KdiH

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43.1.111. Modena, Biblioteca Estense, alfa.u.6.7

Begonnen von Regina Cermann, fortgeführt von Isabel von Bredow-Klaus

Ergänzung zum gedruckten KdiH

Datum der Veröffentlichung: 26.02.2021

Olim Ms. XII.I.22 (1867); olim Ms. XII.G.I (Anfang 19. Jh.), vgl. Milano (1998) S. 38f.; olim Ms. Est. 136.

Datierung:

1534 (Initiale 52v).

Lokalisierung:

Nürnberg.

Besitzgeschichte:

Erstbesitzer Kardinal Albrecht von Brandenburg (Exlibris IIv, Wappen 2v, 18r, Porträt 124v); im 17. und 18. Jahrhundert wohl im Besitz der ungarischen Familie Czobor (Iv), die in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Graf Joseph Czobor erlosch; 1780 in der Sammlung des Marchese Tommaso Obizzi in Castello del Catajo bei Padua; 1803 durch Erbschaft an den Sohn der letzten Este-Erbin, Erzherzog Karl Ambrosius von Österreich, nach dessen Tod 1809 an den Este-Enkel Erzherzog Franz von Österreich (ab 1814 Herzog Franz IV. von Modena), gelangt, der das Buch 1817 an die Biblioteca Estense übergab.

Inhalt: Andachtsbuch vom Leiden Christi für Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490−1545) Parallelhandschriften Nr. 43.1.108. Los Angeles, Ms. Ludwig IX 19 und 43.1.190. Wien, Cod. 1847
Iv

Ex Libris Illustrissimi condComitis Czobor deficientis de Anno 1534. pronti numerus in Litera Initiali circa medium Libri auro pictus ostendit 1 1/2 Zeilen durchgestrichen

Meditazioni intorno alla vita di N. S. Gesù Cristo, e sulla sua incarnazione, passione, e morte crocifissione e morte, scritte in idioma e carattere tedesco, adorno di eccellenti miniature del 1534. Cod. memb. in 8º − Alberto IV di Brandeburgo, del quale vedesi il ritratto qui presso, fu creato arcivescovo di Magonza nel 1514, posua Cardinale da Leone X nel 1518 e mori nel 1549

IIv

Kupferstich: Kardinal Albrecht von Brandenburg (Der große Kardinal) von Albrecht Dürer 1523 (B 103)

1r

Titelblatt: Thomas von Kempen, ›Orationes et Meditationes de Vita Christi. Tractatus prioris‹, deutsch, Abschrift von VD 16 D 1305, gedruckt 1521 bei Grimm & Wirsung, Augsburg: Gebet vnd betrachtungen Des lebens des mitlers gottes vnd des menschen vnsers herrens Jesu Christi von anfang seiner heÿligen menschwerdung, von alle seinem leyden, bis in das endt seines aller bittersten sterbens, an dem holtz des heiligen Creutzes menschlichs gemuet bewegend vnd reÿtzend zu andacht

Pohl 5 (1902) S. 4−214.
2v

Miniatur: Wappen Kardinal Albrechts von Brandenburg

3r−125r

Teil I,1: 3r–36r, Teil I,2: 36r-125r Ü: Von dem gantzen leben des mitlers Gottes vnnd der menschen Jesu Christi. Zum Ersten eine dancksagung vnd gebet got zu loben vnd leytend zu andacht. A: Got mein herre ich beger dich zu loben, wan dich zu loben bekenn ich mich beschaffen sein. Thu auff meinen mundt in deinem lobe, das ich sing die eer deinem namen. Erweck mein hertz in dich, vortreib allen verdrus ...

