KdiH

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43.1.30. Bern, Burgerbibliothek, Cod. 801

Bearbeitet von Regina Cermann

KdiH-Band 5

Datierung:

Um 1390–1430 Bilderzyklus. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts durchschossen und mit Text versehen (Jahreszahl 1494 auf 4v vielleicht auf die Textseiten des Gebetszyklus 9v–176v übertragbar, da beide Male dasselbe Papier verwendet wurde. Iv Confectum Anno 1494: Hand des 18. [?] Jahrhunderts).

Lokalisierung:

Straßburg (Iv Schuldverschreibung … et in p[raese]ntia f[rat]ris heinrici … Religiosis viris f[rat]ribus priori et Conuent[] ordinis Carthusien. … per ip[s]os fr[atr]es henselmo … in Ciuitatem argentin. …), Reuerinnenkloster St. Magdalena (vgl. u. a. 17vIch vnwürdige rüwerin die do in den tempel diß klosters geopffert wurden bin …, 63vnit versmahe ouch mich, die do noch yrem namen ein rüwerin genennet bin …, 83vuff das ich dir ein geneme rüwerin sye …).

Besitzgeschichte:

Auf 103r bittet die Schreiberin das ich ein fruchtbarer zwig sye der winreben dises heiligen ordens vnd das die ackermennyn myn liebe mütter mich durch zymlich stroffe vnd lere ye me reyninge zu dynem gottlichem lop. Im Seelbuch von St. Magdalena (Strasbourg, Bibliothèque du Grand Séminaire, cod. 35 [olim 179]) ist eine Ackermännin als Priorin nicht verzeichnet. Dort allerdings für das 15. Jahrhundert Lücken von 1400–1402, 1422–1447, 1450–1486, 1487–1500 (freundliche Mitteilung von Louis Schaefli). Auch in anderen Straßburger Quellen ist der Name nicht greifbar (freundliche Auskunft von Sigrid Schmitt). Nach Palmer (mündlich) ist er in Korrelation zur Bildbeischrift von 102v möglicherweise metaphorisch zu verstehen. 195v S[wester] vrsvla begerin zuͦ […] (laut Seelbuch am 31.8.1531 gestorben; die Beger waren ein altes bischöfliches Ministerialengeschlecht, das im Straßburger Umland ansässig war, vgl. Braun [1983] S. 158 f.). Hinterer Innenspiegel: ex Libris Felix Ulrich Lindinner civi Turicensi A:D:1811. Ir Bibliothek von Mülinen Bern (vgl. Haeberli [1953]). 1937 von der damaligen Stadtbibliothek Bern angekauft (Ir Stempel).

Inhalt: Gebetbuch einer Reuerin (Ursula Begerin)

1r–2r

›Sieben irdische Freuden Mariens‹ (Darstellungs-Typus), mit Ablaß

2v–4v

Bittgebet O her vnd gott du der durch den propheten hast gesprochen Ich gedenck die ansleg des friden

5r–7r

›Bedas Gebet von den sieben letzten Worten Christi am Kreuz‹

7r–8v

Ablaßgebete O menscheit bloß O martel groß …, O lieber herre Jhu xpe Ich begere das din heiliger nam sye myn jungstes wort …, Gegrusset syestu worer lichnam vnsers herren …, Gegrusset syestu wurdiges blut vnsers her-ren

9r–156r

Bilderzyklus zur Heilsgeschichte. Nachträglich erweitert um einen 149-teiligen Gebetszyklus (von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht; ursprünglich 158-teilig?), zum Teil korrespondierend mit den Gebeten in der ›Vita Christi‹ des Ludolf von Sachsen (vgl. Teiledition von Bodenstedt [1973]: 9v = I,1; 15v = I,3?; 21v = I,9; 23v = I,10; 24v = I,11; 25v = I,12; 30v = I,14; 32v = I,17; 33v = I,21; 35r = I,22; 37r = I,24; 37v = I,25; 39r = I,29; 42r = I,73; 42v = I,90; 44v = I,63; 46r = I,89; 46v = II,22; 47r = II,23; 49r = I,42; 49v = I,49?; 50r = I,41; 52r = I,43; 52v = I,44; 54r = I,69; 54v = I,67; 57r = I,91; 57v = I,46; 59v = I,62; 61r = I,74; 61v = I,83; 63r = I,56; 63v = I,60; 64r = I,61; 66r = I,66; 66v = II,17; 68v = II,3; 70r = II,35; 72v = II,16; 76r = I,70; 76v = II,25; 78r = I,33; 79r = II,42; 79v = I,87; 81v = I,85; 83r = II,15; 85r = II,14; 86r = II,48; 88r = II,34; 88v = I,59; 90v = II,33; 92r = II,9; 92v = II,7; 96v = II,29; 97v = II,18; 98r = II,52; 127v = II,66; 130v = II,70; 133v = II,72; 134v = II,73; 147v = II,84) Allmechtiger ewiger hymmelischer got vatter der du vor aller welt vnußsprechlichen geborn hest dynen sun
Federzeichnungen:

9r

Dreifaltigkeit, flankiert von fünf Engeln (drei mit Attributen: Krone, Schlüssel, Spruchband) und einem bärtigen Mann mit roter Zipfelmütze mit weißer Krempe (phrygische Mütze? – Henoch?) und Buch (ohne Nimbus), darunter Erzengel Michael mit Engelsturz (Engel bereits zu Teufeln verwandelt)

12r

Sündenfall

13r

Vertreibung aus dem Paradies

13v

Adam und Eva beweinen Abel, Kains Verdammung (oben); Kain erschlägt Abel, Kains und Abels Opfer (unten)

16r

Dreifaltigkeit (Ratschluß der Erlösung?)

16v

Mariengeburt

18r

Vermählung Mariens mit Joseph

19r

Heimsuchung

20r

Josephs Traum (Josephszweifel)

20v

Maria und Joseph begeben sich nach Bethlehem

22r

Geburt Christi

23r

Verkündigung an die Hirten

24r

Beschneidung

25r

Anbetung der Hl. Drei Könige

26r

Darbringung im Tempel

27r

Flucht nach Ägypten

28r

Bethlehemitischer Kindermord

28v

Christus beweint die unschuldig ermordeten Kinder

30r

Christus hilft Maria spinnen (oben); Maria badet Christus, Elisabeth mit Johannes auf dem Schoß? (unten)

31r

Zwölfjähriger Christus im Tempel

32r

Christus kehrt mit Maria und Joseph nach Nazareth zurück

33r

Freiraum (thematisch: Johannes predigend; s. 34r oben)

34r

Johannes predigend. Mt 3,1–6; Mc 1,4–8 (oben); Taufe Christi. Mt 3,13–17; Mc 1,9–11 (unten)

34v

Engel dienen Christus

36r

Dritte und zweite Versuchung Christi (oben); Christus und die Taube des Hl. Geistes, erste Versuchung Christi (unten). Lc 4,1–13

36v

Berufung der ersten Jünger (zweizonig: Philippus und Nathanael, Nathanael unter dem Feigenbaum [oben]; Christus und Nathanael, Johannes, Petrus und Andreas [unten]). Io 1,35–51

38r

Hochzeit zu Kana

38v

Christus lehrt das Volk von einem Boot auf dem See Genezareth aus (oben); Petrus und seine Gefährten staunen über den reichen Fischfang (unten). Lc 5,1–11

40r

Christus erweckt die Tochter des Synagogenvorstehers Jaïrus. Mc 5,35–43; Lc 8,49–56

