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73.10. Ludolf von Sachsen / Michael de Massa,
›Vita Christi‹, deutsch

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Unter dem Kurztitel ›Vita Christi‹ kursierten im Spätmittelalter verschiedene Beschreibungen des Lebens und Leidens Christi in lateinischer Sprache. Zu den bekanntesten Schriften gehörten neben den ›Meditationes Vitae Christi‹ eines unbekannten franziskanischen Verfassers, als deren Autor zeitweilig außer Bonaventura auch Johannes de Caulibus und Hubertinus von Casale in Anspruch genommen wurden, zwei weitere lateinische ›Vitae Christi‹, die im 14. Jahrhundert entstanden. Als Autoren dieser Lebensbeschreibungen sind zunächst der Augustinereremit Michael de Massa († 1337) und später der Kartäuser Ludolf von Sachsen († 1378) zu benennen. Die ›Vita Christi‹ Michaels de Massa, über dessen Leben wenig bekannt ist, umfasst in der einzig bekannten Abschrift, die ihn als Autor nennt (Leipzig, Ms 800, 1r, 100r), bis zur Himmelfahrt und Pfingsten 56 Kapitel, auf die eine conclusio und eine Anweisung zur Verteilung der Lektüre über die Wochentage folgen. Ludolf von Sachsen, dessen Lebensweg sich über die Kartausen in Straßburg, Koblenz, Mainz und zuletzt wieder Straßburg nachzeichnen lässt, widmet der Darstellung des Lebens Jesu hingegen nahezu 200 Kapitel, in denen auf das geschilderte Ereignis und dessen Kommentierung jeweils ein Gebet folgt.

Im Unterschied zu den Abschriften der lateinischen Vorlagen, die die Namen der Autoren vereinzelt überliefern, nennen die Manuskripte mit deutschsprachigen Bearbeitungen gewöhnlich weder einen Verfasser noch dessen lateinische Quelle. Deshalb blieb die Autorschaft für die lateinischen Vorlagen der deutschen Bearbeitungen lange Zeit umstritten, wie die entsprechenden Beiträge des Verfasserlexikons reflektieren. Während Fromm eine Zuschreibung an Michael de Massa ablehnte (Fromm [1987] Sp. 505), argumentierte Baier, dass Ludolf von Sachsen das Werk Michaels de Massa als Quelle verwendete, wohingegen sich Ruh im selben Beitrag der These seines Mitautors gegenüber reserviert zeigte (Baier/Ruh [1985] Sp. 972 und Sp. 975). Derzeit wird, den Forschungen Geiths folgend (Geith [1990]; Geith [2000]), für die lateinische Vorlage überwiegend eine Autorschaft Michaels de Massa favorisiert, die in zwei zeitlich aufeinander folgende Übersetzungen, eine niederländische mit 58 Überlieferungszeugen (http://www.handschriftencensus.de/werke/5290) und eine moselfränkische mit zwölf Abschriften (http://www.handschriftencensus.de/werke/5289), untergliedert wird.

