KdiH

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43.1.9. Baltimore (Maryland), The Walters Art Museum, Ms. W.764; Bayonne, Musée Bonnat, NI 1244-1252; Cleveland (Ohio), The Cleveland Museum of Art, The Dudley P. Allen Fund, Acc. 1959.40

Bearbeitet von Regina Cermann

KdiH-Band 5

Datierung:

Um 1460–1465.

Lokalisierung:

Wien.

Besitzgeschichte:

Seit 1910 verschiedentlich im Kunsthandel nachweisbar. 1959 von der Walters Art Gallery bei H. P. Kraus in New York erworben. Das Einzelblatt in Cleveland gelangte 1959 über den Schweizer Kunsthandel in das Museum.

Inhalt: Stundenbuch

1r–12v

Kalender der Diözese Salzburg oder Passau (zwei Spalten: Sonntagsbuchstabe, Festtage [sparsam besetzt])

13r

leer

13v–55v

Kleines Marienoffizium (zu Mariae Himmelfahrt. Fehlbindung: 31r–39v Mette; 21r–30v Laudes; 14r–v, 18r–v, 16r–v Prim; 17r–v, 15r–v, 19r–v Terz; 20r–v, 40r–41r Sext; 42r–44v Non; 45r–51v Vesper; 52r–55v Komplet)

13v

Miniatur: Mondsichelmadonna

41v

leer

56r–79r

Bonaventura, ›Officium de passione domini‹, deutsch (Opera omnia [1882–1902] Bd. 8, S. 152–158)

66v

Miniatur: Kreuztragung (Terz)

vor 69

Miniatur (Cleveland): Kreuzannagelung (Sext)

76v

Miniatur: Grablegung (Komplet)

79v

leer

80r–107r

Lange Totenvigil (Ottosen [1993] 68/44/84 1/18/83 79/76/–)

107v–108r

Opfergebet zum Fest Epiphania domini

108v

leer

109r–129v

Sieben Bußpsalmen mit Litanei, Fürbitten und Gebeten (einschließlich Gebeten zu Maria, zum Schutzengel, Eigenapostel, zu Georg und Katharina), Seelengebete

129v–133r

Passionsgebet, insbesondere freitags zu sprechen O du ewige liechtpluemen wie pistu erplichen

133r–135r

Mariengebet O du allermöchtigiste kayserjnn aller wirdigkait O du edle kunigjnn aller mildigkait … (andernorts als Ablaßgebet von Papst Innozenz VI. für Herzog Albrecht II. von Österreich deklariert, s. Nr. 43.1.25., 2r–3v; Nr. 43.1.192., 149v–150r; Wien, Cod. Ser. nov. 39035, 154v–157v)

135r–158r

Acht Kommuniongebete, darunter zwei von Augustinus, eines von Ambrosius in der Übersetzung Johanns von Neumarkt (Klapper [1935] Nr. 14, 13, 15), eines von Jan Milíč von Kremsier (Klapper [1935] Nr. 29) sowie zwei weitere aus dem Prager Kulturkreis (Klapper [1935] Nr. 54, 62)

158r–171r

Anselm von Canterbury, zwei Mariengebete in der Übersetzung Johanns von Neumarkt (Klapper [1935] Nr. 20, 21), ›Sancta Maria‹, deutsch (Klapper [1935] Nr. 98,1)

171v

leer

172r–197r

Nikolaus von Dinkelsbühl, ›Beichtanleitung‹ Ich gib mich schuldig an meinen funf synnen Jtem das ich gesunt hab mit sechen … (Sünden gegen die ›Fünf Sinne‹, ›Sieben leibliche und geistliche Werke der Barmherzigkeit‹, ›Sechs Sünden wider den Hl. Geist‹, ›Sieben Todsünden‹, ›Sieben Sakramente‹, ›Sieben Gaben des Hl. Geistes‹, ›Acht Seligkeiten‹, ›Neun fremde Sünden‹, ›Zehn Gebote‹)

197v

leer

198r–199r

Anfang des Johannesevangeliums (Io 1,1–14)

