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67.1.1. Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, 2º Cod. Ms. theol. 231 Cim.

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 7

Datierung:

10. Jahrhundert, drittes Viertel oder etwas später (Hoffmann [1986] S. 150) / zwischen 975 und 980 (Winterer [2009] S. 176 f.).

Lokalisierung:

Fulda, aus der Kirche S. Salvatoris (vgl. 111v).

Besitzgeschichte:

Auf Entstehung in der Benediktinerabtei Fulda für den dortigen Gebrauch weisen die häufigen Erwähnungen fuldischer Heiliger, vor allem des hl. Bonifatius und der hl. Lioba sowie des Ortes selbst im Text; auch der paläographische Befund weist dorthin (enge Verwandtschaft der Schrift mit Hannover, Landesbibliothek, Ms I 189). – 1r alte Signaturen D. d. und S 20. Die Handschrift gelangte mit großer Wahrscheinlichkeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts in den Besitz des lutherischen Humanisten Matthias Flacius Illyricus (1520–75); er druckte (zusammen mit Achilles Pirmin Gasser) 1571 in seiner Basler Ausgabe von Otfrids ›Evangelienbuch‹ auch eine althochdeutsche Beichte ab, die wohl aus dieser Handschrift stammte (187r–v). Mit der Bibliothek des Flacius wurde die Handschrift 1597 an Herzog Heinrich Julius von Braunschweig verkauft und kam 1618 in die Universität Helmstedt und von dort nach deren Aufhebung 1809 in die Universitätsbibliothek Göttingen, wo sie – anders als die meisten Helmstedter Handschriften – verblieb (vgl. Winterer [2009] S. 174 f.).

Inhalt: Lateinisches Sakramentar und Rituale (530 Einzeltexte, vgl. Richter/Schönfelder [1912]; Winterer [2009] S. 477–479).
1r–134v Teil 1: Gregor der Große, ›Liber Sacramentorum‹, mit Zusätzen aus dem ps.-gelasianischen ›Sacramentarium Leonidum‹ (›Gregorianum mixtum‹)
2r Titel In Christi nomine incipit liber sacramentorum de circulo anni a sancto Gregorio papa Romano editus. Qualiter missa romana celebratur
3r–9v Praefatio und Messkanon
11r–134v Gebete der Messe im Ablauf des Kirchenjahres, vom Weihnachtsabend bis zum Beginn der Adventszeit
136r–249v Teil 2: Missae votivae und Rituale
136r–183v Votivmessen, verschiedene Gebete und Segnungen
185r–249v Rituale für priesterliche Amtshandlungen, Totenmessen, Gebete und Benediktionen
Darin 187ra–187vb die althochdeutsche ›Fuldaer Beichte‹, Inc. Ih uuirdu gote almahtigen bigihtig […]
251r–256v Teil 3: Kalendarium (mit Jahresbild 250v)
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, [I] + 257 + [II] Blätter (neuzeitliche arabische Foliierung 1–257 ohne Lücke, unnummerierte Schmutzblätter vor 1, 257 [!] und nach 257, unbeschrieben: 1r, 135r–v, 184r–v, 250r und 257r–v, je ein beschriebenes Doppelblatt zwischen 3 und 4 sowie 40 und 41 sind verloren), 335 × 265 mm, 2r–8v und 250v einspaltig bis max. 24 Zeilen und in goldener Unzialschrift, ansonsten zweispaltig, karolingische Minuskel, 30 Zeilen, eine Hand (Hoffmann [1986] S. 150: »verwandt mit dem Kilians-Margarethen-Codex« Hannover, Landesbibliothek, Ms I 189), die Überschriften Bl. 136–183 in goldener, sonst meist in roter Unzialschrift, bei Rubriken und Titeln mindestens zwei Schreiber (Winterer [2009] S. 172); Praefatio und Messkanon (2r–8v) sowie das Jahresbild (250v) in Architekturrahmen, abwechselnd mit Purpurfarbe oder blauschwarz grundiert; goldene Flechtwerkinitialen (insgesamt über 500; auch ganzseitige), mit Zierelementen in verschiedenen Deckfarben, vor allem Blattornamenten, gelegentlich Tierköpfen, selten auch menschlichen Figuren, auf verschiedenfarbigem Grund (zur Unterscheidung der Typen und der von ihm nicht damit gleichgesetzten künstlerischen Gruppen vgl. Winterer [2009] S. 177–180, in Auseinandersetzung mit Zimmermann [1910]; zu den unterschiedlichen Rahmungen der Bild- und Initialseiten, beides zum Teil auf einer Seite kombiniert, ebd. S. 180–184).

Schreibsprache:

(des deutschen Textes): althochdeutsch.

