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15. Bibelerzählung

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 2

Gegenstand der Stoffgruppe Bibelerzählung sind in Abgrenzung von den Bibelübersetzungen (Stoffgruppe 14. Bibeln) geistliche Dichtungen, die im wesentlichen im Bericht der Bibel fußen, wobei sich aber das jeweilige Bearbeitungsinteresse weder auf eine umfassende noch auf eine ausschließlich biblisches Quellengut behandelnde Nachdichtung richtet. Es werden im folgenden vier Untergruppen vorgestellt; weiteren Bibeldichtungen mit selbständigem literarischem und überlieferungsgeschichtlichem Profil wie insbesondere den Historienbibeln und dem Leben Jesu widmen sich eigene Stoffgruppen.

15.1. Die ›Altdeutsche Genesis‹. Erzählt wird das Buch Genesis von der Schöpfung bis zur nahezu die Hälfte des Gedichtes einnehmenden Geschichte Josephs. Die Versdichtung ist auf einen einsträngig-biographischen Geschehensablauf reduziert und erzählerisch wie kommentierend nach lateinischen Apokryphen erweitert. Sie gehört zum Typus der frühen gereimten Paraphrase einzelner Bibelbücher, die – nach vereinzelten Zeugnissen in der althochdeutschen Literatur – seit dem 12. Jahrhundert in beachtlicher Zahl entstand und ihr Überlieferungszentrum im Südosten Deutschlands, besonders in Kärnten und der Steiermark hatte. Für die handschriftliche Überlieferung dieser Bibeldichtungen ist Illustrierung keineswegs charakteristisch, denn die Texte dienten weder der Liturgie oder dem Kult noch der Repräsentation, sondern der persönlichen Lektüre. Doch hat die ›Altdeutsche Genesis‹ mit der Millstätter bzw. Klagenfurter Handschrift (Nr. 15.1.1.) sogar das älteste Beispiel einer reich und fast durchgängig illustrierten deutschsprachigen Handschrift hervorgebracht. Außer in dieser und ihrer in der Bildausstattung nicht vollendeten Wiener Schwesterhandschrift (Nr. 15.1.2.) ist die ›Genesis‹ lediglich noch in einem Auszug, der Joseph-Geschichte, in der bildlosen Vorauer Handschrift erhalten (Vorau, Stiftsbibliothek, cod. 276, 78rb–87vb). Die beiden Bilderhandschriften hängen vermutlich in Bild und Text von einer gemeinsamen Vorlage ab, wobei aber vor allem im Text eine direkte Vorläuferschaft der dem Original wesentlich näherstehenden Wiener Genesis für die Millstätter nicht auszuschließen ist. Eine Vorgängerhandschrift dürfte nicht viel älter gewesen sein als die beiden Genesishandschriften, sie könnte aus der Zeit um 1150–70 stammen.

Stilistisch gehören die Millstätter wie die Wiener Handschrift in die Nähe der durch byzantinische Vorbilder geprägten Salzburger Buchmalerei. Auch ikonographisch schließt die Millstätter Bildfolge an die ältere zyklische Bildüberlieferung zur Septuaginta an und läßt sich der Familie der ›Cotton-Genesis‹ zuordnen, die in den mittelbyzantinischen Oktateuchzyklen bereits verkürzend rezipiert wird. Innerhalb der ›Cotton-Familie‹ stehen die Mosaiken in San Marco den Millstätter Bildern am nächsten.

15.2. Lutwins ›Adam und Eva‹. Hauptthema der Erzählung ist das Leben Adams und Evas nach der Vertreibung aus dem Paradies, verbunden mit der Kreuzesholzlegende. Die einzige Handschrift ist vollständig bebildert. Mehr als 50 Handschriften der lateinischen Textquelle, der ›Vita Adae et Evae‹, sind erhalten, doch keine von ihnen kommt als unmittelbare Textvorlage in Frage, und keine ist mit Illustrationen versehen. So stellt sich der Bildzyklus zu ›Adam und Eva‹ bislang als weitgehend autark dar.

15.3. Alttestamentliche Bibelepik des Deutschen Ordens. Die Welle von neuen Versnachdichtungen alttestamentlicher Stoffe, die im 14. Jahrhundert im Siedlungsgebiet des Deutschen Ordens entstanden, ist einleuchtend mit dem Bedürfnis der Ordensritter nach einer Literatur zu erklären, welche Identifikationsmuster für die Glaubensverteidigung innerhalb einer glaubensfeindlichen Umgebung anbot. Einer der Förderer dieser Dichtung ist Luder von Braunschweig, 1331–1335 Ordenskomtur von Christburg, aus dessen eigenem Besitz bislang freilich nur eine lateinische Bibelhandschrift mit Miniaturen bekannt ist (Kraków, Archiwum Kapituły Metropolitanej, Nr. 63/10). Die Überlieferung der deutschen Bibelnachdichtungen ist wenig umfangreich, oft unikal; noch aus der Frühzeit der Überlieferung stammen jedoch zwei der erhaltenen Handschriften (Nr. 15.3.1., Nr. 15.3.2.), die sich durch jene einheitlich repräsentativen Elemente auszeichnen, die geradezu charakteristisch sind für die Ausstattung aller Ordenshandschriften des 14. Jahrhunderts: beträchtlicher Umfang, großzügige Blattanlagen, sorgfältige Texturaschriften mit Fleuronnéelombarden und Cadellen, Initial- und Randleistenausstattung in Deckfarbenmalerei.

