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104. Psalter

Bearbeitet von Wolfgang Augustyn

KdiH-Band 10

Der Psalter, die Sammlung der 150 Psalmen, ist eines der Bücher des Alten Testaments und umfasst Liedtexte unterschiedlichen Inhalts, die aufgrund der Überschriften König David und mehreren Gehilfen als den Verfassern oder Mitverfassern zugeschrieben werden. Die Psalmen dienten als Gebete im jüdischen Gottesdienst, wurden in die christliche Liturgie übernommen und seit urkirchlicher Zeit im Gottesdienst der Gemeinde wie seit der Spätantike beim Stundengebet von Klerikern und Ordensleuten responsorisch rezitiert oder gesungen (Palazzo [1993] S. 145–150; Häussling [1999]; Häussling [1999a]). Seit patristischer Zeit wurde der Text in verschiedenen lateinischen Fassungen überliefert (altlateinische Redaktionen, ferner Übersetzungen aus dem Griechischen wie jene des Hieronymus von 386, die als ›Psalterium Gallicanum‹ im Einflussbereich der fränkisch-römischen Liturgie zur meistverbreiteten Textfassung wurde, ferner der sog. römische Psalter sowie die Übersetzung des Hieronymus nach dem hebräischen Text, die aber für die Liturgie keine größere Rolle spielte; vgl. Hagendahl/Waszink [1989]) und ausführlich kommentiert, u. a. von Augustinus oder Cassiodor, ferner von zahlreichen Autoren im Mittelalter (Schröer [1997] S. 625–631).

Der regelmäßige Gebrauch in der Liturgie führte zur Überlieferung des vom Corpus der biblischen Bücher isolierten Texts als eigenständiger liturgischer Handschrift (Palazzo [1993] S. 145–150; Häussling [1999a]). Bis ins späte Mittelalter boten die Mehrzahl solcher Psalter und die nach deren Vorbild eingerichteten Handschriften den fortlaufenden Text, oft mit Vorreden, häufig mit zusätzlichen christlichen Überschriften (»tituli«: Salmon [1959] und Salmon [1974]) und Orationen (»Psalterium non feriatum«) sowie – nicht nur in den liturgisch gebrauchten Handschriften – Cantica, Paternoster, Tedeum und Credo, die ganz selbstverständlich als Ergänzung des Corpus der Psalmen behandelt und nicht besonders hervorgehoben wurden. Manche Codices enthielten zusätzlich die zur Verrichtung des Stundengebets notwendigen Responsorien und Antiphonen, doch nutzten die Kleriker für das individuelle Stundengebet seit dem 12. Jahrhundert immer öfter aus praktischen Gründen statt des Psalters das Brevier (Häussling [2000] Sp. 1235). Dennoch gab es bis ins 16. Jahrhundert lateinische Handschriften, die für die liturgische Verwendung durch Kleriker eingerichtet waren, ebenso gedruckte Psalterien für den Gebrauch in einzelnen Bistümern oder Orden wie bei Zisterziensern und Kartäusern.

Man verwendete die Handschriften mit dem lateinischen Psalter auf vielfältige Weise, nicht nur in der Liturgie und für exegetisches Studium, für Predigt und als Lektüre zu Andacht und Erbauung (Schöndorf [1967] S. 8–12; Schreiner [1992]), sondern auch als elementares Hilfsmittel für den Unterricht, um die lateinische Sprache zu erlernen (Trublet/Solignac [1986]; Schreiner [1992]; Büttner [2004a]). Klerikern war der lateinische Text der Psalmen weitgehend auswendig präsent.

Wegen seiner umfassenden Bedeutung war der Psalter wohl das am häufigsten übersetzte biblische Buch. Zwischen dem 9. Jahrhundert und dem frühen 16. Jahrhundert ist eine große Zahl verschiedener Übersetzungen in unterschiedlichen Redaktionen bekannt.

