Althochdeutsches Beichtformular, das in drei Fuldaer Handschriften überliefert ist (eine davon nur mehr indirekt bezeugt). Es gehört zusammen mit zwei weiteren Texten zu einer gemeinsamen Gruppe (*FP), die sich von den meisten der frühen deutschen Beichttexte unterscheidet. Die erschlossene Urform wurde um 817–830 in Fulda oder in Lorsch vermutet. Durch schlichte Knappheit geprägt, gliederte sie das Bekenntnis nach einer Reihe von Tat- und Unterlassungssünden, was im vorliegenden Fuldaer Text aber nur in gestörter Ordnung erhalten ist (Masser [1980]; zu den Texten generell vgl. Ernst Hellgardt: Beichten. Althochdeutsche und altsächsische. In: Althochdeutsche und altsächsische Literatur. Hrsg. von Rolf Bergmann. Berlin / Boston 2013, S. 38–46 [mit weiterer Literatur]).
Der Fuldaer Text im Göttinger 2o Cod. Ms. theol. 231 ist als Ausnahmephänomen in der frühen deutschen Schriftlichkeit und als einziger katechetischer deutscher Text der Frühzeit mit einer Illustration versehen (auf anderem thematischen Feld, der biblischen Dichtung, wäre davor nur – noch aus dem 9. Jahrhundert stammend – Otfrids ›Evangelienbuch‹ zu nennen, das in der Wiener Handschrift 2687 mit vier Illustrationen versehen ist; dazu vgl. künftig unter Nr. 73. Leben Jesu und Passionstraktate; Ott [2006] S. 192–195). Das äußerst reich illuminierte ›Fuldaer Sakramentar‹, das dieses Beichtformular enthält, ist eine ansonsten rein lateinische Prachthandschrift aus ottonischer Zeit, ein Hauptwerk der Fuldaer Schreib- und Malerschule; der deutsche Text steht in Teil 2 der Handschrift, dort im Rahmen des ›Ordo ad dandum penitentiam more solito feria IIII. infra quinquagesima[m]‹ (für die jährliche Beichte am Aschermittwoch; Richter/Schönfelder [1912] S. 281–284, Nr. 437; zum Inhalt des gesamten Ordo, der vor dem deutschen auch ein lateinisches Beichtformular enthält vgl. Honemann [1995] S. 113–115).
Die bildliche Darstellung unmittelbar vor dem deutschen Text ordnet sich in Thematik und Stil in die Ausstattung des gesamten Bandes ein. Sie gehört dabei näher mit den anderen Bildern des zweiten Teils zusammen, die auf ordines zu vier liturgisch-priesterlichen Handlungen außerhalb der Messfeiern (Krankenbesuch, Beichte, letzte Ölung eines Sterbenden, Taufvorbereitung) bezogen sind. Dieser Rituale-Abschnitt findet sich nicht in allen Fuldaer Sakramentaren. Zu seinen Bildern gibt es kaum Parallelen, sie gehören nicht zum Fuldaer Grundzyklus an Bildthemen (Palazzo [1994] S. 97–102; Winterer [2009] Vergleichstabellen S. 472–476). Besonders das Beichtbild und das Bild zur Taufvorbereitung gelten als einzigartig (»unique en leur genre«, Palazzo S. 101). Die Handschrift Rom, Biblioteca Vaticana, Cod. Vat. lat. 3548 enthält zwar auch den Text der althochdeutschen Beichte (34v–35r) im Rahmen des gleichen Ordo, jedoch keine dazugehörige Illustration (vgl. Winterer [2009] S. 210–223). Die Bildszene veranschaulicht, dass der Beichttext in einer öffentlichen liturgischen Handlung, nicht einer privaten Beichte Verwendung fand.
Editionen: Althochdeutsche ›Fuldaer Beichte‹: Karl Müllenhoff / Wilhelm Scherer: Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem VIII.–XII. Jahrhundert. Bd. 1: Texte. Bd. 2: Anmerkungen. 3. Auflage Berlin 1892 (Nachdruck Berlin / Zürich 1964), Bd. 1, S. 241 f., Bd. 2, S. 385 f. – Elias von Steinmeyer: Die kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler. Berlin 1916 (Nachdruck Dublin / Zürich 1971), S. 327–329. – Gesamtes Göttinger Sakramentar (ohne das Kalendarium): Gregor Richter / Albert Schönfelder: Sacramentarium Fuldense Saeculi X. Cod. Theol. 231 der k. Universitätsbibliothek zu Göttingen. Text und Bilderkreis (mit 43 Tafeln). Fulda 1912 (Quellen und Abhandlungen zur Geschichte der Abtei und der Diözese Fulda 9), der deutsche Beichttext S. 282 f.