 1803.; heutiger Verbleib unbekannt.

Bl. 122 befindet sich in Cambridge (MS 11-2001), davor wohl bei Bernard Quaritch, London, dann Sotheby’s London (Western manuscripts and miniatures [2000] lot 33).

Bl. 152 wird im Kupferstichkabinett Berlin aufbewahrt (Min 14691 a), nach 1905 in Schloss Ambras (Vermerk auf 152v), dann in der Sammlung Czeczowitzka (Wien), 1930 vom Kupferstichkabinett über das Auktionshaus Ball und Graupe aus der Sammlung erworben (Eine Wiener Sammlung [1930] Nr. 18).

Inhalt: Stundenbuch
1r−12v?

Kalender der Diözese Bamberg (19.8. Sebost: Nürnberg; 8.10. Reparata: Florenz)

13r−105v

Kleines Marienoffizium Ü: Das ist unser Frawen tagçeit und metten

13r

Historisierte Initiale: Verkündigung

?

Laudes

55v

Prim

55v

Historisierte Initiale: Lesende Maria (Brustbild)

62v

Terz

62v

Historisierte Initiale: Betende Maria (Brustbild)

68v

Sext

68v

Historisierte Initiale: Betende Maria (Brustbild)

75r

Non

75r

Historisierte Initiale: Betende Maria (Brustbild)

81v

Vesper

81v

Historisierte Initiale: Betende Maria (Brustbild)

95r

Komplet

106r−121v

Sieben Tagzeiten vom Leiden Christi Ü: Das sind die sieben geçeidt von unsers herren leiden. Metten Herrgot tue auff mein lebsen ...

106r

Historisierte Initiale: Schmerzensmann (Halbfigur)

122r−151v

Sieben Bußpsalmen mit Litanei

122r

Historisierte Initiale: David im Gebet (heute Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 11-2001)

152r−221v

Totenvigil

152r

Historisierte Initiale: Drei Lebende und drei Tote (heute Berlin, Staatliche Museen – Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Min 14691 a)

222r−261v

Mariengebete

222r

Historisierte Initiale: Madonna (Brustbild)

230v

Historisierte Initiale: Betende Maria (Brustbild)

262r−270v

Gebet zu Christus

262r

Historisierte Initiale: Dreifaltigkeit

I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 270 Blätter, 120 × 86 mm, Rotunda, geschrieben von einem italienischen Kalligrafen, einspaltig, zwölfzeilig, unfoliiert, Incipits in mit Perlen besetzten Lombarden, rote Rubriken.

II. Bildausstattung:

Zwölf historisierte Initialen (13r, 55v, 62v, 68v, 75r, 81v, 106r, 122r, 152r, 222r, 230v, 262r), umrahmt von Bordüren mit zahlreichen Medaillons mit halbfigurigen Heiligen, Propheten oder Tieren, verziert mit Spiralranken mit stilisierten Blüten, mit Perlen umgebenen Edelsteinen, Putti und Vögeln. Florentinischer Buchmaler aus der Schule Domenico Ghirlandaios (Hermann [1905] S. 111) oder eher von Mariano del Buono di Jacopo (Western manuscripts and miniatures [2000] S. 24; Recent acquisitions [2004] S. 506).

Format und Anordnung:

Sechs- bis neunzeilige Initialen in unterschiedlicher Höhe.

Bildaufbau und -ausführung:

Nur von drei Miniaturen sind Abbildungen erhalten. Die ganzfigurige Initialdarstellung des knieenden greisen David in freier Natur auf einer Wiese vor einer Waldlandschaft (heute Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 11-2001, 122r) hat eine sehr feine Zeichnung mit einem reichen, zarten, sehr geraden Faltenwurf in der Gewandgestaltung. Dem Maler gelingt es, Emotionen in den Gesichtsausdruck zu legen, der bei David Verzweiflung zeigt. Auch die in den Bordüren angesiedelten Gesichter von drei Propheten und von Goliath, prominent auf dem unteren Rand, sind sehr expressiv gestaltet. Von einer weiteren Initialminiatur ist nur eine alte schwarz-weiß-Aufnahme erhalten und somit ist sie nur sehr eingeschränkt zu beurteilen. Der Schmerzensmann (106r) steht als close-up bis zur Hüfte im Sarg, die Arme hat er vor der Brust gekreuzt und schaut mit geschlossenen Augen nach unten. In der Bordüre sind oben in einem mittigen Medaillon Gottvater und unten der kreuztragende Christus platziert, jeweils flankiert von Maria und Johannes, auf dem rechten Rand Maria Magdalena. Die dritte Abbildung, heute Berlin, Staatliche Museen – Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Min 14691 a) der drei Lebenden und der (eigentlich) drei Toten (152r) ist mit fünf Figuren dicht gedrängt gestaltet. Die drei Lebenden und der Heilige tragen reich verzierte, in geraden Falten fallende Gewänder und sind der Gestik und Mimik nach ins Gespräch vertieft mit dem Heiligen.

