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39.4.16. Roma, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 1994

Bearbeitet von Rainer Leng

KdiH-Band 4/2

Datierung:

1. Viertel 15. Jahrhundert, Wasserzeichen Buchstabe B, nicht bei Briquet, übereinstimmend mit Wasserzeichenkartei Piccard, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand J 340, Nr. 26811 (Pavia 1407).

Lokalisierung:

Elsaß (?, böhmisch nach Werner [siehe unten Literatur] S. 325).

Besitzgeschichte:

Herkunft unbekannt, Titel Anfang des 16. Jahrhunderts auf dem zweiten Vorsatzblatt recto straitbuoch von viel gezeugs, und Allaci-Nummer, keine weiteren Provenienzmerkmale; seit 1623 in Rom.

Inhalt:
1v–157v Konrad Kyeser, ›Bellifortis‹, erweiterte Sieben-Kapitel-Fassung mit unvollständigen lateinischen und Beischriften und deutschen Glossen und (Teil-)Übersetzungen

›Capitulum primum martis quod tendit ad ymum‹ 2v ›In der warheyt. Saturnus ist gewesen eyn kunig in Candia, vertriben usß dem Rych von sym sune Juppiter. Er kam mit schyffen in welsche lant, an die ende da yetz Rome ist und wart enpfangen von Jano‹

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 2 + 157 + 2 Blätter (je zwei nicht foliierte Vor- und Nachsatzblätter, moderne Foliierung, daneben abweichende ältere Foliierungen noch zu erkennen, Foliierung springt von 8 auf 10 und von 62 auf 64; ein leeres Blatt nach 143 nicht gezählt), 405 × 280 mm, beschrieben von zwei Händen: I 1v–155v in Textura mit zwei bis 36 Zeilen, rote Lombarden, rote Überschriften; II 1v–[158v] mit 1–18 Zeilen in Bastarda, nicht rubriziert, längerer Text nur 2v, sonst zahlreiche marginale und interlineare deutsche und lateinische Glossen, Übersetzungshilfen, Kommentare sowie deutsche und lateinische Bezeichnungen der dargestellten Geräte, vermutlich in zeitlichem Abstand zur Anlage der Handschrift nachgetragen, nicht rubriziert; dem Schreiber der Glossen lag dennoch ein vollständigeres Vergleichsexemplar vor, wie die Bemerkung hic deficit figura picta (55r) zeigt.

Schreibsprache:

südrheinfränkisch (Werner [siehe unten Literatur] S. 325).

II. Bildausstattung:

193 aquarellierte Federzeichnungen 3rv, 4v–9v (jeweils nur verso), 11r–15r (jeweils nur recto), 15v–20v (jeweils nur verso), 22r–27r (jeweils nur recto), 27v–29r, 29v–35v (jeweils nur verso), 37r–41r (jeweils nur recto), 41v–46v (jeweils nur verso), 48r–53r (jeweils nur recto), 53v–54r, 54v–60v (jeweils nur verso), 61rv, 62r–66r (jeweils nur recto), 67v, 58v–69v, 70v–72v (jeweils nur verso), 73r, 74r–75r, 76r–78r (jeweils nur recto), 78v–80v (jeweils nur recto), 81r, 81v–84v (jeweils nur verso), 85r–86r, 87r–92v, 94rv, 95v–98v, 99v–107r, 108v–110v (jeweils nur verso), 112r, 113r–114v, 115r–117r (jeweils nur recto), 117v, 120v, 121r, 122r, 124r–125v, 127r–128v, 130r, 131r–132r, 133r–135r, 136rv, 138r–139r, 140r, 141r–142v, 144r–148r, 149v, 151rv, 153rv, 154v–157v; alle Zeichnungen aus einem unbekannten, wohl elsässischen Atelier (Werner [siehe unten Literatur] S. 325 nimmt wegen großer Nähe zum Göttinger Bellifortis allerdings böhmischen Ursprung an); Anzahl der Zeichner ist nicht präzise zu bestimmen; die meisten einfachen Geräte sicherlich von einer Hand, davon abgehoben die aufwendiger gestalteten Planetenbilder 3r–11r, Streitwägen 11r–28r, Burgendarstellungen 57r, 58r, 64r–86r (unterbrochen von einfacheren Geräten), Taucher 119v, 110v, Schiffe und Wassertechnik 100r–107r, 113v–115r; davon heben sich wiederum einige Darstellungen ab, die durchgehend kräftig kolorierte Hintergründe besitzen (14r, 16v, 18v, 23r, 25r, 58v, 92v, 125v); auch bei einfacheren Geräten ist gelegentliche Aufwertung durch zumindest anskizzierte Hintergründe oder Rasengrund mit stilisiertem Pflanzenwuchs ähnlich der Burgenserie zu beobachten, so daß von einem arbeitsteiligen Prozess ausgegangen werden kann, der mehrere Zeichner auch an einzelnen Blättern beteiligte; auffällig ist die Übereinstimmung mit den Illustrationen in Roma, Città del Vaticano, Pal. lat. 1986 und Wien, Kunsthistorisches Museum, KK 5342, die aus derselben Werkstatt stammen; besonders enge Verwandtschaft zeigt dabei Pal. lat. 1986, in dessen Falzen Streifen desselben medizinischen Traktates des 14. Jahrhunderts zur Verstärkung eingebunden wurden.

