KdiH

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13.0.6. Boston (Massachusetts), Public Library, Ms. 1544 (ehem. Ms. f. Med. 122)

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 2

Datierung:

Um 1460.

Lokalisierung:

Wohl Bodenseegebiet.

Besitzgeschichte:

1952 durch den J. L. Whitney Fund für die Bibliothek erworben.

Inhalt:
1r–106r: Jacobus de Theramo, ›Belial‹, deutsch

Übersetzung A, ohne Übersetzervorrede

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 107 Blätter (106v und 107 leer), 300 × 205 mm, saubere Bastarda, eine Hand, einspaltig, 26–27 Zeilen, rote Strichelung, rote Zwischentitel von anderer, doch gleichzeitiger Hand, oft in der Funktion von Bildbeischriften, bis 16rzweizeilige rote Lombarden (ab 18v nicht mehr ausgeführt), Dekretalienzitate nicht rot unterstrichen.

Schreibsprache:

schwäbisch.

II. Bildausstattung:

60 kolorierte Federzeichnungen (5r, 6r, 6v, 7v, 8r, 9r, 9v, 10r, 11r, 11v, 12v, 13r, 13v, 15r, 15v, 18r, 20v, 22r, 24r, 25r, 25v, 26r, 28v, 29v, 30r, 30v, 32v, 34v, 35r, 37v, 39r, 41r, 43v, 52v, 54r, 55r, 58r, 59v, 61r, 62r, 63r, 63v, 65r, 65v, 72r, 73v, 74v, 75r, 76v, 78v, 82v, 84v + 85r, 87r, 89r, 91v, 93r, 95v, 97r, 99v, 101v), ein Zeichner.

Format und Anordnung:

Querrechteckige, schriftspiegelbreite Illustrationen, ca. ⅓–½ Seite hoch (80–120 × 150–155 mm), am Kopf und am Fuß der Seite, aber auch zwischen dem Text, von einer doppelten, mit mattem Gelb oder Rotbraun gefüllten Federlinie gerahmt. Häufig am Fuß der vorausgehenden Seite (4v, 5v), oder auch am Kopf der Folgeseite (13r, 18v), meist jedoch direkt unter der Illustration oder unmittelbar darauf folgend (7v, 8r, 9r, 11r, 13v, 25v, 28v, 29v, 30r, 34v, 35r, 43v, 55r, 58v, 61r, 63r, 65r, 65v, 72r, 73v, 74v, 76v, 78v, 85r, 87r, 89r, 91v, 93r, 95v, 97r, 99v) rote Zwischentitel in der Funktion von Bildbeischriften. Die illustrierte Textstelle folgt meist unmittelbar auf die Miniatur.

Bildaufbau und -ausführung:

Lockere Vorzeichnung mit dünner Feder, knittriger Faltenwurf, kaum Strichelung in Schattenpartien, Gesichter und Hände aus nur wenigen Linien sehr stereotyp gebildet, ab 11r sind Umrißlinien in dicker schwarzer Farbe mit mehrfachem Ansatz des Pinsels nachgezogen, ebenso mit feinerem Pinsel Gewandfalten und Lineaturen in Landschaften, Baumkronen und Architekturen auf die Kolorierung aufgesetzt. Modellierung durch Übermalung in dunkleren Ausmischungen. Gedrungene Gestalten mit großen runden Köpfen und groben Gesichtszügen, Inkarnat aus braunorangen Farbtupfern auf Papiergrund. Moses trägt ein langes blaues Gewand, Salomo eine Robe in warmem Rosa, Belial ist meist nackt dargestellt, sein behaarter Körper mattgelb laviert und teilweise mit grauer Übermalung modelliert, mitunter ist er auch mit einem dunklen Mantel bekleidet. Die vier Schiedsleute sind kaum individualisiert, lediglich Octavian ist durch seine Krone als Kaiser identifiziert, Aristoteles und die beiden Propheten Jesaja und Jeremias unterscheiden sich hingegen weder in Gestalt noch Kleidung.

Die meisten Szenen spielen in freier Landschaft auf einer grünen Rasenfläche unter einem blauen, sich nach unten aufhellenden Himmel. Obwohl Hintergrund durch kulissenartige Berge und kleine, pinienartige Bäume, deren Kronen aus waagrechten Pinselstrichen gebildet sind, angedeutet wird, sind die Darstellungen von nur geringer Raumtiefe; die Handlung findet in der Regel auf einer flachen Vorderbühne statt. Die Gerichtsszenen lassen eine Tendenz zur Variation in der Anordnung erkennen: Der Sitz des Richters, meist eine flache Bank, steht frontal in der Bildmitte oder ist links bzw. rechts schräg ins Bild gerückt. Die Hölle ist im Bildtyp des aufgesperrten Dämonenrachens dargestellt. Von den fünf Weltgerichtsbildern folgen zwei (91v, 93r) dem traditionellen zentralsymmetrischen Kompositionstyp, bei dem Christus im Bildzentrum, flankiert von zwei Posaunenengeln oben und den knienden Figuren Marias und Johannes’ unten, auf dem Regenbogen über den Verdammten und Seligen thront, bei den drei anderen (89r, 95v, 97r) nimmt der auf dem Regenbogen sitzende Weltenrichter die linke Bildhälfte ein, während ihm rechts in gleicher Höhe eine Personengruppe gegenübersteht.

Die ersten acht Illustrationen (5r–10r) unterscheiden sich vom Folgezyklus durch blasseres, laviertes Kolorit, durch das die Federvorzeichnung hindurchscheint; die Figurenumrisse und die Gewandfalten sind nicht, wie ab 11r, durch Farblinien mit dem Pinsel nachgezogen. Eher fraglich ist jedoch, ob sie von einer anderen Hand stammen (so Munsterberg): Da die Linienübermalungen den gleichen Duktus aufweisen wie die Vorzeichnungen in dünner Feder, ist vielmehr die Hand des gleichen Zeichners zu vermuten, lediglich die Kolorierung – in Aquarell- oder Deckfarben – könnte von verschiedenen Malern stammen.

Nicht alle Illustrationen stimmen mit der entsprechenden Textpassage in der Darstellung des Personals überein; oft sind nicht im Text erwähnte Personen, vermutlich aus rein kompositorischen Gründen, hinzugefügt.

Bildthemen:

Außer den gängigen Illustrationen des äußeren Handlungsverlaufs ist das Rechtsinstitut des Urkundenbeweises mit sechs Darstellungen (34v–43v) sehr ausführlich geschildert, wobei einerseits die Schriftlichkeit dieses Verfahrens besonders betont ist (Moses überreicht dem Richter die Bibel als Beweisurkunde 35r), andererseits der zu beweisende Tatbestand, Satans bereits stattgefundene Verurteilung durch Gott, im Prozess von Moses lediglich geschildert, eigens illustriert wird (Verurteilung Satans im Bildtyp Jüngstes Gericht 34v). Der Bestand an Illustrationen der im Prozess vorgetragenen biblisch-heilsgeschichtlichen Ereignisse ist zwar relativ gering, aber im Vergleich zu fast allen anderen Handschriften außergewöhnlich: Drei der fünf Darstellungen des Jüngsten Gerichts folgen nicht dem üblichen zentralsymmetrischen Kompositionstyp (91v, 93r), sondern konfrontieren die zu Richtenden in der rechten Bildhälfte mit Christus auf dem Regenbogen, begleitet von Maria und Johannes in der linken (89r, 95v, 97r). Bemerkenswert ist Christi Auferstehung 55r, bei der – einzig in der ›Belial‹-Ikonographie – dem mit der Kreuzesfahne auf dem Grabdeckel stehenden Auferstandenen links der betende, dem Maul des Wals entsteigende Jonas rechts typologisch gegenübergestellt wird. Aus dem üblichen Zyklus scheren (auch in der Anordnung auf zwei einander gegenüberliegende, in sieben Felder aufgeteilte Bildseiten 84v, 85r) die Illustrationen der sonst nur noch im Berliner Ms. germ. quart. 2033 (Nr. 13.0.5.) dargestellten Sieben Todsünden aus: Luzifers Sturz (Hochmut), Steinigung Achiors (Habsucht), Samson und Delila (Unkeuschheit), Aaron (Neid), Esaus Linsengericht [?] (Völlerei), Moses mit den Gesetzestafeln als Beispiel des gerechten Zorns, Jael und Sisera (Trägheit).

Farben:

5r–10r Mattgelb, Hellblau, bläuliches Grün, warmes Grau, Purpurkarmin und Braunorange stets laviert, Olivgrün deckend. 11r–22r Mattgelb laviert, Kobaltblau laviert und deckend, Purpurkarmin, Rotbraun und Grau deckend. 24r–101v Blaugrün, Graublau, Kobaltblau, Purpurkarmin, mattes Graubraun und bräunliches Rot stets deckend, vereinzelt Deckweiß, deckendes Schwarz für nachgezogene Umrißlinien.

Literatur:

Margaret Munsterberg: Satan’s Law-Suit Against Christ. The Boston Public Library Quarterly 6 (1954), S. 150–159; Zoltan Haraszti: Notable Purchases. The Boston Public Library Quarterly 7 (1955), S. 72–91, hier S. 79; Ott (1983) S. 276. 295. 368–382 (Beschreibung sämtlicher Illustrationen), Abb. 45 (85r); Ott (1992a) S. 1002 Anm. 19. 1004, Abb. 3 (35r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 15: 55r. Auferstehung Christi.

Abb. 16: 84v+85r. Die Sieben Todsünden, links Hochmut (Luzifers Sturz), Habsucht (Steinigung Achiors), Unkeuschheit (Samson und Delila), Neid (Aaron); rechts Völlerei (Esaus Linsengericht?), Zorn (Moses mit den Gesetzestafeln als Beispiel des gerechten Zorns), Trägheit (Jael und Sisera).

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Abb. 15.
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Abb. 16.