KdiH

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13.0.16. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 48

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 2

Datierung:

1461 (140v).

Lokalisierung:

Diözese Speyer.

Besitzgeschichte:

Entstanden im Auftrag Herzog Ludwigs I., des Schwarzen, von Pfalz-Zweibrücken (1424–1489): Porträt des in silberner Rüstung auf einem Schimmel reitenden Herzogs vor der Burg Trifels in der Titelminiatur 1v. Aus dem Archiv von Zweibrücken (alte Signatur F. Fin. Regal No. 23) vor 1816 an die Münchener Bibliothek gekommen.

Inhalt:
2r–140v Jacobus de Theramo, ›Belial‹, deutsch
Übersetzung A
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 140 Blätter, 229 × 168 mm, saubere Bastarda, eine Hand (Nicolaus Rohrbach, Kaplan in Trifels, 140v), einspaltig, 26 Zeilen, rote und blaue zwei- bis dreizeilige Lombarden, z. T. mit Fleuronnée in der Gegenfarbe, rot gestrichelte Buchstaben auch im fortlaufenden Text, Verweise auf Dekretal- und Bibelstellen sowie Namen rot unterstrichen, rote Zwischenüberschriften, mitunter auch als Marginalien.

Schreibsprache:

rheinfränkisch.

II. Bildausstattung:

39 (= 28 szenisch zusammengehörige) Deckfarbenminiaturen (1v, 11v+12r, 14v, 16r, 17r, 21r, 23r, 24r, 30v, 31v+32r, 36v, 37r, 45v+46r, 57v+58r, 77v+78r, 80v, 83v+84r, 85v, 86v, 87r, 95r, 97v+98r, 99v+100r, 100v+101r, 102v+103r, 130v+131r, 132r, 134r), mindestens drei Hände.

Eine 15zeilige Deckfarbeninitiale 2r: Buchstabenkörper I als stehender grüner Drache mit blauen Flügeln, aus rosa und grünem Akanthus wachsend (100 × 30 mm), daran anschließend zweizeiliges goldenes I. Auf allen vier Blatträndern gekreuzte naturalistische Blütenzweige (Akelei, Rosen, Vergißmeinnicht, Kornblumen, Disteln, Erdbeeren) im Stil der Utrechter Bordürenmalerei des 15. Jahrhunderts.

Format und Anordnung:

Alle Miniaturen sind von einem breiten Blattgoldrahmen umgeben, der außen mit dünner schwarzer, innen links und oben mit purpurner, rechts und unten mit gelber Pinsellinie eingefaßt und um den außen eine rote Perlenschnur gelegt ist, von der Federstrahlen und -kringel in Sepia, Rotviolett und Grün ausgehen; Rahmen der mit Federkringeln in Sepia, Blau und Rotviolett eingefaßten ganzseitigen Titelminiatur 1v (180 × 100 mm) oben mit einem Dreipaß abgeschlossen, dessen herunterhängende Spitzen in lilienartigen Dreiblattformen enden. Die meisten Bilder nahezu quadratisch (100–110 × 90–105 mm), 12r, 130v, 131r, 132v ganzseitig (161 × 103 mm). 22 Miniaturen schließen sich zu elf auf einander gegenüberliegende Seiten verteilten, szenisch zusammengehörigen Doppelbildern zusammen, die zwar je eigens gerahmt sind, deren Bildinhalte sich jedoch über beide Miniaturen erstrecken: Nur in einem Falle beziehen sich beide Darstellungseinheiten gewissermaßen spiegelbildlich aufeinander (97v Belial, 98r Moses jeweils mit ihren Schiedsleuten), sonst ist der räumliche und Handlungszusammenhang lediglich durch die Rahmen durchschnitten (z. B. 57v+58r links Moses und Belial, rechts der Richter, zu dem sie sprechen; 130v+131r links Aristoteles, zu den drei anderen Schiedsleuten rechts sprechend). Alle Illustrationen stehen in unmittelbarer Umgebung der illustrierten Textpassage.

