KdiH

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43.1.108. Los Angeles (California), The J. Paul Getty Museum, Ms. Ludwig IX 19

Begonnen von Regina Cermann, fortgeführt von Isabel von Bredow-Klaus

Ergänzung zum gedruckten KdiH

Datum der Veröffentlichung: 10.01.2021

Datierung:

1521–1529 (Textvorlage von 1521, Wappenform von vor 1529); 1526−1528 (Steinmann [1964], Testa [1986]; auf der Seite des Museums: about 1525–1530).

Lokalisierung:

Brügge.

Besitzgeschichte:

Auftraggeber: Kardinal Albrecht von Brandenburg (Wappen 1v); später wohl im Besitz von Kurfürst Lothar Franz von Schönborn (1655−1729), 1738 in der Schönbornschen Bibliothek in Gaibach (1r); 1868 als Besitz von l’Espine versteigert in Paris und 1869 in Wien bei Baron Anselm Solomon von Rothschild (1803−1874) nachgewiesen. Während des 2. Weltkrieges wurde das Andachtsbuch in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien verwahrt; seit 1960 in der Sammlung Ludwig, Aachen und von dort 1983 vom J. Paul Getty-Museum, heute Los Angeles, erworben.

Inhalt: Andachtsbuch vom Leiden Christi für Kardinal Albrecht von Brandenburg Parallelhandschriften Nr. 43.1.111. Modena, Biblioteca Estense, alfa.u.6.7 und Nr. 43.1.190. Wien, Cod. 1847
1v

Wappen Albrechts von Brandenburg

2r−337v

Thomas von Kempen, ›Orationes et Meditationes de Vita Christi. Tractatus prioris‹, deutsch: ›Gebet vnd Betrachtungen des Lebens des mitlers gottes‹, Teil I,1: 2r–92v, Teil I,2: 94r–336v, Abschrift von VD 16 D 1305, gedruckt 1521 bei Grimm und Wirsung, Augsburg (ohne Titelblatt)

Ü: Von dem gantzen leben des mitlers gotes vnd des mentschen iesu cristi: zum ersten ain dancksagung vnnd gebett gott zuͦ loben vnnd laytennd zuͦ andacht