Im KdiH werden allerdings die Autoren Ludolf von Sachsen und Michael de Massa gemeinsam in den Titel der Untergruppe aufgenommen, in der sämtliche mit Illustrationen ausgestatteten Manuskripte beider Übersetzungsgruppen sowie die deutschsprachige Druckausgabe (Nr. 73.10.a.) behandelt werden, da verschiedene Beobachtungen zur Textgestalt der Handschriften eine grundsätzliche Überprüfung der gegenwärtigen Einordnung angeraten scheinen lassen. Zum einen fallen unter den Handschriften der ersten (niederländischen) Übersetzung, deren älteste Überlieferungszeugen bereits aus dem ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts datieren, Exemplare einer elsässischen Bearbeitung auf. Wie die Berliner Handschrift (Nr. 73.10.1.), die mit 23 historisierten Initialen ausgestattet ist, enthält auch die Abschrift der Priorin Elisabeth Kempf aus dem Straßburger Dominikanerinnenkloster Unterlinden eine Fassung in 45 Kapiteln (Colmar, Ms. 267 [Nr. 363]). Zum anderen lassen sich unter den zwölf Überlieferungszeugen der zweiten (moselfränkischen) Übertragung, die sämtlich – bis auf eine Ausnahme (Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. VII,22) – für eine Ausstattung mit Illustrationen eingerichtet wurden, aufgrund unterschiedlicher Textfassungen mindestens zwei Handschriftengruppen abgrenzen. Während eine Reihe von Manuskripten eine ›Vita Christi‹ in etwa 50 Kapiteln enthält, die sehr eng der niederländischen Fassung folgt, bieten einige andere Handschriften einen wesentlich umfangreicheren Text, in dem zahlreiche der über 100 ungezählten Kapitel dem öffentlichen Leben Jesu gewidmet sind. Schließlich nennen die seit 1472 erscheinenden lateinischen Druckausgaben meist Ludolf von Sachsen als Autor (z. B. GW M19197, ISTC il00336500). Die deutschsprachige Inkunabel, die unter dem Titel ›Geistliche Auslegung des Lebens Jesu Christi‹ (Nr. 73.10.a.) wenige Jahre später bei Johann Zainer in Ulm erschien, enthält offenbar eine im Umfang deutlich reduzierte Bearbeitung der ›Vita Christi‹ Ludolfs von Sachsen, folgt jedoch in ihrer Textstruktur mit einem jeweils das Kapitel beschließenden Gebet deren Vorbild.

In welchem Verhältnis die umfangreicheren Textversionen der zweiten Übersetzungsgruppe zu der kürzeren Fassung stehen, inwieweit sie ihrerseits untereinander übereinstimmen, ob auch für sie Michaels de Massa ›Vita Christi‹ als Vorlage in Anspruch genommen werden kann, lässt sich im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht klären.

Aus der Untersuchung der illustrierten Überlieferungszeugen ergeben sich allerdings folgende Anhaltspunkte: Unter den zwölf Manuskripten der zweiten, moselfränkischen Übersetzung kann für die Handschriften in Chantilly, Karlsruhe, Lüttich und Nürnberg ein enger Zusammenhang nach Textgestalt, Layout und Bildprogramm festgestellt werden. Zwei der Handschriften, die wohl bereits um 1430 entstanden, enthalten den Text in moselfränkischer Schreibsprache (Nr. 73.10.2., Nr. 73.10.7.), während die drei übrigen, um 1450 entstandenen Abschriften eine schwäbische bzw. alemannische Fassung bieten (Nr. 73.10.5., Nr. 73.10.6., Nr. 73.10.8.).

Aufgrund dieser zeitlichen Abfolge wurde von der zwischenzeitlichen Zuschreibung der Übersetzung an die Schreibmeisterin Regula des Zisterzienserinnenklosters Lichtenthal, von deren Hand die um 1450 entstandene Abschrift (Nr. 73.10.6.) stammt, wieder Abstand genommen (Geith [2000] S. 285f.).

Für die genannten Handschriften können über die Textfassung hinaus markante Gemeinsamkeiten im Hinblick auf die Bildausstattung festgehalten werden: Da der Bildzyklus regelmäßig 40 Illustrationen gleichbleibender Thematik enthält, zu denen nur sehr vereinzelt Ergänzungen vorgenommen wurden, wird diese Bildfolge im Folgenden als ›Normalzyklus‹ bezeichnet. Die Miniaturen werden gewöhnlich in den einspaltig geschriebenen Text anstelle von Initialen als quadratische Bildfelder eingefügt. Platziert werden sie zu Beginn jener mit roten Überschriften ausgezeichneten Abschnitte, die meist die Anweisung hier betrachte enthalten. Illustrationen finden sich durchgehend zu den ersten 18 Abschnitten, vom Prolog bis zur Hochzeit zu Kana. Die ersten beiden Darstellungen, die Bekehrung des Saulus und die Bitte um Erlösung durch die Alten, zeigen Bildthemen, die nicht Teil des Lebens Jesu sind. Doch ist der bekehrte Saulus als Paulus zugleich der spätere Autor zahlreicher neutestamentlicher Briefe, wie auch des im Initium zitierten Briefes an die Korinther (I Cor 3,11). Seine Bekehrung wie auch die Bitte der Alten werden in mehreren Abschriften des Textes zu Beginn der Bildfolge gezeigt (Nr. 73.10.2., Nr. 73.10.5., Nr. 73.10.7., vermutlich verloren in Nr. 73.10.6.). Nicht illustriert sind im Folgenden einige Abschnitte zum öffentlichen Leben Jesu. Die auf die Verklärung Christi folgenden Passagen sind ab der Passion Christi, d. h. dem Einzug nach Jerusalem, bis zur Auferstehung wiederum bis auf vereinzelte Ausnahmen durchgehend mit Miniaturen versehen, zwischen dem Noli me tangere und der Himmelfahrt Christi folgt wieder eine Reihe nicht illustrierter, teils sehr kurzer Abschnitte, die die diversen Offenbarungen gegenüber den Marien und den Aposteln schildern. Der Schwerpunkt der Bildausstattung liegt damit erkennbar auf der Kindheit Christi und seiner Leidensgeschichte.