40v

Rangstreit der Jünger. Mt 18,1–5; Mc 9,33–37; Lc 9,46–48

41v

leer

43r

Heilung eines Besessenen. Mt 12,22–32 (oben); Heilung eines Taubstummen. Mc 7,31–35 (unten)

43v

Heilung der zehn Aussätzigen (oben); Dank des Samariters (unten). Lc 17,11–19

45r

Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten. Io 4,46b–53

45v

Christus heilt die Tochter einer kanaanäischen Frau. Mt 15,22–28

48r

Christus spricht mit dem vom Feigenbaum herabgestiegenen Zöllner Zachäus. Lc 19,1–10

48v

Der Hauptmann von Kafarnaum bittet Christus um Heilung seines Knechtes (oben); gelähmter Knecht im Bett (unten). Mt 8,5–13

51r

Heilung einer kranken Frau. Mt 9,20–22 (oben); Heilung eines Aussätzigen. Mt 8,1–4 (unten)

51v

Christus heilt die Schwiegermutter von Petrus (oben); dieselbe bewirtet Christus und seine Apostel bei Tisch (unten). Mt 8,14–15

53r

Auferweckung eines Jünglings in Naïn. Lc 7,11–17

53v

Christus wandelt über das Wasser des Sees Genezareth (oben); Christus errettet den kleingläubigen Petrus vor dem Ertrinken (unten). Mt 14,22–31

55r

Speisung der Fünftausend (oben); Christus spricht das Dankgebet über die fünf Brote und zwei Fische des kleinen Jungen (unten). Io 6,1–15

55v

Christus heilt auf Bitten eines Vaters dessen von einem Geist besessenen Knaben (oben); Vater und Sohn danken Christus (unten). Mc 9,14–29

56r

Heilung der Besessenen von Gadara. Mt 8,28–34

56v

Speisung der Viertausend (oben); Christus spricht das Dankgebet über die sieben Brote und ein paar Fische (unten). Mc 8,1–10

58r

Sturm auf dem See. Lc 8,22–25

58v

Christus wandelt über das Wasser des Sees Genezareth (oben; durchgestrichen, vgl. 53v); Krankenheilung in Genezareth (unten). Mt 14,22–34

60r

Christus und die Samariterin am Brunnen. Io 4,7–26

60v

Christus antwortet den nach einem Zeichen verlangenden Pharisäern und Schriftgelehrten mit dem Zeichen des Propheten Jona. Mt 12,38–42

62r

Christus und die Ehebrecherin. Io 8,1–11

62v

Johannes d. T. fragt aus dem Gefängnis Bistu der do künftig ist oder beitent wir eins andern (oben); Christus läßt Johannes seine Antwort ausrichten (unten). Mt 11,2–6

65r

Maria Magdalena trocknet Christus die Füße mit ihrem Haar. Lc 7,36–50 (oben); Christus spricht zu Martha und Maria. Lc 10,38–42 (unten)

65v

Salome bringt das Haupt Johannes d. T. an die Tafel von Herodes und Herodias (oben); Enthauptung Johannes d. T. (unten)

67r

Auferweckung des Lazarus

67v

Knechte fragen ihren Herrn, ob er kein gutes Korn auf seinem Acker ausgesät hat (oben); sein Feind sät Unkraut auf seinem Acker aus (unten). Mt 13,24–30

69r

Verklärung Christi

69v

Gleichnis von dem Zinsgroschen

71r

Die Mutter von Jakobus und Johannes erbittet von Christus für ihre Söhne den Platz zu seiner rechten und linken Seite in seinem künftigen Reich. Mt 20,20–28

71v

Ein Herrscher lobt die Knechte, die mit dem ihnen anvertrauten Geld gewirtschaftet haben (oben); der ängstliche Knecht wird in die Finsternis geworfen (unten). Mt 25,14–30

73r

Lazarus in Abrahams Schoß, darunter im Höllenschlund der Reiche, um Kühlung seiner Zunge bittend. Lc 16,19–31

73v

Heilung eines Wassersüchtigen am Sabbat (oben); Pharisäer mühen sich am Sabbat, einen Esel aus einem Brunnen zu ziehen (unten). Lc 14,1–6; Mt 12,9–14

75r

Heilung eines Gelähmten. Io 5,1–9

75v

Christi Rede vom Himmelsbrot in der Synagoge von Kafarnaum. Io 6,22–59

77r

Salbung in Betanien. Mc 14,3–9

77v

Bergpredigt. Mt 5,1–2

80r

Streitgespräch beim Tempelweihfest. Io 10,22–39

80v

Christus warnt seine Apostel vor falschen Propheten (oben); zwei falsche Propheten neben Feigenbäumen und Disteln stehend (unten). Mt 7,15–20

82r

Heilung eines Blindgeborenen. Io 9,1–12

82v

Ein Verwalter wird beschuldigt, das Vermögen seines Herrn zu verschleudern (oben); der Verwalter erläßt den Schuldnern seines Herrn einen Teil ihrer Schulden (unten). Lc 16,1–7

84r

Seligpreisung Mariens. Lc 11,27–28

84v

Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Mt 20,1–16 (oben); Gleichnis vom Sämann. Mc 4,3–9 (unten)

87r

Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen. Mt 25,1–13 (oben); Gleichnis vom verlorenen Sohn (unten)

87v

Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl (oben); Gast ohne Hochzeitsgewand wird gefesselt in die Finsternis geworfen (unten). Mt 22,1–14

89r

Der barmherzige Samariter bringt den Verletzten in einer Herberge unter. Lc 10,30–35

89v

Ein Pharisäer und ein Zöllner betend im Tempel. Lc 18,9–14

91r

Gleichnis von den bösen Winzern. Mt 21,33–46; Mc 12,1–12; Lc 20,9–19

91v

Ein Herrscher erläßt einem Gläubiger seine Schuld, dieser erweist sich gegenüber seinem eigenen Schuldner als unbarmherzig (oben); daraufhin zeigt sich der Herrscher ihm gegenüber ebenso unerbittlich (unten). Mt 18,23–35

93r

Gleichnis vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme. Lc 15,1–10

93v

Dritte Ankündigung des Leidens. Lc 18,31–34

95r

Palmsonntag

95v

Pilger treten an Philippus und Andreas heran, um Christus zu sehen. Io 12,20–26

97r

Vertreibung der Händler aus dem Tempel. Io 2,13–22

99r

Beschluß des Hohen Rates und Verrat des Judas. Io 11,45–53; Mt 26,3–5 und 14–16

100r

Maria als Priesterin neben Christus

101r

Letztes Abendmahl

102r

Fußwaschung

102v

Rede vom Weinstock und seinen Reben. Io 15,1–8

104r

Christus befiehlt acht Jüngern, im Garten Gethsemane auf ihn zu warten, und geht mit Petrus, Jakobus und Johannes zum Ölberg

105r

Niedergeworfen betet Christus allein am Ölberg

106r

Aufruf an die Jünger, sich zu erheben, Gebet in Todesängsten. Lc 22,41–46

107r

Judas mit den vor Christus umgefallenen Häschern. Io 18,4–6

108r

Gefangennahme

109r

Christus vor Hannas

110r

Verleugnung Petri

111r

Verspottung

112r

Kaiphas zerreißt sein Gewand

113r

Christus vor Pilatus

114r

Christus vor Herodes

115r

Christus vor Pilatus, der von seiner Frau gewarnt wird

116r

Geißelung

117r

Dornenkrönung

118r

Ecce homo

119r

Handwaschung des Pilatus

120r

Ausziehen des Purpurgewandes

121r

Kreuztragung

122r

Entkleidung

123r

Kreuzannagelung

124r

Große Kreuzigungsszene

125r

Unter dem zerrissenen Tempelvorhang würfeln Soldaten um Christi Rock, vor ihnen offene Gräber

126r

Kreuzabnahme

127r

Pietà mit Johannes, Maria Magdalena und den drei Marien

128r

Grablegung

129r

Christus in der Vorhölle

130r

Auferstehung

131r

Christus erscheint Maria

132r

Drei Frauen am Grabe

133r

Johannes und Petrus am leeren Grab. Io 20,3–10

134r

Noli me tangere

135r

Christus erscheint den drei Marien

136r

Christus erscheint Petrus

137r

Christus erscheint Jakobus d. J.