Pohl 5 (1902) S. 4−214.
7v

Miniatur: Erschaffung Evas

8r

Bordüre: Erschaffung von Fischen und Vögeln

13v

Miniatur: Verkündigung

14r

Bordüre: Gideon mit dem Vlies

19v

Miniatur: Geburt Christi

20r

Bordüre: Moses vor dem brennenden Dornbusch

28v

Miniatur: Beschneidung Jesu

29r

Bordüre: Beschneidung Isaaks

31v

Miniatur: Jesusknabe, umgeben von Engeln mit Marterwerkzeugen

32r

Bordüre: Verehrung des Namens Jesu

36v

Miniatur: Anbetung der Könige

37r

Bordüre: Königin von Saba vor Salomon

43v

Miniatur: Darbringung im Tempel

44r

Bordüre: Samuel wird zu Eli gebracht

47v

Miniatur: Flucht nach Ägypten

48r

Bordüre: Michal verhilft David zur Flucht

50v

− fehlende Miniatur: Bethlehemitischer Kindermord −

51r

Bordüre: Athalia lässt die Königskinder umbringen

53v

Miniatur: Zwölfjähriger Christus im Tempel

54r

Bordüre: Saul wird von Samuel dem Volk als König vorgestellt

58v

Miniatur: Taufe Christi

59r

Bordüre: Durchzug durch das Rote Meer

62v

Miniatur: Versuchungen Christi durch den Teufel

63r

Bordüre: Christus in der Einsamkeit

69v

Miniatur: Auferweckung des Lazarus

70r

Bordüre: Elias erweckt den Sohn der Witwe von Sarepta

77v

Miniatur: Einzug Christi in Jerusalem

78r

Bordüre: David kehrt siegreich mit dem Haupt Goliaths zurück

83v

Miniatur: Letztes Abendmahl

84r

Bordüre: Abraham und Melchisedek begegnen sich

87v

Miniatur: Fußwaschung

88r

Bordüre: Abraham wäscht den drei Engeln die Füße

93v

Miniatur: Verrat des Judas

94r

Bordüre: Josef wird von seinen Brüdern verkauft

98v

Miniatur: Christus am Ölberg

99r

Bordüre: David bittet Gott um das Ende der im Volk wütenden Pest

102v

Miniatur: Gefangennahme

103r

Bordüre: Joab ersticht Abner

107v

Miniatur: Fortführung Christi

108r

Bordüre: Abführung des Achior

113v

Miniatur: Flucht der Jünger

114r

Bordüre: Architekturrahmen, Engel schießt mit Bogen, Erbsen

119v

Miniatur: Christus vor Annas

120r

Bordüre: Micha sagt Achabs Tod voraus

123v

Miniatur: Verleugnung Petri

124r

Bordüre: Streublumen

128v

Miniatur: Christus vor Kaiphas

129r

Bordüre: Jeremias vor König Sedekias

138v

Miniatur: Christus vor Pilatus

139r

Bordüre: Gefangener Prophet vor einem König

143v

Miniatur: Christus vor Herodes

144r

Bordüre: Architekturrahmen

147v

Miniatur: Christus wird von Herodes zu Pilatus geführt

148r

Bordüre: Pretiosen

154v

Miniatur: Geißelung

155r

Bordüre: Job wird von seiner Frau verspottet

160v

Miniatur: Dornenkrönung

161r

Bordüre: Simei bewirft David mit Steinen

164v

Miniatur: Ecce homo

165r

Bordüre: Sacharja sieht im Himmel Josua

173v

Miniatur: Handwaschung des Pilatus

174r

Bordüre: Volk bestürmt Cyrus, Daniel in die Löwengrube zu werfen

178v

Miniatur: Kreuztragung

179r

Bordüre: Abraham und Isaak auf dem Weg zur Opferstätte

190v

Miniatur: Kreuzigung

191r

Bordüre: Opferung Isaaks

202v

Miniatur: Schmerzensmann

203r

Bordüre: Streublumen

235v

Miniatur: Verehrung der Inschrifttafel des Kreuzes

236r

Bordüre: Streublumen

242v

Miniatur: Christus am Kreuz mit Maria, Johannes und Maria Magdalena

243r

Bordüre: Eherne Schlange

251v

Miniatur: Mater dolorosa, umgeben von Szenen der sieben Schmerzen

252r

Bordüre: Streublumen

302v

Miniatur: Lanzenstich

303r

Bordüre: Erschaffung Evas

311v

Miniatur: Joseph von Arimathia erbittet den Leichnam Christi

312r

Bordüre: Streublumen

317v

Miniatur: Kreuzabnahme und Beweinung

318r

Bordüre: Naemi trauert um ihren Mann und ihre Söhne

328v

Miniatur: Grablegung

329r

Bordüre: Jonas wird ins Meer geworfen

335v

Miniatur: Verehrung der fünf Wunden Christi

I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, I + 337 Blätter, 168 × 115 mm, Rotunda von einer Hand, einspaltig, 19 Zeilen, Rot ausgegrenzt, rotes Lineament, 62 sechszeilige Initialen (goldenes Astwerk auf hellroten, dunkelroten, blauen, braunen, grauen, ocker oder violetten Farbfeldern, umgeben von einer Rahmenleiste), Rubriken, zahlreiche einzeilige Anfangsbuchstaben und Paragrafenzeichen in Pinselgold und Weiß auf blauem, roten oder ockerfarbenem Grund. Originaler Einband von Louis Bloc (gestorben 1529).