Ungeachtet der Homogenität dieser Handschriftengruppe im Hinblick auf Text, Layout und Bildthemen, ist festzuhalten, dass die Ikonografien in den einzelnen Überlieferungszeugen so deutlich voneinander abweichen, dass eine gemeinsame Vorlage für die Bildfolge nicht vorausgesetzt werden kann. Vielmehr ist anzunehmen, dass für die jeweilige Ausgestaltung der Bildinhalte ebenso wie für die wenigen Abweichungen bei der Auswahl der Bildthemen besondere Auftraggeberinteressen oder lokale Traditionen, etwa eine Ausrichtung der Meditation auf besondere Inhalte wie die Marienfrömmigkeit, ausschlaggebend waren. Für zwei dieser Handschriften können mit dem Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen (Nr. 73.10.8.) und dem Zisterzienserinnenkloster Lichtenthal (Nr. 73.10.6.) die ursprünglichen Provenienzen aus reformierten Frauenklöstern benannt werden. Auch für das – allerdings erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts hergestellte – Manuskript in Überlingen (Nr. 73.10.10.) ist ein vergleichbarer Entstehungszusammenhang nachzuzeichnen, denn es wurde im Zuge der Reform des Konstanzer Dominikanerinnenklosters Zoffingen von Regina Sattler, einer Schreiberin des St. Katharinen Klosters in St. Gallen, angefertigt.

Unter den übrigen Handschriften lässt sich aufgrund von Textgestalt, Layout und Bildprogramm eine zweite Gruppe konturieren: Die Handschriften in Frankfurt, Wolfenbüttel und Zürich (Nr. 73.10.4., Nr. 73.10.11., Nr. 73.10.12.) enthalten nicht nur eine deutlich umfangreichere Textfassung, mit über 100 ungezählten Kapiteln, sondern auch eine wesentlich umfassendere Bildausstattung, die im Fall des Zürcher Exemplars allerdings nicht ausgeführt wurde. Die Kapiteleinteilung, wie auch die Überschriften der Kapitel, die regelmäßig mit der Aufforderung Hier liss und betrachte beginnen, entsprechen sich an den überprüften Stellen meist wörtlich. In dem 1471 datierten, zweispaltig angelegten Exemplar in Wolfenbüttel (Nr. 73.10.11.) sind die Illustrationen als Sequenzen aus zwei bis vier spaltenbreiten Einzelbildern vor dem jeweiligen Abschnitt eingefügt, im Zürcher Manuskript, das bereits 1459 datiert, sind jeweils mehrere Spalten bzw. Seiten an den entsprechenden Stellen freigehalten worden. In der erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts angefertigten Frankfurter Handschrift, die den Text einspaltig darbietet, wurden die Bildsequenzen als ganzseitige Illustrationen vor die jeweiligen Abschnitte platziert. Die umfangreichen Bildprogramme dieser Manuskripte, die weitreichende thematische Übereinstimmungen aufweisen, zeigen außer einer Vielzahl von Ereignissen aus dem öffentlichen Leben Jesu wie Heilungen und Belehrungen gleichfalls die Offenbarungen nach seiner Auferstehung in großer Ausführlichkeit. Die Bildfolgen veranschaulichen dabei allerdings nicht nur bekannte biblische Ikonografien, sondern auch genrehaft anmutende Szenen wie Abschiede, Begrüßungen oder gemeinsame Mahlzeiten. Für die beiden Handschriften adeliger Provenienz (Nr. 73.10.4., Nr. 73.10.11.), deren Erstbesitzer über die eingefügten Wappen identifiziert werden können, ist zudem eine gleichartige Inszenierung der Auftraggeber festzustellen.

