KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

87.2.5. Edinburgh, The Royal Observatory, Cr. 4.6. (olim 9.14.5.14.)

Bearbeitet von Pia Rudolph

KdiH-Band 9

Die olim-Signatur in dieser Schreibung in der Handschrift, sonst in der Forschung unter 9.14.5.

Datierung:

Hauptsächlich um 1470.

Lokalisierung:

Südwestdeutschland. Diözese Konstanz (Kalender, vgl. Blume/Haffner/Metzger [2016] Bd. II.II, S. 816).

Besitzgeschichte:

Einträge in den astrologischen Tabellen könnten darauf hindeuten, dass die Handschrift schon in den 1440er Jahren begonnen und bis Anfang des 16. Jahrhunderts fortgeführt wurde. Vermutlich im Elass entstanden; da der hl. Ulrich und die hl. Afra im Kalender rubriziert sind, könnte es sich bei einem Besitzer um einen Augsburger gehandelt haben (vgl. auch Blume/Haffner/Metzger [2016] Bd. II.II, S. 816). Im 17. Jahrhundert im Augustinereremitenkloster zu Wien (3r); um 1880 von James Lindsay, 26. Earl of Crawford (1847–1913), erworben (alte Crawford-Nummer 4.6), seine Sammlung kam 1888 aus dem Dunecht Observatory in das Royal Observatory (siehe auch Nr. 80.5.1.).

Zur Handschrift siehe auch Nr. 11.2.2. sowie ausführlich Blume/Haffner/Metzger (2016) Bd. II.II, S. 814–825.

Inhalt: Astrologisch-medizinische Sammelhandschrift (die Zählung der Texte folgt der Gliederung in der Handschrift):
1. 1r–36v Ausführungen zu: Kometen, Mond, Sonne, Kalender, Tabellen zur Kalendernutzung
13r–24v Kalender mit Angaben zu Cisiojanus, Zählung der Tage mit arabischen Zahlen, alter und neuer goldener Zahl, Angaben zu Neu- und Vollmond, Sonntagsbuchstaben, Zählung der Tage nach römischen Angaben, Heiligenfesten, Wechsel der Tierkreiszeichen, Lunarbuchstaben, Tages- und Nachtlänge in Stunden und Minuten, daneben: kurze Geburtsprognostik, Monatsverse, Claves terminorum
2. 37r–50r Ausführungen zu Firmament, Himmelssphären, vier Elementen, vier Temperamenten
37r–39r Traktat ›Von den 11 Himmeln‹
3. 55r–251r Ausführungen zu Prognostiken, verworfenen Tagen, Aderlass, Schröpfen, Baden, Pulsdiagnose, wie man einen gesunden Menschen erkennt, Magen, Harn und Harnfarben, Planeten (mit Tabellen und Schemata) und Planetenkindern, Tierkreiszeichen, Monatsprognostiken, Himmelszeichen und Lauf der Planeten (mit Tabellen), Eklipse (lateinisch, mit erklärender Darstellung 248r)
4. 255r–468v HIe nach volget die betúttung vnd außlegung der astronomey die gezagen ist vß den búchern der hohen mayster der Astronomi...
Kolumnentitel Astronomia, hier u. a. zu Wetter, Planeten, Eklipsen (mit Schema und Tabellen), Tierkreiszeichen, Mondlauf in Verbindung zu Krankheiten, Himmelsbahnen, Kometen (mit Skizzen des Schreibers von Kometenformen 327r–328r), Firmament, Sternzeichen, Sternen, Planetentabellen, Mond, Prognostiken, Kraft des Himmels; Kolumnentitel Von den fragen, hier u. a. Antworten zu Frauen, Kindern, Krankheiten, Text bricht ab
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, II + 473 + I Blätter (Zählung bis 468, jeweils ein Blatt vor 3, 12, 145, 234, 255 nicht gezählt; z. T. stark beschnitten, dadurch im Kalender Textverlust bei den Monatsversen und angeschnittenen Tierkreiszeichen; zahlreiche leere Seiten, die wohl für Ergänzungen vorgesehen waren), 295 × 215 mm, Bastarda, ein Hauptschreiber (dazu mehrere Nachtragsschreiber über die Handschrift verteilt bis ins 16. Jahrhundert), meist einspaltig (125r–133v zweispaltig, andere Hand; 255r–272v zweispaltig), durchschnittlich 45 Zeilen; einfache Initialen in Rot, Blau und Grün (selten aufwendigere Initialen, z. B. 1r, 37r, 188v, 255r, 280r); eine Vielzahl an Tabellen (beginnen z. T. im Jahr 1439 und reichen bis 1800, vgl. 25r) und Schemata (z. T. unvollständig), Rubrizierung.

