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14. Bibeln

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 2

Vielfältige Bemühungen, die Heilige Schrift in deutscher Sprache verfügbar zu machen, haben bereits seit der Karolingerzeit zu unterschiedlichen Formen von Übertragungen, Kompilationen und Nachdichtungen meist nur von Teilen der Gesamtbibel geführt. Deutlich auszugrenzen ist aus diesen volkssprachigen Bearbeitungsformen die Gruppe der zwar auch nicht immer vollständigen, jedoch streng dem Text der lateinischen Vulgata verpflichteten Bibelübersetzungen in Prosa, die seit dem 14. Jahrhundert, massiv dann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Verbreitung finden. Mehr als 140 Voll- bzw. Teilbibeln dieses Typs sind handschriftlich überliefert, 23 von ihnen mit Illustrationen werden in der Stoffgruppe ›Bibeln‹ beschrieben. Die z. T. mehrbändigen Bibelhandschriften enthalten die Übersetzungen der Bücher des Alten Testaments (AT) und bzw. oder des Neuen Testaments (NT) in der Regel in der Reihenfolge der Vulgata und meist einschließlich der in den verschiedenen Vulgata-Redaktionen variierenden Vorreden. Vor allem die Beschränkung der Übersetzungsvorlage auf die Vulgata, daneben auch die im weiteren Sinne liturgische Gebrauchsfunktion – ablesbar etwa daran, daß dem Bibeltext sehr häufig Perikopenregister u. ä. beigegeben sind – unterscheiden die deutschen Bibeln von den stofflich eng verwandten Historienbibeln.

Einen Grenzfall der Bibelübersetzung dieser Form bietet dabei unter den illustrierten Handschriften etwa der Heidelberger Cod. Pal. germ. 37 (Nr. 14.0.7.); die im Auftrag Eberhards im Barte von Württemberg erstellte Vulgata-Übersetzung nur der Bücher Ecclesiastes (Ec) und Sapientia (Sap) vertritt den Typus der kontextuell glossierten synn vß synn-Übersetzung, wobei der Text Inn sinem wesen behaltenn und die gelegentlich zu gesetzte erclerung in der Handschrift rot unterstrichen ist. Einen anderen Grenzfall stellt die New Yorker Public Library-Handschrift Ms. 104 (Nr. 14.0.14.) mit einer unvollständig überlieferten Übersetzung des AT dar, in der für die ersten zwei Bücher der Könige (I–II Sm) die Vulgata-Vorlage durch die Historienbibel I ersetzt wurde; punktuell wurden hier zudem weitere Nebenquellen benutzt: Die nach Exodus 2,10 in den Text eingefügte Episode aus der Kindheit des Moses (Pharaonentochter Termut, Krone des Pharao, Kohlenprobe) dürfte auf die ›Historia scholastica‹ oder auf Rudolfs von Ems ›Weltchronik‹ zurückzuführen sein.

