Die zwei Bayerischen Bild-Enzyklopädien wurden nach 1523 (Nr. 103a.5.2.) bzw. um 1524 (Nr. 103a.5.1.) unter der Leitung von Benedikt Rughalm im mittelbairischen Sprachraum, möglicherweise in Passau, hergestellt. Sie folgen demselben Konzept und vielfältigen gemeinsamen Vorlagen (vgl. Ferrari [2021]). Beide Handschriften vereinen typisch enzyklopädisches (Schöpfungswerk, Weltwunder, Weltkarte) mit lebenspraktischem Wissen (Kalender, Astrologie, Medizin, Messtechnik, Kampfkunst etc.) und präsentieren dieses in bunt gestalteten diagrammatischen Text-Bildtafeln. Die sich selbst als ›Liber Quodlibetarius‹ bezeichnende Erlanger Handschrift weist zudem einen Textanhang auf, in dem die im Bildteil dargestellten Inhalte und Praktiken erläutert werden. Beide Handschriften wurden in der Stoffgruppe 49a. Hausbücher bereits detailliert beschrieben. Da sie ein umfassendes prognostisches Bildprogramm aufweisen und dabei sogar prognostische Praktiken illustrieren, die ansonsten nicht bebildert werden, sind sie hier erneut aufgenommen. Dies betrifft zum einen die Physiognomie, die in beiden Handschriften in unmittelbare Nachbarschaft zur Chiromantie gestellt wird. Diese Nachbarschaft gibt es zwar bereits in anderen Handschriften (z. B. Linz, Hs. 139, vgl. Heiles [2016]), die handschriftlich überlieferten deutschsprachigen Physiognomien blieben jenseits der Bayerischen Bild-Enzyklopädie jedoch unbebildert (vgl. Christina Heck / Bernhard Schnell, in: 2VL 11 [2004], Sp. 1235–1241. Die Bebilderung der deutschsprachigen Physiognomien setzt 1510 mit den Titelillustrationen zu Bartolommeo della Rocca Cocles ›Physiognomiae et chiromantiae compendium, deutsch‹ ein (erstmals VD16 C 4436). Ein elaboriertes physiognomisches Bildprogramm mit Darstellungen menschlicher Köpfe bieten aber erst 1522/23 das chiromantisch-physiognomische Werk des Johannes ab Indagine (vgl. 103a.3.b.) und 1524 Johann Grüningers Druck-Kompilation von Barlolommeo della Rocca Cocles’ Physiognomie mit der Chiromantie des Andreas Corvus (VD16 ZV 30228, vgl. 103a.3.a.). Letztgenannter Druck diente der Erlanger Bayerischen Bild-Enzyklopädie als Vorlage. Auch die Wünschelrute wird in der Bayerischen Bild-Enzyklopädie erstmals bildlich wiedergegeben. Ebenso ist das lediglich in die Erlanger Handschrift aufgenommene Augurium, worunter hier die prognostische Ausdeutung von Begegnungen mit Vögeln verstanden wird, in dieser Form einzigartig. Des Weiteren behandeln beide die Geomantie (nur in Nr. 103a.5.2. figürlich bebildert) und das Siebdrehen; die Krakauer Handschrift zusätzlich auch die Nigromantie (Ritualmagie).
Zum Kontext der geomantischen, chiromantischen und ritualmagischen Texte der Bayerische Bild-Enzyklopädie siehe auch die entsprechenden Untergruppeneinleitungen 103a.2., 103a.3. und 103a.4.