Schreibsprache:

ostschwäbisch.

II. Bildausstattung:

Zahlreiche kolorierte Federzeichnungen. Ein Hauptillustrator (Hand A: 1r, 44v–107r, 149v–177r, 348v–378v) sowie ein Illustrator, der vor allem für Ergänzungen im Bildprogramm sorgte und möglicherweise etwas später arbeitete (Hand B: 13r–24r, 121v, 177v–173r, kleinere Abbildungen von 348v bis 372r).

Format und Anordnung:

Der Text ist mithilfe von Rubrizierungen und Illustrationen übersichtlich gestaltet; rote Überschriften fassen Passagen kurz zusammen (Hienach volget... oder Hienach sagt es...). Die Abbildungen stehen immer genau beim Text, den sie illustrieren. Sie sind in Rot oder Gelb gerahmt (selten in Grün), zu Beginn der Handschrift eckige Rahmen, zum Ende (ab 348v) Medaillons. In der Regel nehmen die Darstellungen etwa ein Drittel bis die Hälfte der Seite ein (nur der Aderlassmann ganzseitig; die Medaillons mit Tierkreiszeichen und Monatsarbeiten im Kalender etwa neun Zeilen hoch).

Bildaufbau und -ausführung:

Die Figuren stehen vor einem leeren Hintergrund (meist) auf einem kleinen Grünstreifen. Nur selten werden tiefere Räume (bei den Planetenkindern) oder Innenräume gezeigt (84r Pulsmessen).

Hand A zeichnet sich durch eine grobe Malweise mit kantigen Schraffuren aus, selten gibt es weichere Schwünge bei Stoffen. Durch die einfachen Umrisslinien und kaum vorhandenen Binnenschraffuren entsteht wenig Körperlichkeit. Plastizität wird nur durch die Kolorierung oder wenige Überschneidungen erzeugt. Da die Oberkörper deutlich größer und breiter sind als die dünnen und kurzen Beine, wirken die Figuren unproportional. Der etwas grobe Stil des Künstlers wird auch deutlich, wenn er Szenen etwas derber als gewöhnlich darstellt: Mann und Frau küssend im Garten (Sanguiniker, 44v); der Mann greift der Frau an die Brust (beide im Badezuber, 80v); beim Pulsmessen liegt die Frau mit entblößter Brust im Bett (84r).

Stilistisch orientiert sich Hand B an den Drucken des sog. Deutschen Kalenders (Nr. 87.1.a.) oder bekannten Grafiken (vgl. Liebesgarten zum Mai, 179v), auch thematisch setzt Hand B Kompositionen oder auch nur Details aus dem Druck um (z. B. wird aus der Vorlage des Deutschen Kalenders wohl aus Platzgründen nur die Weinlese übernommen und die Weinpresse weggelassen [22r im Kalender: Monatsarbeit im Oktober], auf 186r dagegen werden Weinpresse und -lese nebeneinander abgebildet [zur Novemberprognostik]).

Bildthemen:

Wie bei den Texten (siehe Inhalt) wiederholen sich die Bildthemen in der Handschrift in verschiedensten Variationen.

1r zum Text zu den Kometen: Gelehrter (ptholomeus), der auf seine Armillarsphäre deutet, in einer 17-zeiligen D-Initiale (blau auf grünem Grund); die gesamte Seite wurde nachträglich mit Ranken und Blüten (Akelei) gerahmt.

Im Kalender nimmt jeder Monat jeweils eine Recto- und eine Versoseite ein. Immer unten auf der Rectoseite zwei Medaillons (die Medaillons im Januar leer): 13r–24r die Monatsarbeiten (Speisen, Ackern, Bearbeitung der Weinstöcke, Mann und Frau im Grünen, Pflügen, Heuernte, Kornernte, Aussaat, Weinlese, Schweinehirte, Schlachten), daneben die Tierkreiszeichen (auffällig: Zwillinge als nacktes Paar mit Lyra und hackenförmigem Stab, ein Motiv, das in mehreren anderen elsässischen Handschriften nachweisbar ist, vgl. zu diesem Motiv die Einleitung 87.2.; Schütze und Steinbock als Mischwesen, was auf ihr Sternbild verweist). Es finden sich auch stilisierte Schlüssel im Kalender, die sog. Claves terminorum für die Berechnung des Ostertermins (vgl. Nr. 87.2.3., Nr. 87.2.8.).