199r

Kolophon Hie hat das puͤchlein ein ennd Got alles vbel von vns wennd

199v

leer

200r–200v

Nachtrag: Gebet zum hl. Christophorus
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 200 + 1 Blätter, moderne Foliierung, 167 × 119 mm, Cleveland: 120 × 83 mm. Lagenformel (5.–7. Lage fraglich): VI12, V–220 (vor 17, 20), V30, V–139 (vor 31), IV+2–247 (+/– vor 42, 45), IV+3–256 (+48, +/– vor 52, 56), IV+1–164 (+/– vor 64), V–272 (vor 69, 71), V–181 (vor 73), 11 V191, V–1200 (nach 200). Fehlbindung, 2.–4. Lage vertauscht, ursprüngliche Reihenfolge: 31r–39v, 21r–30v, 13r–20v. Doppelblatt 15/18 falsch eingelegt, richtige Abfolge: 13/14/18/16/17/15/19/20. Rundliche Bastarda von einer Hand, zwei Schriftgrößen, einspaltig, 17–18 Zeilen, Rubriken, ein- bis vierzeilige rote und blaue Lombarden. Nachtrag 200r–200v Bastarda.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

Drei Miniaturen (13v, 66v, 76v), elf weitere vor 1910 herausgeschnitten (vor 17, 20, 31, 42, 45, 52, 56, 64, 69, 71, 73), eine davon heute in Cleveland (vor 69). Eine sieben- (31r), eine sechs- (17r), sieben fünf- (14r, 20r, 45r, 52r, 56r, 80r, 166v), acht vier- (42r, 64r, 69r, 73r, 109r, 128r, 129v, 158r), vier dreizeilige Buchmalerinitialen (67r, 71r, 77r, 161r): Initialkörper aus farbigem Akanthus, auf gepunztem Blattgold- oder Farbgrund bzw. mit Rautenmuster hinterlegt, zum Teil umspielt von ein- bis vierseitigen Akanthusranken. Drei vier- (136v, 146r, 150v), eine dreizeilige Blattgoldinitiale (133r) mit blauem oder grünem Fleuronnée. Eine vorgezeichnete zweizeilige Initiale (200r). Von Holter (1940) dem Lehrbüchermeister zugeschrieben.

Format und Anordnung:

Ganzseitige Miniaturen, 102–107 × 70–73 mm, Cleveland: 110 × 75 mm, jeweils den mit einer größeren Initiale auf recto-Seiten beginnenden Stundengebeten gegenüberstehend.

Bildaufbau und -ausführung:

Die drei Passionsbilder sind vielfigurige Kompositionen, in denen das Geschehen differenziert geschildert wird: Während auf dem Kreuzweg (66v) Schächer und Soldaten bereits rechts oben aus dem Bild drängen, hält Christus am vorderen Bildrand in einer Kehre einen Moment inne, da sich Simon von Kyrene müht, das Kreuz am Fuß aufzuheben. Akzentuiert wird das retardierende Moment durch einen Schergen, der sich zu dem Verurteilten umgewendet hat und diesen durch Zerren an Strick und Haaren zum Weitergehen zu bewegen sucht. Als Pendant zu diesem ist ein Fahnenträger gedacht, der als Rückenfigur den Gegensatz zwischen den Bewegungsrichtungen zusätzlich erhöht. Bei der Kreuzannagelung (vor 69) teilt das diagonal ins Bildfeld gelegte Kreuz die dem Geschehen beiwohnenden Personen in zwei Gruppen: Links stehen die mitfühlenden Frauen mit Johannes, rechts ein dickleibiger Hoherpriester, umringt von einem skeptisch dreinblickenden Hauptmann, einem gebannt das Geschehen verfolgenden Zuschauer und einem eher amüsiert wirkenden Spaßvogel. In heftiger Aktion befinden sich nur die beiden Henkersknechte. Mit Wucht will der eine den Nagel durch die Füße treiben, den der andere in Position hält. Parallel zum Bild steht der Sarkophag, in den Joseph von Arimathia und Nikodemus behutsam den Leichnam Christi betten ( 76v), hinter dem sich die drei Marien und Johannes scharen. Eigentümlich leer wirkt dagegen die Mondsichelmadonna (13v). Ein Motivvergleich mit dem Gebetbuch der Kaiserin Eleonore (Wien, Cod. 1942, 82v) oder dem Missale, das Matthias Corvinus Frater Thomas übereignete (Città del Vaticano, Cod. Ross. 1164, 126r), zeigt aber, daß der Künstler auch eine solche Standardikonographie stets noch zu wandeln wußte. Die Miniaturen sind von einer Blattgoldleiste umgeben, in die kleine Ornamente eingeritzt und gepunzt worden sind. Auf eine umgebende bunte Ranke oder Bordüre wurde verzichtet. Der leere Blattrand steigert jedoch letztlich die Wirkung der Miniaturen, indem sich der Blick ganz auf sie konzentrieren kann. Signifikant für den Lehrbüchermeister sind die prägnant gezeichneten Nasen und die schweren, leicht gesenkten Augenlider. Obwohl alle Personen mehr oder minder in Aktion begriffen sind, wirken ihre Bewegungen eher bedächtig. Unwillkürlich geraten dem Künstler zudem alle Figuren zu liebenswürdigen Geschöpfen. Bei der Handschrift handelt es sich um ein luxuriöses Produkt, das durch Klarheit der Zeichnung, Brillanz der Farben und naiven Charme des Ausdrucks besticht.

