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67. Katechetische Literatur

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 7

Die Stoffgruppe umfasst deutschsprachige Einzeltexte und übergreifende Textkompilationen katechetischen Inhalts, die mit Ausnahme eines althochdeutschen Beichtformulars aus dem 10. Jahrhundert alle im späten 14. und 15. Jahrhundert entstanden sind. Die praktisch orientierte lehrhafte Literatur zur grundlegenden Vermittlung christlicher Glaubensinhalte und Moralregeln betrifft vor allem Text und Erklärung des Glaubensbekenntnisses, des Vaterunsers und weiterer Gebete, der Zehn Gebote, Anleitungen zur Beichte, Sünden- und Tugendlehren sowie christliche Lebenslehren zum Umgang mit den anderen Menschen. In der Regel sind die Texte in Prosaform, bisweilen aber auch in Versen verfasst.

Zu Systematik und Überlieferung der Texte vgl. Egino Weidenhiller: Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur des späten Mittelalters. München 1965 (MTU 10); Bernd Adam: Vaterunserauslegungen in der Volkssprache. In: 2VL 10 (1999), Sp. 170–182; Rudolf Suntrup / Burghart Wachinger / Nicola Zotz: ›Zehn Gebote‹. Deutsche Erklärungen. In: 2VL 10 (1999), Sp. 1484–1503; Volker Honemann: ›Zehn Gebote und Ägyptische Plagen‹. In: 2VL 10 (1999), Sp. 1503–1510; Georg Steer: Glaubensbekenntnisse (Deutsche Übersetzungen und Auslegungen). In: 2VL 11 (2004), Sp. 529–542.

Weidenhiller (1965) unterscheidet Einzelerklärungen des Vaterunsers, des Ave Maria, des Glaubensbekenntnisses, der Zehn Gebote, Beichtspiegel und Beichttraktate und andererseits Texte, die mehrere katechetische Stücke zum Inhalt haben; unter letzteren verortet er drei Formen: Katechismustafeln ohne Kommentar, erweiterte Katechismustafeln und Traktate. Zu katechetischen Texten zählen dabei ferner auch Tugend- und Sündenkataloge, die nach verschiedenen Kategorien erweitert werden, außerdem die Sieben Gaben und die Zwölf Früchte des Heiligen Geistes, die Acht Seligkeiten, die Sieben Sakramente, die Sechs Werke der Barmherzigkeit, die Fünf Sinne, die Kräfte der Seele, die als einfache Aufzählungen oder kommentiert geboten werden. Nicht alle dieser sehr weit verbreiteten Texte sind im Zusammenhang illustrierter Überlieferung relevant; eine Ausstattung mit Illustrationen ist vielmehr als Ausnahme zu betrachten.

Die unten vorgestellten Werke greifen andererseits über die genannten Definitionen hinaus. Es bestehen inhaltliche Überschneidungen mit Stoffgruppe 44. (Geistliche Lehren und Erbauungsbücher); die Abgrenzung zu deren Texten erfolgte primär nach pragmatischen Gesichtspunkten und ist nicht in allen Fällen inhaltlich begründbar. Verwandte Texte und Inhalte finden sich auch in weiteren Stoffgruppen (siehe die Verweise unten). Außerdem überschreiten einige der hier vorgestellten Werke die katechetische Literatur im engeren Sinn inhaltlich auch noch in anderen Richtungen: Bruder Bertholds ›Rechtssumme‹ (Untergruppe 67.2.) und Dircs van Delft ›Tafel van den kersten ghelove‹ (67.5.). In einigen Werken finden sich große Bildzyklen, die speziell katechetische, lehrhafte oder moralisierende Aspekte aufgreifen. So werden bildliche Darstellungen zum Inhalt des apostolischen Glaubensbekenntnisses, der Zehn Gebote und ihrer Übertretungen geboten. Es wird aber auch versucht, die rechte Gesinnung bei der Beichte in verschiedenen Bildern anschaulich zu machen (vgl. ›Heidelberger Bilderkatechismus‹, 67.7., oder die ›Nürnberger Beichtlehre‹, 67.9.; letztere ist in einen erzählenden Rahmen gestellt, der auch die Bilder bestimmt). Ferner kommen Bischof und Priester als belehrende Vermittler und Spender der heilsbringenden Sakramente, generell die Bedeutung der Kirche und ihrer Ämter zur Darstellung (Dirc van Delft, ›Tafel‹, 67.5.). Zum Teil beschränkt sich die Illustration auch auf traditionelle christliche Bildthemen der Heilsgeschichte und -symbolik, auf Autorbilder oder die Darstellung eines Predigers.

Die Reihung der Untergruppen orientiert sich an der Entstehungszeit der Texte bzw. ihrer Umsetzung ins Deutsche; zumeist ist diese nur ungefähr feststellbar, die zeitliche Einordnung kann so nur anhand der tatsächlich vorhandenen Handschriften erfolgen.