II. Bildausstattung:

Insgesamt mehr als 30 überwiegend ganzseitige Miniaturen (1v, 9r, 11v, 14v, 15v, 16v, 19r, 24v, 30r, 54r, 58v, 60r, 64r, 65v, 79v, 82r, 87r, 90v, 93r, 98r, 111r, 113r, 116r, 136r, 185r, 187r, 192v, 214r, 250v, 251r–256v) mit – in einigen Fällen je mehreren – figürlichen Bildern in Deckfarbenmalerei (meist ca. 60–90 × 170–190 mm; d. h. in Schriftspiegelbreite, über zwei Schreibspalten, oft in Form eines querrechteckigen Bildes über einem Purpurfeld mit goldener Initiale; einige als kleinere Medaillons oder quadratische Bilder nur über eine Spaltenbreite; Kalenderscheibe und Einzelfiguren im Kalendarium), viele von ihnen an den Seiten mehrfarbig gerahmt, mit Säulen links und rechts, dazu mit Medaillons in den Ecken und großen Schmuckinitialen. Winterer (2009, S. 184–191) unterscheidet vier Maler (Hand 1: 1v–65v; Hand 2: 79v–116r; Hand 3: 136r–214r; Hand 4: 250v–256v, denen auch der Rahmen- und Initialschmuck zugeschrieben wird; anderes Zählsystem bzw. Einteilung nach Gruppen bei Zimmermann [1910]). Die Illustrationen beginnen in Textteil 1 mit dem unterschiedlich interpretierten Kanonbild über die Entstehung der Messfeier (vgl. Becht-Jördens [1996] S. 356–359); danach greifen sie, von Weihnachten ausgehend durch das Kirchenjahr bis zum Fest des hl. Andreas (30. November), die Thematik der jeweiligen Texte auf: biblische Szenen und solche aus dem Leben von Heiligen, die mit den liturgischen Festtagen und den dazugehörigen Messgebeten in Verbindung stehen. Textteil 2 enthält insgesamt fünf Szenenbilder: das Eingangsbild am Beginn der Votivmessen (136v, zur Missa de sancta trinitate: Christus stehend in einer Mandorla, flankiert von zwei Engeln; von Winterer [2009] S. 409–422 als spezieller Typus einer Trinitätsdarstellung identifiziert); danach vier weitere Darstellungen im Rituale-Abschnitt – zu Krankenbesuch 185r, öffentlicher Beichte und Buße 187r, Krankenölung 192v, Vorbereitung der Taufe (ordo scrutinii) 214r. Diese fünf Bildszenen zeigen stilistische Verwandtschaft mit Hand 1, zudem sind hier die stärksten Nachklänge karolingischer Hofmalerei unter den vier beteiligten Händen erkennbar (Winterer [2009] S. 190 f.). Vor dem abschließenden Kalendarium steht eine Bildseite mit der Allegorie des Jahres, dargestellt als rota mit Tag und Nacht, den vier Elementen und Monatsbildern in menschlichen Gestalten (250v; vgl. Winterer [2009] S. 422–464).

Während die anderen Bildthemen auch Parallelen in westfränkischen und angelsächsischen Handschriften aufweisen und auf ältere Vorbilder (aus Saint-Amand und Tours) zurückgehen dürften, scheinen die Rituale-Bilder thematisch in Fulda neu konzipiert worden zu sein (vgl. Beissel [1894] Sp. 78; Palazzo [1994] S. 97–102; Winterer [2009] mit Vergleichstabellen S. 471–476).

187r die knapp halbseitige Illustration zur (öffentlichen) Beichte (ca. 103 × 190 mm), vor Beginn des deutschen Textes (rote Überschrift Incipit confessio; die erste Zeile und die Initialen am Satzbeginn in Goldschrift). Sie entspricht in Format, Stil und Thematik den drei anderen Bildern des Rituale-Abschnitts in Teil 2, wobei hier die sonst wichtigen Architekturelemente fehlen. Das Bild ist am oberen und unteren Rand durch zwei golden gerahmte, rot-blaue Akanthusbordüren, rechts und links durch zwei bunt gestreifte Säulen begrenzt. Der Hintergrund (Himmel) ist durch mehrfarbige Streifen wiedergegeben, keine landschaftlichen oder baulichen Elemente zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Personengruppen, die auf grünem Bodenstück stehen: links ein Erzbischof mit Pallium und Stab, die rechte Hand im Segensgestus, hinter ihm sechs Kleriker, davon fünf tonsuriert, rechts die beichtenden Laien, sieben Männer ohne Kopfbedeckungen und dahinter mit etwas Abstand fünf Frauen mit Kopfschleiern, alle in demütig geneigter Haltung, die vordersten mit Ergebenheitsgestus der Hände (vgl. Honemann [1995] S. 116–123). Nur die vorne stehenden Personen jeder Gruppe sind als Ganzfiguren, die anderen nur als Köpfe zu sehen. Kräftige schwarze Konturlinien, Weißhöhungen, die Figuren, auffallend groß im Verhältnis zur gesamten Bildfläche, in Dreiviertelansicht, mit übergroßen Köpfen und Händen, die Haare braun oder grau, die prächtige Kleidung in je unterschiedlichen Farben.

