39.4.19. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3062
Bearbeitet von Rainer Leng
KdiH-Band 4/2
1437 (25v).
Süddeutschland-Österreich.
Auftraggeber und erste Besitzer unbekannt; Einband des 15. Jahrhunderts übereinstimmend mit Cod. 3064 und 3069 ([siehe Nr. 39.1.9. bzw. Nr. 39.1.10.], diese beiden Handschriften aus Ambras und in einem Inventar der Sammlung Maximilians I. in der Innsbrucker Burg aus dem Jahr 1536: zwei streittbuecher mit figuren auf papier in rot gepunden das ain hat pucklen erstmals nachweisbar, vgl.
1. | 1r–22r | ›Feuerwerkbuch von 1420‹ |
2. | 22r–25v |
Achilles Thabor, ›Feuer‹ (deutsche Bearbeitung des ›Liber ignium‹)
›Das sind die fewr die maister Achilles Thabor geschriben hat welcher end heftikait als wol an dem erdreich als in dem mer endhafft ist. etc. Nym Rainn Sandarace‹ |
3. | 27r–28r |
Bildkatalog von Kämpfen
27r Kampf zweier Gewappneter zu Pferd mit dem Dolch, beide bereits schwer verwundet, 27v Kampf zweier Gewappneter zu Pferd mit Lanzen, 28r Zweikampf Ungewappneter zu Fuß mit Schwert und Stechschild |
4. | 29r–39r | Johannes Hartlieb, ›Onomatomantia‹ |
5. | 41v–240r |
(Pseudo-)Hartlieb, ›Iconismis bellicis‹, Bildkatalog kriegstechnischer Geräte mit wenigen Beischriften, verschränkt mit Planeten- und Planetenkinderlehre
›SAturnus mit chraft ist allen fruchten schadhaft vnd was da lebt ein totter sein gemüet ist‹ |
Zwei Blätter Pergament (ausgelöste Spiegel, hebräisch beschriftet) und 6 + 253 Blätter Papier (vorderes Pergamentblatt und sechs alte leere Blätter modern mit Blei foliiert II–VII, dann ältere Tintenfoliierung, ab 243 modern mit Blei fortgeführt, hinteres Pergamentblatt foliiert I*), 305 × 210 mm, Bastarda von drei Händen: I. 1r–25v einspaltig, 26–40 Zeilen, rubriziert mit Freiräumen für nicht ausgeführte Lombarden, ersetzt durch einfache Randinitialen mit leichten Verschlingungen, datiertes Kolophon 25v: Anno etc Trigesimo septimo per Iohannem Wienn. scriptum; II: 29r–39r einspaltig mit bis zu 24 Zeilen, dazwischen Tabellen und Schemazeichnungen, rubriziert; III: 41v–240r Texte und Bildbeischriften in wechselnder Zeilenzahl, rubriziert mit roten Lombarden, Bildbeischriften rot eingerahmt; IV: nur kurze Notizen 41v: her nach stett gemalt alle aygenschafft dye saturnus zGgehört da mit solt der fwr stehen und (mit roter Tinte) 215r: Daz ist Ain Raiß pett.
bairisch.
Insgesamt 227 mit Federzeichnungen versehene Seiten (teilweise bis zu zehn Einzelzeichnungen pro Seite), davon nur 74r, 118r, 119rv, 170v–173r und 215r als nicht kolorierte Vorzeichnungen, sonst aquarelliert; dazu kommen sechs einfache Schemazeichnungen von der Hand des Schreibers II (34r–35v, 36v, 38r); die Federzeichnungen stammen von mehreren, bei den technischen Darstellungen nur schwer unterscheidbaren Händen; zusammengehörig sind wohl I: 27r–28r; II: Planetenbilder 42r, 82r, 108r, 145r, 170r, 182r, 218r (von ihm wahrscheinlich auch noch einige der einfacheren Zeichnungen); III: Burgen- und Belagerungsszenen 43r, 57r–60r, 147v, 148r, 149r, 183r–185r (und eventuell noch weitere); unter den Zeichnern technischer Geräte sind bestenfalls ein Zeichner, der nur Vorzeichnungen hinterlassen hat (s. o.) und ein Zeichner, der aus einer anderen Vorlage vor allem Züge ohne weitere Hintergründe eingetragen hat (200r–207r), unterscheidbar; unbekannte süddeutsche, vielleicht österreichische Werkstatt.