Im Unterschied zu den lateinischen Psalterhandschriften sind geschmückte volkssprachliche Codices eher selten, blieben figürliche Illustrationen eher auf Handschriften im privaten Gebrauch von Laien beschränkt (Nr. 104.2.2.). Nicht für alle tradierten Übersetzungen und Redaktionen sind illuminierte oder illustrierte Beispiele bekannt. Es kam offenbar nicht zur Ausprägung verbindlicher Konventionen, diese Handschriften in einer bestimmten Weise auszustatten. Wenn überhaupt Bildschmuck vorkommt, folgte man in der Regel den lateinischen Handschriften und den dort gebräuchlichen Traditionen, in denen sich die liturgische Verwendung und die Auslegungsgeschichte des Psalters spiegelt. Neben der sogenannten literalen Auslegung, die im wörtlichen Sinn David als den vermeintlichen Hauptverfasser und »Sprecher« des Psalters ins Bild brachte, und der wörtlichen Illustration metaphorischer Formulierungen war es vor allem die in mehrfacher Weise auf Christus bezogene Auslegung der Psalmen (Geerlings [1978]; Fischer [1982]), weshalb die Wiedergabe Christi im Psalter immer berechtigt war und sinnvoll erschien. Auf dieser Grundlage wurden vergleichbare Illustrationen auch in den volkssprachlichen Handschriften (z. B. Nr. 104.9.1.) ausgeführt. Meistens lassen sich die durch Zwischenglieder vermittelten Vorbilder und unmittelbaren Vorlagen dafür nicht benennen. Allegorische oder metaphorische Illustrationen (z. B. Nr. 104.3.3.; Nr. 104.3.7.) sind selten.

Im Folgenden werden nach Beispielen für die früheste bekannte Übertragung ins Althochdeutsche von Notker von St. Gallen aus der Zeit um 1000 (Nr. 104.1.) mit Schmuck versehene Handschriften von deutschen Prosaübersetzungen aus dem 14. Jahrhundert behandelt (Schöndorf [1967]; Schöndorf [1989]; Hanamann [2004]), die aus verschiedenen Orden bekannt sind (u. a. bei Prämonstratensern im 12. Jahrhundert: München, Cgm 17: Kirchert [1979]). Sie wurden im Spätmittelalter besonders innerhalb der monastischen Reformbewegungen, der kontemplativen Orden (vgl. Nr. 104.3.1. aus einer Kartause, Nr. 104.9.1. für Zisterzienserinnen) und der Bettelorden (vgl. Nr. 104.11.1. für Augustinerinnen) gebraucht. Übersetzungen wurden für das gemeinschaftliche Gebet in geistlichen Gemeinschaften verwendet, deren Mitglieder ausschließlich Laienbrüder waren. So wurde ein aufwendig geschmückter deutscher Psalter mit (Gold)Initialen und Rankendekor etwa 1438 für die Gemeinschaft der sog. Psalteristen in Auftrag gegeben (Heidelberg, Cod. Pal. germ. 148, siehe auch Nr. 65.2.3.), sechs Männer, die im Chor von St. Moritz in Ingolstadt am Grab des Herzogs ein immerwährendes Gebet zu verrichten hatten (Hofmann [2010]). Der Hochmeister des St. Georgs-Ritterordens, Johann Siebenhirter († 1508), besaß wohl für seinen persönlichen Gebrauch neben einem deutschen Brevier (Wien, Cod. 2781) einen Psalter mit der deutschen Übersetzung des sog. Österreichischen Bibelübersetzers aus dem frühen 14. Jahrhundert (Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Ross. 750: Cermann [2019] S. 198, 210).

