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39.5. Johannes Formschneider und Umfeld

Bearbeitet von Rainer Leng

KdiH-Band 4/2

Johannes Formschneider diente nach Aussage eines Kolophons in der einzigen mit seinem Namen verbundenen Überlieferung seines Bildkataloges 30 Jahre lang der Stadt Nürnberg als Büchsenmeister (Johannes fomschneider büchsenmeister vnd guͦter aben teürer, München, Cgm 734, 60v [siehe Nr. 39.5.4.]). Da die jüngste anonyme Überlieferung seines Werkes auf bald nach 1460 anzusetzen ist (Nürnberg, Hs 719 [siehe Nr. 39.5.6.]), dürfte er um 1430 in die Dienste der Reichsstadt getreten und um oder kurz vor 1460 den Bildkatalog für seinen Nachfolger Wagmeister angefertigt haben. Einen vergleichbaren Auftrag hatte der Nürnberger Rat bereits 1442 an seinen Werkmeister Konrad Glöckner erteilt, der Formschneider demnach gekannt haben müßte (Gießen, Hs. 996 [siehe Nr. 39.1.3.]). Auch mit den zeitweise in Nürnberger Diensten stehenden Büchsenmeistern Hermann Hertenstein, Hans und Hermann Widerstein (letzterer erwarb 1454 ein Haus in der Stadt und heiratete eine Nürnbergerin; Nürnberg, Stadtarchiv, A1-Urkundenreihe, Klarakloster 1455-10-23 und siebenfarbiges Alphabet, Urkunden 1454-09-03 und 1463-08-11) und Hans Rosenplüt stand er mit Sicherheit in beruflichem Kontakt.

Die Formschneider-Überlieferung konzentriert sich nach der Entstehung um 1460 auf das letzte Viertel des 15. Jahrhunderts und findet sich ausschließlich im süddeutschen Raum.

In der einzigen namentlich gekennzeichneten Überlieferung besteht der Bildkatalog Formschneiders aus gerade 18 Illustrationen (München, Cgm 734, 61r–71r [siehe Nr. 39.5.4.]). Charakteristisch ist ein Einleitungsbild eines gewappneten Boten mit Schwimmgürtel und einem gesiegeltem Brief; es folgen Zeichnungen vornehmlich von Hebezeug, Schirmen, Steigleitern, Tarrasbüchsen, Karrenbüchsen und Legestücken in verschiedenen Lafetten und Elevationsmöglichkeiten. Aufgrund der beruflichen Tätigkeit Formschneiders und dem Auftrag des Rates wäre es naheliegend, der Bildersammlung einen zeughausinventarartigen Charakter zuzuschreiben. Zahlreiche Abbildungen ziviler Natur, etwa aus dem Bereich der Bautechnik, heben sich aber von Nürnberger Zeugbeständen deutlich ab. Daß der Bildkatalog wesentlich umfangreicher gewesen sein muß, zeigen die parallelen Überlieferungen. Die älteste anonyme Fassung in der Nürnberger Hs 719 (siehe Nr. 39.5.6.) besitzt 28 illustrierte Seiten, ein Fragment aus losen Blättern im Deutschen Museum München (Hs. 1949–258 [siehe Nr. 39.5.2.]) zeigt 34 Zeichnungen und eine ebenfalls aus losen Blättern wieder zusammengesetzte Handschrift in Stuttgart (Cod. milit. 4o 31 [siehe Nr. 39.5.8.]) kommt auf wenigstens 131 Abbildungen. Die Zeichnungen Formschneiders sind in der Regel mit kurzen Beischriften versehen, die Namen der Geräte und verschiedene technische Informationen, etwa Größe, Gewicht und Leistungsfähigkeit der Waffen erläutern. Im Vordergrund stehen die Waffen selbst; auf szenische Kontexte wird durchgehend verzichtet. Ansätze zur Perspektivität sind erkennbar. Meist wird eine leicht erhöhte Perspektive gewählt, seltener einfache Seitenansicht oder Aufsicht. Die technische Information genießt vorrangige Aufmerksamkeit. Die Verzahnung von hölzernen Konstruktionen, das Zusammenspiel verschiedener Bauteile oder die Art und Weise der Aufhängung von Geschützrohren wird präzise wiedergegeben. Personendarstellungen, etwa als Bedienungsmannschaften sind ausgesprochen selten. Die meisten Handschriften fallen durch kräftige Ockertöne in der Kolorierung auf.

Abgesehen vom Münchener Cgm 734 erfolgt die Überlieferung durchweg anonym. Mehrfach lassen Fragmente auf eine umfangreichere Verbreitung schließen (München, Deutsches Museum, Hs. 1949–258 [siehe Nr. 39.5.2.]; Stuttgart, Cod. milit. 4o 31 [siehe Nr. 39.5.8.]; Wien, KK 6562B [siehe Nr. 39.5.9.]). Auffällig ist der enge Zusammenhang der Überlieferung mit Schriften und Bildkatalogen aus dem Umfeld anderer Büchsenmeister. Sowohl in München, Cgm 356 (siehe Nr. 39.5.3.) als auch in Cgm 743 wurden Teile des Werkes Formschneiders in Kompilationen von Berufskollegen aufgenommen und mit dem ›Feuerwerkbuch von 1420‹ sowie anderen Anleitungen und Illustrationen vereinigt. Im letzteren Fall besteht die Möglichkeit, daß eine Handschrift aus dem Besitz Formschneiders an seinen Berufskollegen Martin Merz überging und und mit dessen Werken erweitert wurde. In der Handschrift Sibiu, Ms. Varia II, 374 (siehe Nr. 39.5.7.) erfolgte die Vermittlung an einen aus Landshut stammenden Büchsenmeister Hans Haasenwein bzw. dessen Nachfolger. In sekundärer Vermittlung aus solchen Büchsenmeisterkompilationen dürften die Zeichnungen Formschneiders auch in Sammelhandschriften wie das Kriegsbuch Ludwigs von Eyb (siehe Nr. 39.5.1.) und in das ›Mittelalterliche Hausbuch‹ (siehe Nr. 39.5.10.) gelangt sein. In zwei Fällen erscheinen Zeichnungen Formschneiders als Anhang zu ›Bellifortis‹-Bearbeitungen (Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 161 Blankenburg [siehe Nr. 39.5.11.] und New York, Ms. 104 [siehe Nr. 39.4.13.]).

Daneben zirkulierte der Bildkatalog Formschneiders offenbar auch in technisch interessierten Nürnberger Handwerkerkreisen. Hierfür spricht die Aufnahme zahlreicher Zeichnungen in weitere aus Nürnberg stammende Handschriften vergleichbarer Ausrichtung. Zu nennen sind hier ein Kriegsbuch des Nürnberger Organisten Hans Henntz (Weimar, Q 342 [siehe Nr. 39.7.6.]) und in eine ›Furibundi‹ betitelte Handschrift, die möglicherweise in Beziehung zu Hans Folz steht (Gotha, Chart. B 1032 [siehe Nr. 39.7.2.]). Beide Handschriften beinhalten zwar eine umfangreichere Streuüberlieferung der Zeichnungen Formschneiders, wurden jedoch in anderen Gruppe verortet, da sie unter jeweils eigenem Titel bzw. Autornamen erscheinen. Hinzuweisen ist weiterhin auf eine hier nicht aufgenommene Handschrift mit ansonsten lateinischen Texten aus dem Besitz Hartmann Schedels (München, Clm 960). Sie enthält fol. 1r–9r 16 nicht kolorierte und textlose Federzeichnungen (nur eine deutsche Beischrift prechzeug 9r), die nach dem Vorbild Formschneiders Brechzeug, eine fahrbare Brücke und Steigzeug wohl nach kopierten Vorlagen aus Cgm 356 wiedergeben. In geringerer Streuüberlieferung sind Formschneider-Vorlagen auch im Weimarer Ingenieurkunst- und Wunderbuch (siehe Nr. 38.8.3.) sowie in München Cod. Hebr. 235 (siehe Nr. 39.7.5.) verwendet worden.

Editionen:

August von Essenwein: Mittelalterliches Hausbuch. Bilderhandschrift des 15. Jahrhunderts. Mit vollständigem Text und facsimilierten Abbildungen. Frankfurt 1887 (Nachdruck Hildesheim 1986); Helmuth Th. Bossert / Willy F. Storck: Das mittelalterliche Hausbuch nach dem Originale im Besitze des Fürsten von Waldburg–Wolfegg–Waldsee im Auftrage des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Leipzig 1912; Christoph Graf zu Waldburg Wolfegg (Hrsg.): Das mittelalterliche Hausbuch. Faksimile und Kommentar. München 1997.

Literatur zu den Illustrationen:

Volker Schmidtchen: Formschneider, Hans. In: 2VL 2 (1979), Sp. 793 f.; Rainer Leng: Bornen, morden vnd alletzeit triegen / stechen, slahen in engsten kriegen. Der Krieg im mittelalterlichen Hausbuch. In: Christoph Graf zu Waldburg Wolfegg (Hrsg.): Das mittelalterliche Hausbuch. Faksimile und Kommentar. München 1997, S. 145–161; Rainer Leng: Anleitung Schießpulver zu bereiten, Büchsen zu beladen und zu beschießen. Eine kriegstechnische Bilderhandschrift im cgm 600 der Bayerischen Staatsbibliothek München. Wiesbaden 2000 (Imagines medii aevi 5), S. 19; Ernst Berninger: Die technischen Handschriften des 15. Jahrhunderts in der Bayerischen Staatsbibliothek München. In: Patrimonia 137, München 2000, S. 72–74; Leng (2001) S. 31–35. 59ff.; Rainer Leng: Ars belli. Deutsche taktische und kriegstechnische Bilderhandschriften und Traktate im 15. und 16. Jahrhundert. Bd. 1: Entstehung und Entwicklung. Wiesbaden 2002 (Imagines medii aevi 12), S. 240 ff. 259 f.; Rainer Leng: Social Character, Pictorial Style, and the Grammar of Technical Illustration in Craftsmen’s Manuscripts in the Late Middle Ages. In: Picturing Machines 1400–1700. Hrsg. von Wolfgang Lefèvre. Cambridge (Mass.) / London 2004 (Transformations. Studies in the History of Science and Technology), S. 85–111, hier S. 96–100.