KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

2. Alchemie

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 1

Die Stoffgruppe Alchemie gliedert sich in vier Text-Untergruppen: 2.1. Frater Ulmannus, ›Buch der heiligen Dreifaltigkeit‹, 2.2. Johannes Hartlieb, ›Buch aller verbotenen Kunst‹, 2.3. ›Splendor Solis‹ und 2.4. Alchemistische Sammlungen. Die Überlieferung alchemistischer deutscher Texte beginnt relativ spät und reicht bis weit in die Neuzeit. Verstärkt gilt dies für die Ikonographie des Stoffbereichs: Im 15. Jahrhundert steckt die alchemistische Illustration noch in ihren Anfängen; die Mehrzahl bebilderter Handschriften stammt aus dem 16. Jahrhundert, viele, ältere Bildtraditionen aufnehmende Illustrationszyklen entstanden erst im 17. oder gar 18. Jahrhundert. Das machte es nötig, für die Aufnahme alchemistischer Bilderhandschriften in den Katalog Grenzen zu ziehen: Berücksichtigt wurden nur solche Manuskripte, die noch im 16. Jahrhundert entstanden; auf jüngere Codices wurde, obwohl sie alte Bildtypen weiter tradieren, im Anhang zur betreffenden Untergruppe verwiesen. Dies betrifft besonders die Gruppe 2.1. (›Buch der heiligen Dreifaltigkeit‹), deren jüngste Handschriften in ihrer bildlichen Ausstattung direkt auf ältere Manuskripte zurückgehen. So haben die Bilder der Handschrift Bremen, Staatsbibliothek, Ms. a. 127 (17. Jahrhundert) wohl in den Illustrationen der Hs. 80061 des Nürnberger Germanischen Nationalmuseums ihre Vorlage; Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. alchim. 186a (17. Jahrhundert) ist in Text und Bildern eng verwandt mit München Cgm 598. Die Heidelberger Handschrift Cod. Pal. germ. 843 (16. Jahrhundert) weist an den betreffenden Stellen zur Illustration vorgesehene Lücken auf, ebenso die Handschrift London, Wellcome Historical Medical Library, 1760 Ulmannus Ms. (18. Jahrhundert).

Häufig führen die Illustrationen alchemistischer Texte ein Eigenleben gegenüber dem Wort: Die Ikonographie des ›Buchs der heiligen Dreifaltigkeit‹ gibt die religiösen Analogien des Texts in Bildern wieder, die zum Teil auch ohne die entsprechenden Wortpassagen überliefert wurden; in allegorischer Weise werden Bildtypen christlicher Tradition hier auf die neuen Bedeutungszusammenhänge appliziert. Beim ›Donum Dei‹ und bei Lamsprings ›Tractatus de lapide‹ liegt die Hauptaussage bei den Bildern; der Text spielt eher nur die Rolle einer Bildexegese – in der nichtillustrierten Lamspring-Handschrift Wien Cod. 11347 (16./17. Jahrhundert) werden die Illustrationen (der Vorlage) ausführlich beschrieben. Dies weist voraus auf das Bildverständnis der Neuzeit und verbindet die alchemistische Ikonographie mit der Emblematik des Barock.

Doch sind sowohl die ikonographischen Typen wie auch der Ausstattungsanspruch alchemistischer Handschriften höchst unterschiedlich. Stehen auf der einen Seite Manuskripte mit einfachsten, ja zuweilen auch primitiven unkolorierten (oder nur sparsam lavierten) Umrißzeichnungen alchemistischer Gerätschaften – die eine in der Antike entwickelte Tradition der naturwissenschaftlichen Illustration fortsetzen –, so fällt auf der anderen das äußerst hohe, sich in Deckfarben, Gold und Silber ausdrückende Repräsentationsniveau der Codices des ›Buchs der heiligen Dreifaltigkeit‹ und des ›Splendor Solis‹ mit ihren allegorischen Bildern ins Auge. Mit zu den anspruchslosesten Produkten gehört wohl die Stuttgarter Valentinus Swende-Handschrift (Nr. 2.4.28.), die mit nur einer einzigen Federzeichnung marginal ausgestattet ist; auch das Londoner Ms. 23 der Wellcome Historical Medical Library (Nr. 2.4.18.) mit seinen kleinformatigen, meist in Rot ausgeführten, linearen Zeichnungen ist eine typische Handschrift der alchemistischen Praxis: die zur Erläuterung technischer Vorgänge dienenden Darstellungen von Öfen und Geräten stellen sich deutlich dem Praxisbezug der Rezeptesammlung an die Seite. Doch können die nur linearen, unkolorierten Umrißzeichnungen mancher Manuskripte durchaus sorgsame und qualitätvolle Illustrationen sein, wofür der Wiener Cod. 2372 (Nr. 2.4.29.) ein Beispiel wäre.