Bildaufbau und -ausführung:

Der Codex ist die einzige mit Deckfarbenminiaturen illustrierte ›Belial‹-Handschrift. Dieser Ausstattungsanspruch, auch die Goldverwendung, ist wohl durch ihren fürstlichen Auftraggeber veranlaßt. Nicht nur die Maltechnik, sondern auch die Bildkompositionen weisen in die Nähe der zeitgenössischen Tafelmalerei: Die sehr individuell dargestellten Figuren und Figurengruppen agieren vor intensiv kobaltblauem Hintergrund in einem durch unterschiedliche Ausstattungsgegenstände und immer variierte Fußbodenfliesen (karminrosa mit schwarzen Mustern bei Salomo, bläulichgrün bei Joseph, grün-schwarz geschacht im Schiedsgericht) markierten Perspektivraum. Die Kleidung der Personen (lange Mäntel in Röhrenfalten, Brokatmuster, knielange Röcke mit Täschchen am Gürtel, pelzbesetzte ärmellose Umhänge, unterschiedliche Kopfbedeckungen, modische Schuhe usw.), die Möbel des Gerichtsraums (Baldachinthrone mit Vorhängen und Sitzkissen, Schreibpulte mit detailliert wiedergebener Holzmaserung, stoffbespannte oder mit Schnitzereien verzierte Sitzbänke) und die zahlreichen Ausstattungsdetails (Tintenhörner des Schreibers, stets wechselnde Fliesenmuster, niedrige, den Raum nach hinten abschließende Steinmäuerchen, die plastische Ausstattung der Höllenburg, ein bebrillter Teufel) verraten eine starke, auch in der Tafelmalerei der Zeit zu beobachtende Tendenz zu Detailrealismen.

Belial, stets nackt, in warmem Grün, auf das die Fellzeichnung in feinsten Pinselstrichen in grünlichem Gelb, Schwarz und Deckweiß aufgesetzt ist, Beine und Füße violettbraun, Fledermausflügel an der Unterseite violett mit roten und schwarzen Punkten, Widderhörner dunkelzinnober; die übrigen Teufel mehrfarbig (braun, blau, lila). Der grauhaarige Moses (feinste weiße und schwarze Pinsellinien auf grauer Untermalung) trägt einen ärmellosen lila Mantel mit gelbem Saum über blauem Unterkleid, Salomo ein schwarzes, pelzbesetztes Untergewand mit grünen Kringeln, einen hermelingefütterten, ärmellosen roten Mantel, rote Beinkleider mit Goldpunkten, goldene Schuhe und eine goldene Krone, Joseph von Ägypten einen roten Hut mit Hermelinrand, einen pelzgesäumten grauvioletten Mantel mit rotem Kragen, rote Schuhe und einen goldenen Gürtel. Jesus mit Wundmalen in grauem Unterkleid mit rotem, grün gefüttertem Mantel und goldenem Kreuznimbus und Krone, der Notar in violettem, weiß gesäumtem kurzem Rock, und engen blauen Hosen, der Gerichtsbote Azahel in schwarz-roten Mi-parti-Hosen, weißen Kniestrümpfen, blauem, kurzem Rock und schwarz-rotem Umhang.

Parallelfalten, runder, z. T. auch eckiger Faltenwurf je nach der dargestellten Stoffart: Schwere Brokatstoffe fallen weicher, leichte Stoffe umschmiegen die Körperformen (Knie bei Sitzfiguren). Modellierung durch ein fein abgestimmtes Gebinde aus leuchtenden, von Hell nach Dunkel changierenden Farben und durch aufgesetzte, feinste Pinselstriche in den Schattenpartien. Eher gedrungene Gestalten mit etwas zu großen runden Köpfen und ausdrucksvollen Handgebärden, meist in gemessener, ruhiger Haltung, lediglich Belial und die Höllenbewohner agieren mit heftigen Körpergebärden. Die Körperhaare der Teufel sind durch ein System feinster Pinsel- und Federhäkchen sowie kleiner Pünktchen in unterschiedlichen Farben angegeben. Mit dünnen Pinsellinien aufgesetzte Grasbüschel und kantige Steine am Boden von nicht im Innenraum spielenden Szenen. In der Farbpalette überwiegen frische und leuchtende Grün-, Blau- und Purpurtöne.