5r

Miniatur: Erschaffung Evas. Bordüre: Erschaffung der Tiere

7r

Miniatur: Verkündigung an Maria. Bordüre: Gideons Vlies

9r

Miniatur: Geburt Christi. Bordüre: Moses vor dem brennenden Dornbusch

13r

Miniatur: Beschneidung Christi. Bordüre: Beschneidung Isaaks

14r

Miniatur: Jesuskind auf einem Kissen, umringt von sieben Engeln mit den Marterwerkzeugen. Bordüre: Verehrung des Namens Jesu

16r

Miniatur: Anbetung der Könige in einem Renaissancepalast. Bordüre: Königin von Saba vor Salomon

18r

Miniatur: Darbringung im Tempel. Bordüre: Samuel wird zu Eli gebracht

20r

Miniatur: Flucht nach Ägypten. Bordüre: Michal verhilft David zur Flucht

21v

Miniatur: Bethlehemitischer Kindermord. Bordüre: Athalia lässt die Königskinder umbringen

22v

Miniatur: Jesus unter den Schriftgelehrten. Bordüre: Saul wird von Samuel dem Volk als König vorgestellt

24r

Miniatur: Taufe Christi. Bordüre: Durchzug durch das Rote Meer

25v

Miniatur: Drei Versuchungen Christi. Bordüre: Christus in der Einsamkeit

27v

Miniatur: Auferweckung des Lazarus. Bordüre: Elias erweckt den Sohn der Witwe von Sarepta

30v

Miniatur: Einzug Christi in Jerusalem. Bordüre: David kehrt siegreich mit dem Haupt des Goliath zurück

32v

Miniatur: Letztes Abendmahl. Bordüre: Begegnung Abrahams und Melchisedeks

34r

Miniatur: Fußwaschung. Bordüre: Abraham wäscht den drei Engeln die Füße

36v

Miniatur: Verrat des Judas und Auszahlung der Silberlinge. Bordüre: Josef wird von seinen Brüdern verkauft

38r

Miniatur: Gebet am Ölberg. Bordüre: David bittet Gott um das Ende der im Volk wütenden Pest

40r

Miniatur: Gefangennahme Christi. Bordüre: Joab ersticht Abner

42r

Miniatur: Abführung Christi. Bordüre: Abführung des Achior

44r

Miniatur: Flucht der Jünger bei der Gefangennahme. Bordüre: Erbsen, Engel schießt mit Bogen

46r

Miniatur: Christus vor Annas. Bordüre: Michäas weissagt Königs Achab

47v

Miniatur: Verleugnung Petri. Bordüre: Blüten, Vögel, Schnecke, Falter, Erdbeere

49v

Miniatur: Christus vor Kaiphas. Bordüre: Jeremias vor König Sedekias

53r

Miniatur: Christus vor Pilatus. Bordüre: Gefangener Prophet vor einem Fürsten

54v

Miniatur: Christus wird von Herodes wieder zu Pilatus geschickt. Bordüre: Hl. Veronika mit dem Schweißtuch, Lamm Gottes

56v

Miniatur: Christus vor Herodes (vertauscht mit 54v) Bordüre: Grisaillearchitektur mit zwei Propheten

59r

Miniatur: Geißelung. Bordüre: Job von seiner Frau verspottet und von zwei Teufeln gepeinigt

61r

Miniatur: Dornenkrönung. Bordüre: Simei bewirft David mit Steinen

63r

Miniatur: Ecce homo. Bordüre: Sacharja sieht im Himmel Josua

66r

Miniatur: Handwaschung des Pilatus. Bordüre: Das Volk bestürmt König Cyrus, Daniel in die Löwengrube werfen zu lassen

68r

Miniatur: Kreuztragung. Bordüre: Abraham und Isaak mit dem Holz auf dem Weg zur Opferstätte

72r

Miniatur: Kreuzigung. Bordüre: Opferung Isaaks

76r

Miniatur: Schmerzensmann nach Dürer (B 20). Bordüre: Blüten und Falter

88r

Miniatur: Verehrung der Kreuzesinschrift. Bordüre: Blumen und Insekten

90v

Miniatur: Trauernde und Soldaten, die um den Rock würfeln. Bordüre: Die eherne Schlange

94r

Miniatur: Mater dolorosa, Sieben Schmerzen Mariens. Bordüre: Diesteln, Falter, Fuchs

