43.1.63. Freising, Privatbesitz
Bearbeitet von Regina Cermann
KdiH-Band 5
Um 1500 (nach 1494, vgl. 89v Annenablaß).
Augsburg (112v Simpert, 114v Radegundis [von Wellenburg]; Werkstatt Hans Holbeins d. Ä.).
17v männlicher Stifter. *Ir verschiedene Provenienzeinträge in Bleistift: Hand des 18. Jahrhunderts (unten) Von H. Rupp (?) / S[…] / mit Bewilligung der / gnädi-g[en] Frau Äbtissin (möglicherweise Hinweis auf das Kanonissenstift St. Stephan in Augsburg, 969–1802). Hand des 19. Jahrhunderts (oben) Hertlein gehörig / N 8. Anfang des 20. Jahrhunderts (obere Hälfte) Livre de prières / en allemand / XVe s. *Iv rotes Schildchen, auf das in einen Kreis von 15 mm Durchmesser die Buchstaben RD ineinandergesetzt in Gold gedruckt sind. *IIv modernes Holzschnitt-Exlibris: mittelalterlicher Gelehrter am Buchpult (55 × 37 mm).
*Ir–*IIv |
*Ir verschiedene Provenienzhinweise (s. o.), *Iv Schildchen (s. o.), *IIr leer, *IIv Holzschnitt-Exlibris (s. o.) | |
Ir–IIv |
leer | |
1r–2r |
leer | |
2v–7r |
Johannes von Indersdorf, drei Gebete zur Hl. Dreifaltigkeit aus der Sammlung für Herzog Wilhelm III. von Bayern ( |
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2v |
Miniatur: Hl. Dreifaltigkeit thronend | |
7r–17r |
Thomas Peutner, ›Von der Liebhabung Gottes an den Feiertagen‹ ( |
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11r |
Federzeichnung: Anbetung der Hl. Drei Könige | |
11v |
leer | |
17v–27v |
Vier Gebete zu Christus bzw. Gottvater 18r O herr ihesu criste ain prun vnd vrsprung aller gütikait vnd genaden du hast nÿe verlassen die ir hoffnung in dich gesetzt haben …, 20v O Vatter almechtiger gott vnd ainiger schöpher aller creatur ewig on anfang vnd on end des gstalt vnd wesen kain gemüt betrachten noch dhain zung ausprechen mag …, 22v O Vatter almechtiger barmhertziger vnd gütiger gott gib vnd verleich vns ain vberwintlichs gemüt wider all sünd …, 27r O herr ihesu criste ain glori vnnd wort vnd ain Sun des waren liechtes vnd ain wares liecht des liechtes Wir pitten vnd rüffen dich an … | |
17v |
Miniatur: Stifter kniet vor Schmerzensmann | |
28r |
leer | |
28v–67v |
Gebet zu den sieben letzten Worten Christi am Kreuz, Hieronymus zugeschrieben (›Erigo mentis oculos ad imaginem tuam‹, deutsch), am Freitag vor einem Kruzifixus zu sprechen O Jhesu ain gecreuczigter sun gotes Ich erhebe die augen meines gemüttes zuͦ deiner bildung Ich vmb fahe den baum des Creützes … (s. Nr. 43.1.34., 81r–94r) | |
28v |
Miniatur: Hieronymus im Bußgewand vor einem Kruzifixus in rauher Berglandschaft kniend | |
68r |
leer | |
68v–77r |
Mariengebet, jeden Samstag zu sprechen O Maria ain ainige hoffnung vnd ain muͦter der genaden O du aller hailigiste muͦter gottes genczlichen erfüllt mit grosser guetikait … | |
68v |
Miniatur: Mondsichelmadonna | |
77v–85v |
Sieben Ermahnungen an die hl. Anna, am Dienstag zu sprechen O hailige frau Sant Anna ich ermanen dich der grossen fraid die du vnd ioachim hettent do ir bekantent das euch der himlisch vater auß erwelt hat … | |
77v |
Miniatur: Anna selbdritt | |
85v–91r |
Drei Gebete zur hl. Anna: Fraÿ dich o aller wirdigiste frau sandt Anna wenn die von dem edlen geschlecht kinig dauids geporen pist …, 89v Pestgebet, vor einem Annenbild zu verrichten, mit Ablaß (laut |
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91r–123v |