Bebilderte deutsche Bibelhandschriften gibt es erst seit dem Ende des 14. Jahrhunderts. Im 15. Jahrhundert scheinen die Ansprüche an die dekorative oder bildliche Ausstattung der Bibeln gestiegen zu sein, wobei wohl auch die eine oder andere Bibel erst nachträglich mit Buchschmuck versehen wurde. So ist im Bücherverzeichnis des Grafen Ludwig von Öttingen († 1440) eine deutsche Bibel mit dem Vermerk genannt: ist zuͤ Baden, sol man dy Capital florisieren (MBK III, 1 [1932], S. 158). Das anschließende Verzeichnis der bebilderten Bibelhandschriften berücksichtigt schon aus Gründen der Materialbegrenzung Handschriften mit nur ornamentalem Buchschmuck nicht, z. B. den Wolfenbütteler Cod. Guelf. 1.6.7 Aug. 2o aus dem 2. Viertel des 15. Jahrhunderts (AT, Abbruch in II Mcc 15) mit in mehrfarbiger Federzeichnung ornamentierten Initialen über ca. 8–9 Zeilen, 71va (zu Ios) auf Blattgoldgrund, ausnahmsweise 113ra (zu III Rg) mit unspezifisch figürlicher Initialfüllung in Federzeichnung (männliche Person mit Stab); oder den in seinem Kunstanspruch herausragenden ebenfalls Wolfenbütteler Cod. Guelf. 1.6.1 Aug. 2o von 1471 (NT) mit einer Anzahl größerer in Gold und Farben ausgeführter Zierinitialen mit Ausläufern aus Ranken, Akanthus und Goldpollen sowie Buchstabenfüllungen mit Flechtband, Gitterwerk oder Ranken. Katalogisiert sind im folgenden nur Handschriften mit inhaltsbezogenem Bildschmuck. Die Illustrationen können an einen in der mittelalterlichen Bildwelt allgegenwärtigen Fundus biblischer Motive anknüpfen. Bibelmotive sind schon in der Handschriftenüberlieferung nicht an Bibeln und Bibelbearbeitungen gebunden, sondern auch im Kontext von Missalien, Stunden- und Gebetbüchern, Chroniken, theologischen und auch wissenschaftlichen Schriften geläufig; überreiche Beispiele liefern darüber hinaus auch Wandmalerei, Bauplastik und Skulptur, Glasmalerei, Textilkunst und andere Bereiche der bildenden Kunst. Vergleichende Studien betreffen bislang nur die Ikonographie der Schöpfungsgeschichte (Hans Martinvon Erffa: Ikonologie der Genesis. Die christlichen Bildthemen aus dem alten Testament und ihre Quellen. Bd. 1. München 1989; Johannes Zahlten: Creatio mundi. Darstellungen der sechs Schöpfungstage und naturwissenschaftliches Weltbild im Mittelalter. Stuttgart 1979 [Stuttgarter Beitr. z. Geschichte und Politik 13]), und Abhängigkeiten im einzelnen sind kaum zu benennen. Auch in welchem Maße die Bildausstattung der deutschen Bibeln an diejenige der lateinischen anknüpft, ist gegenwärtig schwer abzuschätzen, denn zusammenfassende Darstellungen zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Bibel liegen erst ansatzweise und nur für die Frühzeit (bis zum 12. Jahrhundert) vor (zu vergleichen sind etwa die Arbeiten von Bonifatius Fischer: Lateinische Bibelhandschriften im frühen Mittelalter. Freiburg 1985 [Vetus Latina 11] und Walter Cahn: Die Bibel in der Romanik. München 1982 [Originalausgabe: Romanesque Bible Illumination. Ithaca/NY 1982]).