Während lateinische Psalterhandschriften für den privaten Gebrauch seit karolingischer Zeit bekannt sind, vor allem seit dem ausgehenden 12. und im 13. Jahrhundert für hochgestellte Laien, besonders Frauen (Schreiner [1992] S. 154–167; Suckale-Redlefsen [2004]; Wolf [2005a] S. 141–146), gab es seit dieser Zeit auch Übersetzungen für den privaten Gebrauch (manchmal auch mit Antiphonen, z. B. in dem 1460 von dem Colmarer Bürger Johannes Schedelin geschriebenen Ms. CPC 1947 der Stadtbibliothek in Colmar). Im Spätmittelalter wurden statt Psaltern in privater Verwendung öfter Stundenbücher und Gebetbücher (siehe Stoffgruppe 43.) gebräuchlich. Zu diesen zählen auch Codices mit den sieben Bußpsalmen (z. B. Eisenach, Bibliothek der Wartburg-Stiftung, Ms. 1361–50), die seit der patristischen Exegese zusammengestellt wurden (Häussling [1994]) und die frömmigkeitsgeschichtlich im Mittelalter besonders dort eine Rolle spielten, wo es um das Sterben und das stellvertretende Gebet für Tote ging (zur Verwendung: Eisenhofer [1941] S. 166f.; Haimerl [1952] S. 49, 52f., 82 u. ö.).

Hinweise auf den Benutzerkreis geben die in einigen lateinischen Psalterhandschriften enthaltenen deutschen Gebetsanweisungen (Engelhardt [1980]; Hellgardt [1991]). Dabei handelt es sich um Angaben, wann und aus welchem Anlass einzelne Psalmen zu beten seien. Nachweisbar sind sie seit dem 12. Jahrhundert (u. a. Admont, Cod. 575; Basel, N I 1, 39b) und wurden oft gleichzeitig mit dem lateinischen Text eingetragen (Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.2.4º 19, 1. Viertel des 13. Jahrhunderts), die meisten stammen jedoch aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Während sie im 12. und 13. Jahrhundert öfter gereimt waren, notierte man diese Hinweise im 14. und 15. Jahrhundert in der Regel in Prosa (Birlinger [1884a]; Vollmer [1933] S. 9–21; Hellgardt [1991]; Wolf [2005a] S. 150–152, 168–179; Kauffmann [2010] S. 131f., 134f.), so in einer deutschen Handschrift um 1360 (Basel, A IV 44; Wallach-Faller [1981]); sie wurden manchmal auch in Drucke übernommen (z. B. Nr. 104.8.b.).

In Frauenklöstern, deren Chorfrauen zum lateinischen Stundengebet verpflichtet waren, aber den lateinischen Wortlaut oft nicht in vollem Umfang verstanden (Jungmann [1960] S. 90f.; Janota [1968] S. 12–32), trug man zusätzlich übersetzte Texte ein und adaptierte häufig auf diese Weise ältere lateinische Handschriften für den aktuellen privaten Gebrauch (Ochsenbein [1992a]; Wolf [2005a] S. 151–155, 168–179). Dafür wurden partielle oder vollständige Übersetzungen herangezogen (z. B. Karlsruhe, Cod. Lichtenthal 37, um 1300). In manchen lateinischen Psaltern wurden die Bilder mit deutschen Beischriften versehen, so in einem rheinischen Psalter, um 1230/1240 (Erlangen, MS 143) oder um 1330 in Handschriften aus dem Benediktinerinnenkloster von Engelberg (Engelberg, Cod. 60; London, Add. 22279: Marti [2002] S. 292f.). In der langen Kontinuität klösterlichen Gebrauchs trug man in ältere, neuerlich gebrauchte Handschriften ergänzende Gebetstexte ein, so im 15. Jahrhundert in einen vielleicht in Paris im 13. Jahrhundert entstandenen Dominikanerinnenpsalter, der möglicherweise im Unterlindenkloster in Colmar verwendet wurde (Kunsthandel: Leuchtendes Mittelalter [1990] S. 130–135, Nr. 13), oder wie in einem wohl in Regensburg entstandenen, lateinischen illustrierten Psalter aus dem 3. Viertel des 13. Jahrhunderts, in dem man im 15. Jahrhundert das ›Officium defunctorum‹ mit wenigen deutschen Rubriken ergänzte (Oxford, Bodleian Library, MS. Liturg. 402, 152v, 165v).