Sieben Bußpsalmen mit Litanei (… stephan, Lorentz, florian, vallenttein, wolffgang, vͦlrich, anthony, ludwig, franciscz, alexia, mang, cosma, damiano, priminius, Simprecht, Bernhart, Siluester, fabiani, Sebastian, martin, Rochee, Dursch [Ursus], mauricio, Bonifacÿ. Jeronimus, Augustin, Ambrosius, Gregorius, Caspar, Balthaser, melchior. [15 Nothelfer:] gregorium, blasium, erasum, vitum, Banthaleone, Cristofferum, dÿonisium, Ciriacum, achaczium, Eustachium, Egidium, leonhardum, katherinam, Barbaram, margretham. Anna, magdalena, helena, Klara, Affra, Brigida, maria egipciaca, Agatha, Dorothea, Elßbeth, Juliana, Appolonia, Ottilia, Brigida, Agnes, Genafeffa, Radigunda, Vrsula), Fürbitten, Kollekten | |
123v–128r |
Gebet eines hohen Lehrers, nach der Beichte zu sprechen, verspricht soviel Ablaß, wie der Schächer am Kreuz empfing Allmechtiger ewiger gott vnd vater der barmherczigkaitt schöpfer hÿmel vnnd der erden vnd alles das dar Inne ist Ich danck dir aller der güthait vnd gnaden die du mir … | |
128r–131r |
Vierteilige Betrachtung zum Kommunionempfang Herr meiner sünden ist so vil das ich ir nit wol gepuͦssenn mag. Herr vater von hÿmelreich dauon wil ich dein sun heẅt empfahen …, 130r Darnach sollt du gedencken Werr der herr sey den er sol empfahen das er wirdiger werr der hell den das er gott soll empfahen … (vgl. München, Staatsbibliothek, Cgm 292, 34vb), 130v Darnach Sprich andechtiglichenn. Herr vater ich wil dein aingeporen sun empfahlen dir ze lob auf erdtrich … | |
131v–147v |
Zyklus von Kommuniongebeten (erweiterte Fassung von Nr. 43.1.7., 133r–148r; Nr. 43.1.124., 77r–87v; |
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147v–149v |
Gebet Maria Magdalenas in der Wüste, auf ihrem Grabstein stehend O Du mein ainiger ewiger gott Nun trest mich huit mein herr vnnd mein gott Wann du bist allain mein trost vnd all mein trost leit allain an dir … | |
149v–150v |
Ablaßgebet von Papst Clemens VI. (andernorts Benedikt XII. zugewiesen) O Herr Jhesu criste siehe an mich armen sünder mit den augenn deiner erbärmde mit den du angesehen hast Petrum im vorhoff Mariam Magdalenam in der wirtschafft denn schacher am galgenn … | |
150v–161r |
Gebet zu Christus, Augustinus zugeschrieben O du aller süesister herr Jhesu criste der du in die weltt gesant bist von der schos deines almechtigen vatters auff das du abliessest die sünde … | |
161r–167r |
Ps 117, deutsch Bekenent dem herren wan er ist guͦtt wann sein erbermde ist in der welt … | |
167v–170v |
Nachtrag: Bittgebet an Gott um der sieben Freuden Mariens (gemäß Erscheinungs-Typus) und des Leidens Christi willen (Verkündigung/Beschneidung, Heimsuchung/Ölberg, Geburt/Geißelung, Anbetung der Hl. Drei Könige/Dornenkrönung, Darbringung/Entkleidung, Auffinden im Tempel/Kreuzannagelung) Allmechtiger gott ich bitt dich dz du vff wellist nemen dz gebett der in der gedechtnus der vij fröd die da hat gehept die Iunckfro maria Do sy dinem vnd iren Sun empfangen hat zuͦ danckberkait vmb den schmertzen dins lieben suns …, bricht 170v ab … dz hastu mit gedult gelitten durch miner | |
*IIIr–*IVv |
leer |
Pergament, II + 170 Blätter, unfoliiert, je zwei Vor- und Nachsatzblätter aus Papier (*I–*IV), 138 × 105 mm, beschnitten. Lagenformel: I*II, III, V
ostschwäbisch.
