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67.9.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Hdschr. 300

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 7

Datierung:

Nach 1480 (vgl. Datum auf Bl. 1).

Lokalisierung:

Nürnberg (?).

Besitzgeschichte:

Die Handschrift stammt aus dem Besitz des Nürnberger Bürgers Linhart Eckmanshofer, der selbst als Buchmaler belegt ist (Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. quart. 1861; vgl. Nr. 59.13.1. [Historienbibeln], dort ohne dessen Lokalisierung nach Nürnberg; vgl. Heydeck [2017] S. 292 [mit weiterer Literatur]); von dort gelangte sie in das Zisterzienserinnenkloster Kirchheim im Ries (vgl. den Besitzeintrag 1v: Daz buch gehort in das closter cze kyrchen sant Bernharts orden. Es hant jn geschafft Lienhart Eckmanshoffer vnd Anna Canhelmerin sein eliche husfraw. Got sey in bayden genedig). Im Kirchheimer Bücherverzeichnis von 1545 ist die Handschrift unter dem Titel Der schlauffent sünder unter der Rubrik teutzsche bücher verzeichnet. Heydeck vermutet, dass sie dort als Allgemeinbesitz im sog. Sangeramt aufbewahrt wurde und daher nicht als Säkularisationsgut 1831/32 in die Oettingen-Wallerstein’sche Bibliothek gelangte. Vielmehr waren die späteren Besitzer Joseph Bonaventura Progel († 1849; sein gedrucktes Exlibris im Vorderdeckel, mit handschriftlichen Blattangaben zu den Miniaturen), der Tübinger Orientalist Christian Friedrich Seybold († 1921; vgl. *1r Ex libris Seybold 5. 32) und der Wiener Bankier Albert Figdor († 1927; im Vorderdeckel dessen typisches Papierschildchen mit einem blauen gedruckten F und der handschriftlichen Nummer 1242). Danach bezeugt im Antiquariat Gilhofer & Ranschburg, Luzern (Nr. 1932/7), im Antiquariat Hans P. Kraus, Wien (Nr. 1935/2), 1935 in der Sammlung der Familie Adam in Staßfurt/Goslar, die 1980 bei Helmut Tenner, Heidelberg (Auktion 126, Sammlung Adam Teil I, 6. Mai 1980, Nr. 30) verkauft wurde. Von der Berliner Staatsbibliothek 1988 erworben aus dem Sammelkauf ehem. Dörling.

Inhalt: Predigten und Lehren vom christlichen Leben (Predig vnd gut lere).
*2r–*4v Register
1. 1r–120v Beichtlehre eines Franziskaners vom schlafenden Sünder
2. 122r–160v Predigten und Gebet auf Maria
122r–131v auf Mariae Verkündigung; 132r–152v auf Marias Tod und Himmelfahrt; 153r–157v auf die Tugend Marias Lere vnd lobe von der […] jungkfrawen Maria wie sie worden ist eyn muter Gottes vnd eyn muter der sunder […]; 158r–158v Gebet O Du gutigste herscherin vnd du suesse heilige jungkfraw Maria […]
3. 161r–175r Predigten vom richtigen Beten und vom christlichen Leben Ein lere vnd predig wie man peten sulle vnd was da gehör zu eim zymlichen gepeet
4. 175r–246r Lehren vom christlichen Leben
175r–177r Vom reinen Herzen
177r–178v Über Tugend und Untugend
179r–181r Vom christlichen Leben als Kind Marias und Bruder Jesu Christi
181v–182v Von den sechs Werken der Barmherzigkeit und ihrem Nutzen
182v–184r Von der Schädlichkeit der Sünden
184v–185v Vom Schweigen und Reden
186r–189r Vom Wort Gottes und seinem Nutzen
189v–191v Vom wahren Frieden
193r–201v ›Die geistliche Geißel‹
202r–204r Von richtiger und bewährter Reue
204r–206r Über die Wege zur Sündenvergebung
206r Über die richtige Beichte
206v–209r Über die täglichen Sünden
209v–213r Über die zwölf Wege, Sündenerlass zu erlangen
213v–218r Über die richtige Buße
218v–227v Über die sieben Sakramente als Heilmittel gegen Sünden
227v–229v Über den Nutzen des Leichnams Jesu Christi
229v–232v Über zwölf Tugenden der Seele
234r–237v Über drei Arten von Menschen in ihrer Betrachtung des Leidens Christi
238r–246v Über den Nutzen der Betrachtung des Leidens Christi (= ›Stimulus amoris maior‹, pars I, cap. 4)
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier + Pergament (Bl. I, II; Abschrift einer Nürnberger Privaturkunde von 1460 auf dem vorderen Vorsatzblatt), *4 (Titel, drei Registerblätter, gesondert arabisch gezählt) + 251 Blätter (mit roter römischer Zählung, davon 246 beschrieben, ein Registerblatt und die Blätter 69, 192 und 233 fehlen, ein Blatt nach 150 wurde vor der Zählung entfernt, Lagenzählung auf der jeweiligen ersten Rectoseite, 121r und 247–251 leer), 210 × 155 mm, 21–24 Zeilen, eine Hand, sorgfältige Bastarda (Cursiva libraria), Rubrizierungen (Kapitelüberschriften, dreizeilige Initialen, Unterstreichungen, Strichelungen).

