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67.2. Bruder Berthold OP, ›Rechtssumme‹

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 7

Die ›Rechtssumme‹ Bruder Bertholds (in Handschriften und Drucken meist als Summa Johannis des decrets, Summa confessorum oder als Summa Johannis nach dem ABC [deutsch] bezeichnet) ist ein stark umgearbeiteter volkssprachlicher Auszug aus der lateinischen ›Summa Confessorum‹ des Dominikaners Johannes von Freiburg († 1314). Der Autor der deutschen Bearbeitung ist ebenfalls Dominikaner (ich Pruͦder Perchtolt vnd priester [] prediger orden, Fassung A, Prolog). Er ist gegen frühere Erwägungen jedoch nicht identisch mit dem Dominikanerlektor frater Bertholdus, der noch zur Lebenszeit des Johannes von Freiburg im Freiburger Kloster bezeugt ist. Vielmehr stammt der Autor der ›Rechtssumme‹ vermutlich aus dem bairischen Sprachraum und lebte wahrscheinlich in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die älteste Handschrift, die einer bereits redigierten Textform angehört (Innsbruck, Universitätsbibliothek, Cod. 549), ist auf das Jahr 1390 datiert. Berthold beruft sich auf einen Ritter Hans von Auer als Auftraggeber für sein Werk; auch dessen Identität ist bisher ungeklärt.

Anders als die scholastisch konzipierte, nach kanonistischen Sachgruppen gegliederte Vorlage ordnete Berthold den Stoff alphabetisch in etwa 700 Sachartikeln (von ›Ablass‹ bis ›Zweifel‹ bzw. ›Zwietracht‹). Er beschränkte den Stoff zudem auf primär für Laien relevante Bereiche. Das Ergebnis war ein deutschsprachiges Sitten- und Rechtsbuch primär für Laien, für die es Unterweisung in Glaubens- und Rechtsfragen des täglichen Lebens bot, um damit das Verhältnis eines Christen zu Gott und den Mitmenschen zu erklären. Das Handbuch war aber auch für die simplices clerici (slecht priester, Klosterneuburg, Cod. 362) geeignet, die das Werk im Rahmen von Beichte und Seelsorge zu Rate ziehen sollten. Als wichtige deutschsprachige Quelle für das kanonische Recht ist die ›Rechtssumme‹ im 15. Jahrhundert zudem oft im Kontext süddeutscher Rechtsbücher überliefert (vgl. Stoffgruppe 106. Rechtsspiegel) und auch im Besitz von Land- und Stadtrichtern nachgewiesen.

Die Überlieferung dokumentiert die weite Verbreitung des Werkes (in der Edition sind 125 Textzeugen nachgewiesen, darunter 96 erhaltene, der Rest sind verschollene oder vernichtete; vgl. auch Weck [1982]). Jedoch ist der Text nicht in seiner Urfassung, sondern nur in verschiedenen Bearbeitungen tradiert.

Vermutlich stammt von demselben Bruder Berthold auch ein Werk mit Meditationen über Leben und Leiden Christi: ›Der Sager oder mircker der tugent‹ (überliefert in nur einer Handschrift, Kroměříž [Kremsier], Historische Bibliothek des Erzbischöflichen Schlosses, Cod. O/c VIII 18, Inv.-Nr. 21082/13158, 2. Hälfte 15. Jahrhundert, mit 37 Miniaturen zum Leben Jesu von der Verkündigung Mariens bis zum Jüngsten Gericht illustriert; siehe Stoffgruppe 43. Gebetbücher, dort Nr. 43.1.90a.).

Die ›Rechtssumme‹ ist in der Regel in einfachen, wenn auch großformatigen Gebrauchshandschriften überliefert. Nur wenige Textzeugen weisen über simple Initialverzierung hinausgehenden Bildschmuck auf. Auch die gelegentlich vorhandenen Wappendarstellungen dienen nur als Besitzvermerke ohne künstlerischen Anspruch. Eine Ausnahme darunter bildet Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2821 mit einer künstlerisch beachtlichen heraldischen Darstellung und farbigen Schmuckinitialen, auch wenn diese ohne figürlichen Bezug bleiben; die Handschrift wird als Grenzfall mit einem Katalogisat aufgenommen (Nr. 67.2.2.). Daneben gibt es nur zwei weitere Handschriften, die jeweils eine figürliche Darstellung enthalten und daher unten vorgestellt werden: in einem Fall ein ganzseitiges Autorbild, im anderen eine Zeichnung Adams und Evas in der Initiale am Textanfang.