Schon in den lateinischen karolingischen Bibeln überwiegt der Typus der eher thematischen als narrativen Initialbildmalerei: Programmatisch für den Inhalt eines Buches ist eine Figur oder eine Schlüsselszene dargestellt. Auch in den deutschen Bibeln des 15. Jahrhunderts werden die historisierten oder mit Autorenbildern ausgefüllten Initialen weniger durch umfangreiche, den Text durchsetzende Bildzyklen abgelöst als durch sie ergänzt. Wenngleich auch der Typus der ganz sporadischen und zufällig wirkenden Bildbeigabe (Beispiel Weimar, Ms. Fol. 9–10 [Nr. 14.0.19.]) begegnet, herrschen doch reine Initialausstattung (Beispiel: »Stratter-Bibel« [Nr. 14.0.3.]) auf der einen, reine Textstellenillustrierung (Beispiel: »Ottheinrichsbibel« [Nr. 14.0.4.]) auf der anderen Seite sowie deren Mischformen (Beispiel: München, Cgm 204–205 [Nr. 14.0.11.]) vor. Die in der kunsthistorischen und philologischen Forschung sehr viel besser als die Bibelhandschriften aufgearbeiteten Bibelfrühdrucke – behandelt werden im folgenden alle sechzehn bebilderten oberdeutschen und zwei niederdeutsche vorlutherische Bibeln – greifen die handschriftlich vorgebildeten Illustrationstypen auf; während es jedoch hier bei einer einzigen, von Günther Zainer erstmals gedruckten Initialenserie bleibt, erweist sich der Typus des narrativen Bildzyklus als der eindeutig beliebtere. Die Beeinflussung zwischen Handschriften- und Druckillustration ist wechselseitig. Die Kölner Bibeldrucke (14.0.f./g.) nehmen Handschriftenvorlagen auf; umgekehrt benutzt die Augsburger »Furtmeyr-Bibel« (Nr. 14.0.1.) niederländische Blockbuchvorlagen für die Hohelied-Illustrationen, und in der Wolfenbütteler Bibel (Nr. 14.0.22.) sind die Holzschnitte der Zainer-Bibel (14.0.b.) nachgezeichnet. Darüber hinaus wurden Bibeldrucke – mit und ohne Holzschnitte – nicht selten zusätzlich mit Deckfarbenmalereien geschmückt. Die Koberger-Offizin in Nürnberg unternahm standardisierte Minierungen offenbar noch in der eigenen Werkstatt; so ist das Münchener Exemplar der Koberger-Bibel (Nr. 14.0.i.: Bayerische Staatsbibliothek, Rar 288) mit anspruchsvollen Initialen in Deckfarben und Blattgold ausgestattet und hat Ir, Vr und CCXCVIr aufwendige Schriftspiegelrahmen in Rankenwerk (Vr mit zwei Propheten und Engeln als Schildhalter, CCXCVIr mit zwei Hirschen). Für die Kölner Bibeldrucke, die vermutlich im Umkreis der Brüder des gemeinsamen Lebens entstanden, wäre noch zu prüfen, ob es Werkstattminierungen gab; das Exemplar Rar 321 der Bayerischen Staatsbibliothek jedenfalls hat Fleuronnée-Initialen im typischen Fraterherrenstil. Andere Bibeldrucke wurden erst von ihren Besitzern bzw. im Auftrag ihrer Besitzer mit Deckfarbenschmuck versehen; so stattete der erste bekannte Käufer einer Mentelin-Bibel, Hektor Mülich, sein Exemplar (München, Bayerische Staatsbibliothek, Rar 285) nicht nur mit Fleuronnée-Initialen und seinem und seiner Frau Ottilia Conzelmanns Allianzwappen aus (R5vb, mit Kaufeintrag vom 27. Juni 1466), sondern gab ihm zwei Blattgoldinitialen mit Rankenausläufern in Deckfarbenmalerei (a1ra, a4ra) bei. Das Exemplar der Sensenschmidt-Bibel 1475 in der Universitätsbibliothek Salzburg (W III 37) hat Profilköpfe und Distelblütenschmuck aus der Werkstatt des Ulrich Schreier. Die Ausstattung mit textbezogenem Miniaturenschmuck konnte bislang nur für zwei Druckexemplare ermittelt werden; die Katalogaufnahme der beiden Drucke ist eher exemplarisch zu nennen und bei systematischer Autopsie aller Bibel-Frühdrucke sicher zu ergänzen. Hingewiesen sei hier zumindest auf das Exemplar der Eggestein-Bibel aus dem Besitz des Ferdinand von Donneck (München, Bayerische Staatsbibliothek, Rar 285k), in dem alle Buchanfänge Deckfarbeninitialen mit Blattgold haben, davon einige mit figürlichen Buchstabenfüllungen: Epistola Hieronymi (a1ra) mit Hieronymus, Mt (L8rb), Mc (M8vb), Lc (N5va) und Io (O6va) mit den Evangelistensymbolen.