Schreibsprache:

nordbairisch-ostfränkisch.

II. Bildausstattung:

Zu den Texten 1 und 2 insgesamt dreizehn mit Wasserfarben kolorierte Federzeichnungen (2r, 9r, 12v [ganzseitig], 18r, 26r, 35r, 43r, 48v, 82r, 90r, 98v, 101r und 121v [ganzseitig]), davon zwölf zum Beichttraktat, die letzte zur anschließenden Marienpredigt. Ein Zeichner (Linhart Eckmanshofer?). Das fehlende Blatt 192 (192v) enthielt vielleicht eine Zeichnung und den Titel zum 193r folgenden Text ›Die geistliche Geißel‹ (vgl. Untergruppe 44.8., ohne diese Handschrift).

Format und Anordnung:

Zwei ganzseitige Bilder (12v und 121v), die anderen etwa halb- bis dreiviertelseitig (65–120 × ca. 100 mm), in Schriftspiegelbreite, jeweils dem betreffenden Textstück vorangestellt. Die Bilder 18r und 26r scheinen in ihrer sinngemäßen Reihenfolge vertauscht.

Bildaufbau und -ausführung:

Fein ausgeführte Miniaturen, anfangs (Sünder befindet sich auf der Blumenwiese) ohne Rahmen, danach ab 43r mit je zweifarbigem Rahmen (Handlung im Innenraum einer Kirche bzw. 121v im Haus Marias); durchgehend je ein oder zwei Schriftbänder oder umrahmte Beischriften, die zum Teil gereimt sind. Die einzelnen Bildelemente werden mehrfach wiederholt, die Details genau gesetzt: Der Sünder als junger Mann mit langem blonden Haar, modischer Kleidung und spitzen Schuhen, später im Büßergewand; zu Beginn (bis zur Bereitschaft zur Umkehr) befindet er sich auf einer Blumenwiese (Symbol für die sündige Welt); der mahnende Engel; der Mönch ist zu Beginn stets barfuß dargestellt, später im Beichtstuhl (ab 82r) mit Sandalen; der Kirchenraum als Ort der Umkehr mit Gewölbe, Säulen, Fenstern, Kachelboden, im letzten Bild zusätzlich ein Altar mit dreiflügeligem Bildaufsatz, Hostienkelch, Kerzen. Schöne schwungvolle Faltenwürfe.