112r

Miniatur: Lanzenstich. Bordüre: Erschaffung Evas

115r

Miniatur: Joseph von Arimathia bittet Pilatus um den Leichnam Christi. Bordüre: Blüten, Tiere

117r

Miniatur: Beweinung. Bordüre: Naemi trauert um ihren Mann und ihre Söhne

121v

Miniatur: Grablegung. Bordüre: Jonas wird ins Meer geworfen

124v

Miniatur: Verehrung der fünf Wunden. Bordüre: zwölf Putten halten sechs Schilde mit den Marterwerkzeugen Christi

Iv

J fogli di guardia in carta marmorizzata ed i due piani interni della legatura esistevano nell’ antica legatura del codice. Modena 7 maggio 1907. J.C.

Nachsatzblatt

E 136, Ms. XII G. I durchgestrichen und durch Ms. XII. I. 22 ersetzt, α.u.6.7

I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 128 Blätter, zwei Vor- und ein Nachsatzblatt aus Papier, 214 × 165 mm, beschnitten, Fraktur von einer Hand (wohl Georg Stierlein, vgl. König [1998] S. 91; Merkl [1999] S. 476; Georgi [2006]), einspaltig, 28 Zeilen (wie in der gedruckten Textvorlage), Schriftspiegel (165 × 110 mm) und Lineament blind vorgezogen, von Stierlein später zusammen mit der Ausstattung der Initialen mit rotem Federwerk noch einmal mit roter Feder mit etwas Abstand sauber umgrenzt, Georg Stierlein (Monogramm GS auf 83r) malte insgesamt 61 vier- bis neunzeilige, meistens siebenzeilige Initialen, verschiedenfarbige Buchstaben aus Akanthusranken auf goldenem (anfangs Blattgold, im hinteren Teil verstärkt Muschelgold) oder falschsilbernem Grund, der mit Akanthusranken gefüllt ist, drei Mal ist der Grund nicht Goldfarben, sondern besteht aus Silberfolie (10v, 37r, 125r), gelegentlich umgekehrt (goldener Buchstabe auf farbigem Grund), vier mit Blütenranken (29r, 61v, 80r, 93v), alle Initialen sind mit zweifarbigen Leisten gerahmt, eine zehnzeilige Initiale zu Beginn (3r), bei der der Buchstabenkörper in einer Blüte ausläuft, vier Initialen sind aus Renaissance-Elementen gebildet (25r, 30r, 36r, 56r), rote Versalien, Rubriken.

II. Bildausstattung:

Ein Kupferstich von Albrecht Dürer als Exlibris (auf Vorsatzblatt IIv aufgeklebt), eine Wappenseite 175 × 122 mm (2v) und 42 Miniaturen von Nikolaus Glockendon, 123−140 × 78−95 mm (5r, 7r, 9r, 13r, 14r, 16r, 18r, 20r, 21v, 22v, 24r, 25v, 27v, 30v, 32v, 34r, 36v, 38r, 40r, 42r, 44r, 46r, 47v, 49v, 53r, 54v, 56v, 59r, 61r, 63r, 66r, 68r, 72r, 76r, 88r, 90v, 94r, 112r, 115r, 117r, 121v, 124v), umschlossen von vierseitigen Bordüren, Maße mit Bordüren 170−180 × 117−127 mm.

Jeweils zu Beginn eines Textabschnittes wachsen aus den Initialen Akanthus- oder Rankenausläufer, gelegentlich mit Blüten. Bereichert werden sie mit Goldpunkten und Federwerk oder kalligrafischem Bänderwerk bzw. Cadellen. Initialen und Ranken, auch die beiden zweiseitigen Akanthusranken (2v/3r), wurden von Georg Stierlein ausgeführt (Monogramm GS 83r). Miniaturen von Nikolaus Glockendon (bis auf Wappenseite alle mit NG signiert).