Einen anderen Typ vertritt die Dresdener Sammelhandschrift mit Hartliebs ›Buch aller verbotenen Kunst‹ (Nr. 2.2.1.), die ihre vier Texte mit je einer ganzseitigen, gerahmten Titelminiatur einleitet, die zwar flott und sicher gezeichnet ist, über das Niveau üblicher Werkstattprodukte des späten Mittelalters jedoch kaum hinausreicht. Bemerkenswert ist die Handschrift aber zum einen, weil sie der einzige – wenn auch mit nur einem Bild – illustrierte Überlieferungszeuge von Hartliebs Text ist, zum andern, weil ihre Illustrationen mit der durchgebildeten Landschaftsdarstellung von Interesse für die Entwicklung mittelalterlicher Landschaftsmalerei sind.

Abbildungen alchemistischer Geräte, wie Kolben, Öfen und Destillationsgefäße, enthalten auch die Handschriften des ›Buchs der heiligen Dreifaltigkeit‹. Doch sind sie weit anspruchsvoller gezeichnet und ausgemalt als in den Sammelhandschriften des Praxisbereichs, und vor allem spielen sie innerhalb des Bilderzyklus dieses Texts nur eine Nebenrolle. Im Zentrum stehen dort vielmehr die häufig großformatigen, oft ganzseitigen allegorischen, aus dem Bilderschatz christlicher Ikonographie abgeleiteten Illustrationen. Bezeichnend ist auch deren oft heraldische Kompositionsweise, in der allegorische Figuren frontalsymmetrisch dargestellt und zuweilen mit Wappen verbunden werden. Der Bilderzyklus des ›Buchs der heiligen Dreifaltigkeit‹ bleibt, von einigen Ausfällen im Programm abgesehen, in allen Handschriften konstant; auch die späten Manuskripte führen die Bilderfolge kaum verändert fort. Wie es scheint, geht der gesamte Bilderzyklus auf eine einzige Leithandschrift zurück, die verbindlich für alle weiteren Überlieferungszeugen wurde. Gleiches gilt für die ›Splendor Solis‹-Ikonographie. Auch hier hängt der dichte Zyklus meist ganzseitiger Illustrationen von einem Original ab, dem alle nachfolgenden Handschriften folgen und von dem sie kaum abweichen.

Den Handschriften beider Texte gemeinsam ist das überaus hohe Ausstattungsniveau. Gerahmte Deckfarbenminiaturen mit Gold- und Silberverwendung rücken die Illustrationen in die Nähe der Tafelmalerei, ein Umstand, auf den die Miniaturen zum ›Splendor Solis‹ gezielt anspielen: mit ihren plastisch gemalten Architektur- und Bildrahmen, in die die szenischen Darstellungen gleichsam wie Altarblätter »eingelassen« sind, imitieren sie geradezu Tafelbilder der Zeit. Namen wie die der Nürnberger Glockendon-Werkstatt endlich heben die Ikonographie des ›Splendor Solis‹ aus der Anonymität des üblichen Buchschmucks vollends heraus. Nicht nur damit ist die Illustration der Stoffgruppe Alchemie ein Sonderfall der deutschsprachigen Handschriftenillustration des Mittelalters.

Literatur zu den Illustrationen:

Gustav Friedrich Hartlaub: Signa Hermetis. Zs. des dt. Vereins f. Kunstwiss. 4 (1937), S. 93–112. 144–62. – Wilhelm Ganzenmüller: Die Alchimie im Mittelalter. Paderborn 1938. – Gustav Friedrich Hartlaub: Der Stein der Weisen. Wesen und Bildwelt der Alchimie. München 1959. – Herwig Buntz: Deutsche alchimistische Traktate des 15. und 16. Jahrhunderts. Diss. München 1968, bes. S. 60–62. 109f. – Emil Ernst Ploss/Heinz Roosen-Runge/Heinrich Schipperges/Herwig Buntz: Alchimia. Ideologie und Technologie. München 1970.