II. Bildausstattung:

Eine Wappenseite (1v) und 41 ganzseitige Miniaturen (7v, 13v, 19v, 28v, 31v, 36v, 43v, 47v, 53v, 58v, 62v, 69v, 77v, 83v, 87v, 93v, 98v, 102v, 107v, 113v, 119v, 123v, 128v, 138v, 143v, 147v, 154v, 160v, 164v, 173v, 178v, 190v, 202v, 235v, 242v, 251v, 302v, 311v, 317v, 328v, 335v), ursprünglich 42 (vor Blatt 51 eine Miniatur verloren). Die 42 gegenüberliegenden Textanfänge werden auf 29 Seiten mit szenischen, alttestamentlichen Bordüren, auf fünf Seiten mit Streublumen, Früchten, Insekten und Vögeln (124r, 203r, 236r, 252r, 312r), auf vier Seiten mit Architekturmotiven (114r, 144r, 336r) und auf einer mit Pretiosen (148r) gerahmt. In der oberen rechten Ecke der alttestamentlichen Bordüren befindet sich jeweils eine kleine Schrifttafel mit Angabe der alttestamentlichen Bibelstelle, die in eine Architektur gehängt ist. Ausnahmen bieten die beiden Darstellungen aus der Genesis (8r, 303r) und die Szene, in der Jonas ins Meer geworfen wird (329r). Maler war Simon Bening (Monogramm 336r), dessen einziges signiertes Werk diese Handschrift ist. Dieses Andachtsbuch war die Vorlage für zwei weitere mit dem gleichen Text: Nr. 43.1.111. (Modena, alfa.u.6.7) und Nr. 43.1.190. (Wien, Cod. 1847).

Format und Anordnung:

Die Miniaturen der Größe 140 × 96 mm wurden als Einzelblätter verso eingebunden und später beschnitten. Sie sind mit einem bräunlich-goldenen, profilierten Bilderrahmen umgeben; nur bei der Anbetung der Könige ist dieser mit Perlen belegt. Bei vier Miniaturen ist das Bildfeld oben mit einem halbrunden Abschluss und einem zweiten, inneren Rahmen verkleinert und mit einer Bordüre umgeben, so dass die Größe des gesamten Bildfeldes gleich bleibt (19v, 43v, 83v, 202v). Diese Rahmenfelder sind mit goldenen Architekturmotiven (19v, 83v) oder Grisaille-Buchstaben gefüllt (Nunc timittis servum tuum one secunc [43v], Ave mano dextra xpi ave palma iesu leva [202v]). Hinter diesen vier Bordüren liegt die Miniatur (Fensterblick nach Pächt [1948]). Die Textfelder dagegen liegen optisch auf den Bordüren (umgekehrter Fensterblick nach Pächt [1948]).

Bildaufbau und -ausführung:

Benings Miniaturen sind volkreich mit vielen beteiligten Personen angelegt. Oftmals werden in einem Bild mehrere Szenen erzählt: im Vordergrund beispielsweise Evas Erschaffung aus Adams Rippe und im Hintergrund, räumlich durch einen Fluss getrennt, die Vertreibung Evas und Adams aus dem Paradies (7v). Bei der Versuchung Jesu sind sogar alle drei Versuchungen Jesu dargestellt, räumlich in die Tiefe und in die Höhe, auf den Berg, gestaffelt (62v). Die Miniaturen zeigen eine narrative Dramatik, die durch viele nächtliche Szenen mit Fackelschein noch verstärkt wird. Tiefe Schluchten, Flüsse und steile Berge kennzeichnen die tiefgründigen Landschaftspanoramen, die in einer bläulich atmosphärischen Perspektive auslaufen. Detaillierte Stadtansichten zeigen in der Regel Benings Heimatstadt Gent mit dem charakteristischen Turm von St. Bavo (z. B. beim Einzug nach Jerusalem 77v). Durch eine sehr differenzierte Mimik werden Emotionen wiedergegeben, die Charakterisierungen zulassen und die Personen lebendig werden lassen. Für die Konturen benutzte Bening einen eher groben Pinselstrich, wohingegen ein sehr spitzer Pinsel feine, pointillistische Blätter an die Bäume tupfte. Auffallend sind die prächtigen, äußerst aufwendigen Gewänder der aktuellsten Mode aus kostbaren Stoffen.