Für die übrigen Überlieferungszeugen mag eine Zuordnung zu den beiden skizzierten Varianten nicht gelingen. Das Exemplar in St. Gallen (Nr. 73.10.9.), dessen Anfertigung 1467 datiert, enthält zwar ebenfalls eine ausführliche Textfassung mit über 100 Kapiteln in ähnlicher Einteilung, doch beschränkt sich die bildliche Ausstattung auf 19 historisierte Initialen, die erst mit Beginn der Passion einsetzen. Die älterere, zwischen 1472 und 1476 geschriebene Frankfurter Abschrift (Nr. 73.10.3.), die gleichfalls eine üppige Bildausstattung erhielt, umfasst nur einen Teil des geplanten Textes, denn er endet vor der Passion Christi und weicht zudem zumindest zu Beginn mit ausführlichen Erläuterungen zur Herkunft Mariens von den übrigen Abschriften deutlich ab.

Für die heute in Überlingen verwahrte Handschrift (Nr. 73.10.10.), die eine Textfassung mit 91 ungezählten Kapiteln enthält, war ein Illustrationszyklus von 40 Bildern geplant. Anhand der Platzierung der Freiräume und der bereits eingetragenen Überschriften ist zu erkennen, dass die Auswahl der Bildthemen sich von dem ›Normalzyklus‹ deutlich unterschied, da beispielsweise die Szenen, die Joseph, die Ehe oder das Leben der Heiligen Familie thematisieren, entfallen.

Einen Einzelfall stellt auch die Berliner Handschrift (Nr. 73.10.1.) dar, deren elsässische Textfassung 45 Kapitel umfasst, von denen 23 mit historisierten Initialen geschmückt wurden. Die Auswahl konzentriert sich hierbei auf Kindheitsszenen, während die Passion gar nicht, die Offenbarungen Christi nach seiner Auferstehung dagegen wieder ausführlich veranschaulicht werden. Unter den Handschriften, die wie das Berliner Exemplar gegenwärtig der ersten (niederländischen) Übersetzung der Vita Christi Michaels de Massa zugeordnet sind, finden sich ansonsten nur zwei weitere illustrierte Abschriften, die allerdings deutlich später entstanden sind. Bei ihnen handelt es sich um miteinander verwandte Codices, die aufgrund ihres mittelniederländischen Sprachstandes nicht in den Katalog aufgenommen wurden (Cambridge, Fitzwilliam Museum, Ms. 25; Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 46.2 Aug. 4º). Diese beiden prachtvoll ausgestatteten Manuskripte aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts stammen aus einer vermutlich in Delft angesiedelten Werkstatt und weisen ein komplexes Ausstattungssystem aus ganzseitigen Miniaturen, belebten Rankenbordüren und aufwendig gestalteten Incipitseiten auf.

Die deutsche Druckausgabe (Nr. 73.10.a.), die mit 95 fast ganzseitigen Holzschnitten ausgestattet wurde, scheint wiederum nicht nur auf der Textebene einen eigenen Weg zu gehen. Zwar sind auch hier unter den Illustrationen zum öffentlichen Leben diverse Heilungen zu finden, doch wird darüber hinaus der bemerkenswerte Versuch unternommen, Gleichnisse wie jenes vom Kamel und dem Nadelöhr zu veranschaulichen.