138r

Emmausmahl

139r

Erscheinung Christi vor den Aposteln. Io 20,19–23

140r

Ungläubiger Thomas

141r

Offenbarung auf dem Berge Tabor. Mt 28,16–20

141v

Christus fragt Petrus »Liebst du mich« (oben); Christus heißt Petrus »Weide meine Lämmer« (unten). Io 21,15–17

144r

Offenbarung am See von Tiberias. Io 21,1–7

145r

Christus zeigt beim gemeinsamen Mahl mit den Aposteln seine Wundmale. Lc 24,36–43; Apg 10,41–42

146r

Himmelfahrt Christi

147r

Dreifaltigkeit (Christus mit den Wundmalen sitzt zur Rechten des allmächtigen Vaters; zwischen ihnen die Taube des Hl. Geistes)

148r

Pfingsten

149r

Pfingstpredigt des Petrus

150r

Maria empfängt von Johannes die Kommunion

151r

Maria diktiert Lucas

154r

Himmelfahrt Mariens

154v

Drei Reihen mit jeweils vier sitzenden Aposteln

156r

Jüngstes Gericht

156v

Gebet zu Christus als Schmerzensmann

157r

Federzeichnung: Der Volto Santo schenkt einem geigenden Spielmann einen seiner Schuhe

157v–176v

»Bildlitanei«, gelegentlich unterbrochen von Heiligengebeten: 159r alle Heiligen (Nachtrag), 160r–160v Hugo der Kartäuser, 166r–166v Hieronymus, 168r–168v Maria im Strahlenkranz, 173v Mechthild von Hackeborn O barmhercziger süßer Jhesu der du din aller liebsten fründe durch das myttel dyner gotlichen ingebung oder monschlicher vnderwisung von zitlicher liebe zu dyner liebe gnediglichen berüffest … Ich die do lang zit wider mich gelebet habe bitt dich … O du selige gnadenrich mechthild sye myn getruwe helfferin …, 175r–175v Ursula
Federzeichnungen:

157v

Aegidius, Paulus der erste Eremit, Wendelin (Einsiedler)

158r

Erzengel Raphael, umstanden von zwei Engeln

158v

Alexius, Leonhard, Wilhelm von Aquitanien (oder Wilhelm von Maleval?) (Einsiedler)

159v

Hugo der Kartäuser

161r

Jakobus der Zerschnittene, Valerian (führte mit der hl. Caecilia eine Josephsehe) und sein Bruder Tiburtius (die beiden Außenstehenden weisen auf den hl. Valerian) (Märtyrer)

161v

Martin, Gregorius, Ambrosius (Bekenner)

162r

Damian, Panthaleon, Cosmas (Ärzte)

162v

Ludwig, Wenzel, Oswald (Könige)

163r

Quirinus, Georg, Mauritius (Reliquie in Straßburg, St. Thomas) (Ritter)

163v

Blasius (irrtümlich mit Jungfrau), Ignatius von Antiochien, Dionysius (Bischöfe)

164r

Vinzenz, Stephan, Laurentius (Diakone)

164v

Albin von Rom, Alban von Mainz, unbezeichneter Märtyrer (Kephalophoren)

165r

Antonius, Ivo, Simeon Stylites (Fürsprecher der Armen und Kranken)

165v

Thomas von Aquin, Dominikus, Petrus Martyr (Dominikaner)

167r

Benedikt, Hieronymus, Bernhard

167v

Erzengel Gabriel, umstanden von zwei Engeln

169r

Caecilia (Reliquie im Straßburger Münster), Ursula, Agathe

169v

Christine, Barbara, Lucia

170r

Petronilla, Thekla, Brigida (Reliquie in Straßburg, Alt St. Peter)

170v

Kolumba von Sens (Reliquie im Straßburger Münster), Juliana von Nikomedien, Solonie (als Jungfrau und Märtyrerin, mit Brotscheibe [?] und Hammer [?] in den Händen dargestellt)

171r

Odilia (Reliquie im Straßburger Münster, ehem. in St. Stephan), Emerentiana, Athale

171v

Klara, Margarete von Ungarn, Gertrud

172r

Elisabeth, Korona, Helena

172v

Dorothea, Sophia mit ihren Töchtern (Reliquien im Straßburger Münster)

173r

Remigius von Straßburg (brachte Reliquien der hl. Sophia in das von ihm gegründete Kloster Eschau), Severinus, Germanus (Bischöfe)

174r

Mechthild von Hackeborn, zu einer runden Kamee mit einer Kreuzigung aufblickend

174v

Ursula mit ihren Gefährtinnen (Reliquien in Straßburg, St. Magdalena), Aurelia von Straßburg (Reliquien in Straßburg, St. Aurelien) (Gefährtin von Ursula)

176r

Wilbeth, Einbeth, Warbeth (drei Jungfrauen aus dem Gefolge der hl. Ursula, blieben mit der erkrankten Aurelia in Straßburg zurück; Reliquien in Straßburg, Alt St. Peter)

176v

Felix, Regula und Exuperantius (Kephalophoren; Versprengte der Thebäischen Legion, die das Martyrium in Zürich erlitten)

177r–184v

Betrachtungsanweisung für die Woche

185r–188r

Ermahnung an geistliche Frauen O Jr andechtigen jn cristo lieben Jüngfrouwen zu uch rüffet die gottlich stymme die stymme uwers gesponßs klöppffet zu uwern oren

188r

Nachtrag: ›Pater noster‹, ›Ave Maria‹, deutsch

188v–191v

Passionsgebet Gregors d. Gr., ›Adoro te in cruce pendentem‹, deutsch (fünfteilig), mit Ablaß, vorweg Exempel

188v

Holzschnitt: Gregoriusmesse (ähnlich Schreiber 1466)

191v–192r

Fünf Paternoster der hl. Mechthild

192r–193r

Ablaßgebet (Blatt 192 zur Hälfte abgerissen), Ablaßrubrik für das Betrachten eines Veronika-Bildes

193v–195v

Gebet zur hl. Maria Magdalena

193v

Kupferstich: Maria Magdalena (nicht bei Lehrs; ähnlich Kupferstich vom Meister mit den Blumenrahmen, Lehrs 92)