Als Grenzfall von Illustrierung mit einigen nur schematischen Darstellungen sei die geistliche Sammelhandschrift Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. VI, 43e (von 1455, aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharina) genannt: Sie enthält u. a. mehrere katechetische Texte (Marquard von Lindau, ›Eucharistietraktat‹, ›Paradisus animae‹ deutsch, ›Von einem christlichen Leben‹, ›Von den Hauptsünden‹, Beichttraktat, ›Apostolisches Glaubensbekenntnis‹, ›Die Werke der Barmherzigkeit und die sieben Sakramente‹, ›Die Zehn Gebote‹ [Verse]), dazu einige schematische Zeichnungen, so 184v–185r zu Beginn des ›Traktats von der Siebenzahl im Paternoster‹ Darstellungen jeweils der sieben Bitten des Vaterunsers, Gaben des Hl. Geistes, Tugenden, Seligkeiten und Hauptsünden; 198v zur Allegorie von der geistlichen Geißel eine entsprechende Zeichnung (vgl. Nr. 44.8.4.; mit weiterer Literatur auch Handschriftencensus); und 233v zu Anleitungen über das Fasten eine Darstellung der fünf Wunden Christi. Ebenfalls ein auf schematische Bebilderung angelegtes Illustrationsprinzip findet sich in der Münchner Handschrift Cgm 1121, 252v–255v. In der dort überlieferten Auslegung des Glaubens sind spaltenbreit zwölf Medaillons eingefügt, die durch Textbänder gefasst sind, aber unausgefüllt blieben. Ein ähnlicher Grenzfall ist auch in München, Cgm 7247 zu finden (vgl. Nr. 74.9.9.), hier ist ein Holzschnitt (Szene vor der Kreuzannagelung; Schreiber, Handbuch, Nr. 661) mit Bezug zu einem Beichttraktat mit Passionsbetrachtung eingeklebt.

Sofern Illustrierung nicht bereits in Handschriften, sondern erst in der frühen Drucküberlieferung auftaucht, sind die Werke hier grundsätzlich nicht vorzustellen. Nicht berücksichtigt ist aus diesem Grund der zweiteilige ›Seelentrost‹, dessen Struktur sich an katechetischen Hauptstücken orientiert, vor allem an den Zehn Geboten und den Sieben Sakramenten (Ausgabe von Margarete Schmitt: Der Große Seelentrost. Ein niederdeutsches Erbauungsbuch des vierzehnten Jahrhunderts. Köln 1959 [Niederdeutsche Studien 5]; vgl. Nigel Palmer: ›Seelentrost‹. In: 2VL 8 [1992], Sp. 1030–1040). Mit Illustrationen versehen sind, abgesehen von der niederländischen Überlieferung, erst die deutschen Augsburger Drucke Anton Sorgs von 1478 und 1483 (GW M41133 und M41134; zu Bildparallelen vgl. unten Nr. 67.3.a.) sowie einige Kölner Drucke (GW M41137M41139). Nur in einer mittelniederdeutschen Handschrift (København, Det Kongelige Bibliotek, Thott 58 2o) findet sich eine vereinzelte Illustration (116vb, am Textende: Federzeichnung eines bärtigen Mannes mit roter Mütze und pelzverbrämtem Mantel, der ein unbeschriebenes Schriftband hält; Schmitt, S. 24*). Conrad Borchling (1900, S. 24) vermutete eine Darstellung Alexanders des Großen, von dem die letzte Erzählung des ›Großen Seelentrost‹ handelt; dass sich die Zeichnung tatsächlich auf den Textinhalt bezieht, scheint jedoch fraglich; eher könnte es sich um eine Schreiberdrolerie handeln.

Literatur zu den Illustrationen:

Johannes Geffcken: Der Bildercatechismus des fünfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther. I. Die zehn Gebote, mit 12 Bildtafeln nach Cod. Heidelb. 438. Leipzig 1855. – Hans Vollmer: Deutsche Bilder zum Dekalog. In: Bibel und deutsche Kultur. Bd. V. Potsdam 1935, Anhang S. 283–293. – Sabine Griese: Text-Bilder und ihre Kontexte. Medialität und Materialität von Einblatt-Holz- und Metallschnitten des 15. Jahrhunderts. Zürich 2011.

Siehe auch:
  • Nr. 27. Hugo Ripelin von Straßburg, ›Compendium theologica veritatis‹
  • Nr. 27a. Ulrich von Lilienfeld, ›Concordantiae caritatis‹
  • Nr. 44. Geistliche Lehren und Erbauungsbücher
  • Nr. 77. Liturgie
  • Nr. 81. ›Lucidarius‹
  • Nr. 93. Mystische Betrachtungen und Traktate
  • Nr. 101. Guillaume de Digulleville, ›Pilgerfahrt des träumenden Mönchs‹
  • Nr. 103. Predigten
  • Nr. 120. ›Speculum humanae salvationis‹
  • Nr. 121. ›Spiegelbuch‹
  • Nr. 131. Tugend- und Lastertraktate