In den Codices, die sowohl den lateinischen als auch den deutschen Text enthalten (Ausnahme war der dreisprachige Psalter Nr. 104.2.2.), wurden häufig die Texte interlinear verschränkt und der sprachliche Unterschied oft durch Rubrizierung des lateinischen Psalters oder der daraus zitierten Verse, von Überschrift oder Incipit deutlich gemacht, regelmäßig auch oder stattdessen durch den Wechsel der Schriftfarbe bei den Lombarden. Oftmals wurde der fortlaufende Psalmentext glossiert und auch dies durch eine andere Schriftfarbe, meistens Rot, angezeigt.

Dass man in den Übersetzungen häufig dem Vorbild älterer lateinischer Handschriften folgte und auch deren zusätzliche Texte übernahm, zeigt die in deutschen Codices oftmals mit den lateinischen Codices übereinstimmende Auswahl der Cantica in einer seit karolingischer Zeit bezeugten Reihenfolge (»römische Reihe«: Mearns [1914] S. 52f.): Canticum des Jesaja (Is 12,1–6), Canticum des Hiskia (Is 38,10–20), Canticum der Hanna (1 Sm 2,1–10), Canticum des Moses I (Ex 15,1–19), Gebet des Habakuk (Hab 3, 2–19), Canticum des Moses II (Dt 32,1–43), Canticum der drei Jünglinge (Dn 3, 57–88 und 56), Canticum des Zacharias (Lc 1,68–79 Benedictus …), Magnificat (Lc 1,46–55), Canticum des Simeon (Lc 2,29–32 Nunc dimittis …). Meistens folgen ein oder mehrere Glaubensbekenntnisse, Tedeum und Litanei.

In den Übersetzungen wurden häufig wie beim lateinischen Text die 150 Psalmen in mehrere Abschnitte gegliedert (Schneider [1960]), meistens mithilfe entsprechend durch Größe und besonderen Schmuck hervorgehobener Initialen. Häufig ist die Achtteilung (»liturgische Teilung«, nach dem Prinzip der römischen Liturgie, den Psalter auf die Gebetszeiten einer Woche zu verteilen: Salmon [1964] S. 326–422) mit besonderer Kennzeichnung von Ps 1 und der sog. Ferialpsalmen, mit denen die Nokturnen der Wochentage einsetzen: Ps 26, 38, 52, 68, 80, 97 und 109, außerdem wurden manchmal die Abschnitte von Ps 118 hervorgehoben oder die Psalmen benannt, die für die nächtlichen Gebetszeiten (Nokturnen) und für die Vesper verwendet wurden. Obwohl die Teilungen oft keinen praktischen Nutzen mehr hatten, wurden sie dennoch aus den Vorlagen übernommen und bis ins Spätmittelalter beibehalten, so die Achtteilung oder die mit Ps 109 einsetzende Zweiteilung (Kahsnitz [1979] S. 125–127), vgl. Nr. 104.3.2.

