KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

13.0.4. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 657

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 2

Datierung:

1445.

Lokalisierung:

Oberfranken.

Besitzgeschichte:

Im Rankenwerk der Initiale 1r und über der Tür des Gerichtshauses 11v Wappen des reichsritterlichen fränkischen Freiherrngeschlechts von Schaumberg: Ein Angehöriger der Schaumberger, die in den Bistümern Bamberg und Würzburg auch höhere geistliche Würdenträger stellten, war sicher einer der Erstbesitzer, wenn nicht gar Auftraggeber der Handschrift. Exlibris B. M. Karoli Hartwici Gregorii de Meusebach im Vorderdeckel.

Inhalt:
1. 1r–60r Jacobus de Theramo, ›Belial‹, deutsch

Übersetzung A

2. 62r–135r Jacobus de Theramo, ›Belial‹, lateinisch
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 145 Blätter, 300 × 210 mm, sorgfältige kleine Bastarda, eine Hand (135r: finitus p[er] con[radum?] 1443), einspaltig, 36–38 Zeilen, zweizeilige rote Initialen mit gegenfarbigem Fleuronnée, rot unterstrichene Dekretalienzitate.

Schreibsprache:

ostfränkisch.

II. Bildausstattung:

30 kolorierte Federzeichnungen (4r, 4v, 5v, 6v, 7r, 8v, 9r, 11v, 12r, 14r, 16r, 16v, 18r, 18v, 20v, 26r, 33v, 34r, 35v, 36v, 37v, 38r, 42r, 43r, 55r, 55v, 56v, 57v, 58v, 60r), ein Zeichner.

Je eine Deckfarben-Initiale mit Rankenwerk zu Beginn von Text 1 (1r: 20-zeiliges, in Rankenwerk aus stilisierten Blättern und Blüten in bunten Farben auslaufendes I außerhalb des Schriftblocks, Ranken mit Goldfüllseln am linken, oberen und unteren Blattrand, Goldpunkte auch an der rechten Seite) und Text 2 (62r: Siebenzeiliges U, Buchstabenkörper aus Blattwerk, im Binnenraum Blümchen auf blauem Grund, am linken und oberen Rand Ranken aus Blättern und Blüten, Goldpunkte).

Format und Anordnung:

⅓–⅔ des Schriftspiegels einnehmende, ungerahmte, jedoch meist unten und seitlich durch eine einfache Federlinie begrenzte Zeichnungen am Kopf und am Fuß der Seite, aber auch zwischen dem Text. 4r, 4v, 7r, 8v, 9r, 11v, 18r – z. T. beschnittene – Maleranweisungen am linken oder am rechten Blattrand (z. B. 8v: die segst figur wie Beleal vor / dem richter sein anwurt thut); 6v, 12r–16v und 18v–58v nur Zählung der Illustrationen (z. B. 14r: Die zehend figur), ab 18v ([di]e dreizehend = Illustration 14) eine Nummer überspringend; 5v und 60r ohne Maleranweisung bzw. Zählung. (Abdruck aller Maleranweisungen bei Ott [1983] S. 350–360 passim.)

Bildaufbau und -ausführung:

Lockere, sparsam mit kurzen Stricheln, dunkleren Farbtönen und ausgesparten Lichtern modellierte Federzeichnungen; die von sicherer Hand geführten, an- und abschwellenden Umrißlinien z. T. mit kräftigerer Feder, Parallel- und Kreuzschraffen in den Schattenpartien; stellenweise Bleistiftvorzeichnung sichtbar, Irrtümer in Zeichnung und Kolorierung mit Deckweiß übermalt. Kolorierung mit breiten, lavierten Farbbahnen in helleren und dunkleren, meist gedämpften Ausmischungen. Unterschiedlich proportionierte Figuren mit oft etwas zu großen, runden Köpfen, aber ausdrucksvoller Mimik. Sehr abwechslungsreiche, lebhafte Gestik des meist in ruhigen Stellungen räumlich geschickt zueinander gruppierten Personals, bei vielfigurigen Darstellungen auch Köpfegruppen. Parallelfalten und runder, z. T. auch knittriger Faltenwurf, bisweilen auch eckige Hakenlinien.

Die Szene spielt entweder auf einem grasbewachsenen Bodenstück oder auf schräg nach hinten verlaufenden Schachbrettfliesen. Hintergründe fehlen, doch sind Innenräume sehr abwechslungsreich durch Seiten- und Rückwände, die Bildbühne begrenzende Säulen und gewölbte Decken gestaltet, zuweilen erlauben offene, krabbenbesetzte Arkadenbögen den Blick in einen tief gestaffelten Raum. Architektur ist zwar maßstäblich zu klein, aber sehr variationsreich und gefühlsperspektivisch korrekt dargestellt. Bis auf 35v – ein von einem Flechtwerkzaun umschlossener Garten mit zwei Laubbäumen, deren Kronen aus unregelmäßigen Kräusellinien konstruiert sind – keine Landschaftsdarstellungen.

Die weit über dem Durchschnitt stehenden Illustrationen zeichnen sich durch sehr originelle, auf Abwechslung bedachte, höchst unschematische Bilderfindungen aus. Personen und Architekturelemente korrespondieren sehr variationsreich miteinander, »realistische« Details (Kleidung, Mobiliar, Schreibgeräte des Notars, Architekturschmuck) beleben die der Bildformel nach eher stereotypen Dialogszenen. »Selbst innerhalb der einzelnen Bilder ist nicht alles auf die Hauptpersonen konzentriert, auch die Nebenfiguren sind untereinander in Beziehung gesetzt.« (Wegener S. 50). Belial trägt einen langen, in der Taille mit einem gedrehten Tuch geschnürten Rock mit weitem Kapuzenkragen und eine hohe, in einer gekrümmten Spitze endende Mütze; wie die übrigen, stets nackten Teufel hat er große, runde Knopfaugen.

Bildthemen:

Der Zyklus der Prozessbilder wird durch drei Illustrationen heilsgeschichtlicher Thematik (57v Christi Himmelfahrt, 58v Pfingstwunder, 60r Maria mit Kind auf dem Teufel stehend) abgeschlossen. Voraus geht der Folge der Gerichtsdarstellungen die Höllenberatung (7r), in der die Teufel den Entschluß fassen, ein förmliches Verfahren anzustreben. Das Verfahren selbst wird auffallend oft als repräsentativer, in einem palastartigen Innenraum stattfindender Vorgang dargestellt: Der Richter sitzt in der Regel frontal in der Bildmitte auf seinem erhöhten Thron, viele Darstellungen sind gänzlich frontalsymmetrisch komponiert (4v Belial wirbt vor Gott um einen Prozess, 5v Belial überreicht Salomo Gottes Empfehlungsschreiben, 7r Prozesseröffnung, 9r Klageinreichung, 16v Klagänderung, 34r Endurteil Salomos, 38r Joseph eröffnet das Appellationsverfahren). Zahlreiche Assistenzfiguren und juristische Ratgeber flankieren den Richter; bei der Darstellung der Prozesseröffnung 7r gruppieren sich sieben Personen mit lebhaften Redegebärden hinter dem frontal mit Zepter und Reichsapfel auf der Richterbank sitzenden Salomo, die die Maleranweisung – unabhängig vom Text – als s[iben] fursten geistlichen vnd w[elt]lichen [die Sieben Kurfürsten?] definiert. Die Berufsrolle der Rezipienten – Notare, Gerichtsschreiber und andere »halbgelehrte« Rechtspraktiker – wie die Schriftlichkeit des kanonischen Prozessrechts überhaupt ist über die Textanweisungen hinaus ikonographisch stark hervorgehoben: Belial überreicht z. B. in der Illustration der Klageinreichung 9r seine Klagschrift nicht dem Richter direkt, sondern zwei vorne rechts vor dem Richterthron hinter einem Tisch sitzenden Notaren; Salomo berät sich 11v mit seinen Beisitzern anhand von Rechtsbüchern über die Zulässigkeit eines Beiurteils; dem Endurteil geht 33r ebenfalls eine Beratung Salomos mit den Ratgebern Scaevola und Ulpian voraus, in der mehrere Bücher konsultiert werden; bei der Verkündigung des Endurteils 34r tragen zwei der 14 Beisitzer die richterlichen Insignien Schwert und Reichsapfel, ein weiterer hält ein Buch in Händen; die Beratung der vier Schiedsleute Jesaja, Jeremias, Octavian und Aristoteles 43r findet in einem Innenraum zusammen mit acht weiteren im Text nicht erwähnten Begleitern statt, Aristoteles trägt ein Buch unter dem Arm.

Möglicherweise erklärt sich der sowohl in der überdurchschnittlichen Ausstattung wie in ikonographischen Details sich ausdrückende Repräsentationsanspruch der Handschrift durch ihren adeligen Auftraggeber, der auch 11v über der Tür zum Gerichtshaus sein Wappen anbringen ließ.

Farben:

Gebrochenes Blau, mattes Gelb, Karmin, Zinnober, Umbra, jeweils in gedämpften, etwas trüben Ausmischungen; Olivgrün als einzige reine Farbe; Deckweiß.

Literatur:

Degering I (1925) S. 72. – Wegener (1928) S. 46–50; Albert Boeckler und Hans Wegener: Schöne Handschriften aus dem Besitz der Preußischen Staatsbibliothek. Ausstellungskatalog. Berlin 1931, Nr. 40; Zimelien (1975) Nr. 112; Ott (1981) S. 3, Abb. 1 (1r), Abb. 2 (11v); Hummel (1981) S. 41; Ott (1983) S. 267–272. 292. 348–360 (Beschreibung aller Illustrationen) und passim, Abb. 8 (9r). 9 (33v). 10 (34r). 11 (57v); Ott (1984) S. 383, Abb. 18 (9r); Ott (1992a) S. 1002 Anm. 19; Ott (1993a) Abb. 11 (9r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 12: 4v. Belial wirbt vor Gott um einen förmlichen Prozess gegen Jesus.

Abb. 13: 35v. Belial appelliert vor Salomo um ein Verfahren in der zweiten Instanz.

Abb. 14: 43r. Beratung der vier Schiedsleute Jeremias, Jesaia, Octavian Augustus und Aristoteles.

13.0.4._Abb._12.jpg
Abb. 12.
13.0.4._Abb._13.jpg
Abb. 13.
13.0.4._Abb._14.jpg
Abb. 14.