Format und Anordnung:

Als Vorlage diente die von Simon Bening für Kardinal Albrecht von Brandenburg wenige Jahre zuvor gefertigte Handschrift Los Angeles, The J. Paul Getty Museum, Ms. Ludwig IX 19 (Nr. 43.1.108.). Der Text wurde um die sich im Lagenverbund befindlichen Miniaturen herumgeschrieben, weshalb die Positionierung der Miniaturen innerhalb des Textes nie genau den Kapitelgrenzen entspricht. Zuerst wurden demnach die Miniaturen (in Nürnberg?) fertiggestellt, dann erfolgte die Schreibarbeit nach der Vorlage des Beningschen Textes Nr. 43.1.108. wohl in Halle, dem Sitz Albrechts, zuletzt die Ausstattung mit Buchmalerinitialen und Ranken ebenfalls in Halle. 1534 war die Arbeit abgeschlossen.

Die ganzseitigen Miniaturen werden von vierseitigen zumeist szenischen Bordüren gerahmt. Diese Bildbordüren sind in den ersten 13 Bildern ohne erkennbares Prinzip mal rechts, mal links breiter positioniert, jedoch nicht konsistent mit ihrer Recto- bzw. Verso-Platzierung. Offenbar war ein Konzept vorgesehen, das nicht durchgeführt wurde, denn für seine Positionierungen übernahm er die Beningschen Bordüren-Vorlagen zum Teil sogar extra seitenverkehrt (36v, 42r, 49v, 59r, 61r, 63r, 66r, 68r, 72r und 112v). Neun der Bordüren sind falsch positioniert bzw. die Blätter falsch zusammengeheftet, bevor der Schreiber seine Arbeit begonnen hat, zehn sind richtig positioniert. Dieser Problematik begegnet Glockendon ab Jesu Passion (30v) dadurch, dass er das Bildfeld in der Regel mittig oben aufhängt. Dadurch sind die Bordüren nur noch dreiseitig (außer auf 49v, 54v, 56v, 88r, 94r, 115r). Der obere Abschluss der Miniaturen ist dreimal rundbogig (72r, 90v, 124v), dreimal in Form eines Eselsrückens (32v, 66r, 121v) und einmal in Form einer Ädikula gestaltet (112r). In den oberen Ecken befinden sich kleine Schrifttafeln mit den Angaben der AT-Bibelstellen zu den in den Bordüren dargestellten Szenen. Die Miniaturen werden entweder von schmalen goldenen Leisten oder von je vier Holzstäben, die sich an den Ecken überschneiden, und zweimal von gedrehten Säulen (32v, 66r) eingefasst. Den äußeren Rahmen bilden entweder schmale Leisten oder aber vier für Glockendon typische Astwerkstäbe, zumeist in Pinselgold, Ocker und Braun ausgeführt.

Bildaufbau und -ausführung:

