43.1.22. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Hdschr. 355; Privatbesitz
Bearbeitet von Regina Cermann
KdiH-Band 5
2. Hälfte 15. Jahrhundert.
Südwestdeutschland.
Zwei von vier bei Sotheby’s in London am 19.6.1990 als Nr. 64 versteigerte Blätter wurden 1991 von der Staatsbibliothek über den Antiquar Rolf Schwing (Heidelberg) erworben, die beiden anderen Blätter gelangten in Privatbesitz.
Priv. 1r–1v |
12.–[14.] Ermahnung | |
Priv. 1r |
Miniatur: Gebet am Ölberg (zur 13. Ermahnung) | |
Priv. 1v |
Miniatur: Gefangennahme (zur [14.] Ermahnung) | |
355–1r–355–2v |
19.–23. Ermahnung | |
355–1r |
Miniatur: Verspottung (zur 19. Ermahnung) | |
355–1v |
Miniatur: Dornenkrönung (zur 20. Ermahnung) | |
355–2r |
Miniatur: Kreuztragung (zur 21. Ermahnung) | |
355–2v |
Miniatur: Kreuzannagelung (zur 22. Ermahnung) | |
Priv. 2r–2v |
25.–[28.] Ermahnung | |
Priv. 2r |
Miniatur: Christus empfiehlt Maria Johannes (zur 25. Ermahnung) Miniatur: Essigtrank (zur 26. Ermahnung) |
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Priv. 2v |
Miniatur: Kreuzestod (zur [27.] oder [28.] Ermahnung) |
Pergament, vier Einzelblätter, 177–180 × 127–132 mm, Textura, eine Hand, einspaltig, 20–21 Zeilen, Rubriken, Zeilenfüller, ein- bis dreizeilige rote Lombarden.
alemannisch?
Neun Miniaturen (1r, 1v, 355–1r, 355–1v, 355–2r, 355–2v, 2r [2], 2v). Jede Seite umrahmt von einer dreiseitigen Bordüre, wobei mit roter Feder der Bereich umrissen wurde, in den zwischen kleinteiliges Federwerk mit Goldpunkten großförmige Akanthusblätter, Blüten und skurrile Drolerien (Mischwesen, Ritter, pausbäckiger Kopf, diverse Vögel usw.) gemalt worden sind. Eine Hand.
Annähernd quadratische Miniaturen, neun bis zehn Zeilen hoch, 53–55 × 53–55 mm, linksbündig in den Schriftspiegel eingepaßt, nebenstehender Raum mit Text aufgefüllt. Offenbar war pro Gebet eine Miniatur vorgesehen; benötigte man für den Text nicht die gesamte Bildlänge, wurde auch leerer Schriftraum in Kauf genommen (2r).
Trotz des relativ kleinen Formats vielfigurige Szenen, die sich entweder in zentralperspektivisch angelegten Innenräumen abspielen (355–1r, 355–1v), in die man wie in einen Guckkasten blickt, oder in leicht aufsichtigen Hügellandschaften mit hohem Augenpunkt (1r, 355–2v) bzw. ansichtigen mit einem in der Mitte verlaufenden Horizont (2r [2]). Die Rüstung des Ritters in der Bordüre auf 2r scheint einer älteren Zeit zu entstammen (Mitte des 15. Jahrhunderts). Farben und Farbauftrag muten seltsam an, möglicherweise handelt es sich um keinen gelernten Buchmaler.
Sequenz aus dem Passionsgeschehen, vom Gebet am Ölberg bis zum Kreuzestod, mit Lücken zwischen 14. Gefangennahme und 19. Verspottung (nach Nr. 43.1.148. zu ergänzen: 15. Geißelung, 16. Verleugnung Petri, 17. Christus vor Pilatus, 18. Entkleidung für die Geißelung) sowie 23. erstem und 25. drittem Ruf Christi am Kreuz (24. zweiter Ruf).
Dichte Farben, deren Zusammensetzung wohl nicht den üblichen Buchmalerfarben entspricht: Braun, Rot, Grau, Schwarz, Weiß, Rosa, Blau, Grün, Ocker, Muschelgold. Für die Drolerien wässerigere Farben (verblaßt bzw. verrieben): trübes Blau, Grün, Orange, Rosa, Ocker, Rot. Goldpunkte mit Muschelgold, abgerieben, roter Bolus darunter sichtbar. Miniaturen zum Teil verwischt bzw. durch Wasserflecken beeinträchtigt.
Abb. 58: 355–1r. Textseite mit Miniatur in Initialposition:Verspottung Christi, Ranke.