KdiH

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43.1.44. Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs 1907

Bearbeitet von Regina Cermann

KdiH-Band 5

Datierung:

Um 1520.

Lokalisierung:

Aachen (Kaiser Karl im Kalender [28. 1., ohne Octava, 27. 7.] und in der Litanei [68r]; im Kalender weitere gekrönte Heilige: 13. 7. Heynricus keyser, 19. 8. Ludowici konyng [!], 16. 10. Zegismundus conyng [Namenspatrone zuletzt in Aachen gekrönter Könige und Kaiser: 1309 Heinrich VII., 1314 Ludwig der Bayer, 1349 Karl IV., 1414 Sigismund, 1520 Karl V.]; Wenzel ist im Kalender nur als Märtyrer vermerkt [28. 9.], obwohl 1376 die Krönung Wenzels ebd. stattfand).

Das Vorkommen von Rochus in der Litanei (68r) sowie dreier Pestgebete (89v–90r, 91v–92v) stützt die von Achten/Knaus (1959) vorgeschlagene Datierung insofern, als 1520 in Aachen gerade die Pest grassierte (weshalb die Kaiserkrönung Karls V. verschoben werden mußte).

Besitzgeschichte:

1805 mit der Kölner Sammlung des Baron Hüpsch (1730–1805; vgl. Lust und Verlust [1995] S. 45–76, 355f ., 527–545) unter der Signatur 479, 29 (Papierzettel auf dem Vorderdeckel 479, 29, vorderer Innenspiegel 479) in die damalige Hofbibliothek gelangt.

Inhalt: Stunden- und Gebetbuch

2r–12r

Kalender der Diözese Köln (Aachen lag einst im Bistum Lüttich, dicht an der Grenze zur Erzdiözese Köln; vier Spalten: Goldene Zahl, Sonntagsbuchstabe, Festtage [voll besetzt, rot u. a.: 23. 7. Die dry konyngen, 28. 7. Panthaleon, 22. 9. Mauricius, 10. 10. Gereon ind syne gesellen, 21. 10. Die 11 dusent ionfferen, 23. 10. Seuerijn, 12. 11. Cunibertus], Monatstag)

12r–13v

Anfang des Johannesevangeliums (Io 1,1–14), Schlußgebet

13v–54v

Kleines Marienoffizium in der Übersetzung von Geert Groote (vgl. van Wijk [1940] S. 36–70; ohne Prolog und Glossen)

14r

Miniatur: Verkündigung, Engel mit Banderole Aue gracia plena Dominus tecum

54v–55v

›Salve regina‹, deutsch

55v–72v

Sieben Bußpsalmen mit Litanei, Fürbitten und Gebeten

56r

Miniatur: David im Gebet, vor Stadtkulisse, Spruchband De propitiatio (?) et … peccatoris

73r–75v

Tagzeiten zur Passion (Hymnus ›Patris sapientia‹, deutsch, nur am Ende eine Kollekte)

73r

Miniatur: Kreuzigung vor Stadtkulisse

76r–78v

Passionsgebet Gregors d. Gr., ›Adoro te in cruce pendentem‹, deutsch (neunteilig)

76r

Miniatur: Gregoriusmesse (vgl. Kupferstich Israhels van Meckenem [lehrs 353])

78v–84v

Beichtformel für einen verheirateten Mann (80rDat ich frauwen ader ionfferen vngeboirlich hayn angegryffen. oder mich selues …, 81rMyn eliche stait befleckt vnd niet recht gehalden hayn …, 83rDat ich haue begert eynes anderen huyßfrauwe. brief geschreuen gaue gegeuen. in das gesicht gegangen. Myn eygen huyßfrauwe vngeburlich weisse. vnordelich meynung. unbequemlicher reytzung …)

79r

Miniatur: Jüngstes Gericht

84v–89r

Zwei Kommuniongebete

89r–90r

Zwei Mariengebete, eines davon gegen die Pest

90v–91r

Suffragium zum Kreuzestod Christi

91r–92v

Heiligensuffragien: Johannes d. T., Sebastian, Rochus (die beiden letzten Pestgebete)

92v–95v

Vier Hymnen (zur Prim, zu Ehren des Hl. Geistes, zum Sakrament, vor dem Schlafengehen)
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 95 Blätter, moderne Bleistiftfoliierung (breiter Falz vor Blatt 2 als ganzes Blatt mitgezählt), 112 × 82 mm, Lagenformel: IV–36 (vor 2, 6 [= Blatt 11]; Blatt 1 nur Falzrest), IV+115 (+11), 3 IV39, IV+148 (+44), 5 IV88, IV–195 (nach 95), IIIV (breitere Falzreste). Fehlbindung: Blatt 11 gehört vor Blatt 6. Blatt 44 nachträglich vom Schreiber eingefügt, da Text übersprungen und nachgetragen. Geübte, doch etwas unruhige Bastarda, gelegentlich Cadellen, eine Hand, einspaltig, 19 Zeilen, rote Strichel, Rubriken, ein- bis zweizeilige rote und blaue Lombarden, vierzeilige rote und blaue Lombarden mit ausgespartem Ornament. Nachtragshand des 18. Jahrhunderts (?) auf Falzresten 1r, 1v, 96v, Ir–IVv. Federproben auf 7r, 10v, 11r, 85r, 87v, 95v, 96r.