Nikolaus Glockendon unternahm gegenüber der Vorlage (Nr. 43.1.108.) wesentliche Veränderungen am Layout: die Miniaturen des Neuen Testaments werden mit Bordüren des Alten Testaments gerahmt und nicht, wie im Getty-Gebetbuch, auf zwei gegenüberliegenden Seiten gezeigt. Glockendon lehnt sich kompositorisch in den Miniaturen und Bordüren sehr eng an Bening an. 29 der 41 Bilder, darunter die ersten 13 und neun ab 40r aufeinander folgende, hat er getreu nur mit Veränderungen in der Farbgestaltung übernommen (5r, 7r, 9r, 13r, 14r, 16r, 18r, 20r, 21v, 22v, 24r, 25v, 27v, 36v, 38r, 40r, 42r, 44r, 46r, 47v, 49v, 53r, 54v, 56v, 63r, 90v, 94r, 115r, 124v). So wählt Glockendon ein tiefes Schwarz (Rock auf 27v Schwarz in Schwarz), und zeigt seine farblichen Vorlieben für Orange und Türkis und für changierende Stoffe deutlich: Orange-Gelb, Gelb-Grün, Gelb-Violett, Rosa-Blau, Rosa-Gelb, Blau-Türkis. Glockendons Arbeiten sind jedoch durchweg gröber im Ausdruck durch ihren skizzenhaften Duktus und seine Gestalten sind eher gedrungen und nicht so elegant wie die Beningschen Vorbilder. In den fleischigen Gesichtern erkennt man ebenfalls deutlich Glockendons Hand. Der im Getty-Andachtsbuch fehlende Bethlehemitische Kindermord (21v) steht in der Reihe der von dort übernommenen Miniaturen, weshalb davon auszugehen ist, dass dieser ebenfalls die verlorene Beningsche Vorlage kopierte. Bei zwei weiteren Miniaturen, den beiden emblematischen, lehnte Glockendon sich lediglich eng an Bening an. So sind vier der Schmerzensbilder um Maria (94r) verändert, stammen aber aus dem Werk Glockendons. Bei der Verehrung der Wunden Jesu (124v) kombinierte Glockendon zwei Vorlagen: Bei der Grundkomposition orientierte er sich an Bening, übernahm aber statt der weltlichen Stände die Allerheiligen aus dem Allerheiligenbild Dürers von 1511 (Wien KHM). Hier ergänzte er die Allerheiligen mit dem Konterfei Albrechts als Kardinal. Bei der Inschriftentafel 88r lehnte sich Glockendon sehr stark an Bening an, hatte aber offenbar eine andere Textvorlage für die dreisprachige Inschrift. Bei zwei Miniaturen übernahm er nur die Grundkomposition, veränderte aber die Haltungen der Personen (38r) oder aber ergänzte die Komposition. Die Szene der Kreuzigung mit der Gruppe um Christi Rock würfelnder Soldaten und dem Reiter (90v) existiert ein zweites Mal detailgetreu in einer Zeichnung Augustin Hirschvogels in London, British Museum (vgl. zu Hirschvogel Peters [1979]). Auch die alttestamentliche Szene in der Bordüre ist eine exakte Kopie von Hirschvogels Bordüre der Zeichnung. Die Bordüre der Miniatur Christus vor Annas (46v) entspricht ebenfalls sehr genau der Zeichnung einer Bordüre Hirschvogels (das Hauptbild jedoch korrespondiert nicht). Hirschvogel arbeitete zur gleichen Zeit wie Glockendon in Nürnberg, ob die Zeichnungen nach dem Andachtsbuch oder aber als Vorlage angefertigt wurden, ist bisher unklar.

Somit gehen 13 Miniaturen nicht auf die Vorlage des Beningschen Getty-Gebetbuches zurück (30v, 32v, 34r, 59r, 61r, 66r, 68r, 72r, 76r, 88r, 112r, 117r, 121v). Biermann (1975, S. 203) vermutet, dass Glockendon das Beningsche Vorbild zum Kopieren in Nürnberg zur Verfügung hatte, es aber lange vor der Fertigstellung zurückgeben musste und daher im Verlauf andere Vorlagen heranzog. Für sieben Miniaturen benutzte Nikolaus Glockendon Druckgrafiken von Albrecht Dürer als Vorlage. Auf die Kleine Kupferstich-Passion Dürers gehen sowohl die Handwaschung des Pilatus 66r (B11, TIB X, 011) und der Schmerzensmann mit erhobenen Händen 76r (B20, TIB X, 020) zurück. Aus der Großen Passion Dürers übernahm Glockendon die Kreuztragung 68r (B10, TIB X, 210) und die Beweinung 117r (B13, TIB X, 213), beim Abendmahl (32v) lehnte er sich stark an, übernahm aber nicht alle Jünger in gleicher Weise von Dürer (B5, TIB X, 205) und kombinierte noch den grünen Baldachin aus dem Abendmahl des Getty-Gebetbuchs (82v) mit hinein. Besonders gut wiederzuerkennen ist der vorne rückwärts-seitwärts sitzende Judas. Die Kleine Passion dagegen diente als Inspiration für den Einzug in Jerusalem 30v (B22, TIB X, 222) und die Fußwaschung 34r (B25, TIB X, 225). Die Fußwaschung stellt eine Kombination dar aus dem Dürerschen Holzschnitt – hieraus stammen die Jünger links – und der gedruckten Vorlage vom Petrarca-Meister (Musper [1927] 335) – hieraus stammen die Jünger rechts und einige Details. Auch bei der alttestamentlichen Szene nahm Glockendon eine Veränderung vor: er übernahm zwar Benings Komposition, änderte den Raum aber in die biblische Hütte. Daraus folgt, dass Glockendon auch das für Bening vorbildgebende Werk, das bei Sigmund Grimm und Marcus Wirsung in Augsburg zuerst 1520 auf Latein, 1521 auf Deutsch gedruckte und vom Petrarcameister illustrierte Andachtsbuch (Musper [1927] L 63 und L 77, Nr. 320–354), kannte. Die drei Gekreuzigten, vor allem die beiden Räuber, beim Lanzenstich 112r, entstammen dem Kleinen Kalvarienberg Dürers (B59, TIB X, 259), während die Reitergruppe nach Bening gemalt ist. Aber auch aus Cranachs Passion bediente er sich für die Dornenkrönung 61r (B13, TIB XI, 2113).