Fünf Miniaturen (2v, 17v, 28v, 68v, 77v), eine Federzeichnung (11r). Die Miniaturen sind alle ein wenig unterschiedlich gerahmt: Bis auf 2v werden sie zunächst von einer schmalen Bildleiste in Pinselgold bzw. Blau eingefaßt. Daran schließt sich auf 2v ein blaues Wolkenband an, auf 68v ein Wolkenband mit kleinen Sternchen auf dem unteren Rand, auf 28v ein mit sechs Nelken (negellîn) belegter blauer Streifen, der rot gesäumt ist. Nach außen, zum Blattrand hin werden alle Miniaturen von einer vierseitigen Akanthusbordüre gemäß dem Spätstil der Augsburg-Salzburger Missalien-Werkstatt umschlossen (stark beschnitten auf 2v, 28v, 68v). Drei Buchmalerinitialen, drei- bzw. vierzeilig (3r, 29r, 69r): blauer Buchstabenkörper auf pinselgoldfarbenem Grund, Türkisgrün gerahmt. Die kalligraphisch geformte O-Initiale auf 3r ähnelt denjenigen, wie sie später im ›Gilgengart‹ vorkommen (vgl.
Ganzseitige Miniaturen, 90–95 × 58–65 mm (entspricht ungefähr dem ausgegrenzten Schriftspiegel), im regelmäßigen Lagenverbund verankert, jeweils auf verso-Seiten zu Beginn eines neuen Textabschnitts positioniert, Vorderseiten leer (2r, 28r, 68r) oder nur z. T. beschrieben (17r, 77r fünf bis sechs Zeilen). Federzeichnung ganzseitig, oben in einen flachen Spitzbogen auslaufend, 138 × 100 mm, oben und unten beschnitten, als separates Blatt ohne konkreten Textbezug zwischen die ersten beiden Quinionen eingefügt (an den Falz geklebt, der ursprünglich zum heute verlorenen vorderen Innenspiegel gehörte), Rückseite leer.
Die zart angelegten Miniaturen werden in ihrer Wirkung durch die unsensible Binnenrahmung auf 2v, 28v, 68v etwas beeinträchtigt; auch das trüb bunte Blättergewirr der Akanthusranken bildet keinen vorteilhaften Kontrast zu den auf wenige Töne abgestimmten Bildern (Gold, Ocker, Blaugrau, Blau, Rosa, Grün, Weiß). Eine Scheidung von Miniatur- und Bordürenmaler wäre deshalb zu erwägen, wobei für ersteren ein eigentümlicher Farbauftrag charakteristisch ist, der nicht unbedingt für einen professionellen Buchmaler spricht: Über die bereits leicht abschattierten bzw. aufgehellten Farbflächen hat dieser mit feinem Pinsel bzw. spitzer Feder eine Binnenzeichnung in Rot, Schwarz, Braun, Weiß, Pinselgold aufgetragen, die vom Charakter her eher einer sorgfältigen Unterzeichnung, denn einer abschließenden Oberflächenbehandlung gleicht. Außer auf 28v, wo die untere Hälfte des Bildes von einer steinigen Gebirgslandschaft eingenommen wird und nur der Himmelsraum durch poliertes Blattgold überirdisch erstrahlt, wurden die Figuren sonst stets vor eine Blattgold- bzw. ockerfarbene Folie gesetzt, auf die grisaillehaft mit Schwarz, Rot, Weiß eine situative Umgebung skizziert worden ist. Diese Technik sollte sich allerdings nicht als sonderlich dauerhaft erweisen: Auf 2v sind die architektonische Rahmung, das Ehrentuch, die Nimben und Kronen weitgehend, auf 17v das Ehrentuch fast vollständig, auf 77v der rechte Teil des Rundbogens verschwunden. Einigermaßen intakt blieb allein auf 68v der Strahlenkranz, der Brokatvorhang und die vegetabile Arkade.