Schreibsprache:

ripuarisch (Jeske [1983]).

II. Bildausstattung:

Fünf Miniaturen (14r, 56r, 73r, 76r, 79r). Neun vierseitige Akanthusbordüren, belebt mit Vögeln, stilisierten Blüten, Hasen, Vase (13v, 14r, 55v, 56r, 73r, 73v, 76r, 76v, 79r). Drei acht- (13v, 73v, 76v), eine siebenzeilige (55v) Buchmalerinitiale (Initialkörper in Groteskenform, mit Muschelgold ausgeführt, auf blauem Grund). – Eine Hand.

Format und Anordnung:

Ganzseitige Miniaturen, 75–78 × 50–55 mm, integrativer Teil des regelmäßigen Lagenverbunds, stets auf recto-Seiten plaziert. Um kein Pergament zu verschenken, wurde der Text fortlaufend geschrieben. Ein befriedigendes Layout war auf diese Weise nicht zu erzielen: Entweder heben die mit Bildern, Bordüren, Buchmalerinitialen ausgezeichneten Gebetstexte schon vor den Miniaturen (13v, 55v, 78v) oder erst nach dem Umblättern auf deren Rückseiten (73v, 76v) an.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Bilder sind heute arg berieben und verschmutzt. Die Verkündigung (14r) spielt sich in einem behaglichen Interieur ab, in dem die beiden vollmondgesichtigen Protagonisten in modisch aufgeputzten Gewändern agieren: Der barfuß von links eintretende Gabriel trägt ein gebauschtes weißes Gewand mit geschlitzten Puffärmeln, die am Betpult überrascht auffahrende Maria ein enganliegendes Mieder mit viereckigem Ausschnitt, aus dem ein weißes Hemd mit gerüschtem Saum hervorlugt. König David verrichtet sein Gebet vor einer Stadtkulisse (56r), die mit ihren Toren, Türmen und Bauten den Anschein einer konkret gemeinten Ansicht erweckt (das Aachener Münster ist allerdings nicht auszumachen). Die ansonsten minimalistisch wiedergegebene Kreuzigung (73r) wurde ebenfalls vor einen Stadtprospekt verlegt – der jedoch über keine Ähnlichkeit mit dem vorherigen verfügt. Für die Gregoriusmesse (76r), wo wir den Papst schräg von hinten erblicken und der Schmerzensmann signifikant seine Arme vor der Brust gekreuzt hält (vgl. das in der Münsteraner Datenbank zusammengetragene Material http://gregorsmesse.uni-muenster.de), wurde ein 215 × 149 mm großer Kupferstich Israhels van Meckenem (Lehrs 353) drastisch in Hinblick auf Größe (fast auf ein Drittel), Personal (von sieben Assistenzfiguren wurden nur die beiden flankierenden Diakone übernommen) und Beiwerk (Verzicht auf die zahlreichen arma Christi) reduziert. Möglicherweise haben auch für die anderen Bilder, insbesondere für das Jüngste Gericht (79r) Graphiken Pate gestanden.

Bildthemen:

Die Auswahl der Motive ist konventionell. Einzig das Jüngste Gericht zur Beichte (79r) erstaunt, gewöhnlich würde man es zum Totenoffizium erwarten. Da dieser Text hier jedoch fehlt, mag die Endvision vor den privaten Rechenschaftsbericht geraten sein, der sonst bei einer Bebilderung eher übergangen wird. Seine untergeordnete Stellung in der Texthierarchie ist noch an dem Umstand ablesbar, daß man nur in diesem Fall auf Bordüre und Buchmalerinitiale als weitere Auszeichnungsmerkmale verzichtet hat. Beim Marienoffizium hat man sich mit einer Eröffnungsminiatur begnügt und keinen Zyklus mit der Kindheit Jesu o. ä. folgen lassen.

Farben:

Eher gedeckte, trübe Farben; allerdings wird durch die hinzugefügten Bordüren insgesamt eine bunte Wirkung erzielt: Grün, Rosa, Blau, Hellblau, Weiß, Rot, Ocker, Orangerosa, Braun, Violett, Grauviolett, Grau, Schwarz, Silber (oxydiert), Muschelgold.

Literatur:

Achten/Knaus (1959) Nr. 31, S. 136–138. – Richstätter (1924) S. 392; Fiebig (1956) S. 100, Anm. 4; Plotzek (1982) S. 252; Jeske (1983) S. 42; Ochsenbein (1995a) Sp. 471; Worstbrock/Bauer (1999) Sp. 222.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 82: 13v+14r. Textseite mit Buchmalerinitiale, Akanthusbordüre. Verkündigung an Maria, Akanthusbordüre.

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Abb. 82.