Komplette Vorlagen fehlen bislang somit wohl nur für drei Miniaturen: die Geißelung 59r, die Kreuzigung 72r und die Grablegung 121v.
Des Weiteren änderte Glockendon theologische Kleinigkeiten, die zeigen, dass er nicht alle Details übernahm. So variierte er bei den Versuchungen Jesu durch den Teufel die Abfolge der Versuchungen von der Erzählung nach Lk 4 zu Mt 4. Bei Mt 4 ist die Versuchung auf dem Berg die letzte und so stellt Glockendon die Abfolge dar, anders als Bening, bei dem der Turm die letzte Versuchung ist. Auf 30v ergänzt er in der Bordüre eine Szene zwischen David und Goliath. Einige Ausbesserungen nimmt Glockendon bei den kleinen Schrifttafeln mit den alttestamentlichen Bibelstellen vor, die ebenso seine durchaus nicht unkritische Verarbeitung der Beningschen Vorlage zeigt. Beispielsweise korrigiert Glockendon Benings 1 Re 14 zu 1 Re 18 (30v); Job 1 zu Job 2 (59r); Glockendon unterlaufen dabei aber auch Fehler, er verschreibt Benings Exod 3 zu Exodi 13 (9r), Da 14 zu Da 19 (66r), 1. Re 27 zu 1. Reg 23 (20r) (tatsächlich handelt es sich aber um 1. Sam 19). ZR 2 6 (53r) ist eine rein fiktive Angabe einer nicht existenten Bibelstelle in beiden Werken. Steinmann (1964, S. 148–150) weist auf weitere Details in den Szenen vor allem des Alten Testamentes hin, die Glockendon nicht unkritisch von Bening kopierte, sondern durch Veränderungen bibeltreuer gestaltete. Leicht verändert hat Glockendon das Schöpfungsbild, in dem er nicht den fünften Schöpfungstag wiedergab, sondern die Landtiere ergänzte und somit den sechsten Schöpfungstag malte. Eine weitere Adaption unternahm Glockendon bei der Darstellung im Tempel (43v) durch die Kennzeichnung der beiden (bei Bening unbestimmten) Heiligen im Fenster als Maria Magdalena und Mauritius. Diese beiden sind die Schutzpatrone des Neuen Stifts in Halle. Auf 124v kniet Albrecht von Brandenburg neben dem Papst, deutlich erkennbar am charakteristischen Profil.

Beide Handschriften zusammen gaben die Vorlage für das dritte Exemplar dieses Andachtsbuches (Nr. 43.1.190. Wien, ÖNB, Cod. 1847) ab.

