73.10.2. Chantilly, Musée Condé, Ms. 35 (olim Ms. 1455)
Bearbeitet von Kristina Domanski
KdiH-Band 8
Zweites Viertel 15. Jahrhundert.
Köln oder Mittelrhein (?).
1866 erworben beim Antiquariat Bachelin-Deflorenne.
1r–176r |
Michael de Massa, ›Vita Christi‹, deutsch
Zweite (moselfränkische) Übersetzung
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Pergament, 178 Blätter (moderne Foliierung oben rechts), 240 × 170 mm, Textura, eine Hand, einspaltig, 32 Zeilen, Überschriften in Rot, Majuskeln in Rot und Blau, Rubrizierung.
moselfränkisch.
40 kolorierte Deckfarbenminiaturen auf Goldgrund, mindestens zwei Maler.
Die annähernd quadratischen Miniaturen jeweils zu Beginn der Kapitel anstelle einer Initiale in den Text eingefügt. Die Initiale zum Text, meist in Gold als Majuskel am Rand des Bildfeldes. Einige Bildfelder oder einzelne Bildelemente, z. B. der Stall von Bethlehem (25r) oder der Mantel der Prophetin Hanna (35r), reichen über den Schriftspiegel hinaus. Grundsätzlich keine Rahmung, bis auf eine Ausnahme (56v). Kurze Ranken aus Akanthusblättern und vereinzelten Blüten, von der Miniatur ausgehend auf den Blatträndern im Bereich der Illustrationen.
Mindestens zwei Maler beteiligt, die einen unterschiedlichen Figurenstil pflegen. In den ersten Miniaturen (bis 47v) die kurzen Figuren mit relativ großen, mächtigen Köpfen auf stämmigen Körpern, die weiblichen und jugendlichen Physiognomien sehr lieblich und rundlich. Maria mit zartem Band als Kopfschmuck. In der Folge eher langgezogene Proportionen, Figuren mit schmalen Schultern und aufgebauschten Gewändern.
Gemeinsam sind den Miniaturen goldgemusterte Hintergründe, wie sie in der Pariser Buchmalerei des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts beliebt waren, hier allerdings mit einer Vielzahl wechselnder Ornamente und Dekore vorgeführt. Die Szenen auf grünem Landschaftsterrain, sowohl bei Außen-, wie Innenraumdarstellungen. Wenige architektonische Versatzstücke wie Thronbauten oder Arkadenbögen, meist auf schlanken hohen Säulen, für die Mahlszenen breite Tafeln (61r, 97v, 107v), durchweg perspektivisch nicht schlüssig wiedergegeben. Die Gewänder mit üppigem Stoffvolumen in weichen Falten wirken vor allem in der ersten Hälfte (bis 61r) durch starke Aufhellung fast schwerelos, ganz im Stil der Internationalen Gotik.
Siehe Bildthementabelle in der Einleitung zur Untergruppe 73.10. Bildfolge stimmt thematisch mit der Handschrift Lüttich (Nr. 73.10.7.) überein. Dennoch sind für die einzelnen Bildthemen ikonografische Differenzen zu vermerken, die auf unterschiedlichen Bildtraditionen bzw. -vorlagen beruhen.
Zahlreiche ikonografische Besonderheiten, die in ihrer Gesamtheit auf eine theologische Ausrichtung hin zu überprüfen wären: Bei der Verkündigung (15r) erscheinen über dem Erzengel Gabriel nicht nur die Taube des Heiligen Geistes, sondern auch ein herabschwebendes Christuskind mit Kreuznimbus und Gottvater. Bei der Heimsuchung (19r) die kindlichen Figuren des anbetenden Johannes des Täufers und Christi auf den Leibern ihrer Mütter. Bei der Himmelfahrt und dem Pfingstwunder nimmt Maria eine zentrale Position ein (165v, 170r). Einige ikonografische Details gehen auf die Visionen der heiligen Birgitta zurück, etwa bei der Geburt Christi die Darstellung Mariens im Unterkleid und Josephs mit Kerze (25r). Bei der Rückkehr aus Ägypten (42v) fallen der Engel sowie die auf die Passion vorausdeutenden Attribute (der Distelfink in der Hand Christi und der Granatapfel bei Maria) auf.
Gold, auch für Details wie Schüsseln, Gefäße, Tischbeine. Rosa für Gewänder und Architektur, Blau, Rot, Grün für die Gewänder, Weiß, Ocker, Braun für Inkarnat und Haare.
aufzufinden über https://www.photo.rmn.fr (Einzelaufnahmen).
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Abb. 13: 25r. Geburt Christi.