KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

67.3. Marquard von Lindau, ›Dekalogerklärung‹

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 7

Der Franziskaner Marquard von Lindau, sicher bezeugt zuerst 1373 als Lektor im Straßburger Franziskanerkloster, danach als Vorsteher der Konstanzer Bodensee-Kustodie, seit 1389 Provinzialminister der süddeutschen Franziskanerprovinz, starb in wohl nicht allzu hohem Alter in Konstanz am 15. August 1392. Der »produktivste Autor des Franziskanerordens in Deutschland in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts« (so Nigel F. Palmer: Marquard von Lindau. In: 2VL 6 [1987], Sp. 81–126, hier Sp. 81; vgl. auch Stephen Mossman: Marquard von Lindau and the Challenges of Religious Life in Late Medieval Germany. The Passion, the Eucharist, the Virgin Mary. Oxford 2010 [mit weiterer Literatur]) verfasste zahlreiche deutsche und lateinische Schriften, darunter neben Predigten scholastisch-theologische Traktate, praktisch-moralische Lehrschriften sowie mystisch-allegorische Erbauungsliteratur mit zum Teil sehr breiter Überlieferung.

Marquards deutsche ›Dekalogerklärung‹ in Form eines Meister-Jünger-Gesprächs ist in mehreren Fassungen überliefert. Die Struktur des Traktats folgt den Zehn Geboten, bildet jedoch keinen strikten Kommentar. Jedes Kapitel über eines der Gebote ist in sich wiederum dreigeteilt. Palmer (1987, Sp. 89) bezeichnet das Werk als »christliche Lebenslehre auf scholastischer Grundlage, die durch mariologische und mystische Lehren erweitert wurde«. Eine Hauptquelle bildet Heinrichs von Friemar ›De decem preceptis‹. Unter den nachgewiesenen mystischen Quellen sind vor allem in Fassung C das ›Buch von geistlicher Armut‹, Johannes Tauler und Jans van Ruusbroec ›Brulocht‹ (vgl. künftig Stoffgruppe 93.) zu nennen; das letztgenannte Werk wurde besonders im Kapitel über das 10. Gebot herangezogen. Als Exempel des vollkommenen Menschen in der Erfüllung jedes der Gebote wird Maria präsentiert, wobei die katechetisch-moralischen Erläuterungen jeweils im zweiten und dritten Teil eines Kapitels hin zu kontemplativen Aspekten überschritten werden (vgl. Mossman [2010] S. 244 ff.).

Die ›Dekalogerklärung‹ ist möglicherweise durch den Autor selbst häufig mit einem anderen seiner Werke, dem ›Auszug der Kinder Israel‹, kombiniert worden (zu diesem Werk, das eher unter mystisches Schrifttum einzuordnen ist, vgl. künftig Stoffgruppe 93.). Dabei wurde die ›Dekalogerklärung‹ − meist in der Kurzfassung B − zwischen die beiden Teile des ›Auszugs‹ integriert. Die breite Überlieferung der ›Dekalogerklärung‹ für sich übersteigt jedoch diejenige des ›Auszugs‹ (mindestens 134 Handschriften, davon 44 mit der Kombination beider Texte; vgl. Palmer [1983] und Palmer [1987]). In der Drucküberlieferung wurden die zwei Texte wieder voneinander getrennt, jeder für sich erscheint dreimal im Verbund mit anderen Werken.

Zur ›Dekalogerklärung‹ ist eine Illustrierung nur in einer einzigen Handschrift ausgeführt, mit jeweils einem Bild zu Beginn der einzelnen Gebote. In einer weiteren Handschrift war Illustrierung vorgesehen (Leerräume). Lediglich kalligraphische Randverzierungen und eine einfache Schmuckinitiale am Anfang enthält die Handschrift Lindau, Stadtbibliothek, P I 30, die als Haupttext ›Die vierundzwanzig Alten‹ des Otto von Passau enthält (vgl. Nr. 4.0.31.; 226r der Beginn von Marquards Text). Gelegentlich tritt auch (später eingefügte) Ausstattung mit Druckgraphik allgemein christlicher Thematik auf, wie der Verkündigungs-Holzschnitt in Nürnberg, Stadtbibliothek, Cent. IV, 31 und ein Holzschnitt mit der hl. Katharina in Cent. VI, 43n, jeweils im Deckel eingeklebt (vgl. Schmidt [2003] S. 437 f. und 438 f.).

Auch die beiden Straßburger Frühdrucke sind mit Holzschnitten geschmückt – anders als die voraufgehende Inkunabel (Venedig: Erhart Ratdolt, 1483; GW M21095); sie zeigen jedoch keine unmittelbare Abhängigkeit von den Bildern der Gießener Handschrift. Die Holzschnitte weisen aber Ähnlichkeiten mit denen der Augsburger ›Seelentrost‹-Inkunabeln (vgl. oben allgemeine Einleitung, S. 402) auf, die die Marquard-Drucke beeinflusst haben dürften (Lehmann-Haupt [1929] S. 139 nahm dagegen eine Beeinflussung der ›Seelentrost‹-Drucke durch die Gießener Handschrift an).

Editionen:

Nach dem Druck Venedig 1483: Jacobus Willem van Maren: Marquard von Lindau. Das Buch der zehn Gebote. Textausgabe mit Einleitung und Glossar. Amsterdam 1984 (Quellen und Forschungen zur Erbauungsliteratur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit 7) (Fassung C3). − Faksimileausgabe nach dem Druck Straßburg, Johann Grüninger 1516: Jacobus Willem van Maren: Marquard von Lindau. Die zehe Gebot (Straßburg 1516 und 1520). Ein katechetischer Traktat. Textausgabe mit Einleitung und sprachlichen Beobachtungen. Amsterdam 1980 (Fassung C1).

Literatur zu den Illustrationen:

Siehe unten zu 67.3.1.Peter Schmidt: Gedruckte Bilder in handgeschriebenen Büchern. Zum Gebrauch von Druckgraphik im 15. Jahrhundert. Köln / Weimar / Wien 2003 (pictura et poesis 16), S. 437 f. und 438 f.