Wo sich ein deutscher Bibelbearbeiter über die Funktion der Bildausstattung äußert, geschieht dies nicht allein mit dem Hinweis auf die Gefälligkeit und Anschaulichkeit der Malereien, sondern auch im Begründungszusammenhang des Wechsels in die Volkssprache. Der Herausgeber des Kölner Bibeldrucks betont, daß die Übersetzung der Sinnerhellung, der leichteren Erkenntnis der Wahrheit, der Anleitung zur selbständigen Glaubensversicherung des einzelnen Christen diene. Das gleiche Ziel hat der Bilderschmuck: Ende ouck vmb dat meer genochte en lyeffde kryge dye mynsche dese werdighe hillige schrifft toe lesen ende sijn tijt daer mede nuttelik to ghebruken sint in sōmigē eynden ende capittulen figuren gesat: soe sy van oldes ouck noch in velen kerken ende cloesteren gemaelt staen: welke ouck dat seluen dye ougen ertoenen ende meer erclaeren. dat dye texst des capittels daer man die figuren vindet inne heft (Niederrheinische Bibel [Nr. 14.0.g.], a3ra). Der Bibelübersetzer in der Nürnberger Handschrift Solg. Ms. 16.2o (Nr. 14.0.17.) präzisiert die Funktion der Bilder mit dem Hinweis auf die Zusammenarbeit von Übersetzer und Illustrator (14vb): Wie der Übersetzer sich gegen die Feinde der Bibelpopularisierung stelle, so auch der Illustrator, der mit seinen Bildern – entgegen den Regeln der Juden und anderer Ungläubiger (Mohammedaner) – dem gemain man eine zusätzliche Verständnisebene sichere.

Zur Angabe des Inhalts und Textbestands der Bibelhandschriften in den folgenden Beschreibungen: Die Bibelübersetzung wird mit dem Hinweis auf ihre Eingruppierung nach Walther (1889–92/1966) charakterisiert. Bestand und Reihenfolge der biblischen Bücher sind in den Handschriftenbeschreibungen vollständig unter Angabe der Titelabkürzungen nach der auch von 2VL übernommenen Konvention der Stuttgarter Vulgata-Ausgabe (1967) aufgeschlüsselt. Zur Identifizierung der Vorreden, die hier nicht in Prologe und Argumenta unterschieden sind, dient der Verweis auf die lateinischen Übersetzungsvorlagen in ihrer Zusammenstellung bei Friedrich Stegmüller: Repertorium Biblicum Medii Aevi. 7 Bde. Madrid 1950–1961 (abgekürzt zitiert als RB-Nummer). Wo bei Stegmüller keine Vorlage zu ermitteln war, ist anstelle der RB-Nummer das Initium der Vorrede angegeben. Die Inhalte der Drucke werden nach einem stark verkürzten Modus benannt, verwiesen sei auf die ausführlichen Beschreibungen in Bibelsammlung Stuttgart 2,1 (1987).

Editionen:

William Kurrelmeyer (Hrsg.): Die Erste Deutsche Bibel. 10 Bde. Tübingen 1904–1915 (StLV 234, 238, 243, 249, 251, 258, 259, 266) [Textgruppe Walther I]; Die niederdeutschen Bibelfrühdrucke. Kölner Bibel (um 1478) Lübecker Bibel (1494) Halberstädter Bibel (1522), hrsg. von Gerhard Ising. 6 Bde. Berlin 1961–1976 (DTM 54).

Literatur zu den Illustrationen:

Richard Muther: Die ältesten Deutschen Bilder-Bibeln. Bibliographisch und kunstgeschichtlich beschrieben. München 1883. – Wilhelm Neuss: Bibel-Illustration. In: RDK 2 (1948) Sp. 478–517. – Kenneth Strand: German Bibles before Luther. The story of 14 high-german editions. In celebration of the earliest vernacular printed bible 1466. Grand Rapids/Mich. 1966. – Kenneth Strand: Early Low-German Bibles. The story of 4 prelutheran editions. In celebration of the earliest vernacular printed bible 1466. Grand Rapids/Mich. 1967. – Walter Eichenberger/Henning Wendland: Deutsche Bibeln vor Luther. Die Buchkunst der achtzehn deutschen Bibeln zwischen 1466 und 1522. Hamburg 1977. – J[oachim] M. Plotzek: Bibelillustration. In: LexMA 2 (1983) Sp. 83–88. – Die Furtmeyr-Bibel in der Universitätsbibliothek Augsburg. Kommentar mit Beiträgen von Helmut Graser, Johannes Janota, Rainer Kahsnitz, Paul Berthold Rupp, Wolfgang Wüst. Hrsg. von Johannes Janota. Augsburg 1990.