60. Williram von Ebersberg, Hoheliedkommentar
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 7
So breit Willirams von Ebersberg ›Expositio in Cantica Canticorum‹ im Mittelalter überliefert wurde (
Die früheren Handschriften folgen in ihrer Gestaltung der auf den Autor zurückgehenden dreispaltigen Mise en page (in der Mitte der Vulgata-Vers in größerer Schrift, links eine lateinische Paraphrase und Kommentar, rechts eine Übersetzung der lateinischen Textbestandteile in spätalthochdeutsch-lateinischer Mischsprache), die durch geometrische Initialen geschmückt sein kann: so in München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 10 (2. Hälfte 11. Jahrhundert), Roma, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 73 (Ende 11. Jahrhundert), bei der die drei Spalten mit einer Arkatur versehen sind, und Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2686 (2. Viertel 12. Jahrhundert). Dieses anspruchsvolle Layout wurde bald aufgelöst und durch ein einspaltiges ersetzt (zur Überlieferung grundsätzlich zuletzt
Eine Bildlücke in der Berliner Handschrift (Nr. 60.0.1.) lässt möglicherweise darauf schließen, dass es weitere illustrierte Handschriften gegeben hat. Im Anschluss an den Prolog auf 124v ließ der Schreiber elf Zeilen frei und notierte darunter, bevor er auf der nächsten Seite den eigentlichen Text beginnen ließ, das Incipit sowie ein Epigramm Willirams: Prenotat a longe Salomon dotalia sponse Quam thalami summi dignam scit federe fungi. Die Positionierung des Epigramms unter der Bildlücke und unmittelbar vor dem Beginn des eigentlichen Textes lässt es denkbar erscheinen, dass eine Vorlage dieser Handschrift hier ein Titelbild eingefügt hatte, dem das Epigramm als Bildunterschrift diente. Darauf, dass es eine solche Tradition gegeben hat, deutet auch ein sehr viel späteres Textzeugnis: Im Jahr 1528 veröffentlichte der Humanist und Reformator Menrad Molther eine Übersetzung von Willirams Text ins Lateinische: VVilrammi Abbatis Olim Eberespergensis in Cantica Solomonis mystica explanatio, Hagenau: Wilhelm Seltz 1528 (VD16 B 3704; vgl. zuletzt
Was die Ikonographie der Hohelied-Illustrierung betrifft, wären Vergleiche zur lateinischen Kommentar-Tradition, zur Illustration des Hohenliedes im Kontext von Bibeln sowie zu vom Bibeltext unabhängigen Hohelied-Darstellungen zu ziehen.
Zur lateinischen Kommentar-Illustration siehe
Grundsätzlich ist bei der Illustration von Bibelkommentaren zu fragen, ob die Darstellung auf die literale oder die typologische Ebene zu beziehen ist. Für das Hohelied mit seinem weltlich-erotischen Inhalt gilt, dass in der Regel die Auslegungsebene illustriert wurde: Der Bräutigam ist als Christus, die Braut als Ecclesia oder, ab dem 13. Jahrhundert, als Maria dargestellt (
Die Berliner Williram-Handschrift stellt eine der ersten Handschriften überhaupt dar, in denen ein deutschsprachiger Text mit Illustrationen versehen wurde. Angeregt durch die Illustration lateinischer Hoheliedkommentare, z. B. des Honorius Augustodunensis, war der Schritt nicht weit, einen lateinisch-deutschen Text derselben Gattung zu illustrieren und so die Illustration in deutschsprachige Handschriften einzuführen.
Die älteste Überlieferung von Willirams Kommentar des Hohen Liedes. Edition – Übersetzung – Glossar. Hrsg. von
Siehe die Literatur zu Nr. 60.0.1.
- Nr. 14. Bibeln (besonders Nr. 14.0.1.)