Mit dem seit dem späten 15. Jahrhundert und besonders im Zeitalter der Reformation deutlich veränderten Gebrauch der Bibel durch Laien wurden vermehrt auch deutsche Übersetzungen des Psalters angefertigt, die als Drucke weit verbreitet waren. Vor Martin Luthers ›Psalter Teutsch‹ (1524) gab es mindestens 38 Drucke des Psalters nach dem Text der Vulgata in 18 Bibeln (14 oberdeutsche, vier niederdeutsche) und 18 Separatdrucke des Psalters (17 oberdeutsche, drei niederdeutsche) in acht verschiedenen Übersetzungen, die handschriftlichen Vorlagen folgen (Risse [2010] S. 65; als Beispiele niederdeutsche Psalterdrucke nach niederdeutscher Vorlage: Nr. 104.9.a. und Nr. 104.9.b.) und die mit der Benutzung durch weniger gelehrte Benutzer begründet wurden (vor de vngelerden de dat latyn nicht gruntliken vorstaen: Psalter, Lübeck: Hans van Ghetelen, 1493, Vr). Den vollständigen Psalter enthalten nicht nur die gedruckten Bibeln mit deutschem Text (siehe diverse Beispiele in Stoffgruppe 14.), sondern auch einige parallel zur vollständigen Bibel als Separatdrucke veröffentlichte Psalter, z. B. der nach der Straßburger Bibel von Johann Grüninger 1485 (siehe Nr. 14.0.k.) herausgegebene von Konrad Dinckmut 1492 in Ulm (Nr. 104.8.a., GW M36243). In Augsburg druckte Jodocus Pflanzmann gleichzeitig Bibel und den Psalter mit eigenem Titel um 1475 (GW M47130). Neben den Übersetzungen gab es zweisprachige Ausgaben mit lateinischem und deutschem Text (u. a. Nr. 104.8.b. Augsburg: Erhard Ratdolt, 1494, GW M35999; Nr. 104.8.c. Augsburg: Erhard Ratdolt, 1499, GW M36002; danach: Basel: Michael Furter, 1502, VD16 ZV 1737; zwei Ausgaben in Basel: Michael Furter, 1503, VD16 ZV 1738; Straßburg: Matthias Hupfuff, 1506, VD16 ZV 1740; Straßburg: Johann Knobloch, 1508, VD16 ZV 1741; Metz: Kaspar Hochfeder, 1513, VD16 XL 3), auch niederdeutschem Text (Köln: Hermann Bungart, 1509, VD16 B 3274). Die Drucke sind oft nur mit wenigen Holzschnitten illustriert, bei denen teilweise die in den Handschriften gebräuchlichen Bildtraditionen weitergeführt wurden. So gibt es immer wieder Autorbilder Davids als Verfasser von Ps 1 (siehe Nr. 104.8.a.) oder zu einzelnen Psalmen Initialen mit figürlichen Darstellungen, die Bildkonzepte wiederholen, wie sie in der handschriftlichen Illustrationspraxis seit langem üblich waren, etwa den Narren mit der Keule zu Ps 52 (z. B. Nr. 104.8.b.). Bisweilen scheint der Bildentwurf in der handschriftlichen Vorlage (etwa die Gestik des Psalmisten, der auf sein Auge zeigt, zu Ps 26) wohl nicht mehr verstanden worden zu sein (z. B. Nr. 104.8.b., Nr. 104.8.c.: David mit erhobener Hand ohne spezifischen Zeigegestus). In manchen Drucken wurde Platz freigelassen, damit Illuminatoren gemalte Initialen einfügen und damit den Druck aufwerten konnten (z. B. Nr. 104.8.b.). In dieser Stoffgruppe werden Psalter-Drucke bis 1500 beschrieben.

Zwei späte Handschriften belegen allerdings die noch bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts fortdauernde Tradition aufwendiger Buchausstattung des Psalters als ein privates Gebet- und Andachtsbuch und stehen deswegen am Ende der Stoffgruppe (Nr. 104.12.1. und Nr. 104.13.1.). Wohl der Abkehr von der ›altgläubigen‹ Praxis geschuldet war die Bevorzugung des biblischen Psaltertexts gegenüber den aus dem kirchlichen Stundengebet abgeleiteten Texten der Stundenbücher. Die beiden adeligen Auftraggeber – Graf Karl Wolfgang von Oettingen-Oettingen, der 1524 einen lutherischen Hofprediger bestellt und 1539 die Reformation in seinem Herrschaftsgebiet eingeführt hatte, und sein Neffe, Graf Ludwig XVI. von Oettingen-Oettingen, – ließen zwar als Anhänger der Reformation ihre Psalterhandschriften von neuen Übersetzungen abschreiben, gaben aber – in der Tradition des spätmittelalterlichen Buchschmucks geistlicher Texte zum privaten Gebrauch – immer noch Handschriften mit umfangreicher, künstlerisch anspruchsvoller Bebilderung in Auftrag.

