87.2.20. Strasbourg, Bibliothèque nationale et universitaire, ms. 7141
Bearbeitet von Pia Rudolph und Nicola Zotz
KdiH-Band 9
Um 1460 (Astro-medizinischer Kalender [2020] Bd. 2, S. 30f. und 50).
Oberrhein (der Kalender weist auf die Diözesen Basel und Konstanz, eher nicht Straßburg; vgl. Astro-medizinischer Kalender [2020] Bd. 2, S. 27–29).
Wohl für einen südelsässischen Auftraggeber (Schlettstadt, Colmar?) angefertigt, möglicherweise von einem unabhängig arbeitenden Maler der Lauber-Werkstatt (siehe unten). Die ursprüngliche, längere Handschrift wurde wohl im 18./19. Jahrhundert aufgelöst, jedenfalls datiert aus dieser Zeit der heutige Einband. Vor 1958 in den Besitz von Colonel David M. McKell, Chillicothe/Ohio (1881–1962), gelangt, vor 1973 wieder verkauft. 2015 im Katalog bei Bloomsbury in London, 2016 und 2018 beim Antiquariat Dr. Jörn Günther Rare Books AG (Stalden), 2018 von der Straßburger Bibliothek erworben. (Ausführlich zur Provenienz siehe Astro-medizinischer Kalender [2020] Bd. 2, S. 31–37.)
1r–12v |
Kalender
1r Neujahrsprognosen, 1v–12v Monatsregeln und Kalender mit Angaben zur Anzahl der Tage, goldener Zahl, Sonntagsbuchstaben, Zählung der Tage nach römischen Angaben, Heiligenfesten (Quellen laut Astro-medizinischer Kalender [2020] Bd. 2, S. 13–19: ›Rheinische Monatsregeln‹, die ›Mainauer Naturlehre‹ und das Iatromathematische Corpus, vgl. zu letzterem Nr. 87.2.16. und Untergruppe 87.3.)
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Pergament, zwölf Blätter (ein Sexternio; Argumente dafür, dass die Handschrift einst wesentlich umfangreicher war, gibt
westalemannisch/oberrheinisch mit südelsässischen Zügen (vgl.
Kolorierte Federzeichnungen unter Verwendung von Deckfarben: Je zwölf Astronomen auf den Monatsregel-Seiten und Monatsarbeiten sowie Tierkreiszeichen auf den Kalender-Seiten.
Nach der Vorrede auf 1r ist jede Doppelseite einem Monat gewidmet, mit je einer Seite Monatsregeln und einer Seite Kalender. Dabei wechselt die Anordnung: Die ungeraden Monate haben links die Regeln und rechts den Kalender, bei den geraden ist es andersherum. Auf 12v endet die Handschrift mit dem Dezember-Kalender, auf 13r dürften die zugehörigen Monatsregeln gestanden haben.
Die Monatsarbeiten sind rechts oben im Kalendarium in Medaillons angebracht, unter ihnen jeweils ungerahmt das zugehörige Tierkreiszeichen. Die Bilder der Astronomen befinden sich je unten in der b-Spalte.
Januar: janusköpfiger Mann beim Speisen (2r), Februar: Wärmen am Feuer und Würsteräuchern (2v), März: Bearbeitung der Weinstöcke (4r), April: Frau mit Blumen als Sinnbild für den Frühling (4v), Mai: Falkenjagd, Zwilling (nacktes, sich umarmendes Paar, der Mann hält eine Harfe, die Frau einen hackenförmigen Stab; vgl. zu diesem im Elsass verbreiteten Motiv die Einleitung 87.2.) (6r), Juni: Heuernte (6v), Juli: Kornernte (8r), August: Dreschen (8v), September: Aussaat (10r), Oktober: Weinkeltern (10v), November: Eichelmast der Schweine (12r), Dezember: Schlachten (12v). Die in den begleitenden Texten genannten Arbeiten sind nicht deckungsgleich mit den in den Bildern gezeigten, was auf verschiedene Vorlagen schließen lässt (Astro-medizinischer Kalender [2020] Bd. 2, S. 20f.).
Eine Besonderheit dieser Handschrift ist die Darstellung der Astronomen (am ehesten vergleichen sich die Darstellungen von Gelehrten in Nr. 87.1.16. oder im Druck Nr. 87.1.b., die freilich nicht als Astronomen gekennzeichnet sind; Sternseher sind ferner auch in den Handschriften der Elsässischen Sternbilderfolgen abgebildet, vgl. Untergruppe 11.2.). Stehend oder am Schreibpult sitzend, weisen sie meist auf einen über ihnen stehenden Stern, unter ihnen stets ein braunes Bodenstück, das bündig mit dem Ende der b-Spalte abschließt. Sie sind sehr abwechslungsreich gestaltet, vom Typus des alten Weisen bis zum sehr jungen Mann, in verschiedenen, auch königlichen Gewändern. Sie dienen als Autoritäten für die auf diesen Seiten formulierten Monatsregeln und Vorhersagen, was auch das von einer frühneuzeitlichen Hand über dem Astronom auf 5v nachgetragene Schriftband unterstreicht: Es werden zeichen geschehen (Lc 21,25).
Die abwechslungsreichen Darstellungen stammen von einer geübten Hand (
Rot, Blau und Weiß als Deckfarben, Grün, Gelb- und Brauntöne, Gold.