In ihrer Gesamtheit legen die Beobachtungen nahe, für die Verbreitung der volkssprachlichen Übersetzungen der ›Vita Christi‹ weder eine einheitliche Textgrundlage noch eine einlinige Filiation vorauszusetzen. Nicht nur die Existenz verschiedener ähnlicher lateinischer Werke zum Leben und Leiden Christi sowie die signifikanten Differenzen zwischen den erhaltenen Überlieferungsträgern, sondern auch die historische Frömmigkeitspraxis stehen dem entgegen. Die Bemühungen, volkssprachliche Texte zur Andacht der nicht Lateinkundigen innerhalb wie außerhalb der Klöster zu schaffen, kann als Teil der vielfältigen Reformbestrebungen – nicht nur der devotio moderna – des frühen 15. Jahrhunderts angesehen werden und wird in dieser Weise in den Prologen der volkssprachigen Bearbeitungen formuliert. Die Anfertigung von Andachtsbüchern für den eigenen Gebrauch ist als Frömmigkeitsübung für Konventualen wie Laien nachzuweisen, wie das Beispiel Rudolf Wirts, Ratsherr in St. Gallen, bezeugt, der sich im Kolophon seiner Abschrift einen honestum virum nennt (Nr. 73.10.9.).

Als eine denkbare Variante wäre etwa die Anfertigung der moselfränkischen Übertragung aus dem Niederländischen im Umfeld des Nikolaus von Kues in Erwägung zu ziehen, der in den 1420er Jahren als Sekretär und Kurienprokurator des Trierer Erzbischofs Otto von Ziegenhain tätig war, aber auch Beziehungen zu Ulrich von Manderscheid, dem Kölner Domdekan und Anwärter auf die Nachfolge des verstorbenen Trierer Erzbischofs, pflegte. Neben den vielfältigen persönlichen Beziehungen ist für Nikolaus von Kues auch die erforderliche Mobilität nachzuweisen, denn seine Anwesenheit seit Januar 1432 beim Konzil von Basel als Prokurator des Trierer Klerus lässt einen möglichen Vermittlungsweg aufscheinen. Nicht zuletzt fügt sich die Präsenz der Bilder als konstitutiver Bestandteil der Manuskripte zur Vorstellung einer von der Anschauung äußerer Bilder zu einer inneren Schau gelangenden Frömmigkeitspraxis, wie sie Nikolaus von Kues vertrat. Dass unabhängig davon zeitgleich deutsche Bearbeitungen der ›Vita Christi‹ Ludolfs von Sachsen auch in Straßburg bzw. im süddeutschen Raum entstanden, ist angesichts der Bekanntheit des Werks und seiner nachweislichen Verbreitung in Klosterbibliotheken in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts durchaus anzunehmen (zu den Nachweisen vgl. Baier [1977] S. 151–160) und wird von weiteren elsässischen Werken, die um 1400 entstanden, wie dem ›Passionstraktat‹ des Nikolaus Schulmeister (Nr. 73.7.) oder dem anonymen ›Spiegel des Leidens Christi‹ (Nr. 73.9.), bestätigt.

Die folgende Bildthementabelle wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit folgendermaßen eingerichtet: Aufgeführt werden grundsätzlich nur die Bildthemen der Handschriften, die aufgrund von Textgestalt, Layout und Bildprogramm zu einer ersten Gruppe zusammengefasst werden können (Nr. 73.10.2., Nr. 73.10.5., Nr. 73.10.6., Nr. 73.10.7., Nr. 73.10.8.). Dieser ›Normalzyklus‹ aus 40 Illustrationen, von dem die Bildfolgen der einzelnen Handschriften nur in Ausnahmen abweichen, ist mit einer laufenden Nummer versehen. Bei der Nürnberger Handschrift, aus der ein Großteil der Illustrationen ausgelöst wurde, folgt als Ergänzung zur rekonstruierten Folioangabe die aktuelle Inventarnummer.

Das nunmehr in Überlingen aufbewahrte Manuskript (Nr. 73.10.10.) entspricht zwar von der Zahl der Illustrationen dem ›Normalzyklus‹, der unmittelbare Vergleich der Bildthemen offenbart allerdings die deutlichen Unterschiede, weshalb die Themen vollständig aufgenommen wurden. Die beiden Handschriften mit historisierten Initialen, die sich in ihrer Themenauswahl jeweils unterscheiden, wurden ebenfalls vollständig aufgenommen (Nr. 73.10.1., Nr. 73.10.9.).

