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103a. Prognostiken

Bearbeitet von Marco Heiles

KdiH-Band 10

Prognostiken sind Texte, mit deren Hilfe Aussagen über Zukünftiges und Verborgenes getroffen werden können. Die Texte vermitteln praktisches Wissen zur Zukunftsbewältigung und beziehen sich im Gegensatz zur prophetischen und eschatologischen Literatur (vgl. die Stoffgruppen 6. Apokalypse, 63. Jüngstes Gericht) hauptsächlich auf persönlich-weltliche Fragestellungen.

Die prognostische Literatur des Mittelalters ist äußerst breit (Heiduk [2021]). Differenzieren lässt sie sich zum einen epistemologisch über die angewandten prognostischen Verfahren, ihre Beobachtungsgegenstände und Erkenntnisziele und zum anderen kulturhistorisch nach ihren Überlieferungstraditionen und deren diskursiver Einordnung. Astrologische Verfahren basieren auf der Beobachtung der Himmelszeichen, medizinische Prognostiken auf der Beobachtung von veränderlichen Eigenschaften menschlicher Körper (Harnschau, Blutschau, Gesichtsfarbe) und zielen auf den Krankheitsverlauf (vgl. Telle [1968]). Kalendarische Prognosen beobachten den Zeitpunkt bestimmter Ereignisse (Donnerprognose, Christtagsprognostik) beziehungsweise bieten Prognostiken für bestimmte kalendarisch wiederkehrende Zeiten (Verworfene Tage). Epistemologisch schwieriger zu fassen sind die mantischen Prognostiken. Deren Verfahren beobachten so unterschiedliche Dinge wie Taufnamen (Namenmantik), ohne zu zählen erzeugte Punktreihen (Geomantie), Würfelergebnisse und andere Zufallsmechanismen (Losbücher) oder nichtveränderliche Merkmale des menschlichen Körpers (Chiromantie). Im Bereich der Ritualmagie zielen sie sogar auf eine direkte Kommunikation mit Teufeln, um deren Wissen zu erlangen. Diskursgeschichtlich jedoch sind alle mantischen Praktiken dadurch verbunden, dass sie kirchlich verboten waren und als vom Teufel beeinflusst wahrgenommen wurden (Heiles [2021a]). Sie wurden deshalb als magische und superstitiöse Praktiken ausgegrenzt. Dabei war der Diskurs über prognostische Praktiken und ihre theologische Bewertung nie statisch und allgemeingültig, sodass auch mantische Prognostiken eine breite Verbreitung erfahren und im Grunde alle Arten von Prognostiken als superstitiös angesehen werden konnten (vgl. Harmening [1979] S. 178f., 318f.; Heiles [2019]). Die hier genutzte Unterscheidung astrologischer, medizinischer, kalendarischer und mantischer Prognostik ist dementsprechend nur eine moderne Heuristik, die das Sprechen über diese Texte und Praktiken erleichtert, und spiegelt keineswegs die Komplexität der zugrundeliegenden Diskurse und Überlieferungszusammenhänge wider, die stets auch im Einzelnen betrachtet werden sollten.

Während die astrologischen, medizinischen und kalendarischen prognostischen Texte bereits in den jeweiligen Stoffgruppen behandelt worden sind (11. Astrologie/Astronomie, 65. Kalender, 87. Medizin) konzentriert sich diese Stoffgruppe auf die mantischen Prognostiken. Die Losbücher, die in den katechetischen Texten des 15. Jahrhunderts noch häufig als mantisch wahrgenommen werden, besonders im Buchdruck aber ihren Unterhaltungs- und Spielcharakter betonen (Heiles [2018] S. 207–217, 269–273; Heiles [2021b]), bilden eine eigenständige Tradition und sind in der Stoffgruppe 80. erfasst.

Die häufig ebenfalls mit der Mantik assoziierten deutschsprachigen Texte zur Traumprognostik, das heißt die ›Sominale Danielis‹-Fassungen, die Traumlunare, die ›Mantischen Alphabete‹ (›Somniale Joseph‹) und die physiologisch-medizinischen Traumdeutungen nach Rhazes, sind in den Handschriften nicht illustriert. Da erst die Drucke Bildprogramme entwickeln, werden diese hier nicht aufgenommen. Sie wurden aber bereits von Palmer/Speckenbach (1990) erfasst.

