67.3. Marquard von Lindau, ›Dekalogerklärung‹
Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser
KdiH-Band 7
Der Franziskaner Marquard von Lindau, sicher bezeugt zuerst 1373 als Lektor im Straßburger Franziskanerkloster, danach als Vorsteher der Konstanzer Bodensee-Kustodie, seit 1389 Provinzialminister der süddeutschen Franziskanerprovinz, starb in wohl nicht allzu hohem Alter in Konstanz am 15. August 1392. Der »produktivste Autor des Franziskanerordens in Deutschland in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts« (so
Marquards deutsche ›Dekalogerklärung‹ in Form eines Meister-Jünger-Gesprächs ist in mehreren Fassungen überliefert. Die Struktur des Traktats folgt den Zehn Geboten, bildet jedoch keinen strikten Kommentar. Jedes Kapitel über eines der Gebote ist in sich wiederum dreigeteilt.
Die ›Dekalogerklärung‹ ist möglicherweise durch den Autor selbst häufig mit einem anderen seiner Werke, dem ›Auszug der Kinder Israel‹, kombiniert worden (zu diesem Werk, das eher unter mystisches Schrifttum einzuordnen ist, vgl. künftig Stoffgruppe 93.). Dabei wurde die ›Dekalogerklärung‹ − meist in der Kurzfassung B − zwischen die beiden Teile des ›Auszugs‹ integriert. Die breite Überlieferung der ›Dekalogerklärung‹ für sich übersteigt jedoch diejenige des ›Auszugs‹ (mindestens 134 Handschriften, davon 44 mit der Kombination beider Texte; vgl.
Zur ›Dekalogerklärung‹ ist eine Illustrierung nur in einer einzigen Handschrift ausgeführt, mit jeweils einem Bild zu Beginn der einzelnen Gebote. In einer weiteren Handschrift war Illustrierung vorgesehen (Leerräume). Lediglich kalligraphische Randverzierungen und eine einfache Schmuckinitiale am Anfang enthält die Handschrift Lindau, Stadtbibliothek, P I 30, die als Haupttext ›Die vierundzwanzig Alten‹ des Otto von Passau enthält (vgl. Nr. 4.0.31.; 226r der Beginn von Marquards Text). Gelegentlich tritt auch (später eingefügte) Ausstattung mit Druckgraphik allgemein christlicher Thematik auf, wie der Verkündigungs-Holzschnitt in Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. IV, 31 und ein Holzschnitt mit der hl. Katharina in Cent. VI, 43n, jeweils im Deckel eingeklebt (vgl.
Auch die beiden Straßburger Frühdrucke sind mit Holzschnitten geschmückt – anders als die voraufgehende Inkunabel (Venedig: Erhart Ratdolt, 1483; GW M21095); sie zeigen jedoch keine unmittelbare Abhängigkeit von den Bildern der Gießener Handschrift. Die Holzschnitte weisen aber Ähnlichkeiten mit denen der Augsburger ›Seelentrost‹-Inkunabeln (vgl. oben allgemeine Einleitung, S. 402) auf, die die Marquard-Drucke beeinflusst haben dürften (
Nach dem Druck Venedig 1483:
Siehe unten zu 67.3.1. –