In der umfangreichen Literatur vorgestellt und diskutiert wurden zahlreiche Vorlagen bzw. Inspirationsquellen, auf die Simon Bening offensichtlich zurückgegriffen hat (siehe Steinmann [1964], Biermann [1975]). Als Kupferstichvorlagen dienten ihm ein Kupferstich vom Meister der Boccaccio-Bilder von 1476 (Lehrs 7 [1930] Nr. 12) für die Darstellung des Christus vor Annas (119v) und ein Kupferstich des Meisters LCz von vor 1480 für die Versuchung Jesu (62v) (Lehrs 6 [1927] Nr. 326). Des weiteren benutzte er Werke Martin Schongauers: Die Grablegung aus der Passion Christi (Lehrs 5 [1925] Nr. 28) erscheint in großen Teilen, aber seitenverkehrt (328v). Ein sehr genaues Zitat ist die Repoussoirfigur des Schergen bei der Handwaschung des Pilatus (173v) aus der Passion Schongauers (Lehrs 5 [1925] Nr. 24), die beiden hinter Christus stehenden Schergen dagegen zitiert Bening nur ungefähr. Auch bei der Fortführung Christi (107v) zitiert er nur Einzelheiten Schongauers wie den Schergen, der Christus am Hals mit dem Seil und am Rock zieht (Lehrs 5 [1925] Nr. 20). Diese undeutlichen Zitate könnten auch auf gemeinsames Vorlagenmaterial hinweisen. Die extensive Verwendung von Vorlagenmaterial über mehrere Jahrzehnte von ca. 1470 bis 1540 ist kennzeichnend für die Gent-Brügger Buchmalerei (vgl. Heyder [2014]). Simon Bening als ein Hauptvertreter dieser Schule ist für diese Arbeitsweise repräsentativ. Drei Miniaturen gehen auf das Londoner Hastings-Stundenbuch von ca. 1480 zurück (London, Add. 54782): die Anbetung der Könige (36v) zeigt deutliche Anlehnung an 119v des Hastings-Stundenbuches, noch stärker sind die Übernahmen bei der Darbringung (43v, im Hastings-Stundenbuch 125v) und der Fußwaschung (87v, 265v im Hastings-Stundenbuch) zu sehen. Zu Übernahmen von Motiven ebenfalls aus dem Hastings-Stundenbuch in ein anderes Gebetbuch Benings, in Berlin, Kupferstichkabinett, Cod. 78 B 11, siehe Nr. 43.1.18. Auffällig oft bediente Bening sich bei Miniaturen des Meisters der Maria von Burgund, der gelegentlich mit seinem Vater Alexander gleichgesetzt wird, und vor allem bei dessen Stundenbuch für Maria von Burgund (Berlin, Kupferstichkabinett, Ms. 78B12). Hieraus stammen die drei schlafenden Jünger der Ölbergszene (98v), die Darstellung des Christus vor Pilatus (138v), die zwei Hirten bei der Geburt Christi (19v), die Geißelung (154v), die Kreuztragung (178v), weite Teile des Einzugs nach Jerusalem (77v) und partiell auch die Kreuzigung (190v), deren Hintergrundszene der Kreuzabnahme im Stundenbuch der Maria von Burgund (157v) eine eigene Miniatur darstellt.

