39.6. Martin Merz und Philipp Mönch
Bearbeitet von Rainer Leng
KdiH-Band 4/2
Die Werke der beiden Büchsenmeister Martin Merz und Philipp Mönch wurden zu einer Stoffgruppe zusammengefaßt, da beide beruflich bedingt enge Kontakte unterhielten, was sich auch in einem regen Austausch einzelner Zeichnungen und auch größerer Komplexe untereinander äußerte. Da sich über bloße Selbstnennungen wie bei Hans Bengedans (siehe Nr. 39.2.2.) oder Johannes Formschneider (siehe Nr. 39.5.4.) hinaus bei beiden Äußerungen über ein selbstwußtes Berufsverständnis finden, das in autobiogaphische Bemerkungen mündet, lassen sich zumindest Dienstverhältnisse, Lebensdaten sowie Beziehungen in ihren Handschriften klarer konturieren.
Martin Merz bezeichnet sich in München, Cgm 734, 78r (siehe Nr. 39.5.4.) als pixidarius und gibt darüber hinaus in Cgm 599, 95v (siehe Nr. 39.6.4.; gleichlautend in Cambridge, MS Typ 320, S. 100 [siehe Nr. 39.5.1.]) einen Rechenschaftsbericht über seinen Einsatz in verschiedenen kriegerischen Konflikten. Den Schlachtorten nach diente er 1470/71 dem Pfalzgrafen Friedrich I. dem Siegreichen (1425–1476) im sog. Weißenburger Krieg. Hierzu liegt auch ein sekundäres Zeugnis in der Pfälzer Reimchronik des Michel Behaim vor (
Weniger ist über seinen Kollegen Philipp Mönch bekannt. In einem Spruchband zu seinem Wappenmedaillon in einer seiner Handschriften (Heidelberg, Cod. Pal. germ. 126 [siehe Nr. 39.6.3.]) bezeichnet er sich als philibs moench der pfalz buͦchsenmeister. Sofern die Schlußfolgerung zutrifft, daß es bei einer Bildfolge mit dem Aufbau eines Belagerungsrings um eine Burg um die Belagerung der Schauenburg bei Dossenheim handelt (35r–38r), stand Philipp Mönch zur selben Zeit im Dienst Friedrichs I. den Siegreichen. Über seine Lebensdaten ist keine sichere Nachricht erhalten. Einige familiengeschichtliche Notizen im Cod. Pal. germ. 126, 40r künden – leider ohne namentliche Nennung der Bezugsperson – vom Tod des Vaters 1477 und der Trauung im folgenden Jahr im Alter von 21 Jahren. Wären die Notizen auf Philipp Mönch als Urheber und ersten Besitzer der Handschrift zu beziehen, müßte er 1457 geboren sein. Die Abfassung seines Kriegsbuches wäre im Alter von 39 Jahren erfolgt. Er wäre dann wohl als etwas jüngerer Berufskollege von Martin Merz anzusprechen.
Enge Verwandtschaft zeigt sich jedenfalls im Werk der beiden Pfälzer Büchsenmeister. Besonders enge Verbindungen läßt eine Folge von Zeichnungen von Büchsen in verschiedenen Lafettierungen und Mehrfachgeschützen sowie Büchsenwägen erkennen. Dieser Komplex dürfte auf Martin Merz zurückgehen. Er tritt auf in den Handschriften München, Cgm 599 (siehe 39.6.4.), in wenigen Auszügen in der Sammelhandschrift München, Cgm 734 (siehe 39.5.4.) sowie monographisch in Wien, Liechtenstein Museum, Hs. 8 (siehe Nr. 39.6.7.). Aus einer dieser Handschriften bzw. aus einer gemeinsamen Vorlage dürfte dieses Bildcorpus auch an Philipp Mönch gelangt sein (Heidelberg, Cod. Pal. germ. 126 [siehe Nr. 39.6.3.]). Einige Übereinstimmungen der abgebildeten Waffen mit dem illustrierten Landshuter Zeughausinventar (Heidelberg, Cod. Pal. germ. 130 [siehe Nr. 39.20.2.]) gestatten den Schluß, daß es sich bei diesen Abbildungen um real existierende Waffen handelt, möglicherweise bayerische oder Pfälzer Zeugbestände, an deren Herstellung Mönch oder Merz beteiligt waren. Dieser Bildkatalog weist vereinzelte Ähnlichkeiten zum sog. ›Mittelalterlichen Hausbuch‹ auf (siehe Nr. 39.5.10.) und wurde, wohl unmittelbar aus Cod. Pal. germ. 126 samt dessen weiteren Bestandteilen in die beiden großen Sammelhandschriften Erlangen, MS.B 26 (siehe 38.9.4.) und Weimar, Fol 328 (Nr. 39.8.3.) übernommen.
Martin Merz ist zunächst als Besitzer einer Sammelhandschrift hervorzuheben, die auf seinen älteren Nürnberger Berufskollegen Johannes Formschneider zurückging und von ihm nur um einige wenige Zeichnungen und Anleitungen ergänzt wurde (München, Cgm 734 [siehe 39.5.4.]). Ein umfassenderes eigenständiges Werk liegt in der Münchener Handschrift Cgm 599 (siehe 39.6.4.) vor. Neben der Aufnahme älterer Texte, insbesondere des ›Feuerwerkbuchs von 1420‹ in Bearbeitung und Ergänzung und dem Bildkatalog zu verschiedenen Büchsenarten, sticht eine mathematisch-geometrische Abhandlung hervor, in der schrittweise die Konstruktion eines Quadranten in deutsch-lateinischen Beischriften erläutert wird. Die meisten Teile dieses Werkes sind auch in einer weiteren Fassung in der Handschrift Cambridge (Mass.), Harvard College Library – Houghton Library, MS Typ 320 (siehe Nr. 39.6.1.) überliefert. Diese ›Kunst aus Büchsen zu schießen‹ ist weder an Philipp Mönch weitergegeben worden, noch ging sie in die großen Sammelhandschriften ein.
Sämtliche Überlieferungen dieser Gruppe sind je nach den Wirkungsorten ihrer Urheber Pfälzer bzw. nordbayerischer/ostfränkischer Herkunft. Während Philipp Mönch nahezu textlos ist, wechseln sich bei Martin Merz Textteile, Bildkataloge und Mischformen ab. Der Bestand an Zeichnungen ist umfangreich. Der Zeichenstil ist von der Konzentration auf Maschinendarstellungen geprägt. Landschaftshintergründe oder Einbettung in zeichnerische Kontexte fehlen bis auf wenige Ausnahmen. Perspektivische Zeichenformen beginnen sich allmählich zu verbreiten, sind aber noch nicht konsequent durchgehalten. Echte Zentralperspektive liegt in keinem Fall vor. Auffällig sind insbesondere bei Philipp Mönch die regelmäßige Segmentierung von Maschinenelementen und die Darstellung von Einzelteilen bzw. Baugruppen.