Für jene Handschriften der zweiten Gruppe mit deutlich umfangreicherem Bildzyklus (Nr. 73.10.4., Nr. 73.10.11., Nr. 73.10.12.) werden hingegen in der Tabelle selbst nur die Illustrationen aufgeführt, die zum ›Normalzyklus‹ gehören bzw. in den Manuskripten in Berlin, Überlingen und St. Gallen zu finden sind. Der Folioangabe beigefügt wurde dabei die laufende Nummer in der Bildfolge der jeweiligen Handschrift, die ersichtlich machen soll, an welchen Stellen die Erweiterungen der Bildausstattung zu finden sind. Für das Zürcher Manuskript beziehen sich diese Angaben auf den Abschnitt, vor dem sich der Freiraum befindet, sofern sie aufgrund der Überschrift eindeutig zu verorten sind. Die einzelnen Bildthemen werden im Abschnitt Bildthemen der Handschriftenbeschreibung aufgeführt. Dort wiederum bietet die eingefügte Laufnummer aus dem ›Normalzyklus‹ bei den entsprechenden Bildthemen eine Orientierung. Für die gedruckte Ausgabe (Nr. 73.10.a.) wird gleichermaßen verfahren.

73.10.2. Chantilly, Ms. 35 73.10.5. Karlsruhe, Cod. Donau– eschingen 436 73.10.6. Karlsruhe, Cod. Lichtenthal 70 73.10.7. Liège, ms. Wittert 71 73.10.8. Nürnberg, Hs. 28441 73.10.10. Überlingen, Ms. 1 73.10.4. Frankfurt, Ms. germ. qu. 103 73.10.11. Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 1.11 Aug. 2o 73.10.12. Zürich, Ms. C 10k 73.10.3. Frankfurt, Ms. germ. qu. 99 73.10.1. Berlin, Ms. germ. quart. 178 73.10.9. St. Gallen, Cod. 599 73.10.a. [Ulm: Johann Zainer]
Anzahl Illustrationen 40 42 40 (+1) 40 ehem. 45 40 Freiräume 245 284 106 Freiräume 89 23 hist. Init. 19 hist. Init. 95
Vorsatzblatt Verkündigung (H12)
(1) Bekehrung des Paulus 1r 2r (Verlust) 1r
Eingangsillustrationen mit abweichendem Bildthema 1ra (Hz379?) Segnender Christus 1v Krönung Mariens mit Auftraggeber 1v Krönung Mariens mit Auftraggeber 1v Vorleser am Pult a1v Christus mit Sphaira zwischen zwei Engeln
(-) Antlitz Christi 10ra
(2) Bitte der Engelschöre und der Alten um Gnade 10v 13v 6v 13v 12ra (Hz377) 20vau (16) 11va (1) 4r, 33v (4, 14)
(-) Tempelgang Mariens 12ra 17v (3) 22rau (17) 13vb (2) 36r (15)
(3) Vermählung Mariens 12v 16r 8r 16r 14rb (H32) 21v (5) 14vbu (14) 16va (3) 19r (11)
(4) Verkündigung an Maria 15r 19r 10r 19v 17ra (H22) 15ra 24r (7) 2rau (3) 18va (4) 40r, 43v (16–17) 14r a8r (4)
(-) Maria mit Kind 19r
(5) Heimsuchung 19r 24r 14r 25v 22ra (Hz384) 18rb 31r (9) 5vbu (6) 22va (5) 48r (19) 24r b1v (6)
(6) Josephs Traum 21v 27r 16r 29v 24vb (Hz376) 36v (12) 5vau (4) 27rb (7) 53r (21) 26v
(7) Geburt Christi 25r 31v 19v 33v 29rb (H23) 23rb 43r (14) 11vau (12) 32va (8) 60v (24) 30v b3v (7)
(8) Beschneidung 29v 38r 23v 39v 35rb (H37) 27vb 53r (16) 28rbu (20) Blattverlust 71v (27) 36r b8r (10)