Simon Bening zitierte sich auch oftmals selbst und scheute sich nicht, einmal gefundene Kompositionen und Figuren mehrfach zu verwenden. Diese Tatsache lässt sich am Getty Andachtsbuch sehr gut sehen, das in seinem Werk zeitlich eine mittlere bis späte Position einnimmt. Inspiration verdankt er dem Grimanibrevier, an dem er als junger Maler mitgewirkt hat. Die Komposition der Beschneidung (28v) ist recht genau in der Beschneidung des Grimanibreviers (67v) vorgebildet. Diese Komposition ist nicht neu, sondern stammt bereits aus dem Madrider Hastings-Stundenbuch der 1470er Jahre (Madrid, Museo Lázaro-Galdiano, Ms. 15503, 117v). Auch die Fußwaschung (87v) wiederholt detailgetreu die Komposition des Breviarium Grimani (219v). Die Darbringung (43v) dagegen ist nur in den Hauptakteuren Maria, Jesus und Simon aus dem Grimanibrevier (514v) übernommen. Die exakten Körperhaltungen von Johannes und Jesus in der Taufszene (58v) sind bereits in der Bordüre des Grimanibreviers (593v/594r) dargestellt. Viele Kompositionen oder Figuren des Getty Stundenbuches finden sich in weiteren früheren Werken seiner Hand wie dem Stundenbuch der Isabella von Kastilien von vor 1504 (Cleveland, CMA, Ms. 63.256), aus dem er das Jesuskind mit den Arma (50r), Christus vor Pilatus (63r), die Kreuztragung (69r), die Geburt Jesu (126v) und die Darbringung (141v) weiterverwendet. Auch aus seinem flämischen Kalender (München, Clm 23638 von 1520–25, vgl. Kren/Rathofer [1988]) benutzte er die Erschaffung Evas für 1r. Aber Bening verwendete auch Motive aus der Tafelmalerei: Die Darstellung der Schmerzensmutter (251v) ist von einem Gemälde Adriaen Isenbrants in der Liebfrauenkirche in Brügge abhängig, wie Biermann (1975 S. 95) nachweisen konnte.

Sehr viele Motive und Kompositionen des Getty Stundenbuches finden sich auch in späteren Werken Benings wieder. Vor allem im sog. Beatty-Rosarium (Dublin, Chester Beatty Library, MS Western 99) und im Münchener Clm 28346 finden sich zahlreiche Übereinstimmungen. Am auffälligsten ist dies bei der Szene Christus vor Annas, in der Annas hinter einem ungewöhnlich gebauten Tisch steht (zudem auch in Neapel, BN, MS I.B.51, 29r und Wien, Cod. 1897, 203r). Auch die Geißelung taucht ähnlich in allen drei Codices auf. Die Darbringung finden wir im Clm 28346 auf 82v, die Verkündigung und die Dornenkrönung in weiten Teilen im Beatty-Rosarium. In gleicher Weise ist die Beschneidung (28v) im Beatty-Rosarium komponiert, nur die Farbe des Vorhangs und Hannahs Kleid wurde geändert. Oft werden die Farben von Unter- und Oberkleid oder aber von Hose und Oberteil einfach ausgetauscht, um eine Wiederholung zu vermeiden. Das gleiche machte Bening bei der Anbetung der Könige, zudem ist der luxuriöse Innenraum in einen offenen Stall verändert worden. Die Person des Herodes von 143v findet sich in genau derselben Kleidung aber in einer ganz anderen Haltung im Beatty-Rosarium wieder. Die weiße Decke mit den blauen Streifen und Fransen der Beschneidung in der Getty-Handschrift (28v) wird wiederverwendet in der Darbringung im Beatty-Rosarium (22r), wohingegen die Komposition der Beschneidung die gleiche ist. Auch die beiden rechts seitwärts stehenden Männer des Ecce Homo werden direkt in das Beatty-Rosarium (36v) übernommen, während die anderen Personen verändert und deren Zahl stark reduziert worden sind. Gerade in diesen beiden Handschriften, Beatty-Rosarium und Clm 28346, fällt auf, dass unnötige Figuren aus den Kompositionen des Getty-Gebetbuches entfernt wurden (z. B. die Zahl der Kinder und Jünger beim Einzug in Jerusalem oder die der Zuschauer beim Ecce Homo), wodurch die Miniaturen luftiger und leichter und nicht so gedrängt wie im Getty-Gebetbuch wirken. Generell werden die vielfigurigen Szenen des Getty-Stundenbuches dadurch aufgelockert und entschlackt. Im Hennessy-Stundenbuch (Brüssel, Ms II.158) und im Blumen-Stundenbuch Benings (München, Clm 23637) findet sich die identische Darstellung des Gebets am Ölberg (16v), nicht bloß in Bezug auf die recht gängige Position der Jünger, sondern es findet sich auch die Steinplatte, auf die sich Jesus im Gebet stützt und der davor kniende Engel, der den Kelch reicht. Diese Steinplatte taucht im Getty Andachtsbuch bei der Auferweckung des Lazarus bereits auf und scheint daher eine bewusste Analogie zwischen Lazarus’ Auferstehung und Jesus herzustellen.

