43.1.67. ehem. London, Christie’s, 28.6.1973, Nr. 64 und 65 (jetzt Privatbesitz) (jetzt Privatbesitz)
Begonnen von Regina Cermann, fortgeführt von Isabel von Bredow-Klaus
Ergänzung zum gedruckten KdiH
Datum der Veröffentlichung: 10.11.2015
Um 1452.
Köln.
London, Christie’s, 28.6.1973, Nr. 64 und Nr. 65; Darbringung dann Jörn Günther Kat. 3, 1995, Nr. 46, jetzt Schweizer Privatbesitz. Anbetung Österreichischer Privatbesitz.
1r | Historisierte Initiale: Anbetung der Könige (Sext) | |
1v | 16 Zeilen Text | |
2r | Historisierte Initiale: Darbringung im Tempel (Non) | |
2v | 16 Zeilen Text |
Pergament, zwei Blätter, 1: 135 × 105 mm (beschnitten), 2: 143 × 105 (beschnitten), Schriftspiegel 70 × 50 mm, 16 Zeilen, Textura, Überschriften in Blattgold. Einzeilige, goldene Lombarden auf rotem oder blauem Grund.
rheinisch.
Zwei historisierte Initialen. Zwei vierseitige Goldrispenbordüren mit leuchtend blauen Blattornamenten, eine einseitige Goldrispenbordüre (1v) mit den charakteristischen verzierten sogenannten Christbaumkugeln der Lochner Werkstatt. Eine dreizeilige Buchmalerinitiale auf ziseliertem Blattgoldgrund. Die historisierten Initialen wurden dem Meister des Anholter Gebetbuches Nr. 43.1.78. (
Die beiden spaltenbreiten, elfzeiligen historisierten Initialen, 47 × 47–48 mm, leiten Sext und Non des Marienoffiziums ein. Die Initialkörper überspannen die gesamte Breite des Schriftspiegels und lassen nur für fünf Zeilen Text Platz, so dass die in ihnen eingelassenen Szenen wie autonome Miniaturen erscheinen.
Auf 1r sitzt Maria mit dem nackten Jesuskind zentral unter einem spitzen Giebel des sie umgebenden Stalls. Links von ihr sitzt Josef, der sich in einer ungewöhnlich lässigen Haltung durch die blaue Kapuze seines Mantels am Kopf kratzt und mit der rechten Hand auf seinem Knie abstützt. Dieses Motiv des Sich-am-Kopf-Kratzens findet sich auch auf dem Heisterbacher Altar (Bamberg, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Staatsgalerie in der Neuen Residenz, Inv.-Nr. WAF 592), allerdings juckt es dort nicht Josef, sondern dem Mohren. Rechts von Maria steht Melchior, während die prächtig gewandeten Kaspar und Balthasar zu beiden Seiten vor ihr im grünen Gras knien und ihre Gaben überreichen. Kaspar hat zur Ehrerbietung sogar seinen Hut vor sich ins Gras abgelegt. Diese zentral ausgerichtete Anbetung der Könige (an Stelle der bis dato üblichen Prozession der Könige zur an der Seite thronenden Maria) findet sich in ähnlicher Formulierung, auch der spitzgiebelige Stall und der abgelegte Hut sind hier, 1410/20, schon formuliert, auf einer Kölner Tafel mit 35 Szenen aus dem Leben Jesu in Berlin (SMPK, Kat.-Nr. 1224) und auf dem Altar der Kölner Stadtpatrone Stefan Lochners von 1440/50 (Köln, Marienkapelle in der Hohen Domkirche). Gerade der beengende Giebel des Stalles ist fast identisch auf 48v mit der Geburt Jesu im Darmstädter Gebetbuch anzutreffen. Die feine Goldrispenbordüre mit den Punkten in Blattgold ist identisch mit der des Jüngsten Gerichts des Anholter Gebetbuchs Nr. 43.1.78. Verschiedene Details wie der Mantel des ältesten Königs, der abgelegte Hut, der Turban des Mohren, Perlenkrone Mariens kommen zudem sowohl im Darmstädter als auch im Anholter Gebetbuch vor. Dieselben Körperhaltungen von Maria und Josef und Details wie das kaputte Stalldach werden noch einige Jahre später übernommen, so zu sehen im Graduale in Köln, Diözesan- und Dombibliothek , Cod. 229, 15v von 1498.
