Ulrich Füetrers zwischen 1478 und 1481 entstandene ›Bayerische Chronik‹, die von 60 v. Chr. bis zum Jahr 1479 reicht und von einem unbekannten Autor bis 1511 fortgesetzt wurde, ist wie das ›Buch der Abenteuer‹ aus einer Vielzahl von Quellen – nach Spiller (1909/1969) S. XXXIV–LX insgesamt 68 – kompilatorisch zusammengefügt; auffallend häufig bezieht sich Füetrer dabei auf die sonst nirgendwo bezeugte Chronik eines gewissen Garibaldus. Historiographischen Vorlagen wird in diesem Verfahren der gleiche Wahrheitsgehalt wie literarischen, etwa dem ›Lohengrin‹ oder dem ›Jüngeren Titurel‹, zugemessen, was, wie Randglossen im Münchener Cgm 565 zeigen, Aventin (Johannes Turmair) zu heftiger Kritik veranlaßte. Dennoch hat er, wie vor ihm schon Ladislaus Sundheim und Veit Arnpeck, Füetrers Chronik in seinen eigenen ›Annales ducum Boiariae‹ und deren deutscher Version weidlich ausgebeutet.
Füetrers Chronik ist das am breitesten überlieferte seiner Werke, doch nur zwei Handschriften sind illustriert bzw. auf Illustration angelegt. Der Leipziger Sammelcodex Rep. IV. 6 (Nr. 26A.4.1.) enthält lediglich 29 für Bebilderung vorgesehene Leerräume, die entweder Wappen oder, wie die Namensbeischriften vermuten lassen, Herrscherporträts enthalten sollten, wie eines im Münchener Cgm 43 (Nr. 26A.4.2.) ausgeführt ist: der auf seinem Thron sitzende, sagenhafte Gründer der Pfalz, Trebeta. Eingeleitet wird die zwischen 1478 und 1487 wohl für Herzog Albrecht IV. angefertigte Handschrift mit einer ganzseitigen Wappentafel, Vorrede und Text beginnen je mit einer blütenrankenverzierten Initialseite.
Noch immer ungeklärt ist der Zusammenhang zwischen Füetrers ›Bayerischer Chronik‹ und einem im 19. Jahrhundert freigelegten Freskenzyklus im Alten Hof in München ([Heinrich] Föhringer: Bericht über die im Alten Hofe zu München aufgefundenen Wandgemälde. Oberbayerisches Archiv 12 [1851/52], S. 266–296), von dem noch 14 Porträts bayerischer bzw. mit Bayern in Verbindung gebrachter Herrscher mit Wappen und gereimter Beischrift (Die Inschriften der Stadt und des Landkreises München. Hrsg. von Rudolf M. Kloos. Stuttgart 1958, S. 25–28, Nr. 44) erhalten sind. Papierkopien zufolge umfaßte dieser Zyklus einst 60 Herrscherporträts, beginnend mit dem sagenhaften Urahn Bavarus, endend mit den seit 1460 gemeinsam regierenden oberbayerischen Herzögen Johann und Sigmund. Eine große Zahl der bei Füetrer erwähnten realen und fiktiven Ahnen und regierenden Herzöge kehrt auch in der Bilderfolge wieder, andere jedoch fehlen; andererseits sind Gestalten tatsächlicher oder mythologischer wittelsbachischer Seitenlinien in den Freskenzyklus aufgenommen, die die Chronik nicht berücksichtigt; das genealogische Konzept Füetrers weicht also deutlich von der Fürstenreihe der Wandmalereien ab (Studt [1995] S. 345 Anm. 66). Lange Gabriel Mäleskircher zugeschrieben, wurden die Fresken jüngst ohne eingehendere Begründung mit Ulrich Füetrer selbst als Maler oder zumindest als Programmator in Verbindung gebracht (Lieb [1988] S. 57): Schließlich hatte er 1478 Malereien heraldisch-genealogischer Thematik im Festsaal des Rathaus-Neubaus angebracht. Denkbar wäre jedoch auch der Einfluß des zuvor schon von anderer Hand geschaffenen Freskenzyklus auf Füetrers ›Bayerische Chronik‹ (Bastert [1993] S. 194).
Editionen: Bayerische Chronik. Hrsg. von Reinhold Spiller. München 1909. Neudruck Aalen 1969 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, N.F. 2,2).
Literatur zu den Illustrationen: Norbert Lieb: München. Die Geschichte seiner Kunst. 4., völlig neu überarbeitete und erweiterte Auflage 1988, S. 57; Bernd Bastert: Der Münchner Hof und Fuetrers ›Buch der Abenteuer‹. Literarische Kontinuität im Spätmittelalter. Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1993 (Mikrokosmos 33), S. 193–198; Birgit Studt: Gebrauchsformen mittelalterlicher Rotuli. Das Wort auf dem Weg zur Schrift – die Schrift auf dem Weg zum Bild. In: Vestigia Monasteriensia. Westfalen – Rheinland – Niederlande. Hrsg. von Ellen Widder, Mark Mersiowsky, Peter Johanek. Bielefeld 1995 (Studien zur Regionalgeschichte 5), S. 325–350, hier S. 344–346.