Bildthemen:

Die zwölf Bilder zeigen den jugendlichen Sünder zwischen Teufel und Engel, seinen Weg aus dem Sündenschlaf und der Verzweiflung nach dem Erwachen zu Beichte und Buße mithilfe eines Franziskanermönchs als Lehrer und Beichtvater:

2r (Textbeginn) Schlafender Sünder liegt auf einer Blumenwiese, ein Teufel hält seinen Kopf
9v Ein Engel weckt ihn
12v Hinter dem schlafenden Sünder Meer mit Fischen und anderen Tieren, über ihm der engel des hochen rats (Engel der Apokalypse, ausgedeutet als Christus) mit Flügeln in Strahlenkranz, in der linken Hand ein Buch, die rechte zum Himmel erhoben, der rechte Fuß auf dem Meer, der linke auf Erdreich stehend, am Himmel eine dunkle Wolke, aus der Hagel niederfällt
18r Sünder stehend, er zerschneidet mit dem Messer seine Fesseln der Sünde, gegenüber ein Engel
26r Ein Barfüßermönch überreicht dem Sünder das Messer der Hoffnung zum Zerschneiden des Stricks der Verzweiflung, mit dem er vom Teufel gehalten wird
35r Mönch, jetzt als Beichtvater auf Beichtstuhl in gewölbtem Kirchenraum sitzend, ihm gegenüber noch auf der Wiese stehend der Sünder
43r Sünder, mit Rosenkranz in Händen, zur Beichte bereit, mit dem Mönch zusammen im Kirchenraum
48v Vollzug der Beichte, Mönch sitzend, Sünder, jetzt als Büßer in langem schwarzen Gewand, kniet vor ihm, im Hintergrund Altar mit Kruzifix und Kerzen, zwei Männer als Zuschauer
82r Katechetische Belehrung, Kirchenraum, Mönch und Büßer (wie 48v), hinter dem Büßer ein Schutzengel
90r Lehren zur Beichte (wie vorhergehendes Bild)
98r Beichtvater erteilt Absolution (wie vorhergehendes Bild)
101r Segen (wie vorhergehendes Bild, dazu im Hintergrund Glocke, Altar mit dreiflügeligem Bildaufsatz, Hostienkelch, Kerzen)
121v (vor der Verkündigungspredigt): Verkündigungsszene, geschlossener Raum, über dessen Balkendecke eine Stadt auf Hügeln sowie rechts oben Gottvater oder Christus als Halbfigur mit segnenden Händen. Der Raum ist durch eine verriegelte Tür geschlossen, drei Fenster mit Butzenscheiben, an der Wand über Maria eine Sanduhr, gekachelter Boden. Engel Gabriel ohne Flügel, im Mantel und mit Lilienstab in der Hand, kniet vor Maria, die vor einem Lesepult mit aufgeschlagener Bibel (Isaias Prophezeiung) steht.
Farben:

Lavierende Wasserfarben. Brauntöne, Rotbraun, Rot, Grün, Türkis, Ockergelb, Blau, Grautöne, Inkarnat, Deckweiß, Schwarz.

Literatur:

Heydeck (2017) S. 290–298. – Gilhofer & Ranschburg, Auktion VIII: Kostbare Bücher und Manuskripte aus den Bibliotheken der russischen Zaren in Zarskoje-Selo, Herzog Albrecht v. Sachsen-Teschen, Dr. Albert Figdor, Wien […]. Luzern 1932, S. 3, Nr. 7, Taf. 3 (121v), 4 (12v); H. P. Kraus: Katalog 3. Wertvolle Bücher und Handschriften. Wien 1935, S. 5 f., Nr. 2, Taf. 2 (vermutl. XIIv), 3 (26r); Tilo Brandis: Mittelalterliche deutsche Handschriften. 25 Jahre Neuerwerbungen der Staatsbibliothek zu Berlin − Preußischer Kulturbesitz. In: Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin − Preußischer Kulturbesitz, 6.− 8. April 2000. Hrsg. von Hans-Jochen Schiewer und Karl Stackmann. Tübingen 2002, S. 303–335, hier S. 307, 315, Nr. 35, Farbtaf. XXX (26r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXXIXa: 12v. Schlafender Sünder mit dem Engel der Apokalypse; dahinter: Meer und Hagel.

Abb. 106: 18r. Sünder zerschneidet seine Fesseln der Sünde.

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Taf. XXXIXa.
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Abb. 106.