Format und Anordnung:

Alle Zeichnungen rahmenlos, anfangs überwiegend auf eigener Seite mit jeweils recto oder verso gegenüberliegenden Beischriften; im weiteren Verlauf kurze bis zu vierzeilige Beischriften oberhalb oder unterhalb den Abbildungen 27v–28v, 30v, 53v, 60v–62r, 69r, 73r, 74v–75r, 81r, 85r, 87r–92r, 94r, 95v–109r, 112r–114v, 120v, 121r, 124r–125v, 127v–135r, 139r, 141v–148r, 155v; Größe wechselnd von ca. 150 × 150 mm bis ganzseitig 350 × 250 mm; nahezu durchgehend hochformatige Illustrationen, im Querformat unregelmäßig auf den rechten oder linken Seitenrand gestellt nur 29v, 31v, 34v, 44v, 100r–102v, 105v; 106v auf dem Kopf stehend.

Bildaufbau und -ausführung, Bildthemen:

Nahezu vollständige ›Bellifortis‹-Fassung in nicht ganz konsequent durchgeführter Sieben-Kapitel-Einteilung, einige Abbildungen im Vergleich zur vollständigeren Göttinger Fassung fehlen (Werner [siehe unten Literatur] S. 325); Leerseiten bzw. inkonsequente Wechsel in den recto/verso-Serien lassen auf unvollständige Ausarbeitung schließen; die einfacheren Geräte überwiegend in Seitenansicht, gelegentliche Versuche zur erhöhten Perspektive lassen deutliche Schwächen bei der Abbildung teilverdeckter Bauteile erkennen, die mit partieller Anwendung der geklappten Perspektive ausgeglichen werden sollten, dabei nur einfache Lavierungen in Ocker und Brauntönen für Holzteile und Blautönen für Metall, fast durchgehend ohne Horizontlinie oder Rasengrund mit gelegentlichen Eingriffen anderer Zeichner der aufwendigeren Darstellungen, die auch solche Bilder durch Rasengrund mit stilisiertem Pflanzenwuchs aufwerteten ( 83v, 85v, 145r, 149v, 151r, besonders bei den Geschützdarstellungen 124r und 125r); die Aufwertung der in anderen Handschriften einfacheren Darstellungen durch szenische Einbettung in sorgfältig ausgeführte Landschaftsrahmen betrifft vor allem die Abbildungen von Schiffen und Wassertechnik 100r–107r und 113v–115r; Planetendarstellungen mit kräftigen Farben koloriert sowie mit aufwendigen Binnenzeichnungen bei Rüstungsdetails und reich geschmückten Pferdedecken, statische Positionen, jedoch fein gezeichnete Gesichtszüge (3r–11r); Kampfwägen 15r–28r auf einen kräftigen, fast schwarzen Untergrund mit erhöhtem Horizont gestellt mit nahezu greller und kräftiger Kolorierung des stilisierten Pflanzenwuchses; Burgenserie 57r–84v mit schattierender Lavierung bei lichtabgewandten Bauteilen, Schraffureinsatz, kräftig rot kolorierte Dächer, Burgen durchgehend auf steilaufragende Bergsporne gestellt; besonders auffällig erscheinen einige Darstellungen, die einfache Geräte in durchgehend kräftig kolorierte und deckende Hintergründe einbetten (14r, 16v, 18v, 23r, 25r, 58v, 92v, 125v).

Farben:

Schwarz, Gelb, Grün, Blau, Grau, Rot, Braun, Ocker und Mischungen.

Literatur:

Schmidtchen/Hils (1985) Sp. 481; Wilfried Werner: Kriegstechnik um 1400: Conrad Kyesers Bellifortis. In: Bibliotheca Palatina, Katalog zur Ausstellung vom 8. Juli bis 2. November 1986 Heiliggeistkirche Heidelberg. Hrsg. von Elmar Mittler. Heidelberg 1986, Textbd. S. 325, Abb. Bildbd. S. 220 (66v); Berg/Friedrich (1994) S. 176; Friedrich/Rädle (1995) S. 42 f.; Friedrich (1996) S. 200; Waldburg (2000) S. 25; Leng (2002) Bd. 1, S. 136. 141, Bd. 2, S. 436 f.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 96: 66v. Konrad Kyeser, ›Bellifortis‹: Öffnung eines Burgtors.

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Abb. 96.