Einbanddeckel

Zeichnung: Bettler. Laut Beischrift von Bernhard Zix
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 195 Blätter, moderne Bleistiftfoliierung, 140 × 90–95 mm (beschnitten), acht halbe Blätter (29, 47, 50, 64, 98, 142, 152, 155), 48–95 × 90–95 mm, ein abgerissenes Blatt (192), abgelöste Innenspiegel vorn und hinten aus Pergament (I Urkunde, I* Brieffragment). Lagenformel (Rekonstruktion): II+14 (+I), II8, VI+III–818 (+[vor 9]/17, 10/15, 11/14, – 3 vor 9, eines vor 10, 11, 15, 16, 18), VI+2–230 (+21, 29, – vor 19, nach 30), VI+V+355 (+33/52, 35/49, 37/46, 39/44, 41/42, 47, 50, 54), VI+VI+2–279 (+[vor 56]/79, 57/78, 59/76, 61/74, 63/72, 66/70, 64, 68, – vor 56, 79), VI+II+6101 (+88/96, 90/94, 81, 83, 85, 86, 92, 98), VI+1114 (+103), 2 VI138, VI+4–1153 (+142, 143, 152, 153, – vor 153), VI+3–4164 (+155, 159, 160, – vor 157, 159, 161, nach 164), VI+I+2–4176 (+168/[vor 173], 166, 175, – vor 165, 169, 2 vor 173), V–1185 (vor 177), V+1195 (+I*). Im Hauptteil (9–176) zwei Papiersorten: die Federzeichnungen auf älterem, dickerem, nunmehr brüchigem, verschmutztem Papier (50 Blätter mit Bildern auf beiden Seiten, 64 Blätter mit jeweils einer Bild- und einer Textseite), häufig modern ausgebessert (so 9, 16, 18, 20, 53, 58, 126, 127, 138); 54 reine Textblätter (10, 11, 14, 15, 17, 21, 29, 33, 35, 37, 39, 41, 42, 44, 46, 47, 49, 50, 52, 54, 57, 59, 61, 63, 64, 66, 68, 70, 72, 74, 76, 78, 79, 81, 83, 85, 86, 88, 90, 92, 94, 96, 98, 103, 142, 143, 152, 153, 155, 159, 160, 166, 168, 175), vermutlich 1494 dazwischengeschaltet, da das Papier identisch ist mit demjenigen in den beiden ersten Lagen (1–8), die zwar von anderen Händen beschrieben, aber datiert sind (Wasserzeichen »P« z. B. Blatt 3, 29, 41, 44. Nachweise der verschiedenen Wasserzeichen durch die Berner Konservatorin Ulrike Bürger). Auf den Bildseiten oben links Reste von alten Lagensignaturen (9r c, 12r f; 19r b, 20r c, 22r d, 23r e, 24r f; 31r a III, 32r b, 34r c, 36r d, 38r e, 40r f; 56r [a] IV, 58r b, 60r c; 62r d, 65r e, 67r f; 80r a V, 82r b, 84r c, 87r d, 89r e, 91r f; 102r a VI, 104r b, 105r c, 106r d, 107r e, 108r f; 115r a VII, 116r b, 117r c, 118r d, 119r e, 120r f; 127r a VIII, 128r b, 129r c, 130r d, 131r e, 132r f; 141r c, 144r d, 145r e, 146r f; 154r a X, 157r d, 158r e; 167r c, 169r e, 170r f), die eine Rekonstruktion der Handschrift als autonomen Bilderzyklus erlauben, der sich aus elf Sexternionen zusammensetzte (heute erhalten: VI–7, VI–2, VI, VI–1, 4 VI, VI–1, VI–4, VI–3). 9v–175v durchgängig von einer Hand beschrieben, Kursive, einspaltig, 13–31 Zeilen, rote Strichel, Unterstreichungen, gelegentlich Rubriken, eine zweizeilige rote Lombarde (9v). Ergänzungen von vier verschiedenen Händen: I. 1r–2r Kursive, einspaltig, 21–23 Zeilen, Rubriken, einzeilige rote Lombarden, eine dreizeilige blaue Lombarde (1r). II. 2v–4v Bastarda, einspaltig, 22–24 Zeilen, rote Strichel, zweizeilige rote Lombarden. III. 5r–8v Kursive, einspaltig, 18–19 Zeilen, Rubriken, rote Strichel, Caputzeichen, ein- bis zweizeilige rote Lombarden. IV. 177r–195v Bastarda, einspaltig, 21 Zeilen, Rubriken, rote Strichel, Unterstreichungen, Caputzeichen, ein- bis dreizeilige rote Lombarden. Zeitgenössische Einschübe bzw. Nachträge: 159r, 188r Bastarda, einspaltig, Rubrik, einzeilige rote Lombarden. Bildbeischriften von verschiedenen Händen: Eine ältere, originär zu den Federzeichnungen gehörende Textura, zumeist oberhalb des Bildfeldes, einzeilig, bei zweizonigen Bildern auch im unteren Bildfeld, direkte Rede, Zitate oder Namen ebenfalls im Bildfeld (16v, 19r, 20r, 20v, 22r, 23r, 24r, 25r, 26r, 27r, 28r, 28v, 31r, 32r, 34r, 34v, 36r, 36v, 38r, 40r, 40v, 43r, 45r, 48r, 48v, 51r, 51v, 53r, 53v, 55r, 55v, 56v, 58r, 62r, 62v, 65r, 67r, 69r, 73r, 77v, 82r, 84r, 84v, 87r, 91r, 93v, 97r, 109r, 112r, 157r–158v, 161r–165v, 167r–167v, 169r–173r, 174v, 176r–176v); Bildtitel oben meist stark beschnitten, wenn nicht gänzlich abgeschnitten. Jüngere Bildbeischriften von verschiedenen Händen (Kursive und Bastarda), die vermutlich die alten verlorenen ersetzen sollten, umseitig um oder in das Bildfeld geschrieben (13r, 13v, 16r, 30r, 34r, 34v, 58v, 60r, 60v, 65r, 65v, 67v, 69v, 71r, 71v, 73r, 73v, 75r, 75v, 77r, 80v, 82v, 87v, 89r, 89v, 93r, 95v, 99r, 102v, 104r, 105r, 106r, 111r, 114r, 118r, 119r, 133r, 135r, 137r, 138r, 139r, 140r, 141v, 144r, 145r, 151r, 154r, 159v), gelegentlich ebenfalls beschnitten. Von einer weiteren Hand lateinische Inschriften (124r, 128r, 129r, 132r, 134r, 146r, 147r, 148r, 156r).

Schreibsprache:

alemannisch.

II. Bildausstattung:

165 Federzeichnungen (s. o.), ein Holzschnitt (188v), ein Kupferstich (193v), eine Zeichnung (hinterer Einbanddeckel). Wohl 29 weitere Federzeichnungen verloren (vor Blatt 9 [2], 10 [2], 11 [2], 15 [2], 16, 18, 19, 31, 79 [2], 153 [2], 157, 159 [2], 161 [2], 165 [4], 169 [2], 173 [2]). Abgesehen von einer erst später hinzugefügten Federzeichnung (159v) läßt sich der Buchschmuck auf drei verschiedene Hände verteilen. Die im hinteren Buchdeckel eingeklebte Zeichnung wurde durch F. U. Lindinner (s. o.) beschriftet Bernhard ZixRomae 1811. Pictor argentinenses obiit Romae 1811 (vermutlich verwechselt mit dem elsässischen Maler Benjamin Zix, geboren 1772 in Straßburg, gestorben 1811 in Perugia).