Bildthemen:

Vorangestellt ist das Wappen Albrechts von Brandenburg auf 1v. 40 der insgesamt 62 Gebete des Traktates sind illustriert worden. Sieben Kapitel des ersten Teiles und zwölf Kapitel des zweiten Teiles dagegen blieben unillustriert. Es wurden vor allem Szenen weggelassen, die schwierig oder nur in Doppelungen darzustellen wären wie die Gebrechlichkeit oder das Jammern des Christkindes oder auch das Verharren Christi am Kreuz. Weitere Motive wie die Trostlosigkeit oder die Verspottung Jesu wurden ebenfalls nicht illustriert, obwohl für diese Szenen verschiedene Bildformulare zur Verfügung standen. Nicht immer stehen die gewählten Illustrationen tatsächlich mit den Textinhalten in Übereinstimmung. Die Erschaffung Evas (7v) illustriert die Erschaffung Adams und das Christuskind mit den Arma (50r) illustriert den Namen Jesu. Auch die Szene der Kreuzabnahme (317v), über die im Text gesprochen wird, spielt sich nur im Hintergrund als Nebenszene ab. Generell gehen die Illustrationen zwar auf den in den Rubriken zusammengefassten Inhalt der Texte ein, nehmen aber keine Bezüge auf Details oder Intentionen der Texte Thomas’ von Kempen.

Bei der Bildthemenauswahl hält sich Bening an die bei Sigmund Grimm und Marcus Wirsung in Augsburg zuerst 1520 auf Latein, 1521 auf Deutsch gedruckte und vom Petrarcameister illustrierte Vorlage (Musper [1927] L 63 und L 77, Nr. 320–354). Die Bildkompositionen in der Handschrift sind gänzlich unabhängig von den Holzschnitten des Petrarcameisters. Die einzige direkte Abhängigkeit lässt sich in dem getreuen Nachschreiben der hebräischen und griechischen Buchstaben der Inschriftentafel sehen. In der deutschen Übersetzung des Drucks, die wortgetreu für das Gebetbuch Albrecht von Brandenburgs übernommen worden ist, sind nur 35 Holzschnitte enthalten. Bening hat das Bildprogramm seiner gedruckten Vorlage um sechs Illustrationen erweitert: Fortführung Christi (107v), Flucht der Jünger (113v), Christus vor Annas (119v), Verleugnung Petri (123v), Schmerzensmann (202v) und die Bitte Josephs von Arimathia (311v). Die typologische Erweiterung des Bildprogramms mit den alttestamentlichen Szenen ist im Druck nicht enthalten und geht daher wohl auf den Auftrag Kardinal Albrechts von Brandenburg zurück.

Dargestellt wird die Erschaffung Evas, obwohl in der Rubrik die Erschaffung des ersten Menschen genannt wird und auch im Text keine Rede von Eva ist. Es schließt sich ein Zyklus von Bildern aus dem Leben und Leiden Jesu von der Verkündigung an Maria bis zur Bitte Josephs von Arimathia um den Leichnam Christi an. Es fehlt der Bethlehemitische Kindermord, der wohl der Darstellung in dem Andachtsbuch mit demselben Text in Modena (Nr. 43.1.111., 21v) geglichen haben dürfte, da Nikolaus Glockendon die Bilder aus dem Leben Jesu recht getreu aus dem Getty-Andachtsbuch kopierte.