37r zum Text über das Firmament und den Himmel: Sternseher am Lesepult (ähnlich wie 1r) mit einem Finger im Buch und Blick zu den Sternen (in einem Medaillon, vorgezeichnete Rahmung blieb unkoloriert).

44v–48r vier Temperamente (jeweils als Mann und Frau): Sanguiniker küssend im Garten, Choleriker schlagen sich, Melancholiker schlafend (Frau beim Spinnen), Phlegmatiker beim Musizieren.

55r zum Text: Wenn der Cristtag auf einen Sonntag fällt, dann wird es ein warmer Winter: Jesuskind mit Kreuznimbus, in den Händen ein Kreuz und den Reichsapfel.

Medizinische Darstellungen finden sich zu Text 3: Aderlass (60v), Aderlassmann (73v), Schröpfen im Badehaus (78v), Badeszene (80v), Pulsmessen (84r), Arzt bei der Urinschau (87v).

90v–107r jeweils ein Planet (nackt) auf Medaillons mit den jeweiligen Tierkreiszeichen stehend, im Bildfeld darunter die ihm zugehörigen Planetenkinder; etwas weiter im Text folgt erneut die Personifikation des Planeten (bekleidet) vor einem vielgezackten Stern. Ungewöhnlich ist nicht nur die rasch aufeinander folgende Wiederholung der Planetendarstellungen (einmal unbekleidet, einmal bekleidet), sondern auch Details, so wird beispielsweise Merkur als Arzt bei der Urinschau verbildlicht (104v) und Venus (102r) sowie Luna (107r) in ihrer bekleideten Variante als Mann dargestellt. Die Medaillons mit den Tierkreiszeichen sind nicht immer ausgefüllt. Beischriften des Nachtragsschreibers aus dem 16. Jahrhunderts bezeichnen die nackten Planeten als Engel.

149v–173r zwölf Tierkreiszeichen (auf ihre Sternbilder verweisend: Schütze als Mischwesen sowie die geflügelte Jungfrau mit Ähren und seltsamerweise mit Hermesstab).

175v–184v zu den Monatsprognostiken werden nochmals die Monatsarbeiten gezeigt. Hand A: Trinken, Wärmen am Feuer; Hand B (kopiert und erweitert leicht die eigenen Darstellungen aus dem Kalender, z. B. indem mehr Figuren eingefügt werden): Pflügen, Bearbeiten der Weinstöcke, zwei Paare im Garten, Pflügen, Heuernte, Kornernte, Aussaat, keine Darstellung für den Oktober (es ist auch kein Platz vorgesehen), Weinlese, Schweinehirte.

348v–372r 47 Sternbilder: die zwölf Sternzeichen und 36 Sternbildern nach Michael Scotus (siehe Nr. 11.2.2.), daneben von Hand B Darstellungen mit Sonne, Mond, Sternen, den Tierkreiszeichen (meist in Medaillons, manche davon blieben leer).

373v–378v die sieben Planeten als Götter, reich gekleidet, mit Fackeln und Fahnen, neben ihnen die Tierkreiszeichen, z. T. weitere Attribute (ähnlich bei Nr. 11.2.3.).

Zu den aufwendigeren Schemata gehören beispielsweise: 40v hienach volget der zirckel der vorgeschr[ieben] speren: Himmelssphären, beginnend in der Mitte mit der Erde als T-O-Karte; 43v vier Elemente in vier ineinander liegenden Kreisen (von innen nach außen: Erde, Wasser, Luft, Feuer); 121v Darstellung der Verbindung von Makro- und Mikrokosmos mit Mensch in der Mitte, von ihm werden mit roten und schwarzen Linien einzelne Punkte am Körper mit den Planeten und Sternzeichen verbunden.

Farben:

Gelb, Ocker, Rosa, Rot, Türkis, Grün, Blau, Inkarnat.

Literatur:

Ker (1977) S. 573–577. – MacKinney (1965) S. 22f. mit Abb. 17 (37r), S. 59f. mit Abb. 57 (78v), S. 121 (Nr. 53.3); Blume/Haffner/Metzger (2016) Bd. II.II, S. 814–825 (Nr. 127), Bd. II.III, Abb. 1108–1117 (350v, 353v, 359v, 360v, 362r, 362v, 363r, 365r, 366r, 369v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 70: 84r (Detail). Pulsmessen.

87.2.5._Abb._70.jpg
Abb. 70.