(9) Anbetung der Könige 31r 39v 24v 41v 37va (H38) 29rb 55v (17) 29vau (21) 41rb (9) 74v (29) 37v b6v (9)
(10) Die Hl. Familie 33v 43r 27r 45r 40vb (Hz373) 61v (18) 32rau (22) 45va (10) 80v (31) 40v
(11) Darstellung im Tempel 35r 45r 28r 47r 42va (H39) 32va 64r (20) 33vbu (25) 48rb (11) 84r (32) 41v c1v (11)
(12) Flucht nach Ägypten 37r 47v 30r 49v 44vb (Hz378) 33ra 69v (24) 36rao (29) 51ra (12) 88r (34) 43r c3v (12)
(13) Rückkehr aus Ägypten 42v 54v 35r 56r 50vb (Hz372) 79r (26) 41rau (32) 59va (13) 98v (37) 48v
(-) Maria und Christus 50r
(14) Der zwölfjährige Jesus im Tempel 44v 57r 37r 58v 52vb (H30) 39rb 90r (36) 45rao (40) 69ra (18) 106v (43) 53r c5v (13)
(15) Die Hl. Familie 47v 61r 40r 62r 56ra (Hz381) 90v, 94r, 94v (37–39) 46vbu (42) 72rb (19) 110r (44)
(16) Taufe Christi 52v 67v 45r 68v 61va 43ra 106v (43) 52vbu (49) 85rb (21) 122v (47) 58v c7r (14)
(17) Erste Versuchung Christi 56v 73r 49v 74r 66va 47rb 119v (49) 58vbo (56) 92va (23) 130r (49) 63r c8v (15)
(18) Hochzeit zu Kana 61r 78v 55r 80r 71va 128v (54) 62vbo (64) 99rb (25) 144v (52) d3r (16)
(-) Berufung der Jünger 78rb 67v
(-) Tempelreinigung 51vb 133v (54) 66vbu (66) 103va (26) 149v (53)
(-) Heilung eines Aussätzigen 90v 82rb 145r (60) 70rbo (69) 162v (57) e8r (21)
(-) Enthauptung Johannes’ des Täufers 95v 61ra 165v (79) (Salome) 78vau (92) 180r (67) (Salome)
(-) Christus soll zum König erhoben werden 85rbo (103) 89r
(-) Speisung der Fünftausend 64va 180r (90) 85rau (102) 145vb (41) 193r (71)
(19) Verklärung Christi 87v 114r 85r 117r 102vb (Hz379/383) 69va 203r (102) 96rao (120) 216r (79) g2r (26)
(-) Jesus und die Samariterin 57rb 151r (66) 72vau (75) 118vb (31) e6v (20)
(20) Auferweckung des Lazarus 93r 121v 92r 125r 109va 222r (114) 105rbo (131) 183rb (51) 235v (85) i6v (34)
(21) Salbung durch Maria Magdalena 97v 126v 96v 130r 113vb (Hz380) 58vb 158r, 219v (74, 113) 109vau (139) 192ra (54) 242v (88) l5r (40)
(-) Jesu Abschied von Maria 231r (123) 112rbo (142) 114v
(22) Einzug in Jerusalem 98v 128v 98r 132r 115va 76ra 238v (128) 113vbo (146) 199rb (56) S. 227 l6v (41)
(-) Tempelreinigung 244r (130) 116vbo (149) S. 232 l8v (42)
(-) Jesus predigt den Jüngern 106v 244v (131) 117rao (151)
(-) Bereitung des Osterlamms 128rao (167) S. 248
(23) Abendmahl 107v 140v 108v 145r 126vb (H34) 82rb 169r (145) 128vbo (169) 225va (64) m7r (46)
(24) Christus am Ölberg 118v 155r 122r 160v 141ra (H24) 89vb 284v (150) 137rbo (175) 238ra (66) S. 265 n3r (49)
(-) Judaskuss 92vb 304r (155) 148rbu (181) S. 285 n5r (50)
(25) Christus vor Annas 125r 163r 129r 169v 149va 94vb 310r (157) 151vau (183) 257ra (69) n6v (51)
(26) Christus vor Kaiphas 126r 164v 130v 171r 151rb 320r, 321v (159, 160) 151vbu (185) 265rb (70) n7v (52)
