43.1.27. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 489
Bearbeitet von Regina Cermann
KdiH-Band 5
Letztes Viertel 14. Jahrhundert (
Prag (Meister der Paulus-Briefe); Obersachsen, Leipzig? (
1r Erstbesitzerin als Adorantin (62r ich arme, 75r mir armen). Nach einer undatierten Teilabschrift von der Hand Wilhelm Grimms (1786–1859) einst im Besitz von Ludwig Achim von Arnim (1781–1831) (Berlin, Ms. germ. quart. 909, 5ar–7br; 7br Ms. besitzt L. A. von Arnim). 1901, 1905 im Kunsthandel. 1914 von der Königlichen Bibliothek erworben.
1r–12v |
24-teiliger Bilderzyklus vom Leben und Leiden Christi | |
1r |
Miniatur: Anna selbdritt mit kniender Stifterin | |
1v |
Miniatur: Verkündigung (vgl. Zittau, Christian-Weise-Bibliothek, Mscr. bibl. sen. Zitt. A VII, 279r) | |
2r |
Miniatur: Geburt Christi (vgl. Zittau, ebd., 22v) | |
2v |
Miniatur: Anbetung der Hl. Drei Könige (seitenverkehrt Zittau, ebd., 31r) | |
3r |
Miniatur: Darbringung im Tempel (vgl. Zittau, ebd., 272r) | |
3v |
Miniatur: Palmsonntag | |
4r |
Miniatur: Letztes Abendmahl | |
4v |
Miniatur: Gebet am Ölberg | |
5r |
Miniatur: Gefangennahme | |
5v |
Miniatur: Christus vor Pilatus | |
6r |
Miniatur: Geißelung | |
6v |
Miniatur: Dornenkrönung | |
7r |
Miniatur: Kreuztragung | |
7v |
Miniatur: Kreuzannagelung | |
8r |
Miniatur: Kreuzigung (vgl. Brno, Státní Vědecká Knihovna, R 398, 100v) | |
8v |
Miniatur: Beweinung | |
9r |
Miniatur: Grablegung | |
9v |
Miniatur: Christus in der Vorhölle | |
10r |
Miniatur: Auferstehung (vgl. Zittau, ebd., 142v) | |
10v |
Miniatur: Himmelfahrt Christi (vgl. Zittau, ebd., 165v) | |
11r |
Miniatur: Pfingsten (vgl. Zittau, ebd., 172v) | |
11v |
Miniatur: Marientod (vgl. Zittau, ebd., 319r) | |
12r |
Miniatur: Marienkrönung | |
12v |
Miniatur und Bordüre: Schmerzensmann mit Arma Christi | |
13r–22v |
Sequenz ›Ave praeclara maris stella‹, deutsch ( |
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23r |
Antiphon ›Regina coeli‹, lateinisch | |
23r–25v |
Zwölf Ehren Mariens verbunden mit zwölf Ave Maria, vorweg Exempel Ich manen vnd loben maria daz, daz du bist ein eynige dochter des ewigen vatters. Aue maria … | |
25v–30v |
15 Ermahnungen an die Kreuzigung Christi Barmhercziger drost herre ihu xpe ich manen dich des trurigen ganges vnd der sweren burden … | |
31r–32r |
Fünfgliedrige Gebetsbetrachtung zu Maria Magdalena, unterbrochen jeweils durch fünf Paternoster | |
32r–34v |
Zweigeteiltes Gebet, zur Dreifaltigkeit und zu Christus Ich loben dich hoch gelobete drivaldekeit du vnsprechlichz vnbegrifliches vngehugentliches gut der gotheit … | |
34v–58v |
100 Paternoster und Ave Maria, 130-teiliger Gebetszyklus (Menschwerdung bis Kreuzestod), nach jeweils zehn Ermahnungen und einem Schlußgebet unterbrochen von ein bis drei Gebeten zum Mitleiden Mariens Daz erste pr nr. Herre ich dancken dir vnd manen dich daz du her abe qweme vnd mensliche nature an dich neme … | |
59r–60r |
Anfang des Johannesevangeliums, lateinisch (Io 1,1–14) | |
60v |
leer | |
61r |
Miniatur: Stigmatisation des hl. Franziskus | |
61v |
Miniatur: Christus als Weltenrichter in der Mandorla, darunter Maria und Johannes d. T. als Fürbitter (Halbfiguren) | |
62r–63r |
Bitte um Fürsprache Mariens O du milte maget maria vnd mutter vnd barmhertzige konnigynne han ich arme erzornet dyn kint mit dot sunden oder mit degelichen sunden … | |
63r–64r |
›Sieben himmlische Freuden Mariens‹ (Überbietungs-Typus, Plenitudo-Fassung in Ich-Form) | |
64r–65r |
Gebet, um die Strafen der Hölle bzw. des Fegefeuers zu mindern Ich dancken dir lieber herre daz du dyn dure martel begunnest krefftilichen, vnd drugde dyn crutze demudiglichen … | |
65r–65v |
Kommuniongebet Herre ihu xpe bereyde vns wirdeclichen zu enphaen dynen heyligen lychnam … | |
65v–67v |
Reuegebet Herre mynneclicher vader eynige zuuersichte mynes vngetrosten hertzen, Ich loben dich vnd sagen dir gnade … | |
67v–74r |