15.4. Bilderbibeln. Sowohl im Aufbau als auch in ihren literarischen Quellen recht unterschiedlich sind die aus dem späten 14. und dem 15. Jahrhundert erhaltenen, in Bildern erzählten Zyklen zur Bibel, die Textbeigaben lediglich als (oftmals erst später nachgetragene) Glossierung zu den Bildern enthalten. Sie sind zu unterscheiden von solchen biblischen Bildzyklen, die geistlichen und liturgischen Schriften vorangestellt sind – ein Typus, wie ihn etwa die im Umkreis des französischen Hofes um 1250 entstandene sogenannte »Maciejowski-Bibel« oder »Scha Abbas-Bibel« vertritt (New York, Pierpont Morgan Library, M. 638), deren nahezu 300 textlose Bildszenen als Voranstellung zu einer Bibel oder einem Psalter gedacht waren. In den deutschen Sprachraum gehört als früher Vertreter dieses Typus der um 1215 entstandene ›Cursus Sanctae Mariae Virginis‹ (New York, Pierpont Morgan Library, M. 739) mit einem vorgeschalteten Zyklus von 32 ganzseitigen Bildern zum Alten und Neuen Testament. Die Bilderbibeln sind im Gegensatz dazu autonom. Sie greifen neben der Bibel selbst auf unterschiedliche, auch profanhistorische, legendarische und hagiographische Quellen zurück. Eine enge, gegebenenfalls über einen gemeinsamen Archetyp herzuleitende Verwandtschaft besteht etwa zwischen der Nürnberger (Nr. 15.4.5.) und der New Yorker Bilderbibel (Nr. 15.4.3.) und einer Kompilation aus Bibelerzählung und Historie, wie sie im literarischen Typ der Weltchronikkompilationen vorliegt: Die Weltchronik Rudolfs von Ems, an deren Stelle vor allem für den Schöpfungsbericht gelegentlich die ›Christherre-Chronik‹ tritt, dient in diesen Kompilationen als Grundstock für die Geschichten des Alten Testaments; sie ist um einen Auszug aus der Weltchronik des Jansen Enikel erweitert und für den Bericht über Geschehnisse des Neuen Testaments um das vielfach mit Interpolationen aus weiteren Quellen versehene ›Marienleben‹ Bruder Philipps ergänzt. Unter den überlieferten Handschriften dieser Kompilationen kommt keine als auch nur mittelbare Vorlage für die beiden Bilderbibeln in Frage.

Abgesehen von Quellenverwandtschaften zeichnet sich eine sowohl konzeptionale wie funktionale Nähe von Bilderbibeln zu Zyklen der Wandmalerei ab. Der Typus der Streifenbilder in der New Yorker Handschrift M. 268 etwa ist zu vergleichen mit dem St.-Georgs-Zyklus auf Burg Neuhaus/Böhmen (1338) oder der Deckenausmalung in der Augsburger Weberstube im Bayerischen Nationalmuseum in München (15. Jahrhundert), mit der sie auch die literarische Vorlage aus der Umgebung der Weltchronikkompilationen teilt. Wie die Wandmalereien sind die kleinformatig auf Pergament oder Papier gemalten Bibelfolgen nicht für Illiterate gedacht; hier wie dort dient die Schrift vornehmlich zur Glossierung der Bildinhalte (Namenbeischriften, liturgische Formeln u. ä.), und erst danach als Bildtitel. Die Bilder haben in der Erinnerung an Bekanntes didaktische Funktion und dienen in der Verinnerlichung von Bekanntem der Erbauung und Andacht. Die Andachtsfunktion tritt besonders dann in den Vordergrund, wenn die Passionsgeschichte zum Hauptthema wird und, wie im Lütticher Zyklus (Nr. 15.4.2.), einem erweiterten Kreuzweg gleicht.

Literatur zu den Illustrationen:

Leonie Reygers: Adam und Eva. In: RDK I (1937), Sp. 126–156. – Hans Aurenhammer: Lexikon der christlichen Ikonographie. Bd. 1, Wien 1959, S. 31–51. – Hella Voss: Studien zur illustrierten Millstätter Genesis. München 1962 (MTU 4). – Maria Therese Sünger: Studien zur Struktur der Wiener und Millstätter Genesis. Klagenfurt 1964 (Kärntner Museumsschriften 36). – H[erbert] Schade: Adam und Eva. In: LCI I (1968), Sp. 41–70. – Mary-Bess Halford: Illustration and Text in Lutwin’s Eva und Adam. Codex Vindob. 2980. Göppingen 1980 (GAG 303). – Lieselotte Esther Stamm: Die Rüdiger Schopf-Handschriften. Die Meister einer Freiburger Werkstatt des späten 14. Jahrhunderts und ihre Arbeitsweise. Aarau/Frankfurt a. M./Salzburg 1981, S. 171–204. – Jörn-Uwe Günther: Die illustrierten mittelhochdeutschen Weltchronikhandschriften in Versen. Katalog der Handschriften und Einordnung der Illustrationen in die Bildüberlieferung. München 1993 (tuduv-Studien: Reihe Kunstgeschichte 48).