An den Miniaturen waren mindestens drei Maler beteiligt. Von der geübtesten Hand, wohl dem Leiter der Werkstatt, stammt die Titelminiatur mit der auffallend zart-plastischen Modellierung des Gesichts durch winzige aufgesetzte weiße Punkte an Wangen- und Stirnpartie. Stilistisch der Titelminiatur nahestehend, jedoch nicht von gleicher Hand 11v+12r, 130v, 134r (Plastizität der Gewänder, räumliches Verhältnis der Figuren zueinander, sorgfältige Behandlung von Belials Fell). An den übrigen, v. a. hinsichtlich der Anatomie (zu kurze Unterkörper, zu große Köpfe, sackähnliche, anatomische Details verhüllende Gewänder) wesentlich schematischeren Miniaturen (vgl. Frommberger-Weber [1973] S. 91) sind jedoch auch verschiedene Hände beteiligt. So wechseln z. B. die strähnigglatten Barthaare Salomos (14v, 21r) mit Korkenzieherlocken (16r), der Richter ist einmal zierlich und jung dargestellt (z. B. 58r), einmal alt und gedrungen (78r); Belial erscheint 37r schlank, 95r derb-muskulös (vgl. von Mickwitz S. 69f.).

Als Maler der Titelminiatur wurde erstmals 1910 der »Hausbuchmeister« (Meister des Amsterdamer Kabinetts [siehe Stoffgruppe 71. Kriegsbücher]) in Erwägung gezogen (Kaemmerer [1910] S. 190); Hotz (1956) S. 312 sah im Titelbild des Cgm 48 eine formale Vorstufe der Planetenkinder-Zeichnungen des Hausbuchmeisters; Vaassen (1973) Sp. 1280 stellt die Titelminiatur in die Nähe von dessen Evangelistenporträts (Evangeliar, Cleveland, Cleveland Museum of Art, William H. Marlatt Fund, Inv. 52.465); dagegen Frommberger-Weber (1973) S. 96. Zur Hausbuchmeister-Frage und dem Cgm 48 auch Campell-Hutchison (1985) S. 26; J. P. Filedt Kok (1985) Nr. 119; von Mickwitz (1991) S. 70–76. – Stange 7 (1955) S. 118f. postuliert Verwandtschaft mit den Miniaturen des 1471 in Heidelberg entstandenen Lehnsbuchs Kurfürst Friedrichs I. von der Pfalz (Karlsruhe, Badisches Landesarchiv). Stilistische Nähe der Textminiaturen des Cgm 48 zu den Miniaturen des um 1471 in Speyer illuminierten Statutenbuchs des St. German- und St. Moritz-Stiftes (Speyer, Staatsarchiv, F 1/81 [von Mickwitz S. 73]).

Bildthemen:

In zwei Register geteilte Titelminiatur 1v, oben der Auftraggeber der Handschrift in silberner Rüstung, mit dem Pfälzer Wappenschild und Zimier (Pinselgold) und erhobenem Schwert auf einem Schimmel über einen Bach reitend, links hinten die Burg Trifels, intensiv blauer, zum Horizont hin gelber Himmel mit bräunlich-gelben Wolken; unten der Autor des Werks in blauem Mantel und rotem Umhang mit roter Mütze am Schreibpult, hinter ihm ein Bücherschrank mit Vorhang, an der Rückwand die Jahreszahl m.cccc.lxj in Goldschrift. Keine Illustrationen aus biblisch-heilsgeschichtlichem Kontext, nur Darstellungen des äußeren Prozessverlaufs, doch mit deutlich formell-repräsentativer Tendenz: So händigt Salomo Urteilsschreiben usw. nie direkt, sondern stets durch einen Boten an den Kläger oder den Beklagten aus; bei der Zeugenladung 30v gibt der Gerichtsschreiber am Pult dem Boten Azahel das Ladschreiben, während Salomo auf dem Thron sitzt.

Farben:

Intensiv kobaltblauer Hintergrund, Grau, zahlreiche Brauntöne von warmem Rotbraun bis Graubraun, Karminviolett, Braunviolett, bläuliches Grün, Gelbgrün, Ockerschattierungen, warmes Gelb, Zinnober, mattes Rosa auf stumpfem Rot, Deckweiß, Schwarz, Pinselsilber, Blatt- und Pinselgold. Die Miniaturen des Cgm 48 entstanden sicher unter niederländischem Einfluß, aber wohl nicht in den Niederlanden selbst (Frommberger-Weber [1973] S. 97). Die Gemahlin des Auftraggebers, Johanna von Croi, entstammte einer brabantischen Adelsfamilie mit engen Beziehungen zum burgundischen Hof, Ludwig selbst hatte nach seiner Heirat enge Verbindungen zu burgundischen Höfen. Die Handschrift gehört zu den bedeutendsten deckfarbenminierten deutschsprachigen Codices der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Literatur:

Leidinger (1912) Nr. 97; Petzet (1920) S. 78–80. – Ludwig Kaemmerer: Ex Ungue Leonem. Der Cicerone 2 (1910) S. 190; Jacobi (1923) S. 71f., Abb. 40 (1v). 44 (2r); Albert Hartmann: Der grüne Teufel, eine Handschrift aus dem Bereich des Trifels. Völkische Wissenschaft 3, Heft 10 (1937) S. 282; Deutsche Buchmalerei des Mittelalters. Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek. München 1938, Nr. 127, Taf. 9 (1v unten); Hotz (1953) S. 312; Stange 7 (1955) S. 118f.; Norbert H. Ott: Illustrationskunst im späten Mittelalter. Zu den beiden Belial-Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek. Exlibriskunst und Graphik. Jahrbuch der Deutschen Exlibris-Gesellschaft 1965, S. 3–8, Abb. 1 (1v). 2 (130v+131r). 3 (132r); Vaassen (1973) S. 159; Frommberger-Weber (1973) S. 86–97, Abb. 71–111 (alle Miniaturen); Hummel (1981) S. 40f.; Ott (1983) S. 262–272. 313f. 442–450 (Beschreibung sämtlicher Illustrationen) und passim, Abb. 4 (16r). 5 (31v+32r). 6 (100v+101r). 7 (132r), Farbtafel vor S. I (1v); Jane Campell Hutchison: Ex ungue leonem: Die Geschichte der Hausbuchmeister-Frage. In: Vom Leben im späten Mittelalter. Der Hausbuchmeister oder Meister des Amsterdamer Kabinetts. [Ausstellungskatalog.] Rijksmuseum Amsterdam. Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut Frankfurt am Main 1985. S. 11–29, hier S. 24, Abb. 9 (1v, 12r); J. P. Filedt Kok, ebd. Nr. 119; Wolfgang Pleister / Wolfgang Schild (Hrsgg.): Recht und Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst. Köln 1988, S. 56f., Abb. 79 (87r). 80 (80v); Beate von Mickwitz: Eine illuminierte Handschrift zum deutschen volkssprachlichen »Belial-Prozess«: Untersuchungen zu Cgm 48 in der Bayerischen Staatsbibliothek München. Magisterarbeit (masch.) München 1991; Ott (1992) S. 230, Abb. 6 (31v); Ott (1992a) S. 1002 Anm. 19; Ott (1993a), Abb. 8 (132r). 10 (16r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 30: 30v. Salomos Gerichtsschreiber händigt dem Gerichtsboten Azahel das Ladschreiben an Jesus aus.

Abb. 31: 87r. Belial bringt im Beisein Mosis seine Klage vor Joseph von Ägypten, dem Richter der zweiten Instanz, vor.

Abb. 32: 11v+12r. Belial bittet Gott um einen förmlichen Prozess gegen Jesus.

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Abb. 32.