Der Schwerpunkt liegt mit 25 Miniaturen deutlich beim Passionsgeschehen. Ergänzt wird dieser Passionszyklus durch vier sinnbildliche Darstellungen: der Schmerzensmann (202v), die Schmerzen Mariens (251v), die Inschrifttafel INRI (235v) und die Verehrung der Wunden Jesu durch die weltlichen Stände (335v). Nach dem typologischen Prinzip sind den Szenen aus den Evangelien in der Regel alttestamentliche Szenen in den Bordüren der gegenüberliegenden Seiten gegenübergestellt. Bei elf Themen, darunter den emblematischen Bildthemen, wird von diesem Prinzip abgewichen. Hier werden Streublumen (124r, 203r, 236r, 252r, 312r), Architekturen (114r, 144r, 336r) oder Pretiosen (148r) gewählt, da es für diese Textstellen kein typologisches Vorbild gibt (vgl. die typologische Tabelle bei Steinmann [1964] S. 168). Einmalig wurde in der gegenüberliegenden Bordüre eine weitere neutestamentliche Szene dargestellt: Bei den Versuchungen Christi folgt in der Bordüre Christi Einsamkeit in der Wüste (63r) statt der typologischen Szene. Einmal wurde die Verehrung des IHS gewählt (32r). Von den 29 typologischen Gegenüberstellungen entstammen 23 der ›Biblia pauperum‹. Für die um sechs Bilder erweiterte Ausschmückung der Passion mit der Fortführung Christi 106v, Flucht der Jünger 112v, Christus vor Hannas 118v, Verleugnung Petri 122v, Christus vor Kaiphas 127v und Christus vor Herodes 142v reichten die Vorbilder der ›Biblia pauperum‹ jedoch nicht aus. Einige Male irrt sich Bening mit der Kapitelangabe der AT-Szenen (48r, 54r, 78r, 108r, 129r, 155r), einmal gibt er eine willkürliche Stelle für das unverfängliche »Prophet vor einem König« an. Die Eröffnungsminiatur der Erschaffung Evas wiederholt Bening am Ende des Gebetbuches noch einmal in der Bordüre von 303r als typologische Entsprechung zum Leiden Mariens als der neuen Eva beim Lanzenstich.

Farben:

Kräftige Primärfarben Blau, Rot, Grün, Gelb. Gold, Silber, Rosa, Grau, Braun, Türkis.

Literatur:

Plotzek (1982) S. 286−313. – Winkler (1925) S. 121, 140, 197, 209; Winkler (1961) Abb. 1–12, Taf. 1–4; Winkler (1962/63); Steinmann (1964) S. 139–143, 154–177; Biermann (1975) S. 18–20, 25, 38, 44, 49−104, 250, 256f.; Peters (1979) S. 362–367; Das Gebetbuch des Kardinals Albrecht von Brandenburg (1980); The J. Paul Getty Museum Journal (1984) S. 294f., Nr. 68; Testa (1986) S. 48f., 51, 161, 174, 178, 186f., 195; Büttner (1987a) S. 332, Nr. 37; Brinkmann (1988) S. 93, 95; Dogaer (1987) S. 171−177; Kren/Rathofer (1988) S. 217f. Nr. 13; Brinkmann (1991) S. 13, 24f., 31, 120, 122, 126, 129, 131−133, 136f., 140−142, 155; Testa (1991) S. 97, 103 Abb. 13, 105f.; Masters and Miniatures (1991) S. 120, Nr. 22; Tacke (1992) S. 167f.; Testa (1992) S. 59–61; Büttner (1993) S. 31, 44–49, 55; Stork (1995) S. 228; Woronowa/Sterligov (1996) S. 47; Flemish Illuminated Manuscripts 1475−1550, S. 46f.; Brinkmann (1997) S. 16, Nr. 36, 361, Nr. 54; Masterpieces of the J. Paul Getty Museum (1997) S. 121; Hindman (1997) S. 99, 108; Smeyers (1998) S. 473f.; Ainsworth (1998) S. 39, 42, 235, 237; Das Glockendon-Gebetbuch (1998) S. 58–65, 84–86; Le prince et le peuple (1998) S. 95; Testa (2000) S. 108−111; Illuminating the Renaissance (2003) S. 9, 412, 425, 447, 456f., Nr. 145, 458f., 472, 530; Wolf (2005) S. 43; Der Kardinal (2006); Thoss (2008) S. 11, 19–23; Kren (2010) S. 28–31, 111–119; Keene/Kaczenski (2017) S. 41, 68f., 88–90; Sciacca (2017) S. 28f.; Wolf (2017) S. 17f.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus