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4. Otto von Passau, ›Die vierundzwanzig Alten‹

Bearbeitet von Norbert H. Ott und Gisela Fischer-Heetfeld

KdiH-Band 1

›Die vierundzwanzig Alten‹ des Otto von Passau gehören zu den breitestüberlieferten Werken des deutschsprachigen Mittelalters. Über hundert Textzeugen sind bekannt, gut die Hälfte davon ist mit Initialschmuck versehen, illustriert oder doch zumindest auf Illustration angelegt. Der Katalog beschreibt 66 Handschriften und Fragmente: Mit Illustrationen ausgestattet sind 42 Manuskripte, acht Handschriften weisen Initialschmuck und Ornamentwerk auf, 16 enthalten Leerräume, die zur Aufnahme von Bildern vorgesehen waren. Die überwiegende Mehrzahl dieser Handschriften ist – eher ungewöhnlich für die Überlieferung deutscher Texte – datiert; der älteste Codex stammt von 1383 (Nr. 4.0.26.), der jüngste von 1483 (Nr. 4.0.28.). Die frühesten Handschriften kommen aus dem Ober- und Hochrheingebiet und aus dem Elsaß und entstanden vorwiegend in manufakturhaft produzierenden Werkstätten oder deren Umkreis. Die älteste datierte Handschrift läßt sich – wie noch einige andere (Nr. 4.0.11., Nr. 4.0.26.) – mit der Freiburger Rüdiger-Schopf-Werkstatt vom ausgehenden 14. Jahrhundert in Zusammenhang bringen, deren Produktionsweise letztlich bestimmend wirkte auch für die »Elsässische Werkstatt von 1418« und Diebold Laubers Manufaktur in Hagenau, aus denen einige der ältesten illustrierten Manuskripte (Nr. 4.0.8., Nr. 4.0.17., Nr. 4.0.23., Nr. 4.0.48., Nr. 4.0.50., Nr. 4.0.51.) stammen.

Die Verbreitung illustrierter Handschriften der ›Vierundzwanzig Alten‹ greift jedoch weiter über die Nordostschweiz, das Elsaß und den Oberrhein hinaus; Schwaben spielt eine Rolle, Bayern, Franken und Mitteldeutschland sind mit wichtigen Bilderhandschriften vertreten, aus Sachsen stammt ein Codex von höchstem Anspruchsniveau.

Überraschend ist die Breite der stilistischen und ikonographischen Möglichkeiten, trotz des höchst begrenzten Typenschatzes der Otto-von-Passau-Illustrationen. Eingeschränkt auf die 24 Einzelbilder der Alten als Titelminiaturen zu ihren Reden, die variiert werden konnten, indem die minnende Seele hinzugefügt wurde, zu der der jeweilige Alte spricht, oder die erweitert wurden um eine oder zwei Miniaturen zur Vorrede, ist der Rahmen der darstellerischen Möglichkeiten ziemlich eng gesteckt. Und dennoch gewährte diese Vorgabe einen großen Spielraum: die Spannbreite der Illustrationen ist außerordentlich weit, sowohl was den Stil als auch was die Ikonographie betrifft. Schon von der Höhe ihrer materiellen Ausstattung her ragen zwei Handschriften deutlich heraus: ein nur fragmentarisch überlieferter, offensichtlich mit bayerischer Tafelmalerei in Beziehung stehender Codex (Nr. 4.0.6.) aus der Jahrhundertmitte und eine etwa gleichzeitig für Georg I. von Anhalt angefertigte obersächsische Handschrift (Nr. 4.0.12.) – beides in Bilderfindung, stilistischem Niveau und Qualität außergewöhnliche Produkte, vor allem vor dem Hintergrund der Illustration deutschsprachiger Handschriften.

Stilistisch und vor allem ikonographisch bemerkenswert ist das Coburger Manuskript (Nr. 4.0.10.), hauptsächlich wegen seines Titelblattes mit einer Darstellung der um ein Mittelmedaillon mit dem Lamm Gottes gruppierten, musizierenden Alten. Wie diese Handschrift enthält auch der im Germanischen Nationalmuseum und in der Nürnberger Stadtbibliothek aufbewahrte Codex (Nr. 4.0.46.) eine auf detaillierte Landschaftsschilderung angelegte, vorzügliche Miniatur mit Johannes auf Patmos. Gerade bei den der Vorrede vorangestellten, meist ganzseitigen Titelblättern boten sich dem Illustrator reichere Variationsmöglichkeiten als bei der Folge der 24 den Reden vorausgehenden Einzelbilder der Alten. So reiht an dieser Stelle – einmalig unter allen Manuskripten – eine jetzt in deutschem Privatbesitz befindliche, im Umkreis der Rüdiger-Schopf-Werkstatt entstandene Handschrift (Nr. 4.0.15.) die Standfiguren der Alten in vier übereinander angeordneten Zeilen zu je sechs Personen auf. Zuweilen werden zwei auf einander gegenüberliegenden Seiten verteilte Einzelbilder inhaltlich aufeinander bezogen, wie im Falle der Hamburger und der Trierer Handschriften (Nr. 4.0.22., Nr. 4.0.58.), wo der kniende Johannes links auf das Blatt mit der Darstellung seiner Vision – Gottvater im Kreise der Alten – rechts blickt. Allein auf eine Titelminiatur beschränkt nur die Gießener Mülich-Sammelhandschrift (Nr. 4.0.21.) das Bildprogramm: die vierundzwanzig Alten stehen betend links und rechts neben Gottes Thron, während die am Boden kniende minnende Seele ihre Hände mit den Wundmalen erhebt.

Bemerkenswert sind zwei wohl aus der Augsburger Gegend stammende Münchner Manuskripte (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 285: Nr. 4.0.37.; Universitätsbibliothek, 2o Cod. ms. 147: Nr. 4.0.44.) mit je 24 eingeklebten, kolorierten Federzeichnungen. Der Hauptzeichner des Exemplars der Staatsbibliothek – fünf Bilder rühren wohl von einer anderen, der Haupthand jedoch sehr ähnlichen Hand – ist identisch mit dem der Handschrift der Universitätsbibliothek. Die insgesamt 43 gerahmten, sorgsam gezeichneten und kolorierten Bildchen dieses Illustrators (denen sich auch die fünf der zweiten Hand im Grundschema anschließen) fügen sich zu einer die Grenzen der beiden Überlieferungsträger überschreitenden Serie, sind aber mit Bedacht darauf angelegt, das zugrundeliegende Kompositionsschema einfallsreich zu variieren. Aus dem Umstand, daß beide Zyklen in die Handschriften eingeklebt, nicht direkt eingemalt wurden und daß die Einzelbilder durchaus zwischen den Codices austauschbar sind, ließe sich die Vermutung ableiten, daß sie aus einer auf Vorrat produzierenden Werkstatt stammen, die gleichwohl hohes Niveau besaß, wofür die gekonnte Wiedergabe der aus feinen Pinselstrichen organisierten Haupt- und Barthaare sowie das ebenfalls durch Pinselschraffuren modellierte Inkarnat der Alten sprechen.

Außerordentlich viele Otto-von-Passau-Handschriften sind mit Deckfarbenminiaturen, häufig unter Goldverwendung, ausgestattet, ein für volkssprachliche Bilderhandschriften des 15. Jahrhunderts eher ungewöhnliches Verfahren. Noch in den von der »Elsässischen Werkstatt von 1418« und der Lauber-Werkstatt hergestellten Manuskripten schlägt dieses Prinzip durch: Während vor allem Lauber üblicherweise nie gerahmte Illustrationen mit ausgemalten Hintergründen kennt, stehen seine Alten stets vor flächig-farbigen Hintergründen – der Zwang des dem Stoff zugehörigen Ausstattungsniveaus überspielt hier offensichtlich die Gewohnheiten der Werkstatt.

Mit gerahmten Deckfarbenminiaturen und Gold ausgestattete Codices müssen jedoch nicht zwangsläufig die mit Federzeichnungen geschmückten Manuskripte überragen; gerade im 15. Jahrhundert signalisiert eine deckfarbenminierte Handschrift eher rückwärtsgewandtes Bewußtsein. Neues, für die Entwicklung der Graphik Zukunftsträchtiges, ereignete sich wohl in den mit Federzeichnungen bebilderten Handschriften, wofür etwa das Donaueschinger Manuskript (Nr. 4.0.14.) ein hervorragendes Beispiel gibt: Mit seinen aus feinsten Federlinien konstruierten, ganz auf Schwarz-Weiß-Wirkung bedachten Zeichnungen gehört es in die Nähe eines im Kupferstich versierten Meisters. Die qualitätvollen, unkolorierten Federzeichnungen des Cgm 505 (Nr. 4.0.38.) erinnern mit ihrem Gewebe aus paralleler Strichelung und dichten Kreuzlagen ebenfalls an die zeitgenössische Kupferstichtechnik. Auch der jetzt in Krakau befindliche, ehemals Berliner Codex (Nr. 4.0.29.), wohl in Nürnberg entstanden, zählt mit seinen charakteristischen Einzelfiguren zu den graphisch interessanten Stücken.

Der früheste bekannte Druck der ›Vierundzwanzig Alten‹ entstand 1480 bei Anton Sorg in Augsburg (Nachdruck 1483) in engem Anschluß an die Handschriftengruppe London-Wien-Kapstadt – aus Augsburg oder jedenfalls aus Ostschwaben stammt die heute in Kapstadt aufbewahrte Handschrift –: In den drei Handschriften (Nr. 4.0.9., Nr. 4.0.32., Nr. 4.0.60.) wie in den beiden Sorg-Drucken (Schramm 4 [1921] Nr. 501) findet sich vor der Rede des 12. Alten (Marienleben) das sonst nicht vorkommende Bild der Muttergottes mit Kind im Wolkensaum in der rechten oberen Ecke; außerdem ist auf zwei Holzschnitten – wie verschiedentlich in den drei Handschriften – die minnende Seele als Nonne dargestellt (Schramm Nr. 502 und 503). Aus der Verwendung von sieben verschiedenen Holzstöcken für die Einzelbilder der Alten spricht noch das Bemühen um abwechslungsreiche Gestaltung des gleichförmigen Themas, das viele der Miniaturisten ausgezeichnet hatte. Die etwas jüngeren Straßburger Inkunabeln von Prüß, Vater und Sohn Schott wie auch von Koelhoff in Köln kommen dagegen mit nur zwei Holzstöcken für die Alten aus.

Im frühen 16. Jahrhundert ersetzte Knobloch in Straßburg den bisherigen Typ des Titelholzschnitts (Christus in der Mandorla, umgeben von den Alten) durch den zuerst von Bämler 1472 für Johann Niders ›Vierundzwanzig goldene Harfen‹ verwandten Titelholzschnitt, der in einem Bild Gottvater mit den Evangelistensymbolen, das Lamm auf dem Buch mit den sieben Siegeln, die vierundzwanzig Alten mit Instrumenten und Johannes und den Engel vereinigt. Ein verkleinerter Nachschnitt dieses Bildes steht am Beginn aller späten Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts, während die Illustrationen vor den Reden der Alten ohne Zusammenhang mit dem Text aus anderen Werken entnommen sind.

Editionen:

Der Text ist bislang nicht ediert. – Jüngster Druck: Die Krone der Ältesten. Oder: Die göttliche Weisheit und Kraft der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Dargestellt und zusammengetragen aus den Schriften von 104 Lehrern und Kirchenvätern von dem ehrwürdigen Otto von Passau. Aufs Neue hrsg. von dem Übersetzer der Werke des heiligen Kirchenvaters Johannes Klimakus. Regensburg-Landshut 1836 (Leitsterne auf der Bahn des Heils 10). – Teiledition: Werner Besch: Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert. Studien zur Erforschung der spätmittelalterlichen Schreibdialekte und zur Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache. München 1967 (Bibliotheca Germanica 11), S. 367–397 [4. und 11. Alter]. – Kurt Ruh, zusammen mit dagmar ladisch-grube und Josef Brecht: Franziskanisches Schrifttum im deutschen Mittelalter. Band II: Texte. München 1985 (MTU 86), S. 183–198 [17. Alter].

Otto von Passau: Die 24 Alten digital

Literatur zu den Illustrationen:

Wieland Schmidt: Die vierundzwanzig Alten Ottos von Passau. Leipzig 1938 (Palaestra 212). – Ludwig Grote: Die vierundzwanzig Alten. Wallraf-Richartz-Jb. 33 (1971), S. 85–98. – Norbert H. Ott: Deutschsprachige Bilderhandschriften des Spätmittelalters und ihr Publikum. Zu den illustrierten Handschriften der ›Vierundzwanzig Alten‹ Ottos von Passau. Münchner Jb. der bildenden Kunst 3. Folge 38 (1987), S. 107–148.

Anmerkung:

Ein Fragment der Universitätsbibliothek München ist 1944 verbrannt, Beschreibung bei Paul Lehmann/Otto Glauning: Mittelalterliche Handschriftenbruchstücke der Universitätsbibliothek und des Georgianum zu München. Leipzig 1940 (72. Beiheft zum ZfB), Nr. CXLVI: Unterer Teil eines Pergamentblattes, 142 × 198 mm, zweispaltig, 21 Zeilen. »Sorgfältige gotische Buchschrift des XV. Jhs. von guten Formen mit kursivem Einschlag. Rote Abschnittüberschriften. Zitierte Schriftstellernamen in Rot. Sparsame Verwendung rotgestrichelter Großbuchstaben. Auf Ivb in roter Einfassung, unten mit gotischem Bogenfries, eine nicht gut erhaltene, aber auch nicht sehr ansprechend ausgeführte Miniatur: In offener, gewölbter Halle ein Fürst mit Krone und Szepter auf dem goldenen Thron. Links von ihm kniet mit bittender Gebärde eine kleine weibliche Gestalt. Die tragenden Teile der Halle und der Boden grau, ihre Decke rot, der Hintergrund blau, über dem Dach der Halle grün, das Gewand des Fürsten rot mit braunem Pelz verbrämt, das Gewand der Bittenden grün ...«