Bildthemen:

Ursprünglich sieben Miniaturen zum Marienoffizium, von denen heute sechs fehlen: vor 31 (Mette), vor 17 (Terz), vor 20 (Sext), vor 42 (Non), vor 45 (Vesper), vor 52 (Komplet). Die Strahlenkranzmadonna (13v) zur Prim läuft klassischen Ausstattungskonzepten zuwider (im Gebetbuch der Kaiserin Eleonore [Wien, Cod. 1942, 82v] erscheint sie zu Beginn des Officium per adventum BMV). Sieben weitere Miniaturen zum Passionsoffizium, von denen sich jedoch nur drei erhalten haben (66v, vor 69, 76v); gemäß der Gebete am Schluß der Horen sind die fehlenden Motive rekonstruierbar: vor 56 Gefangennahme (Mette/Laudes), vor 64 Christus vor Pilatus (Prim), vor 71 Kreuzigung (Non), vor 73 Kreuzabnahme (Vesper).

Farben:

Karminrosa, Lapislazuli-Blau, Kupfergrün, helles Blau, Grau, helles Grün, Zitronen-Gelb, Ocker, Braun, Rot, Purpur, Violett, Schwarz, Deckweiß, Pinsel- und Blattgold (gepunzt mit sechsblättriger Blüte). Vorliebe für Blau, Blaugrau. Hintergründe Weinrot, darauf mit Pinselgold Filigran. Leuchtende Farben, Verwendung feinster Pigmente. Zarte Modellierung durch Hell-Dunkel-Schattierung.

Literatur:

Faye/Bond (1962) S. 200, Nr. 578. – Bernard Quaritch, London, 1910: A Catalogue of Bibles, Liturgies, Church History and Theology. Including a Number of Illuminated Manuscripts and Books from Celebrated Presses, S. 134–136, Nr. 283, Abb. S. 135 (66v); C. G. Boerner, Leipzig, 28.11.1912. Auction CX: Manuscripte und Miniaturen des XII. bis XVI. Jahrhunderts, Handzeichnungen des XV. bis XVII. Jahrhunderts, S. 3 f., Abb. Titelblatt (13v); Jacques Rosenthal, München, 1928. Katalog 90, S. 116 f., Nr. 196, Taf. XX (13v); Rosenthal (1929) Nr. 6, Abb. Nr. 6 (13v); Holter (1940) S. 33, Anm. 1; H. P. Kraus, New York, 1957–1958. Catalogue 88: Fifty Mediaeval and Renaissance Manuscripts, S. 30–32, Nr. 14, Farbabb. S. 31 (13v, 66v, 76v, 31r); Miner (1966/67) S. 95 f., Abb. 19–21 (13v, 76v, 66v).

Anmerkungen:

Neun herausgeschnittene Miniaturen heute in Bayonne, Musée Bonnat, NI 1244–1252.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XX (13v); Rosenthal (1929) Nr. 6, Abb. Nr. 6 (13v); HOLTER (1940) S. 33, Anm. 1; H. P. Kraus, New York, 1957–1958. Catalogue 88: Fifty Mediaeval and Renaissance Manuscripts, S. 30–32, Nr. 14, Farbabb. S. 31 (13v, 66v, 76v, 31r); MINER (1966/67) S. 95 f.

Abb. 15: 66v+67r. Kreuztragung Christi. Textseite mit Buchmalerinitiale, Ranke.

Abb. 16: Cleveland, Acc. 1959. 40 (ehem. vor 69). Kreuzannagelung Christi.

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Abb. 15.
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Abb. 16.