Bildthemen:

Vorweggeschaltet ist der Kupferstich Dürers Der große Kardinal (B. 103) auf dem Vorsatzblatt. Auf 2v folgt das Wappen Albrechts. Bei den Bildthemen übernahm Glockendon die Auswahl Benings im Getty-Gebetbuch, siehe ausführlich unter Nr. 43.1.108. Zusätzlich enthalten ist die Miniatur des Bethlehemitischen Kindermordes (21v), die im Getty-Gebetbuch wohl verlorengegangen ist. Glockendon vertauschte versehentlich die Darstellungen von Christus wird von Herodes wieder zu Pilatus geschickt, umgeben von einer ihn verspottenden Menge, mit der Darstellung des Christus vor Herodes. Erkennbar ist dies zum einen am Text, zum anderen an der Kleidung Christi (Bilder von 54v und 56v vertauscht). Im Vorbild des Getty-Gebetbuch Nr. 43.1.108. sind diese Bilder in der richtigen Reihenfolge, im nachfolgenden Gebetbuch Wien Nr. 43.1.190. in der gleichen falschen Reihenfolge wie in Modena.

In diesem Andachtsbuch sind die Miniaturen direkt mit zumeist passender alttestamentlicher Szene in der Bordüre umgeben, anders als im Vorbild des Getty-Andachtsbuches Nr. 43.108., in dem die Bordüren den Text auf der gegenüberliegenden Seite rahmen. Alternativ, wenn keine passende Typologie vorhanden war, wurden Streublumen (44r, 47v, 76r, 88r, 94r, 115r) oder Grisaillearchitektur (56v) gewählt oder aber auch, abweichend von Bening, als Ergänzung zu einer Szene eingesetzt (Streublumen: 27v, 34r, 66r, 72r, 90v, 112r, Architektur: 49v). Die einzige Abweichung ist die Bordüre mit Pretiosen, der hl. Veronika und dem Lamm Gottes (54v), wo Bening lediglich einen Architekturrahmen gewählt hatte.

Farben:

Diejenigen von Nikolaus Glockendon flammend: Orange, Grün, Blau, Pinselgold, Grau, Violett, Rosa, Braun, Orangerosa, Ocker, Weiß, tiefes Schwarz, Rot, Bordeaux, Hellgrün, Senfgelb, Rotbraun, Grasgrün, Hellblau, Rehbraun, Türkis, Hellgrau, Blaugrün, Beige. Stierleins Farben sind zwar ebenfalls bunt, aber stumpf, wirken trübe: Rosa, Blau, Grün, Pinselgold, Orange, Violett, Ocker, Silber, Schwarz, Grau, Bordeaux, Gelb. Wenig Blattgold.

Literatur:

Fava/Salmi (1973) Nr. 210, S. 179−185. – Venturi (1896); Beissel (1898); Olschki (1920/1921) mit Abb. S. 26−29 (47v, 63r, 36v); Albertotti (1916/1917); Fava/Toesca (1924) mit 48 Tafeln; Fava (1920/1921); Fava (1925) S. 202, 209, 284−286, Nr. 119; Fava (1925a) S. 58–60; d’Ancona/Aeschlimann (1949) S. 96; Steinmann (1964) S. 143–150, 154–156, Abb. 10−12 (18v, 20r, 34r); Biermann (1975) S. 18f., 198–205, 217, 220, 249–251, 257; Peters (1979) S. 360−367, 384, 390−392; Das Gebetbuch des Kardinals Albrecht von Brandenburg (1980) S. 28; Plotzek (1982) S. 311f.; Milano (1987) S. 196, Farbabb. Tf. CXLIII−CXLVI (9r, 20r, 49v, 76r); Tacke (1992) S. 167f.; Milano (1994) Farbabb. S. 63; The Dictionary of Art (1996) Bd. 1, S. 13, 77−86, Bd. 2, Nr. 122, Bd. 12, S. 815f.; Das Glockendon-Gebetbuch (1998); Merkl (1999) S. 19, Nr. 7, S. 97, 476−479, Nr. 123, Abb. 438f., 443 (25v, 90v, 46r); Legenda aurea (2001) Farbabb. S. 59, 64, 67, 76, 77, 85, 145; Wolf (2005) S. 14f., 38f., 94–117; Brinkmann/Georgi (2006) S. 294, 297, 300–303; Georgi (2006); Thoss (2008) S. 11, 19–23; Die Kunst der Beschreibung (2012) S. 78; Wolf (2017) S. 17f., 22.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus