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26A.13. Niedersachsen: Hermann Bote, Niedersächsische Weltchroniken

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 3

Der Braunschweiger Zollschreiber Hermann Bote verfaßte mehrere chronikalischen Schriften; neben dem ›Schichtbuch‹, eine weniger annalistische Chronik als thematisch begrenzte Darstellung einzelner braunschweigischer Ereignisse, die im ›Katalog‹ in der Untergruppe ›Ereignischroniken‹ (26B.) erscheint, schrieb er ab 1493 in rascher zeitlicher Folge zwei umfangreiche Weltchroniken. Beide sind nur als Autographen erhalten: Das ältere ist die ehemals Halberstädter, heute Braunschweiger Handschrift (Stadtarchiv, H VI 1, Nr. 28 [Nr. 26A.13.1.], entstanden zwischen 1493 und 1502), das jüngere die ehemals Helmstedter, heute Hannoveraner Handschrift (Niedersächsische Landesbibliothek, Ms XI 669 [Nr. 26A.13.2.], entstanden zwischen 1502 und 1504, mit Nachträgen bis 1518). In beiden Chroniken bettet Bote profane Geschichte in einen heilsgeschichtlichen Rahmen ein, beide folgen dem formalen Einteilungsschema der sechs Weltzeitalter. Dabei handelt die ältere Braunschweiger Chronik nach einer kurzen Schilderung der ersten fünf Weltalter (1ra–26ra) das christliche sechste Weltalter ausführlich in grundsätzlich annalistischer Chronologie ab (26rb–399vb); der zeitlichen Abfolge nach werden kapitelweise Berichte über territorial- und herrschergeschichtliche Ereignisse, Stadtgründungen sowie Kriege (Strit) und andere Begebenheiten, daneben auch nekrologische Nachrichten und Meldungen über Eklipsen und kosmische Erscheinungen aneinandergereiht. Die jüngere Hannoveraner Chronik ist zweiteilig angelegt. Teil 1 ist ähnlich konzipiert wie die Braunschweiger Chronik, die Geschichtsschilderung beginnt jedoch im Grunde erst mit der knapper als in der Braunschweiger Handschrift gefaßten Schilderung des sechsten Weltalters (24ra–161vb); den vorausgehenden Bericht über die vorchristliche Geschichte (die ersten fünf Weltalter) kennzeichnet Bote selbst deutlich als Vorspann, indem er seine eigenhändige Foliierung der Handschrift erst mit der Geburt Christi einsetzen läßt. Ergänzt wird dann als Teil 2 der Chronik eine ganze Reihe separater Institutions- und Territorialgeschichten in ständisch gegliederter Anordnung (162r–446r: Päpste, Bischöfe; Kaiser, Könige, Herzöge etc.). Bote gibt hier die Integration von Territorial- und Institutionsgeschichte in die Universalgeschichte auf zugunsten eines Kompendiums von aneinandergereihten Einzelgeschichten. Ein heilsgeschichtlicher Rahmen für beide Teile der Chronik wirkt durch seine nur lockere Anbindung sekundär. Ähnlich ausgegrenzt wie der alttestamentliche Vorspann ist auch die abschließende Geschichte des Glaubens von den heidnischen Anfängen bis zum Jüngsten Gericht, die den heilsgeschichtlichen Kreis schließt: Bote fügt sie nachträglich in Form eines (fragmentarisch erhaltenen) separaten Anhangs bei.

Für beide Chroniken entwarf der Autor selbst das Bildprogramm. In der älteren Braunschweiger Chronik ist entsprechend der homogen annalistischen Textstruktur auch die illustratorische Ausstattung einheitlich. Bote gibt mit zahlreichen Veduten zu den Stadtgründungsberichten der Stadt als Institution einen besonderen Ort in der Geschichte. Ähnlich ist auch die Bildausstattung von Teil 1 der Hannoveraner Chronik akzentuiert. Deren zweiter Teil hat dagegen einen ganz anderen Charakter. Den aneinandergereihten Einzelchroniken sind Herrscherporträts und schematische Sukzessionsreihen beigegeben, damit werden die jeweiligen institutionellen bzw. territorialen Amtsgenealogien ins Bild gesetzt. Es scheint allerdings so, als dokumentiere die Hannoveraner Handschrift dieses »neue« oder erweiterte historiographische Konzept Botes noch in einem Stadium des Entwurfs. So lassen Widersprüche zwischen dem Inhaltsverzeichnis und dem zur Ausführung gekommenen Text sowie kodikologische Befunde im letzten Viertel der Handschrift ein nachträgliches Einfügen von Papierlagen mit weiteren Einzelchroniken vermuten (der Lage S [Blatt 386–392] folgen sechs weitere mit S1–6 bezeichnete Lagen [Blatt 393–440], deren Inhalt im Inhaltsverzeichnis nicht oder an anderer Position genannt ist). Nicht eindeutig ist auch, welchen konzeptionellen Stellenwert für die gesamte Textanlage die durch ihre Gestaltung in Textura-Lettern mit Rankenumrahmung recht definitiv wirkende Schlußwendung Et sic est finis (411r) einnimmt, die am Ende des wenig zentralen Berichts über die Heiligen Bischöfe von Metz steht und so die Geschichte der Sachsen, die noch folgt und das Kompendium erst abschließt, aus der Reihe der Einzelchroniken ausnimmt. So wie sich die Chronik im noch nicht »durchgearbeiteten« Gewand der Hannoveraner Handschrift präsentiert, soll die Aneinanderreihung von Einzelchroniken jedenfalls in dieser abschluß- und höhepunktbildenden Geschichte der Sachsen kulminieren; sie ist auch durch das beigegebene Bildmaterial aus der Serie der übrigen Chroniken herausgehoben. In ihr als einziger Einzelchronik wird der Versuch gemacht, historisches Geschehen in Ereignisbilder umzusetzen: Die einleitende Darstellung eines Ritters mit Banner auf einem Schiff (435r) illustriert die Überfahrt der Sachsen von Mazedonien nach Lutloga; das Banner (mit Adler, Löwe und Drache) weist den Ritter als den Sachsen Hathagath (Hatigato) aus, der vor der Erstürmung der Burg Scheidungen das heilige Feldzeichen ergreift.

Der entstehungsgeschichtliche Zusammenhang der beiden Weltchroniken untereinander wie auch ihr Verhältnis zu der kaum älteren, 1492 gedruckten ›Cronecken der sassen‹ ist bislang nicht hinreichend geklärt. Der Druck, der in der Chronologie der drei Chroniken am Anfang steht, weist inhaltliche Beziehungen zu Hermann Botes historiographischen Schriften auf und stellt wie diese sächsische Territorialgeschichte und niedersächsische Herrschaftshäuser ins Zentrum seiner Geschichtsschilderung. Einem sehr knappen Abriß der Schöpfungsgeschichte bis zu Noah und dem Turmbau von Babel sowie der Römischen Geschichte bis Augustus (wobei schon die römische Geschichte ganz auf die Geschichte der Sachsen bzw. ihrer Herkunft zugeschnitten ist) folgt eine annalistisch angelegte Chronik bis 1489. Deren Struktur als Kaiser-Papst-Geschichte bildet zunehmend nur noch den Hintergrund für die Schilderung niedersächsischer Geschichte. Der Verfasser dürfte auch aufgrund sprachlicher Indizien im Braunschweiger Raum zu suchen sein; für eine Zuschreibung an Bote selbst fehlen jedoch sichere Anhaltspunkte.

Ebenfalls nicht ermittelt ist der Illustrator der ›Cronecken der sassen‹; einige Schnitte (das vielfach wiederholte Schlachtbild [erstmals 40r] und die Darstellung des Braunschweiger Lindenblatts von 1473 [268v]) tragen die Minuskeln h und r, die vermutlich als Formschneiderzeichen zu deuten sind). Stilistische Merkmale haben zur Zuschreibung eines Teils der Sachsenchronikschnitte an den Mainzer Meister WB bzw. Wolfgang Beurer geführt (Fedja Anzelewsky: Eine Gruppe von Malern und Zeichnern aus Dürers Jugendjahren. Jahrbuch der Berliner Museen 27 [1985], S. 36–59). Das Bildprogramm des Drucks weist mit seinen zahlreichen Phantasieveduten zu den Stadtgründungsgeschichten durchaus Parallelen zu den handschriftlichen Chroniken Botes auf, ist aber insgesamt mit der Nutzung einer breiten Palette von Bildtypen ungleich vielseitiger als die Handschriften. Neben Ereignisbildern (z. B. 7v Landung der Sachsen, 21r Wedekind setzt über die Elbe, 34r Heinrich von Bayern mit dem goldenen Wagen, 77v Verbrennung der untreuen Kaiserin durch Kaiser Otto III., 164v Zusammenlegung von Lüneburg und Braunschweig durch Kaiser Friedrich II., 231r Tod Friedrichs von Braunschweig und Lüneburg, u. a.), Einzelfiguren (heidnischen Abgöttern, Mönchen, Bischöfen) und zeichenhaft auf Ereignisse verweisenden, zahlreich wiederholten Bildschemata (Fahne mit zerbrochener Stange in Varianten; Schlachten) steht im Druck die Darstellung dynastischer Strukturen bei weitem im Vordergrund. In einer Vielzahl genealogischer Tafeln sind (in der Regel aus mehreren Einzelholzschnitten zusammengesetzt) Halbfiguren der Herrscherpaare, Wappen, Verbindungsseile und beschriftete Rundfelder miteinander kombiniert. Dieses Interesse an dynastischen Strukturen fehlt Botes Chronikhandschriften weitgehend.

Die Holzschnitte zur Mainzer Sachsenchronik entstanden etwa zeitgleich mit den Holzschnitten zur Schedel’schen Weltchronik (Nürnberg: Koberger, 1493). Zwischen den beiden Druckprojekten gibt es Parallelen, aber keine Abhängigkeit. Ähnlichkeiten bestehen nicht nur in der Opulenz der Ausstattung (die Sachsenchronik hat 1255 Darstellungen von 799 Druckstöcken, die Schedel’sche Weltchronik 1809 Darstellungen von 645 Stöcken), sondern auch im Bildprogramm. Beide Chroniken folgen mit der Auswahl biblischer Eingangsmotive und der Vielzahl von Porträts, Stammbäumen und Stadtveduten einem Modell, wie es für die seit 1486 erschienenen italienischen Ausgaben des ›Supplementum Chronicarum‹ des Jacobus Philippus Foresti entwickelt wurde (Krümmel [1992]). Konkrete Berührungen in der Motivgestaltung gibt es jedoch weder zwischen den beiden deutschen Chroniken noch zwischen der Sachsenchronik und dem ›Supplementum Chronicarum‹.

Fast 100 Jahre nach ihrem Druck wurde die niederdeutsche ›Cronecken der sassen‹ durch den Magdeburger Pfarrer Johannes Pomarius ins Hochdeutsche übertragen. Sie erschien, mit einem mehr als 200 Seiten langen ›Complementum‹ zu den Jahren 1490 bis 1588 und einer Vorrede von Sigfridus Saccus versehen, 1588 in Wittenberg, unverändert ein weiteres Mal 1589. Die Holzschnittausstattung dieser Drucke reproduziert mit einigen Kürzungen, Abweichungen und Wiederholungen das Bildprogramm des Mainzer Drucks von 1492; Zeichner und Reißer sind bislang nicht identifiziert, nur die zahlreichen Allianzbilder lassen sich einem Monogrammisten BP zuordnen. Eine Neuausgabe, ergänzt um einen weiteren Nachtrag und um ein Register des Leipziger Professors Matthäus Dresser wurde 1596 in Wittenberg gedruckt und in Magdeburg verlegt. Der Drucker Johannes Krafft übernahm zahlreiche Holzschnitte der Vorgängerausgaben von 1588 und 1589 und ergänzte neues Bildmaterial, das nur im Einzelfall Hinweise auf seinen Zeichner aufweist (S. 1: Schöpfung, Monogrammist HM).

Da der Druck der ›Cronecken der sassen‹ und seine hochdeutschen Bearbeitungen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den beiden handschriftlichen Chroniken Botes stehen, werden sie im folgenden ohne eigene Katalognummer in einem Anhang zu den Handschriftenbeschreibungen nur kurz nachgewiesen.

Editionen:

Von der ›Braunschweiger Chronik‹ liegt lediglich ein unvollständiger Handschriftenabdruck vor: Caspar Abel: Sammlung Etlicher noch nicht gedruckten Alten Chroniken [...]. Braunschweig 1732, S. 1–251. Auszüge der ›Hannoveraner Chronik‹ sind abgedruckt bei Conrad Borchling: Ein prosaischer nd. Totentanz des 16. Jahrhunderts. Niederdeutsches Jahrbuch 28 (1902), S. 25–31 [betr. 450r–453r]; Anhang zu Botes Hannoverscher Weltchronik. Abbildung mit Edition und Übersetzung von Heinz-Lothar Worm. In: Detlev Schötttker/Werner Wunderlich (Hrsg.): Hermen Bote – Braunschweiger Autor zwischen Mittelalter und Neuzeit. Wolfenbüttel/Wiesbaden 1987 (Wolfenbütteler Forschungen 37), S. 31–67 [betr. 447r–454v].

Gegenüberstellung von Auszügen beider Handschriften (und des Drucks): Gerhard Cordes: Auswahl aus den Werken Hermann Botes. Wolfenbüttel – Hannover 1948 (Texte zur deutschen Philologie und Literaturgeschichte 1), S. 13–18 (Braunschweiger Chronik), S. 19–28 (Hannoveraner Chronik); Ders.: Altes und Neues vom Krodo. Zu den Braunschweiger Weltchroniken des späten Mittelalters. In: Karl Fröhlich zur Vollendung des 75. Lebensjahres. Goslar 1952 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar 13), S. 6–21.

Literatur zu den Illustrationen:

Leo Baer: Die illustrierten Historienbücher des 15. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte des Formschnittes. Straßburg 1903 (Nachdruck Osnabrück 1973), S. 161–172; Gerhard Cordes: Die Weltchroniken von Hermann Bote. Braunschweigisches Jahrbuch 33 (1952), S. 75–101; Achim Krümmel: Das »Supplementum Chronicarum« des Augustinermönches Jacobus Philippus Foresti von Bergamo. Eine der ältesten Bilderchroniken und ihre Wirkungsgeschichte. Herzberg 1992 (Bibliothemata 6), S. 301–344; Carola Kirschner: Hermen Bote. Städtische Literatur um 1500 zwischen Tradition und Innovation. Essen 1996.