Die aus dem Kloster Mondsee stammende Sammelhandschrift Wien, Cod. 2842 (Menhardt 1 [1960] S. 412 f.; Weck [1982] S. 203–205, 275; 1v Kalendertabelle, lateinisch, Litterae dominicales; 2r–4r lateinischer Marienpreis, Inc. Salve preclara celorum regina advocata clemens miserorum …; 5r medizinische Aufzeichnung, lateinisch; 6ra–191va ›Rechtssumme‹; 194ra–213rb Thomas Peuntner, ›Liebhabung Gottes‹; u. a.) enthält keinen nennenswerten Bildschmuck; allerdings wurden vor Bl. 5 sechs Blätter mit Holzschnitten herausgeschnitten, von denen nur noch schmale kolorierte Randleisten mit Floraldekor erkennbar sind. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Holzschnitte sich auf die ›Rechtssumme‹ bezogen haben.

Auf einige weitere Handschriften sei hier kurz hingewiesen, da sie ebenfalls nennenswerte, nicht figurale Schmuckinitialen oder Fleuronné-Verzierungen enthalten, darüber hinaus jedoch keinen weiteren Buchschmuck: die beiden sorgfältig gestalteten Pergamenthandschriften Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Gengenbach 1, geschrieben in Textura quadrata mit kalligraphischem Charakter und mit drei rot-blauen Fleuronné-Initialen (Abb. von 1v siehe ›Rechtssumme‹ 1 [1987] S. 28*); und Klosterneuburg, Stiftsbibliothek, Cod. 389 mit fünf- bis 16-zeiligen Schmuckinitialen, darunter A, I und S anders als die übrigen mit geometrischem Flechtbandwerk gestaltet; ferner München, Staatsbibliothek, Cgm 513 mit 23 fünf- bis zehnzeiligen Deckfarbeninitialen; und Cgm 614, mit einer Fleuronné-Schmuckseite und nur zwei ausgeführten Goldinitialen (1r Buchstabe A; 13r B); weitere meist siebenzeilige Freiräume bei Beginn der Buchstabenbereiche. Vgl. Weck (1982) S. 101–103, 110 f., 135 f., 152.

Von den insgesamt zwölf Drucken der ›Rechtssumme‹ (zehn Inkunabeln und zwei Frühdrucke; siehe ›Rechtssumme‹ 1 [1987] S. 49*–57*) sind sieben mit einem Initialholzschnitt unterschiedlicher, meist geistlicher Thematik geschmückt (in einem Fall mit dem Bild eines thronenden Kaisers [Maximilians I.]). Fünf dieser illustrierten Drucke sind hochdeutsch und geben eine Mischredaktion B und MW wieder, zwei sind niederdeutsch (67.2.e. und 67.2.g.) und beinhalten die Textform der A-Redaktion.

Editionen:

Die ›Rechtssumme‹ Bruder Bertholds. Eine deutsche abecedarische Bearbeitung der »Summa Confessorum« des Johannes von Freiburg. Synoptische Edition der Fassungen B, A und C. Bd. I–IV: Einleitung und Text. Hrsg. von Georg Steer u. a. Tübingen 1987; Bd. VI–VII: Quellenkommentar. Hrsg. von Marlies Hamm und Helgard Ulmschneider. Tübingen 1991; Bd. VIII, 1–2: Wörterbuch. Hrsg. von Georg Steer und Heidemarie Vogl. Tübingen 2006 (Texte und Textgeschichte 11–14, 16, 17, 18).

Literatur zu den Illustrationen:

Helmut Weck: Die ›Rechtssumme‹ Bruder Bertholds. Eine deutsche abecedarische Bearbeitung der »Summa Confessorum« des Johannes von Freiburg. Die handschriftliche Überlieferung. Tübingen 1982 (Texte und Textgeschichte 6).