Innerhalb der mantischen Prognostiken lassen sich die Textsorten anhand der darin beschriebenen praktischen Verfahren sortieren. Die Untergruppen der Stoffgruppe sind nach diesem Kriterium geordnet. Sie erschließen somit nicht einzelne Werke, sondern ganze Textsortengruppen, da sich auch zu den einzelnen mantischen Verfahren unterschiedliche Textsorten herausgebildet haben.

Die Untergruppe 103a.1. Namenmantik erfasst alle Texte mit Anleitungen zur Prognostik aus dem Namen eines Menschen. Dabei benutzt die Mehrzahl der illustrierten Texte ein gematrisch-onomatomantisches Verfahren, in dem jedem Buchstaben des Alphabets ein fester Zahlenwert zugeordnet wird. Aus den Zahlenwerten der Namen werden dann Rückschlüsse auf Leben und Tod gezogen.

In der Untergruppe 103a.2. Geomantie werden Texte erfasst, die das geomantische Divinationssystem erläutern. Geomantische Voraussagen basieren auf 16 Linien von Punkten, die in zufälliger Anzahl in die Erde, in Sand, auf ein Papier oder ein anderes Medium gesetzt werden. Nach geomantischen Vorstellungen wird der Ausführende dabei von den Himmelskörpern beeinflusst. Die Geomantie ist deshalb teilweise sehr eng mit der Astrologie verbunden. Deutschsprachige geomantische Texte entstehen erst seit den 1440er Jahren und sind nur sehr selten illustriert.

Die Untergruppe 103a.3. Chiromantie versammelt Anleitungen zum Handlesen. In diesen werden bestimmte Merkmale der Hände divinatorisch gedeutet. Diese Merkmale können zwar auch rein sprachlich beschrieben werden, sind aber häufiger in Zeichnungen von Handflächen abgebildet, die für die Textsorte charakteristisch sind.

Die Untergruppe 103a.4. Ritualmagische Prognostik umfasst Texte, in denen Dämonen oder Teufel direkt angesprochen oder beschworen werden, um zukünftige oder verborgene Dinge zu erfahren, ebenso wie prognostische Texte, die magische Bilder und Zeichen ohne sprachliche Teufelsanrufung verwenden.

In einer eigenen Untergruppe 103a.5. werden die mantischen Prognostiken der Bayerischen Bild-Enzyklopädien behandelt. Dieses in zwei sehr unterschiedlichen Fassungen überlieferte Werk beinhaltet nicht nur Anleitungen zur Namenmantik, Geomantie und Chiromantie sowie Illustrationen zur Ritualmagie, sondern auch illustrierte Anleitungen zur Wünschelrutenbeschwörung und zur prognostischen Deutung der Begegnung mit Vögeln (Augurium). Die Bayerische Bild-Enzyklopädie setzt somit auch Texttraditionen bildlich um, die ansonsten völlig unbebildert geblieben sind.

Die mantischen Prognostiken sind nicht durch eine einheitliche und konsistente Bildtradition verbunden. Welche Bebilderungsstrategien für die einzelnen Texte und Textsorten entwickelt wurden, kann daher den jeweiligen Untergruppeneinleitungen entnommen werden. Zumindest in Einzelfällen teilen die Handschriften der Untergruppen Namenmantik, Geomantie und Chiromantie ein von der Astrologie bestimmtes Bildprogramm. Dieses umfasst vor allem Abbildungen von Himmelszeichen und deren Repräsentanten (Tierkreiszeichen, Planetengöttern), aber auch Porträts von Gelehrten, die die jeweiligen Wissensbestände autorisieren (Autoritätenbildnisse). Darüber hinaus entstanden die Bilder zu den einzelnen Prognostiken aber unter ganz unterschiedlichen Bedingungen. Während die deutschsprachigen Chiromantien mit ihren Darstellungen von Händen ein bereits in der lateinischen Tradition etabliertes Bildprogramm weiterführten und auch die meisten ritualmagischen Texte auf bebilderte lateinische Vorlagen zurückgehen, gab es solche weder für Namenmantik noch Geomantie, wo für einzelne Texte eigenständige Bildprogramme entwickelt wurden. Innerhalb der Namenmantik sind diese besonders differenziert und teilweise eng mit den Fecht- und Ringbüchern (Stoffgruppe 38.) verbunden.

Siehe auch:
  • Nr. 11. Astrologie/Astronomie
  • Nr. 38. Fecht- und Ringbücher
  • Nr. 49a. Hausbücher
  • Nr. 65. Kalender
  • Nr. 80. Losbücher
  • Nr. 87. Medizin