Format und Anordnung:

Federzeichnungen ca. 135 × 85 mm, ganzseitig, eingerahmt von zwei farbigen Linien (innen rot, außen blau). In der Regel steht im Zyklus zur Heilsgeschichte einer Text- eine Bildseite gegenüber. 29 Bildseiten sind horizontal unterteilt (13v, 30r, 34r, 36r, 36v, 38v, 43r, 43v, 48v, 51r, 51v, 53v, 55r, 55v, 56v, 58v, 62v, 65r, 65v, 67v, 71v, 73v, 80v, 82v, 84v, 87r, 87v, 91v, 141v), entweder um eine Geschichte in zwei Sequenzen zu zerlegen (13v, 30r, 36r, 36v, 38v, 43v, 48v, 51v, 53v, 55r, 55v, 56v, 62v, 65v, 67v, 71v, 73v, 80v, 82v, 87v, 91v) – wobei die Leserichtung gelegentlich von unten nach oben verläuft (13v, 36r, 36v, 55r, 56v, 65v, 67v) – oder um zwei Ereignissen auf einer Seite Raum zu geben (34r, 43r, 51r, 65r, 84v, 87r, 141v), denen dann zwei Gebete auf separaten Seiten zuzuordnen sind (32v, 33v; 42r, 42v; 49v, 50r–50v; 63v, 64r–64v; 85r, 85v; 86r, 86v; 142r, 143r). Zweimal beziehen sich zwei Bildseiten auf ein Gebet (28v–30r, 154v–156r), einmal zwei Gebete auf ein Bild (97v–99r). Ohne Bild blieb das Gebet auf 46v – lediglich der Bildtitel auf 48r oben rekurriert darauf (ihs mahte den blinde gesehen wider); keinen Text erhielt das obere, durchgestrichene Bild auf 58v, da die Szene bereits auf 53v oben behandelt worden ist. Zweimal geriet die Reihenfolge durcheinander, die korrekte Abfolge wurde mit Buchstaben kenntlich gemacht (34v/35v/35r/36r, 153v/154r/153r). Mehrfach suchte man an Stellen, wo die Text-Bild-Bezüge komplexer ausfallen, mittels halbseitiger Textblätter den Blick auf die dazugehörenden Bildseiten freizuhalten (28v ← 29r–v → 30r; 46v → 47r–v → 48r; 49v → 50r–v → 51r; 63v → 64r–v → 65r; 97v → 98r–v → 99r; 141v ← 142r–v ← 143r; 151v–152r → [vor 153] ← 154r; 154v ← 155r–v → 156r). Bei den nur einseitig illustrierten Blättern sind die Bilder stets auf recto-Seiten positioniert, ausgenommen die erst später hinzugekommene Federzeichnung auf 159v. Warum allerdings 50 Blätter beidseitig (zwei große Blöcke insbesondere: 34–93 Wunder und Gleichnisse, 157–176 Heilige), 64 hingegen nur einseitig bemalt wurden (zentrale Ereignisse der Heilsgeschichte: 16–20 Marienleben, 22–32 Kindheit Jesu, 95–156 Passion bis Jüngstes Gericht), bleibt rätselhaft. Bei einer verwandten Bilderbibel blieben die Rückseiten allesamt leer (s. Nr. 15.4.2). Holzschnitt 132 × 76 mm (ohne die an drei Seiten abgeschnittene Bordüre). Kupferstich 59 × 39 mm, Reste der Holzschnittbordüre von 188v herumgeklebt. Zeichnung 90 × 35 mm.

Bildaufbau und -ausführung:

Vier Hände: I. Haupthand, bedächtige, klare Linienführung, Betonung der Kontur, reine, unvermischte Farben, hochgewachsene Figuren, beredte Händesprache, sorgsam ausgearbeitete Füße. Altertümlicher, in seinen Leistungen etwas inkonsistenter Zeichner, der in der Tradition der 1362 datierten elsässischen ›Legenda aurea‹-Handschrift in München (Cgm 6) steht (s. Stoffgruppe Nr. 74): 9r, 12r, 13r, 16r, 18r, 19r, 20r, 22r, 23r, 24r, 25r, 26r, 27r, 28r, 30r, 31r, 32r, 34r, 36r, 38r, 40r, 43r, 45r, 48r, 51r, 53r, 55r, 56r, 58r, 60r, 62r, 65r, 67r, 69r, 71r, 73r, 75r, 77r, 80r, 82r, 84r, 87r, 89r, 91r?, 93r, 95r, 97r, 99r, 100r, 101r, 102r, 104r, 105r, 106r, 107r, 108r, 109r, 110r, 111r, 112r, 113r, 114r, 115r, 116r, 117r, 118r, 119r, 120r, 121r, 122r, 123r, 124r, 125r, 126r, 127r, 128r, 129r, 130r, 131r, 132r, 133r, 134r, 135r, 136r, 137r, 138r, 139r, 140r, 141r, 144r, 145r, 146r, 147r, 148r, 149r, 150r, 151r, 154r, 156r, 157r, 158r, 161r, 162r, 163r, 164r, 165r, 165v, 167r, 167v, 169r, 169v, 170r, 170v, 171r, 171v, 174r. Hände II und III Werkstattmitglieder, die zumeist die Rückseiten von Hand I bemalt haben. Hand II: eigenständig im Ausdruck, freier, geschwinder im Duktus, nicht so auf den Kontur fixiert, dafür Binnenzeichnung und Farbmodellierung ausgeprägter (sorgfältige Blau-Grau-Lavierung beim Umhang Christi), kaskadenartig fallende Gewänder, wirr kreisende Linien für Lockenpracht. Ähnlichkeiten mit dem Zeichner der Lütticher Bilderbibel ms. Wittert 3 (Nr. 15.4.2.), aber nicht so energisch im Strich: 13v, 16v, 20v, 36v, 51v, 53v, 55v, 56v, 58v, 60v, 62v, 65v, 67v, 69v, 71v, 73v, 75v, 77v, 80v, 95v, 141v, 157v, 158v, 161v, 162v, 163v, 164v, 173r, 174v, 176r, 176v. Hand III: schwächster Zeichner, gröber und nachlässiger in der Ausführung, weniger prägnant in seinen Formulierungen, Figuren insgesamt kürzer, Gesichter etwas disproportioniert. Unselbständiger Kopist, der Hand I zu imitieren sucht. Auf 82v bedient er sich einer Gebärdensprache, wie sie aus illustrierten ›Sachsenspiegel‹-Handschriften geläufig ist (s. Stoffgruppe Nr. 106): 28v, 34v, 38v, 40v, 43v, 45v, 48v, 82v, 84v, 87v, 89v, 91v, 93v, 102v, 154v?. Hand IV: spätere Hand, die nur 159v zu verantworten hat (wohl zeitgleich mit dem Text entstanden, da die Bildbeischrift vom Hauptschreiber herrührt).

Trotz verschiedener Zeichner ist die Kleidung bei den Hauptprotagonisten stringent durchgehalten: Christus – durchgängig mit Kreuznimbus – trägt während seines Erdenlebens ein graues Unterkleid und einen blauen Mantel mit gelber Innenseite, nach der Auferstehung ein blaues Gewand und einen roten Mantel mit gelbem Futterstoff; Maria ein rotes Kleid und einen blauen Mantel mit gelber Kehrseite, den sie während der Passion gegen einen weißen Umhang eintauscht, auf dem Kopf entweder eine Krone, einen weißen Schleier oder ein Stück ihres Mantels; Josephs Tracht, bestehend aus einem grauvioletten knöchellangen Rock und einer grünen Gugel mit Sendelbinde, entspricht zeitgenössischer Arbeitskleidung (die Bauern auf 84v tragen Kittel und Gugel); Maria Magdalena wiederum ist historisch zeitlos gewandet (rotes Kleid, grüner Mantel, weißer Schleier). Einige weltliche Gestalten führen modische Extravaganzen der Zeit vor: Trompetenärmel (65v Herodes, Salome, 67v Herr und Knecht), Zaddeln (69v Gefolgsleute des Herodes), Beinlinge und Schecke mit Knöpfung oder Dusing (116r, 117r Schergen); auffällig mit Kruseler herausgeputzt sind die Ehebrecherin (62r), Herodias (65v) und die Frau des Pilatus (115r), insbesondere aber Pilatus, der in einem bunten Gewand mit Zackenmuster steckt und ein Birett mit Hermelinkrempe und Federbusch aufgesetzt bekommen hat (113r, 115r, 118r, 119r) – Personen also, die mehr oder minder negativ konnotiert sind. Zeitkolorit spiegelt sich auch in den Rüstungen wider (Beckenhaube mit Halsbrünne: 107r, 108r, 113r, 114r, 115r, 119r, 120r, 121r, 122r, 123r, 130r Häscher, Soldaten, 163r Ritterheilige); bei dem altertümlichen Topfhelm, der Wilhelm von Aquitanien übergestülpt worden ist (158r), manifestiert sich wohl ein Bemühen um historische Authentizität. Von rituellen Kenntnissen könnte die merkwürdige Banderole zeugen, die einigen Pharisäern vor der Stirn schwebt (69v, 73v, 75v, 89v) und vielleicht einen Gebetsriemen vorstellen soll, mit dem man die Schriftgelehrten als starre Buchstabengläubige brandmarken wollte.