Der Beginn der Non 2r wird illustriert von der Darbringung Jesu im Tempel. Maria wendet sich von links zum mittig stehenden Altar und übergibt ihr Kind an Simeon. Hinter Maria folgt Josef, der ein Körbchen mit zwei kleinen Tauben als Opfergabe trägt. Hanna, von der nur der mit einem weißen Tuch bedeckte Kopf und die Schultern zu sehen sind und ein Mann mit einem roten Tuch über dem Kopf stehen hinter dem Altar und beobachten interessiert die Szene. Der schachbrettartig braun geflieste Kirchenraum wird von einem schönen Gewölbe überspannt, das sich auch im Anholter Gebetbuch finden lässt. Eine gleiche Szene findet sich im Tafelbild der Darbringung Lochners im Hessischen Landesmuseum Darmstadt von 1447.
Die Ausführung der Miniaturen ist sehr fein und detailreich, besonders der Mantel des Priesters oder des alten Königs und die gepunktete Hose des Mohren fallen durch ihre detaillierten Verzierungen und Muster auf. Generell ist die Kleidung fein, fast pointillistisch gestaltet. Die Männer haben Knollennasen und etwas derbe aber durchaus individuelle Gesichter, die Frauengesichter sind sehr zart gezeichnet. Die Bewegung der leicht untersetzten Figuren ist sehr agil und alle Personen sind lebhaft aufeinander bezogen und am Geschehen beteiligt. Die Raumtiefe ist nicht ideal gelöst, da die Tiefenwirkung perspektivisch nur durch eine starke Verkleinerung des Stalles angedeutet wird, wobei der Standort des Stalles unklar bleibt (hinter der Figurengruppe aber direkt über den Köpfen). Diese perspektivische Ungenauigkeit ist sicherlich dem sehr kleinen Format, schließlich handelt es sich hier um Initialen, geschuldet.
Diese beiden Einzelblätter entstammen einem Stundenbuch, das sich in eine Reihe mit mindestens drei weiteren stellen lässt. Die Bildformulierungen sind in ähnlicher Art und Weise im Stundenbuch in Darmstadt Hs. 70 (Nr. 43.1.43.), im verschollenen Anholter Gebetbuch (Nr. 43.1.78.) und im Berliner Stundenbuch 78B1a zu finden. Der Grundaufbau der Miniaturen ist immer der Gleiche und viele Details finden sich wie oben beschrieben in mehreren Illustrationen, doch weichen alle etwas voneinander ab, wodurch keine Doppelungen, sondern nur sehr ähnliche Varianten entstehen. Die Gruppe der Handschriften um diese beiden Einzelblätter steht in der Nachfolge Stefan Lochners. Deutliche Einflüsse Lochners wie die Goldrispenbordüren, die Glanzstellen auf den Nasen und die Übernahme von Kompositionen sind sichtbar und wurden offensichtlich nach seinem Tod von seiner Werkstatt durch seine Mitarbeiter weitergetragen. Dieselben Mitarbeiter waren an allen vier Stundenbüchern beteiligt,
Siehe auch die beiden ausführlichen Exkurse bei Nr. 43.1.43. zu den graphischen Vorlagen für die Miniaturen und zur Verbreitung des Goldrispenstils.
Die Bildthemen entsprechen den gängigen Illustrationsgepflogenheiten für das Marienoffizium. Die Anbetung der Könige wie auch die Darbringung im Tempel waren ursprünglich Bestandteil eines sieben- oder achtteiligen Kindheit-Jesu-Zyklus zur Illustration des Marienoffiziums. Beide Szenen bebildern im Anholter Nr. 43.1.78. wie auch im Darmstädter Lochner-Gebetbuch Nr. 43.1.43. die kleinen Stunden Sext und Non. Abgesehen von der Laudes, von der wir nicht wissen, ob sie überhaupt mit einer historisierten Initiale hervorgehoben war, ließe sich die Ikonografie der übrigen Horen nur bis zur Komplet erschließen, denn gemäß
Blau, Grün, Grau, Weiß, Orange, Rotbraun, Beige, Rosa, Orangerot, Gelb, Braun, Blaugrau, Schwarz, Blattgold. Schwarze Feder. Die Farben der Bordüren sind bis auf Blau und Blattgold stark ausgeblichen (insbesondere Rosa arg angegriffen).
Christie’s London (1973) Nr. 64 und 65, S. 37, Taf. 12 (recto-Seiten von Sext und Non);
Abb. 59: 1v.
Abb. 60: 2r.