Die hier geübte Kombination von malerischen und zeichnerischen Verfahrensweisen findet am ehesten in lavierten Federzeichnungen ihr Äquivalent. Nächste Vergleichsstücke stellen Zeichnungen von Hans Holbein d. Ä. und seiner Werkstatt aus den 90er Jahren des 15. Jahrhunderts bzw. der Zeit um 1500 dar:
So bietet sich für die Hl. Dreifaltigkeit auf 2v die Reinzeichnung von Holbeins Marienkrönung (Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 1662.216; vgl.
Die Federzeichnung auf 11r gehört einem ganz anderen Stilkreis an: Grünes Maßwerk hängt vor einem weißgesprenkelten roten Gewölbe, das auf rosaroten bzw. grauen Säulen ruht. Maria hat links in der Halle unter einem eigens aufgespannten Baldachin auf einem Ziegelmäuerchen Platz genommen. Das nackt auf ihrem Schoß hockende, etwas spillerige Kind streckt sein linkes Ärmchen zu dem vom ältesten König devot dargebrachten Kelch aus. Dahinter drängt der mittlere König schon mit seiner Gabe heran, während der jüngste soeben erst hinter einer Säule zum Vorschein kommt. Ein solider Steinbau links sowie eine Reihe von tannenartigen Bäumen versperrt die weitere Sicht. Die bunt-überbordende architektonische Hoheitsformel scheint das Markenzeichen einer Werkstatt gewesen zu sein, die als universale Floskel in gleicher Weise zur Überhöhung der hl. Katharina, der mystischen Kelter oder des Sterbens Christi am Kreuz taugte (s. Nr. 51.17.3., 1v, Abb. 51.50; München, Staatsbibliothek, Cgm 4474, Iv, Cgm 4475, 99v).
Die wenigen Miniaturen illustrieren textkonform einzelne Gebete (18r–20v, 29r–67v, 69r–77v) oder Textabschnitte (3r–7r, 78r–91r). Allerdings begleitet die Strahlenkranzmadonna hier nicht das klassische Ablaßgebet Papst Sixtus’ IV. (›Ave sanctissima Maria‹, deutsch; vgl.
Bei den Miniaturen kamen hauptsächlich Rosa, Blaugrau, Blau, Grün, lichtes Grün, blasses Orangerosa, Ocker sowie Blattgold zum Einsatz, ferner Braun, Weiß, Grau und Schwarz. Die minutiös mit schwarzer Feder vorgezeichneten Ranken sind dünnflüssig in verschiedenen Grüntönen, Orangerot, Blau, Rosa, Violett, Grau, Ocker, Gelb, Pinsel- und Blattgold ausgemalt und abschattiert. Die mit roter und schwarzer Feder angelegte Zeichnung auf 11r wurde kräftig mit Wasserfarben koloriert: Grün, Rot, Blau, Rosa, Grau, Gelb, zudem Blatt- und Pinselgold.
Abb. 93: 77v. Anna selbdritt.
Abb. 94: 28v. Hl. Hieronymus vor Kruzifix.
Abb. 95: 2v. Hl. Dreifaltigkeit thronend.