Neun Kommuniongebete: Ich enphahen dich hude heyliger gewarer froner lycham … ( |
|
74r–77r |
Zwei Gebete zur Elevation, davon eines zu Maria, mit Ablaß Ich großen dich herre mynneclich vnd dynen heyligen lycham werlich …, 75r Ich bieden vnd manen dich konygynne von hiemelrich daz du heißest vnd bist eyn mutter der barmhertzekeyde … | |
77r–77v |
Ablaßgebet O herre laß mich iamern nach dir, O herre laß mich rowen yn dynen wonden … | |
78r |
Miniatur: Marienvision. Maria im Strahlenkranz (ohne Kind, Arme übereinandergeschlagen, rechte Hand mit Zeigegestus), von einem Engel herangeführt, erscheint kniendem Mönch (in schwarzer Kutte, bärtig, Mitra zu Füssen), nach |
Pergament, II + 78 Blätter, moderne Bleistiftfoliierung, 142 × 105 mm (beschnitten). Lagenformel: III, 2 III
mittelrheinfränkisch (
27 Miniaturen (1r–12v, 61r, 61v, 78r). Meister der Paulus-Briefe (benannt nach Wien, Cod. 2789), tätig in Prag 1380–1411, schwächerer Mitarbeiter der Wenzelswerkstatt (Œuvrezusammenstellung bei
Ganzseitige Miniaturen, 100 × 70 mm. 24 Bilder als autonomer Zyklus dem Gebetbuch vorangestellt, drei im hinteren Teil der Handschrift ohne direkten Textbezug (fraglich, ob Originalposition). Miniaturen von einer schmalen farbigen oder goldenen Leiste eingefaßt, auf 1r–12v zudem in 10 mm Abstand grüne bzw. rosafarbene Umrandung, an den Ecken großlappige Blätter, die nach außen hin abstehen.
Das Schwergewicht liegt auf den Figuren, der Buchmaler kam mit wenig Beiwerk aus: So genügten ein Thron (1r, 5v, 6v, 12r), Stall (2r), Altar (3r), Palmbaum (3v), Tisch mit Bänken (4r), der Bach Kidron (4v), die Martersäule (6r), ein Grab (9r, 10r, 12v) oder eine Bettstatt (11v), um die Situation kurz zu umreißen. Schilderungen von Räumlichkeiten fehlen. Der Hintergrund wurde bis auf 1v (Blattgold) und 61v (Rot) mit einem durchdringenden Blau verschlossen, dessen von der Wirklichkeit abgehobener Charakter durch ein zartes, weißes Ornamentband, das den Bildrand säumt, zusätzlich betont wird. Allein in der unteren Zone des Bildes wurde stets ein naturalistischer Erdstreifen in verschiedenen Grau-, Grün- oder Brauntönen angedeutet. Einige modische Details – wie Kruseler und Gebende bei den Frauen, Schecke und Beinlinge, Eisenhut oder Beckenhaube mit Halsbrünne bei den Schergen – verleihen den Bildern etwas Zeitkolorit. Ungewöhnlich sind die farbigen Heiligenscheine (neben Blattgold Rot, Blau, Rosa, Grün). Gesichter, Hände und Haare wurden mit brauner Feder prägnant gezeichnet, die Stoffe dagegen weich modelliert. Die Gewänder umschließen die Körper eng, werfen aber innerhalb der Konturen reiche Falten. Die Blutstropfen auf dem Leib Christi auf 6r–8r und 12v dürften eine spätere Zutat sein.
Bei der Erstbesitzerin dürfte es sich um eine Dame aus dem Hochadel gehandelt haben, da diese sich in einem Mantel mit Hermelinbesatz (ein Pelz, der Fürsten vorbehalten war) und modischem Kruseler darstellen ließ (1r). Der anschließende Bilderzyklus mit vier Stationen aus der Kindheit Jesu und 16 aus der Passion wurde am Schluß noch um zwei Szenen aus dem Marienleben (11v, 12r) und ein abstraktes Andachtsbild (12v) erweitert. Für die im hinteren Teil der Handschrift befindlichen Bilder (61r, 61v, 78r) ist der originale Kontext nicht gesichert; die Stigmatisation des hl. Franziskus, die
Dominierend ist ein Dreiklang aus Blau, Grün, Rotorange. Hinzu kommen helles Inkarnat, Ocker, Braun, Schwarz, Grau. Blattgold auf schwarzem Bolus. Die Gewänder der Figuren in zwei Farbstufen modelliert, entweder mit Weiß stark aufgelichtet oder mit roter Tinte abgedunkelt. Konturlinien zum Schluß mit brauner Feder auf die Farbschichten gezeichnet. Bildseiten vorn abgegriffen (insbesondere Grün stark abgerieben); auf den hinteren drei Miniaturen Farben deutlich frischer erhalten.
Abb. 17: 1r.
Anna selbdritt mit Stifterin.
Abb. 18: 12v+13r. Schmerzensmann mit Arma Christi. Textseite.