Durchgehend ganzseitig (doppelseitig nur 58v/59r und 149v/150r), rahmenlos, Beischriften gelegentlich auf der danebenstehenden Versoseite (insbesondere die Planetentexte), meist jedoch die Zeichnungen unter zwei- bis vierzeiligen rot gerahmten Beischriften mit Bilderläuterungen; zahlreiche Leerseiten zwischen den Bildfolgen, vor allem vor den kapiteleinleitenden Planetenbildern.
Abgesehen von den etwas hochwertigeren Planetenzeichnungen (hier etwas feinere Gesichtszeichnungen und dynamischere Posen, detailliertere Rüstungen etc.) meist nur in einfacher Seitenansicht, nur selten leicht gehobene Perspektive; Personendarstellungen grob, umrißartig und skizzenhaft mit wenigen Rüstungsdetails, wenig Binnenzeichnung, keine schattierenden Effekte durch Kolorierung oder Schraffuren, keine Hintergründe, von wenigen Ausnahmen abgesehen einfacher Rasengrund mit gelegentlich angedeutetem Bewuchs; Kolorierung flächig mit grobem Pinsel aufgetragen.
Kampfszenen 27r–28r ohne erkennbare Vorlage aus Fechtbüchern (siehe Kat. Nr. 38.); 43r–51r Bohrer, Hacken, Schaufeln, Sägen etc. als Belagerungswerkzeuge; 57r–74r Belagerung von Burgen und Steigzeug, teils nach dem ›Bellifortis‹; 83r–102v Belagerungsgerät, Ebenhöhen, Kampfwägen etc. nach dem ›Bellifortis‹, mit Einstreuungen aus älteren Büchsenmeisterbüchern (z. B. Wien, KK 5135 [siehe Nr. 39.1.11.] oder Wien, Cod. 3069 [siehe Nr. 39.1.10.]); 109v–131v Feuerwaffen und Sprengfallen, anfänglich aus dem ›Bellifortis‹, dann ergänzt aus älteren Büchsenmeisterbüchern (Ähnlichkeiten zu Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs 25801 [siehe Nr. 39.1.8.]); 134v–137v Destillieröfen ähnlich Cod. 3069, jedoch teilweise wesentlich größer und komplexer; 137v Badehaus, etwas einfacher als im ›Bellifortis‹, 138v Laterne; 146r–166r Alexanderdarstellungen, Schlachtszenen und Kampfwägen überwiegend aus dem ›Bellifortis‹; 170v–173r nachgetragene (?) Zeichnungen mit Hinweisen zum Kämpfen und Ringen, einschließlich Zeichnungen von Kleidungs-, Rüstungs- und Zaumzeugteilen (vergleichbar dem etwas jüngeren Thalhofer-Codex Berlin, Kupferstichkabinett der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 78 A 15, 35rv [siehe Nr. 38.3.2.]); 183r–186r Schutz von Burgen durch Annäherungshindernisse, anfänglich nach dem ›Bellifortis‹, dann in zeichnerischer Ausgestaltung einzelner Szenen aus Cod. 3069; 195r–198r Wurf- und Schußwaffen aus dem ›Bellifortis‹; 200r–207r Hebezeug und Kräne aus dem ›Hussitenkriegsingenieur‹; 209r–214r Armbrüste und Spannhilfen aus dem ›Bellifortis‹; 215r Vorzeichnung einer aufblasbaren Matratze; 220r–240r Wassertechnik, Schiffe, Brücken, Taucher, artesische Systeme, Brunnen, Pumpen, Heronsbrunnen aus dem ›Bellifortis‹. Texte und Bildprogramm weitgehend übereinstimmend mit Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. quart. 2041 (siehe Nr. 39.4.3.) und Ramsen, Bibliothek Bibermühle, Antiquariat Heribert Tenschert, Katalog Nr. XXV, Nr. 21 (siehe Nr. 39.4.14.).
Blau, Grün, Rot, Rosé.
Tabulae 2 (1868) S. 189;
Abb. 99: 60r. (Pseudo-) Johannes Hartlieb, ›Iconismis bellicis‹: Belagerung einer Burg durch einen Kampfwagen, der mit Mauerkralle und Seilzug an die Mauern herangeführt wird; links Turmwindmühle mit Antrieb zum Lastentransport über Steigungen.