Die Bildfelder werden dominiert von Figuren, die auf verschieden breiten Bodenstreifen mit Grasbewuchs stehen, und je nach Bedarf mit Landschaftselementen (Bäume, Berge, Gewässer, Acker), Architekturversatzstücken (Portal, Dach, Treppe, Zinnenmauer), Möbeln (Krippe, Bett, Tisch, Stuhl, Thron, Altar, Schreibpult) oder anderen Realien (Bahre, Boot, Körbe, Brunnen, Flaschenzug, Sarkophag, Weidenzäune, Weinpresse, Balustrade) umgeben worden sind; die Hintergründe blieben ausgespart, nur 69r erhielt einen blauen Fond; einige Bilder ziert eine Bogenarchitektur als Rahmung (40r, 89v, 97r, 139r, 145r, 147r, 151r).

Die Zeichner haben sich um eine textgenaue, zum Teil sogar wörtliche Umsetzung des biblischen Geschehens bemüht: So nimmt auf 45v der Hund hinter der heidnischen Frau auf ihre Replik Bezug nam et catelli edunt de micis quae cadunt de mensa dominorum suorum (Mt 15,27; 46r wie wol ich als ein hunt nit würdig bin); auf 60v verbildlicht der Walfisch, der den Propheten Jona ausspuckt, Christi Rede zu den Pharisäern (Mt 12,40); auf 71v (unten) und 87v bezeichnet ein schwarzer Fleck die Finsternis (tenebras exteriores; Mt 25,30 und 22,13), in die der Knecht bzw. der Gast geworfen wird; unter den Ärmeln der falschen Propheten (80v), die in vestimentis ovium daherkommen, lugen Wölfe hervor – die hier allerdings eher harmlosen Hasen als lupi rapaces gleichen (Mt 7,15).

Bildthemen:

Der Zyklus ist in seiner Ausführlichkeit in der Gebetbuchüberlieferung ohne Parallele. Allein 135 Bildseiten widmen sich der Heilsgeschichte (mit insgesamt 164 Einzelszenen), 28 bzw. 29 weitere (einschließlich 159v) bilden eine Galerie von 75 respektive 76 Heiligen ab. Aufgrund von Blattverlusten fehlen etwa 29 weitere Illustrationen: zwei vor Blatt 9 thematisch unbestimmt, vor 10 dreieiniger Gott als Weltenschöpfer und Erschaffung Adams, vor 11 Erschaffung Evas und Übergabe des Gesetzes, vor 15 Buße der Stammeltern und Arche Noah, vor 16 Wurzel Jesse, vor 18 Tempelgang Mariens, vor 19 Verkündigung, vor 31 Rückkehr der Hl. Familie nach Israel, vor 79 Christus als zweite Arche des Heils und Zeichen vom Kommen des Menschensohnes, vor 153 Marientod und Marienkrönung, vor 157 Schmerzensmann oder Gregoriusmesse (s. u.), vor 159 und 161 wohl jeweils zwei Dreiergruppen mit männlichen Heiligen, vor 165 wohl vier Dreiergruppen mit männlichen Heiligen, vor 169 Strahlenkranzmadonna und eine Dreiergruppe mit weiblichen Heiligen, vor 173 wohl zwei Dreiergruppen mit Heiligen. Der ursprüngliche Bilderzyklus umfaßte danach 180 Szenen, verteilt auf 110 Blätter (151 Bildseiten), an den sich eine Folge von 103 Heiligen anschloß, unterbrochen durch zwei Andachtsbilder (Gregoriusmesse [?], Volto Santo) und ein Madonnenbildnis (22 Blätter mit 42 Bildseiten).

Obgleich die Texte erst später hinzugefügt worden sind, stimmen sie sehr genau mit den Bildern überein. Allerdings fehlen heute mindestens zu neun Bildern die Gebete: vor Blatt 9 (Einleitung?), zu 9r (Engelsturz), vor 16 (Wurzel Jesse), zu 18r (Vermählung Mariens mit Joseph), 19r (Heimsuchung), 31r (zwölfjähriger Christus im Tempel), 55v (Heilung eines besessenen Knaben), 56r (Heilung der Besessenen von Gadara), 157r (Volto Santo).

Ausführlich werden die Wunder und Gleichnisse, das Gebet am Ölberg in all seinen Etappen, das Prozeßgeschehen und die Erscheinungen Christi nach seiner Auferstehung behandelt. Insbesondere die Ereignisse vor der Passion folgen dabei – wenn auch in anderer Reihenfolge – Ludolf von Sachsen (s. o.). Einige Szenen kommen allerdings in dessen ›Vita Christi‹ nicht vor (etwa der Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies etc.); hier war der Kompilator auf andere Quellen angewiesen. Auch die detailliert geschilderte Passion ( 104r–127r), die bei Ludolf in Anlehnung an Ps.-Bedas ›Meditatio passionis Christi per septem diei horas‹ (PL 94, Sp. 561–568) recht knapp abgehandelt wird, muß auf anderen Darstellungen basieren. Die stattliche Anzahl von 14 Erscheinungen (131r–145r) wird zwar auch von der ›Vita Christi‹, den ›Meditationes vitae Christi‹ Ps.-Bonaventuras oder der ›Legenda aurea‹ des Jacobus de Voragine erreicht, doch stimmen sie weder in den einzelnen Szenen noch in der Abfolge genau miteinander überein. Die größten Parallelen ergeben sich offenbar zu dem ca. 1340–45 gefertigten »Erscheinungsfenster« im südlichen Seitenschiff des Straßburger Münsters (vgl. CVMA France IX,1 [1986] S. 238–249), dessen Programm hier um drei Szenen erweitert wurde (131r, 137r, 141v). Statt der nur apokryph überlieferten, aber von den drei genannten Autoren stets aufgezählten Befreiung Josephs von Arimathäa aus dem Gefängnis entschied man sich für die an Petrus gerichteten Worte des Auferstandenen (141v), die hier entgegen der Chronologie der Offenbarung am See von Tiberias vorangeht (144r) und im übrigen als einzige auf einer verso-Seite plaziert ist. Keinerlei Zusammenhang besteht dagegen mit dem ca. 1475 entstandenen, 1904 größtenteils zerstörten Glasfenster desselben Themas in der Magdalenenkirche selbst (vgl. Bilder aus Licht und Farbe [1995] Nr. 21–23).