Sowohl inhaltlich als auch in gestalterischer Hinsicht finden sich viele Übereinstimmungen mit Werken der florentiner Schule, namentlich Mariano del Buono di Jacopo (1433–1504). Die Darstellung der Kreuztragung und des Schmerzensmannes (106r) sind beispielsweise im Stundenbuch für Lorenzo di Medici in Cambridge, University Library, MS Add. 4101, 196r und 238r identisch mit denen dieses Stundenbuches gestaltet. In einem weiteren Stundenbuch Mariano del Buonos für die Medici-Familie, dem sogenannten Medici-Rothschild-Stundenbuch, heute in Waddesdon Manor, Ms. 16, aus dem Jahr 1488 findet sich auf 93r eine ähnliche Darstellung der drei Lebenden und drei Toten, hier jedoch ausführlich erzählt mit tatsächlich je drei Lebenden und drei Toten, während in ehem. Innsbruck, sicherlich auch dem Platzmangel der Initiale geschuldet, die drei Toten auf ein Skelett verkürzt wiedergegeben sind. Weitere Übereinstimmungen finden sich in der Figur des David, vor allem in seinem Gesicht, mit dem im Missale Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Ms. Acquisti e Doni 237, 7r, das ebenfalls Mariano zugeschrieben wird (siehe Garzelli [1985] Bd. 1, S. 207–215). Das abgeschlagene Haupt des Goliath liegt in gleicher Weise auf einem Teller in beiden Manuskripten. Auch die Bordürengestaltung mit den goldgerahmten Tondi, durch diese hindurch die Heiligen und Propheten in die Bordüre blicken, stimmt überein. Zudem finden sich sowohl Form als auch Ausgestaltung der Schmuckstücke zahlreich in Marianos Werk, so z. B. in London, The British Library, Add. 35254R (Einzelblatt), das ebenfalls von Mariano gefertigt wurde.

Das verschollene Stundenbuch stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus derselben Werkstatt wie das genannte Medici-Stundenbuch in Cambridge, MS Add. 4101 und das Medici-Rothschild-Stundenbuch in Waddesdon Manor, Ms. 16. Letzteres ist datiert auf 1488, das Innsbrucker Stundenbuch muss zeitlich sicherlich etwas früher angesetzt werden, da es, zumindest den drei abgebildeten Seiten und der Beschreibung Hermann (1905) nach, noch keine Kompartimentaufteilung der Bordüren enthält, auf die Mariano del Jacopo ab 1485 in modernem Stil umgestiegen war (Garzelli [1985] Bd. 1, S. 212ff.).

Bildthemen:

Die Verkündigung zur Einleitung des Marienoffiziums und die Brustbilder Mariens, betend oder lesend, zu jeder Tagzeit, außer zur Laudes, sowie zu den Mariengebeten, der Schmerzensmann zur Tagzeit des Leidens Christi, David im Gebet zu den Bußpsalmen und die Dreifaltigkeit zu Christusgebeten sind tradierter Standard. Die Darstellung der drei Lebenden und der drei Toten ist nicht ungewöhnlich zur Totenvigil. In dieser Darstellung handelt es sich um den weit verbreiteten italienischen Typus (nach Storck [1910]) mit einem Eremit als Mediator zwischen den Lebenden und den Toten. Dieser Eremit wird oft Makarius genannt, wohl nach der Beschreibung Vasaris der Campo Santo-Fresken in Pisa (siehe Rotzler [1958]). Diese Thematik findet sich zeitgleich in Florenz neben in dem erwähnten Medici-Stundenbuch in Waddesdon Manor Ms. 16 auch in der Handschrift New York, PML, Ms. 14 (130v) und in einem weiteren Medici-Stundenbuch, Florenz, Biblioteca Laurenziana, Ashburnham 1874, 106r. Dort ist die Szene der drei Lebenden und der drei Toten wie in dem verschollenen Stundenbuch mit nur einem sprechenden Skelett abgebildet, wobei dort wohl zwei weitere leere Särge auszumachen sind.

Farben:

auf Bl. 122 und 152: Gelb, Grün, Dunkelgrün, Rot, Blau, Inkarnat, Braun, Grau, Schwarz, Gold und Goldtöne.

Literatur:

Hermann (1905) Nr. 122, S. 110−113, Abb. 30−32 (106r, 122r, 152r); Storck (1910) S. 42, Nr. 92; Eine Wiener Sammlung (1930) S. 9; Vollmer (1933) S. 268; Fingernagel (1994) S. 264; Western manuscripts and miniatures (2000) lot 33 (Abb. 33); Recent acquisitions (2004) S. 506 mit Farbabb. von 122r; Cermann (2005) S. 136, Abb. 86; Cermann (2010) S. 14; Alai (2019) S. 193–195.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus