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26A.36. Kempten: Johannes Birk, Kemptener Chroniken

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 3

Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden zahlreiche in lateinischer wie auch in deutscher Sprache abgefaßte und untereinander vernetzte Berichte über die Geschichte des Benediktinerklosters in Kempten, das der Legende nach von Hildegard, der Gattin Karls des Großen gestiftet und mit Besitzungen ausgestattet worden sein soll. Die intensiven chronistischen Bemühungen in einer Zeit, in der die Auseinandersetzungen zwischen Kemptener Bürgerschaft und der Fürstabtei immer heftiger wurden, hatten offensichtlich das Ziel, die Legitimität der Herrschaft des Klosters über die Stadt Kempten (die dem Stift diese Legitimation absprach) zu untermauern und den Nachweis zu führen, daß die gegenwärtigen Rechts- und Besitzansprüche des Klosters im Willen der Kaiserin Hildegard verankert seien. Daher wurde nicht nur auf eine detaillierte Gründungsgeschichte des Stiftes, sondern auch auf die Betonung der Heiligmäßigkeit der Stifterin Hildegard, vor allem mittels der Beschreibung der an ihrem (gemäß Kemptener Überlieferung im Stift liegenden) Grab geschehenen Wunderzeichen, besonderer Wert gelegt (vgl. zuletzt Steffen Krieb: Das Gedächtnis der Herrschaft. Schriftlichkeit, Tradition und Legitimitätsglauben im Stift Kempen im 15. Jahrhundert. In: Werner Rösener [Hrsg.]: Tradition und Erinnerung in Adelsherrschaft und bäuerlicher Gesellschaft. Göttingen 2003, S. 23–42).

Um 1470, vielleicht schon vor 1467 war eine Abschrift der lateinischen, im Stift selbst auf Veranlassung des Abtes Johannes von Wernau entstandenen ›Vita Hildegardis‹ mit Deckfarbenminiaturen ausgestattet und zur Bekräftigung der Stiftsansprüche Kaiser Friedrich III. gewidmet worden (ehemals Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Bibliothek, Cod. 23, zuletzt im Antiquariat Dr. Jörn Günther, Hamburg [Katalog 3: Mittelalterliche Handschriften und Miniaturen. Hamburg 1995, Nr. 15, S. 92–98 mit 8 Abb.], danach in Schweizer Privatbesitz). Ausgehend von der ›Vita Hildegardis‹ unterschied Baumann (1899) sechs lateinische und deutsche Chronikbearbeitungen. Als deren Verfasser meinte er Johannes Birk aus Biberach, der wohl seit Ende der sechziger Jahre bis mindestens 1494 Leiter der Stiftsschule in Kempten war, ausmachen zu können (Baumann [1899] S. 24–30). Die Autorschaft Birks für sämtliche Schriften einschließlich der ›Vita Hildegardis‹ wird inzwischen bezweifelt (Schreiner [1975] S. 24; positiver Peter Johanek, in: 2VL 1 [1978], Sp. 870–875). Eine kritische Untersuchung der mittlerweile um weitere, Baumann noch nicht bekannte Textzeugen (v. a. Würzburg, Universitätsbibliothek, Cod. M. ch. f. 97, 131r–228r sowie München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 5819 und Cgm 9470) erweiterten Materialbasis steht noch aus. Kennzeichnend für sämtliche deutschsprachige Bearbeitungen ist eine versatzstückhafte Zusammenstellung von Informationen und Sagen zur Geschichte der Benediktinerabtei Kempten, die sich in Inhalt und Wortlaut nie völlig decken.

Unter den deutschsprachigen Kompilationen sind lediglich die beiden Handschriften, die erst in jüngster Zeit für die Bayerische Staatsbibliothek in München erworben wurden, bebildert bzw. waren zur Bebilderung vorgesehen:

– Cgm 9280 (Nr. 26A.36.1.) berichtet im ersten Teil, den Baumann (1899, S. 11) »Kemptner Chronik Karls des Großen« nennt, der Reihe nach über das Leben Karls des Großen, das Leben Hildegards, den Bau des Klosters unter Mithilfe der Riesen Sancimon und Celebrand, über Burghalde, die Weihe der Stiftskirche und Einsetzung des ersten Abts, über die Ausstattung des Klosters mit aus Rom überführten Heiltümern (an den Bericht angeschlossen sind die Legenden der Heiligen und Stiftspatrone Gordianus und Epimachus sowie der heiligen Marina, Frau des Gordianus), über die Ablässe der Klosteraltäre und des Altars der Kapelle auf Burghalde, über die zwölf Fürsten, die die Überführung der Reliquien von Rom nach Kempten begleitet haben, über die Schirmherren des Stiftes, über Wunderzeichen Hildegards, Ludwigs des Frommen und eine wundersame Karlsepisode; die ›Karlschronik‹ schließt mit der Sage vom Ritter Heinrich von Kempten. Danach handelt ein völlig separater zweiter Teil ( ain andren cronic des loblichen gotzhuß Kempten vnd ouch von sant Hyltgarten leben mit ander sachen; nach Baumann [S. 12] »eigentliche« oder »erste« Kemptener Klosterchronik) über das Leben Karls des Großen, Hildegards und Ludwigs des Frommen einschließlich der Gründungsgeschichte des Kemptener Klosters bis zur Wiederherstellung durch Herzog Ernst, die Kemptener Äbte bis Johann von Wernau, die Anfänge der Stadt Kempten; es folgen Berichte über von Kometen angekündigte und andere denkwürdige Ereignisse bis 1488. Die Münchener Handschrift ist eine (wohl durch eigene Zusätze ergänzte) Abschrift durch den Kemptener Notar Johann Kräler aus dem Jahr 1506. Kräler, der kurze Zeit später eine weitere chronikalische Abschrift anfertigte (Baumann [1899] S. 15: »zweite Kemptner Klosterchronik«: Kempten, Stadtarchiv, L 180 [Leichtle-Slg. der Bibliothek der St. Mang-Kirchengemeinde]), hatte die anspruchsvoll angelegte Chronikhandschrift für eine Bebilderung vorgesehen, die jedoch nicht zur Ausführung kam. Nach Meinung Baumanns (1899, S. 13) könnte die Handschrift, wie die ehemals Sigmaringer Handschrift der ›Vita Hildegardis‹ »zu einem Geschenke des Klosters an den Kaiser oder an einen anderen mächtigen Herrn bestimmt« gewesen sein; für eine Tätigkeit Krälers im Auftrag des Stifts Kempten gibt es jedoch keinerlei Hinweise.

– Cgm 9470 (Nr. 26A.36.2.) war Baumann noch unbekannt; sie enthält die ›Karlschronik‹ in leicht variierter Redaktion: Vor die abschließende Sage vom Ritter Heinrich von Kempten eine (an den Schluß der ›Ersten Kemptner Klosterchronik‹ erinnernde) Aufzählung denkwürdiger Geschehnisse in Kempten bis 1494 eingeschoben. Der ansonsten nicht belegte Schreiber Peter Brack fertigte ein im Vergleich mit Cgm 9280 deutlich schlichteres, aber ebenfalls zur Bebilderung vorgesehenes Manuskript. Zwar wurde hier der Bilderzyklus auch realisiert, doch für wen die Handschrift bestimmt gewesen sein könnte, bleibt unklar. Womöglich unabhängig von ihrer ursprünglichen Bestimmung muß sie sich einige Zeit lang im Besitz der Familie des Schreibers befunden haben, wo sie um einen hausbuchähnlichen Faszikel ergänzt wurde.

Beide Handschriften widmen sich ausführlich den Wunderzeichen am Grab Hildegards und Ludwigs des Frommen. Auch die lateinische ›Vita Hildegardis‹ enthält einen Bericht über 29 Wunderzeichen (in der ehem. Sigmaringer Handschrift mit Miniatur zu jedem Wunder, wegen Blattverlusts sind noch 24 Miniaturen erhalten, vgl. Bürgerfleiß und Fürstenglanz [1998] S. 132–134, Nr. 67 mit 8 Abb.). Tatsächlich sollen wol by dryssig Wunderzeichen Hildegards und Ludwigs unter Abt Gervicus Hertbander von Helmshofen (1343–1346) in der Klosterkirche jn dem Chor vnder dem bogen Etelichen an der wand Vnd by dem grab sant Hiltgartten dargestellt worden sein (Baumann [1899] S. 67 nach Cgm 9280, 89r–v; vgl. Schreiner [1975] S. 36 f. Anm. 129a), Bezeichnend ist nun, daß in den Münchener Codices der Zyklus lediglich 23 gezählte Wunderzeichen umfaßt, wobei allerdings zusätzlich zu den gezählten und mit Bild versehenen Zeichen im Text, deren Anordnung sich nicht mit derjenigen der lateinischen Fassung deckt, einige weitere Wunder ergänzt werden. Aber auch in seiner Gesamtheit deckt sich die Reihe nicht völlig mit derjenigen der lateinischen Fassung (auch nicht mit der Wunderreihe in der Würzburger Handschrift M. ch. f. 97, die ihrerseits zwar im Umfang – 137v–148r: 29 Wunderzeichen –, nicht aber in Details mit derjenigen der ›Vita Hildegardis‹ übereinstimmt). Die Wandbilder der Wunderzeichen in der Kemptener Abteikirche sollen 1483 unter Abt Johann II. von Rietheim (1481–1507) entfernt worden sein (vgl. Würzburg, M. ch. f. 97, 148r); unter demselben Abt wurden aber 1500 offenbar erneut Wunderzeichenbilder für die Klosterkirche angefertigt (Schreiner [1975] Anm. 129a nach Josef Rottenkolber: Geschichte des hochfürstlichen Stiftes Kempten. Kempten 1933, S. 64), von denen es nach der Zerstörung der Abteikirche im 30jährigen Krieg keine Spuren mehr gibt. Vermutlich nehmen die Wunderzeichen der Chronikhandschriften und ihre unterschiedliche Auswahl und Anordnung in einer nicht rekonstruierbaren Weise Bezug auf die Wandmalereien der Kirche. – Auch an anderer Stelle wird im Text auf Kemptener Wandmalereien hingewiesen: Cgm 9280, 57v heißt es von Ritter Heinrich, er sei ouch an etlichen heẅsern ze kempten gemalt gewesen die denn vor langen zytten vergangen sind.

Editionen:

Ausgabe fehlt; Teilabdrucke nach Cgm 9280, 7r–9v. 25v–26r und 59r–112v bei Franz Ludwig Baumann: Eine Kemptner Kronik des XV. Jahrhunderts. Alemannia 9 (1881), S. 186–210, 10 (1882), S. 29–58, unter dem Titel Die Kemptner Chroniken des ausgehenden 15. Jahrhunderts wieder in: Ders.: Forschungen zur Schwäbischen Geschichte. Kempten 1899, S. 1–101 (danach zitiert), hier S. 6–9 und S. 31–94; Teilabdruck nach Kempten, Stadtarchiv, L 180 (Leichtle-Slg., Bibliothek der St. Mang-Kirchengemeinde), 11r–13v ebd., S. 17–21. – Teilabdruck nach Cgm 9280, 53r–57r bei Hans Ferdinand Massmann: Der keiser und der kunige Buoch oder die sogenannte Kaiserchronik. Bd. 3. Quedlinburg und Leipzig 1854 [Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur IV,3,3), S. 1075–78 und André Schnyder: Konrad von Würzburg, Kaiser Otto und Heinrich von Kempten. Abbildungen der gesamten Überlieferung und Materialien zur Stoffgeschichte. Göppingen 1989 (Litterae 109), S. 27–32.

Literatur zu den Illustrationen:

Literatur zur Überlieferung und zu den Illustrationen: Baumann (wie oben). – Klaus Schreiner: Hildegardis regina. Wirklichkeit und Legende einer karolingischen Herrscherin. Archiv für Kulturgeschichte 57 (1975), S. 1–70. – Peter johanek: Birk, Johannes, in: 2VL 1 (1978), Sp. 870–875. – Bürgerfleiß und Fürstenglanz. Reichsstadt und Fürstabtei Kempten. Katalog zur Ausstellung in der Kemptener Residenz 16. Juni bis 8. November 1998, hrsg. von Wolfgang Jahn u. a. Augsburg 1998 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 38/39), S. 132–140, Nr. 67 und 68 (Klaus Schreiner) mit Abb.