Es spricht einiges dafür, als Redaktor des Gebetbuches einen Kartäuser anzunehmen: Etwa ein Drittel der Gebete ist der ›Vita Christi‹ des Ludolf von Sachsen entlehnt, der 1340 in die Straßburger Kartause eingetreten war und (nach Aufenthalten in Koblenz und Mainz) 1378 dort starb. Auch das Gebet zum hl. Hugo (160r–160v) und die nachträglich eingefügte Federzeichnung des selten dargestellten ersten kanonisierten Kartäusers (159v) – die vielleicht nur eine ältere verlorene ersetzt – deuten wie auch die als Innenspiegel verwendete Urkunde (Iv) auf eine Verbindung zu diesem Orden hin. 1478 fungierte zudem ein Präbendar der Straßburger Kartause (Eg[g]eling Becker bzw. Engelinus von Braunschweig, † 1481) als Beichtvater bei den Reuerinnen, der sich beim Neubau ihres Klosters (1475–1484) als singularis benefactor erweisen sollte und sich dabei auch um ihre Bibliothek verdient gemacht hat (Pfleger [1937] S. 18 f., 77, Anm. 15; demnächst Nigel F. Palmer: Bibelübersetzung und Heilsgeschichte. Studien zur Freiburger Perikopenhandschrift und zu deutschsprachigen Lektionaren des 15. Jahrhunderts [Wolfgang Stammler Gastprofessur Heft 9]). Auf dominikanischen Einfluß könnte zwar das Gebet zur hl. Mechthild von Hackeborn (173v) und ihr Bildnis (174r) sowie die von ihr gesprochenen ›Fünf Paternoster‹ (191v–192r) hinweisen, da der Predigerorden im Zisterzienserinnenkloster Helfta die Seelsorge inne hatte und zur Verbreitung ihrer Schriften mit beigetragen hat (Haimerl [1952] S. 41). Die Beziehungen der Straßburger Reuerinnen zu den Dominikanern waren jedoch sehr wechselhaft; mehrere Versuche, das Magdalenenkloster in den Dominikanerorden zu integrieren, scheiterten 1437 endgültig durch das unsensible Vorgehen des für die Reform der Frauenklöster in der Diözese Straßburg verantwortlichen Dominikaners Peter von Gengenbach (vgl. Pfleger [1937] S. 6–15; Schmitt [2001] S. 422–427).

Um das geistige Umfeld des Zyklus genauer zu eruieren, verdienen einige Bildthemen besondere Aufmerksamkeit: Sollte vor Blatt 157 eine Gregoriusmesse gestanden haben (156v O erbermiger vnd barmhercziger Jhesu …, der du dynen besonderen fründen zu ziten also erbermiglichen erschinest mit den zeichen dyner heiligen wunden …, Ich bitte dich …, das ich ouch zu eym zeichen dyner hulde … würdig gesin müge, als din geliepter wolgefelliger diener sant gregorius …), wäre dies ein früher Beleg für dieses Andachtsbild, das sich gleichfalls aus einer Verbindung zu den Kartäusern erklären ließe: Diese waren damals Inhaber der römischen Kirche S. Croce in Gerusalemme, in der seit etwa 1385/1386 die mit der Gregoriusmesse verbundene Mosaikikone verwahrt wird (Bertelli [1967] S. 44, 46). In der Rubrik zum Passionsgebet Gregors d. Gr. (189r–190v) heißt es später explizit Man liset jn den romschen Cronicken, das sanctus gregorius uff ein zit meße sprache zu rome in der kirchen zum heiligen crücze uß der do syttherre [1370] ein karthüser kloster worden ist … (189r). Einer sich daran anschließenden Ablaßverheißung ist überdies zu entnehmen, daß man die Propagierung des Bildes gezielt betrieben hat: So soll bereits Innozenz IV. [1243–1254] – also noch vor Verbringung des byzantinischen Kultbildes nach Rom – unter anderem vier iore abloß eynem iglichem monschen der dise figüre abmölet, oder schaffet abgemolet werden … (189v) verliehen haben; ein Versprechen, das sich sonst nirgends überliefert findet (vgl. Kelberg [1983] S. 5 f., 85–89; Roth [2000] S. 291–301, 305–310), das aber im besonderen Interesse der Kartäuser stand, die als mögliche »Erfinder« und Nutznießer der Legende ihr damit Anciennität verschafften und für ihre Popularisierung sorgten (demselben Zweck dienten im übrigen auch zwei in den 90er Jahren des 15. Jahrhunderts geschaffene Nachstiche Israhels van Meckenem, Lehrs 166 und 167).

Ein weiteres aufschlußreiches Indiz bildet die prononcierte Stellung von Einsiedlern (157v, 158v) zu Beginn der »Bildlitanei« (157v–176v). Sechs Repräsentanten dieses Standes versammeln sich um den Erzengel Raphael (158r), der nach Tb 12,15 zu den sieben Engeln gehört, die das Gebet der Heiligen zu Gott emportragen. In Parallele dazu führt der Erzengel Gabriel die Reihe der weiblichen Heiligen an (167v). Ganz offensichtlich hat man bei der Auflistung der männlichen Fürsprecher eine systematische Anordnung versucht. Dabei bediente man sich nicht des üblichen hierarchischen Schemas (Apostel, Evangelisten, Märtyrer, Bekenner), sondern wandte differenziertere Kriterien an; so stehen etwa weltliche und geistliche Standesvertreter (Könige, Ritter bzw. Bischöfe, Diakone), aber auch Berufsgenossen (Ärzte, »Anwälte der Armen und Kranken«) oder durch die Art ihres Martyriums zu Leidensgefährten gewordene beisammen (Kephalophoren). Antithetisch hebt sich am Ende der Skala eine Trias von Dominikanern ( 165v), deren Wirken nach außen, auf Predigt und Seelsorge hin ausgerichtet ist, von drei Förderern des kontemplativen monastischen Lebens ab (167r), unter ihnen der hl. Hieronymus, der im beigefügten Gebet als das fest fundament der ganczen cristenlichen kirchen bezeichnet und von dem als mynen besonderen lieben heiligen gesprochen wird. Als Asket und Büßer schlechthin wird mit ihm thematisch wieder an den Ausgangspunkt der Reihe angeknüpft.

Das Eremitentum galt allgemein als höchste Stufe der christlichen Vollkommenheit, den Kartäusern als Eremitenorden dürfte die vorliegende Anordnung aber besonders entsprochen haben. Zwar fehlen prominente Vertreter dieses Standes wie etwa Johannes d. T., Maria Ägyptiaca und insbesondere Maria Magdalena. Ihre Abwesenheit läßt jedoch eher auf den Verlust der entsprechenden Bildseiten schließen (vor 159, 169), wie ja auch der bedeutendste Straßburger Heilige, Stadtpatron Bischof Arbogast, fehlt (vor 165?), obgleich so spezifische Lokalgrößen wie Wilbeth, Einbeth und Warbeth (176r) vertreten sind; auch dem hl. Augustinus, nach dessen Regel die Reuerinnen schließlich lebten, hätte an sich ein Ehrenplatz gebührt (vor 161?).