Farben:

Grün, Blautöne, Gelb, Rot, Rosa, Lila, Orange, Gold, Deckweiß, Mischfarben.

Literatur:

Meyer (1893) Bd. 2, S. 440–442. – Stephan Beissel: Ein Sakramentar des XI. Jahrhunderts aus Fulda. Zeitschrift für christliche Kunst 7 (1894), Sp. 65–80, 73 f., Abb. 1–4 (Abb. 3: 187rab); E[rnst] Heinrich Zimmermann: Die Fuldaer Buchmalerei in karolingischer und ottonischer Zeit. Diss. Halle 1910 (Sonderabdruck aus dem Kunstgeschichtlichen Jahrbuche der k. k. Zentral-Kommission für Kunst- und historische Denkmale in Wien 4 [1910]), S. 2–16, 42 f., 53–58, Abb. 2–10; Richter/Schönfelder (1912) S. Xf., XV–XLI, Taf. 1, 3, 4, 7–27, 30–33, 35–43, darunter Taf. 40 (187r); Das erste Jahrtausend. Kultur und Kunst im werdenden Abendland an Rhein und Ruhr. Tafelband hrsg. von Victor H. Elbern. Düsseldorf 1962, S. 93 f. Abb. 190, 437–439, 440b; Achim Masser: ›Fuldaer Beichte‹. In: 2VL 2 (1980), 1007 f.; Hartmut Hoffmann: Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich. 2 Bde. Stuttgart 1986 (Schriften der MGH 30,1–2), Textbd. S. 150, Tafelbd. Nr. 37 f. (Schriftproben); Henry Mayr-Harting: Ottonische Buchmalerei. Liturgische Kunst im Reich der Kaiser, Bischöfe und Äbte. Stuttgart / Zürich 1991 (Belser Kulturgeschichte und Ikonographie), Kap. 8: Fulda: Sakramentare und Heiligenviten, S. 309–345, hier S. 311–326, 337–339, Abb. 238 (192v), 239 (15v), 240 (214r), 244 (Farbabb., 1v), 245 (Farbabb., 87r), 260 (111r), 250 (14v); Helmuth Rohlfing: Fuldaer Sakramentar. In: Vor dem Jahr 1000. Abendländische Buchkunst zur Zeit der Kaiserin Theophanu [Ausstellungskatalog Köln]. Köln 1991, S. 82–85, Nr. 18, Farbabb. 61–66 (8r, 9r, 19r, 187r, 82r, 87r); Eric Palazzo: Les sacramentaires de Fulda. Etude sur l’iconographie et la liturgie à l’époque ottonienne. Münster i. W. 1994 (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 77), S. 97–102, 133, 187–192 u. ö., Abb. 22–62; Volker Honemann: Zum Verständnis von Text und Bild der ›Fuldaer Beichte‹. In: Deutsche Literatur und Sprache von 1050–1200. Festschrift für Ursula Hennig zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Annegret Fiebig und Hans-Jochen Schiewer. Berlin 1995, S. 111–125, Abb. S. 119 (187r); Gereon Becht-Jördens: Litterae illuminatae. Zur Geschichte eines literarischen Formtyps in Fulda. In: Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen. Hrsg. von Gangolf Schrimpf. Frankfurt a. M. 1996 (Fuldaer Studien 7), S. 325–364, bes. S. 356–361; Michael Curschmann: Wort – Schrift – Bild. Zum Verhältnis von volkssprachlichem Schrifttum und bildender Kunst vom 12. bis zum 16. Jahrhundert. In: Mittelalter und frühe Neuzeit. Übergänge, Umbrüche und Neuansätze. Hrsg. von Walter Haug. Tübingen 1999 (Fortuna Vitrea 16), S. 378–470, hier S. 386; Sarah Hamilton: The Practice of Penance, 900–1050. Woodbridge, Suffolk [u. a.] 2001 (Reprint 2011) (Royal Historical Society. Studies in History. New Series), S. 136–150, bes. S. 148 f., Abb. vor dem Titelblatt; Norbert H. Ott: Vermittlungsinstanz Bild. Volkssprachliche Texte auf dem Weg zur Literarizität. In: Text und Text in lateinischer und volkssprachiger Überlieferung des Mittelalters. Freiburger Kolloquium 2004. Hrsg. von Eckart Conrad Lutz u. a. Berlin 2006 (Wolfram-Studien 19), S. 191–208, hier S. 195 f., Abb. 33 (187r); Christoph Winterer: Das Fuldaer Sakramentar in Göttingen. Benediktinische Observanz und römische Liturgie. Petersberg 2009 (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 70), bes. S. 10 f. (weitere Lit. zur ›Beichte‹), 170–191, 249–268, 477–479, Taf. 1–55b (in Farbe), darunter Taf. 43 (187r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXXIII: 187r. Öffentliche Beichte und Buße.

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Taf. XXXIII.