Wie in den lateinischen Psalterhandschriften kommen in den Übersetzungen im Hoch- und Spätmittelalter alle Möglichkeiten des Buchschmucks vor, wenngleich die Übersetzungen als Gebrauchstexte meistens einfacher gestaltet sind und aufwendige Bildprogramme Ausnahme blieben. Der Schmuck besteht oft nur aus einer einzigen Initiale (oft zu Ps 1 wie in Melk, Cod. 808, oder zur ersten Vorrede wie in dem 1485 von Johannes Waltenberger in Augsburg geschriebenen Psalter: Basel, AN IV 6). Daneben sind Beispiele bekannt, die mit umfangreicherem (auch historisiertem) Initialenschmuck oder textbegleitender Bebilderung versehen sind. Auch in den Bildthemen folgen die deutschen Psalter den lateinischen Vorbildern. So zeigte man häufig den Psalmisten David oder bot zu einzelnen Psalmen Szenen aus dem Leben und Wirken Jesu, entsprechend einer auf Christus bezogenen Exegese des Psalters als Aussage Christi oder Aussage über Christus (zur »Christologisierung« des Psalters: Becker [1975]). Mehrmals folgte man bei der Ausstattung mit historisierten Initialen einer in lateinischen Handschriften seit dem 12. Jahrhundert häufig nachweisbaren Tradition, derzufolge der literalen Exegese gemäß die Anfänge der bei der Achtteilung hervorgehobenen Psalmen den Inhalt des ersten Verses zeigen, etwa wenn zu Ps 26 Dominus illuminatio mea der Sprecher des Psalms auf sein Auge zeigt (vgl. Nr. 104.2.2.Nr. 104.3.3., Nr. 104.3.4., Nr. 104.11.1.), zu Ps 52 (Dixit insipiens) ein Narr meistens mit einer Keule als Attribut (Nr. 104.3.3., Nr. 104.3.4., Nr. 104.6.1., Nr. 104.11.1., Nr. 104.8.b.) dargestellt wird oder zu Ps 80 (Exultate Deo) David kleine Glocken läutet oder an einem Glockenbaum anschlägt (Nr. 104.3.3., Nr. 104.3.4., Nr. 104.6.1., Nr. 104.11.1., Nr. 104.8.b., Nr. 104.8.c.). Während viele Illustrationen aus den ersten Worten des lateinischen Psalmtexts abgeleitet sind, werden manche Bild-Text-Bezüge erst aus dem weiteren Textverlauf deutlich. Beispielsweise kann der Narr (insipiens) aus Ps 52, der nicht an Gott glaubt, mit einem Brot in der Hand dargestellt werden (Nr. 104.11.1.). Von diesem ist im Text die Rede, wodurch das frevelhafte Verhalten des Narren aufgezeigt wird (Ps 52,5: ...qui devorant plebem meam ut cibum panis; zur Bildtradition des Narren: Haseloff [1938] S. 104f., 110f.; Laharie [1991] S. 53–80, 153–157; Assirelli [1992] S. 19–34).

Nicht nur in Psalterhandschriften wurde der Text der Psalmen mit Schmuck versehen, sondern auch in vollständigen Bibelübersetzungen (siehe diverse Beispiele in Stoffgruppe 14.), Historienbibeln (siehe Nr. 59.8.7.) und dort, wo einzelne Psalmen in einem anderen Zusammenhang vorkommen, in Brevieren und in Gebetbüchern (siehe Stoffgruppe 43.).

Literatur zu den Illustrationen:

Haseloff (1938); Kahsnitz (1979); Büttner (2004a).

Siehe auch:
  • Nr. 14. Bibeln
  • Nr. 43. Gebetbücher
  • Nr. 59. Historienbibeln