Maria Magdalena könnte auf der Rückseite der verlorenen Strahlenkranzmadonna (vor 169) zusammen mit zwei weiteren Büßerinnen (etwa Maria Ägyptiaca und Thais) abgebildet gewesen sein und somit als Patronin der Reuerinnen die Phalanx der weiblichen Glaubensstreiter angeführt haben (auch das nachgetragene Gebet zu der vormaligen Sünderin auf 193v–195v dürfte diesem Umstand zu verdanken sein). Von der hl. Ursula mit ihren Gefährtinnen besaß das Straßburger Reuerinnenkloster Reliquien (Barth [1960] Sp. 1378), so daß sich hieraus das zweifache Bildnis der Heiligen (169r, 174r) wie auch das ihr gewidmete Gebet erklärt (174v–176r) – nicht aber aufgrund der Namensgleichheit mit der ohnehin erst später dokumentierten Eigentümerin Ursula Begerin. Die weiblichen Vorbilder lassen sich anscheinend nicht nach thematischen Oberbegriffen sortieren (Märtyrerinnen, Jungfrauen, Ordensfrauen, Königinnen, Witwen wurden beispielsweise nicht streng voneinander geschieden); maßgeblich für ihr Arrangement könnten statt dessen lokale kultische Bezüge gewesen sein (vgl. 169r, 170r, 170v, 171r, 172v, 173r, 174v, 176r).

Bemerkenswert sind darüber hinaus einige mariologische Themen: Auf 100r wird Maria als Priesterin neben Christus dargestellt. Im dazugehörigen Gebet heißt es: … wie wol du würdikeit der wyhe nit enpfangen hest … ye doch würstu nit vnbillichen also in pristerliche gewand gemalet, wenn was würdikeit, gewalts, vnd goben, allen gewichten personen noch irer wise verluhen wirt, hestu ouch, vnd volkommenlicher vnd ubertreffenlicher gehebt … (99v). Diese Formulierungen dürften auf die Ausführungen im ›Mariale‹ des Ps.-Albertus zurückgehen, wo bei der Frage, ob Maria aller Sakramente teilhaftig geworden sei, auch die nach ihrer Ordination erörtert und im Literalsinn abschlägig beschieden wird (vgl. Borgnet [1898] S. 84–87, bes. 85 f.: … Licet autem beatissima Virgo sacramentum ordinis non recepit, quidquid tamen dignitatis vel gratiae in ipsis confertur, de hoc plena fuit. In ipsis autem confertur septiformis gratia: haec autem omnifaria gratia plena fuit. Item, Sunt in sacramento ordinis potestas spiritualis, dignitas ministerialis, et administratio exsecutionis. Haec autem tria beatissima Virgo habuit in se aequipollenter et excellenter …). Vormals heißt es bei quaestio 42 (Quare mulieres ad sacros ordines non promoveantur) bereits Virgo non est vicaria, sed coadjutrix et socia (Borgnet [1898] S. 81). Maria wird deshalb gleichrangig neben Christus dargestellt. Bei der bildlichen Umsetzung wagte man sich allerdings nicht so weit vor wie bei dem 1437 von Jean du Bos für die Confrerie du Puy Notre Dame d’Amiens in Auftrag gegebenen Werk ›Digne vesture au prestre souverain‹ (Paris, Louvre, R. F. 1938–63), wo Maria im Gewand eines Hohenpriesters ihrem Sohn die Kommunion reicht, um als »heiliges Gefäß«, welches die göttliche Heilsgabe empfangen und an die Menschheit weitergegeben hat, symbolisch die erste mystische Messe zu präfigurieren (Dupont [1932]; Hauke/Lechner [1993] S. 314–318). Die Situierung des Motivs vor dem letzten Abendmahl (101r) läßt die dort vorgenommene Interpretation jedoch auch hier zulässig erscheinen (99vdenn als der zarte fronlichem dynes lieben kindes teglichen durch sie [die Priester] gehandelet vnd uff gegeben würt zu sin eyn opffer fur vnser aller sünde … wart er vrsprunglichen geformiret in dynem geheiligten libe zu trost allen gloubigen …).

Naturgemäß wird im ›Mariale‹ auch das Problem behandelt, ob Maria die Kommunion empfangen habe (Borgnet [1898] S. 77, 82). Doch erst der Franziskaner Marquard von Lindau, der vermutlich 1373 als Lektor am Studium generale in Straßburg tätig gewesen ist (Palmer [1987] Sp. 81–83, 122 f.), erwähnt ausdrücklich, daß dies durch die Hand des Evangelisten Johannes geschehen sei (Hasak [1889] S. 53; vgl. auch Hilg [1981] S. 314 f., 364, 432, Nr. 83), wodurch auf 150r erst der nimbierte Adler erklärlich wird, der hinter dem im bischöflichen Ornat Zelebrierenden hockt.

Die nachfolgende Szene mit Maria, die dem Evangelisten Lucas die Geschehnisse vor der Berufung der Jünger diktiert (151r), geht hingegen auf Schilderungen in der ›Legenda aurea‹ zurück (Graesse [31890] S. 698 f.).

Aufgrund der außergewöhnlichen Kongruenz von Text und Bild entstand ein Gebetbuch von seltener Eindringlichkeit. Die Gebete rekurrieren auf das biblische Geschehen, ohne es im einzelnen nachzuerzählen, vielmehr greifen sie einzelne Begriffe oder Redewendungen auf, modifizieren sie und übertragen die Ereignisse auf die Situation des betenden Subjekts, so daß den Texten ein eigener, inniger Ton ohne jedwede Floskelhaftigkeit innewohnt. Bilder wie diejenigen von 100r und 150r zeugen zudem von dem hohen, anspruchsvollen Intellekt dieses singulären Dokuments.

Farben:

Sorgfältig koloriert mit Grün, Rot, Gelb, Rosa, Blau, Braun, Blaugrau, Grau, Ocker, Schwarz, Violett. Wangen der Figuren stets rot gefärbt. Stoffe öfters bunt gemustert (16v, 20r, 23r, 25r, 40r, 45r, 48v, 51v, 125r Vorhänge, Decken, Kissen, Gewänder). Besonderheiten: Hand I: schwarze Konturierung, klare Lokalfarben, Vorliebe für kräftiges Violett. Hand II: trübere Farben, lavierender Farbauftrag. Hand III: harte Ton-in-Ton-Modellierung, insgesamt zurückhaltender. Hand IV: Deckweiß, Rot, Gelb, Blau, Ockergrün, Rotbraun, sparsam Hellgrün. Holzschnitt: Gelb, Rotbraun, Rosa, Blau (kristalline Struktur [Beimischung von Quarz?], stark abgeplatzt), Grün, Rot.

Literatur:

Ochsenbein (1980c) Sp. 1120 f.; Hamburger (1991) S. 219, Anm. 44; von Scarpatetti (1977–1991) Bd. II, Textbd. S. 28, Nr. 66, Abb.bd. S. 236, Abb. 564 (2v). Faksimile geplant von Jeffrey F. Hamburger und Nigel F. Palmer mit einem Beitrag von Ulrike Bürger (mittlerweile erschienen: Hamburger, Jeffrey F. / Palmer, Nigel F.: The Prayer Book of Ursula Begerin. 2 Bde. Dietikon/Zürich 2015).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 52: 73r. Lazarus in Abrahams Schoß, darunter der Reiche im Höllenschlund, um Kühlung seiner Zunge bittend.

Abb. 53: 60v. Christus antwortet den Pharisäern mit dem Zeichen des Propheten Jona: Jona im Rachen des Wals.

Abb. 54: 38v. Christus lehrt das Volk auf dem See Genezareth. Petrus‘ reicher Fischfang.

Abb. 55: 159v. Hl. Hugo der Kartäuser.

Abb. 56: 114v+115r. Textseite. Christus vor Pilatus, der von seiner Frau gewarnt wird.

Abb. 57: 162v+163r. Die heiligen Könige Ludwig, Wenzel und Oswald. Die heiligen Ritter Quirinus, Georg, Mauritius.

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