(27) Christus vor Pilatus 129v 168v 134v 175r 155vb (Hz375) 322r (161) 157vau (188) 267va (71) o1v (53)
(28) Christus vor Herodes 131r 170r 136r 177r 158ra (Hz374) 326r (165) 161rau (191) 274rb (73) o2v (54)
(29) Geißelung 132r 171v 137r 178r 159ra (H25) 100va 332r (167) 162rau (193) 276va (74) S. 314 o5v (57)
(30) Dornenkrönung 133r 174r 139r 180v 161va (H26) 101va 322v (168) 162rbo (194) 277ra (74) o7r (58)
(-) Ecce Homo 102ra 333r, 341v (169, 173) 162rbu, 166vbo (195, 199) 281vb (75) p1r (60)
(31) Kreuztragung 136r 176v 141v 183r 164rb (H35) 105vb 345r (175) 168rbu (201) 288ra (77) p2r (61)
(-) Christus fällt unter dem Kreuz 107va 351r, 351v (178, 179) 168vau, 171rbu (203, 205)
(-) Entkleidung 144r 354r (181) 172vau (208) p3v (62)
(32) Kreuzaufrichtung bzw. Kreuzannagelung 138r 179r 185v 167ra (H31) 108rb 354v (182) 172vao (207) 296ra (79) p7v (65)
(33) Kreuzigung 143v 186v 150v 193r 174vb (H27) 109va 355r (183) 172vbo (209) 303va (80) S. 349 q2r (67)
(34) Kreuzabnahme 146v 190v 197r 178va 120ra 375v (188) 184rau (216) 312va (81) S. 369 q8r (74)
(-) Beweinung 153v 378r (189) 185vao (218)
(35) Grablegung 148r 155v 199r 180va (H28) 121va 378v (190) 185vbu (190) 320va (83) r1r (75)
(-) Verlassen der Grabstätte 385r (192) 189rao (221) S. 377
(-) Wächter am Grabe 192v 391r (197) 192rao (226) S. 382
(36) Christus in der Vorhölle 152r 197v 160r 205r 185vb (H36) 124vb 396r (200) 194vao (229) 330vb (86) S. 387 r2v (76)
(37) Auferstehung Christi 153r 199r 161r 206v 187ra (Hz382) 125rb 397r (202) 194vau (230) 334ra (87) r3v (77)
(-) Christus offenbart sich seiner Mutter Maria 126ra 399v (203) 196rau (232) 128v r4v (78)
(-) Die drei Marien am Grab 127ra 400v (204) 198rao (234) S. 394
(38) Noli me tangere 155v 202r 164r 210r 190va (H33) 128vb 406v (208) 199rau (239) 343rb (90) r6r (79)
(-) Christus offenbart sich den drei Marien 192vb Verlust 412r (210) 202rao (242)
(-) Christus offenbart sich Joseph von Arimathia 415r (212) 203rbo (245) 131v
(-) Christus offenbart sich Jacobus dem Jüngeren 418r (215) 204vau (249) 132r
(-) Christus offenbart sich Petrus 419v (216) 205rbo (250) 132r
(-) Offenbarung in / auf dem Weg nach Emmaus 195rb 423r–423v (219–220) 206vbo–206vbu (254–255) 135v S. 427
(-) Der ungläubige Thomas 198vb (H29) 132vb 432r (225) 210vbo (260) S. 418
(39) Himmelfahrt Christi 165v 214v 175v 221r 203vb (Hz383?) 134vb 445r, 450r, 450v (234–236) 216rbo, 218vbo–219rao (270–273) 374vb (103) S. 432 s2v (81)
(-) Trinität S. 438
(40) Pfingsten 170r 220r 180v 226r 209rb 459r (239) 223rbu (276) 381ra (105) S. 441 s5r (82)
(-) Trinität 141rb S. 450
(-) Schmerzensmann S. 458
Editionen:

de Bruin (1980).

Literatur zu den Illustrationen:

Mednyánszky (in Vorb.).