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74.9.3. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 117

Bearbeitet von Kristina Freienhagen-Baumgardt

KdiH-Band 8

Datierung:

1454 (189v).

Lokalisierung:

St. Mang, Füssen.

Besitzgeschichte:

Geschrieben wurde die Handschrift 1454 vom Benediktinermönch Johannes Maler (77v) aus St. Mang in Füssen (Roth [1999] S. 156f.) für Anna von Zimmern, Gräfin von Kirchberg (ca. 1420–1478): daz puchlin jst gescriben alz man zalt nach cristi gepurt Moiiiio vnd jn dem liiiio jar am palmabend der edeln vnd wolgepornen frowen frowen (!) Annan von Zymmern vnd grefin von kirchperg (189v). Zwei weitere Handschriften sind von diesem Schreiber bekannt: Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. II.1.8o 9 und Cod. II.1.2o 187.

Anna von Zimmern war in zweiter Ehe mit Werner von Zimmern verheiratet, der literarisch interessiert war und zusammen mit seinem Sohn Johannes Werner d. Ä. die Zimmern’sche Bibliothek begründete. So verwundert es nicht, dass seine Frau eine Handschrift in Auftrag gab, auch wenn nicht klar ist, warum dieser Auftrag gerade nach Füssen ging. Im 17. Jahrhundert befand sich die Handschrift im Franziskanerkloster Villingen, wie im Vorderspiegel mitgeteilt wird: Inservio Bibliothecae Fratrum Minorum Sancti Patris Francisci Conventualium Villingæ ad Sanctum Crucem. Vermutlich gelangte die Handschrift nach der Versteigerung der Villinger Bibliothek 1794 nach Donaueschingen. Siehe ausführlich Eichenberger/Mackert (2012/2013).

Inhalt:
1. 1r–42r ›Der Heiligen Leben‹
D1 (Der Heiligen Leben [2004] S. XVIII) Winterteil Nr. 48; Sommerteil Nr. 54; Winterteil Nr. 17; Apollonia von Alexandria (31v–42r, ›Der Heiligen Leben, Redaktion‹)
2. 44r–77v Katharina von Alexandrien
Reimlegende IV (Fassung 16, Williams-Krapp [1986] S. 426)
3. 78r–189v ›Der Heiligen Leben‹
Dorothea (Fassung 9, Williams-Krapp [1986] S. 403); Sommerteil Nr. 63; Winterteil Nr. 42; Sommerteil Nr. 42, 5, 106
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 189 + I Blätter (das erste Blatt der ersten Lage fehlt, vor Bl. 123 ein Blatt herausgerissen), 115 × 110 mm, Bastarda, eine Hand (hans der maler 77v), einspaltig, 19–22 Zeilen, zweizeilige rote oder zwei- bis dreizeilige grüne Lombarden mit rotem Fleuronné, zu den Textanfängen jeweils fünf- bis sechszeilige rote, blaue oder grüne Lombarden mit rotem, grünem oder blauem Fleuronné, 16r und 123r mit Profilfratzen.

Schreibsprache:

schwäbisch.

II. Bildausstattung:

Neun kolorierte Federzeichnungen (15v, 23v, 31v, 43v, 78v, 86v, 96v, 118v, 160v), ein Illustrator. Die Blätter wurden vom Schreiber mit Bildunterschriften für die Illustrationen vorbereitet, aber wohl erst später (drittes Viertel des 15. Jahrhunderts?) ausgeführt und als Einzelblätter in die Handschrift eingefügt, indem das für die Illustration vorgesehene leere Blatt bis auf den Falz abgeschnitten und das Einzelblatt mit der Illustration auf diesen Falz geklebt wurde (Bl. 15, 23, 43, 78, 86, 160) oder indem das Einzelblatt mit der Illustration auf die leere Versoseite eines Blattes geklebt wurde (Bl. 31, 96, 118). Durch Blattverlust wohl Verlust von Illustrationen zu Barbara (vor Bl. 1, Winterteil Nr. 48) und Georg (vor Bl. 123, Sommerteil Nr. 5). Die Reimlegende zu Katharina von Alexandrien (Text 2) hat der Illustrator als Teil des Legendars betrachtet und in gleicher Weise illustriert wie ›Der Heiligen Leben‹ (Text 1 und 3).

Format und Anordnung:

Ganzseitige, mit Tintenlinien gerahmte Federzeichnungen mittig platziert über dem am unteren Blattrand rot vermerkten Namen der/des Heiligen (zum Teil abgeschnitten 15v, 23v, 31v, 86v).

Bildaufbau und -ausführung:

Die Heiligen sind entweder zentral platziert als isolierte, beinahe statuenartige Einzelfiguren (»Unberechenbare Zinsen« [1993] S. 116) mit Attribut – ähnlich dominant dargestellt wie in der zeitlich früher anzusetzenden Stuttgarter ›Passional‹-Handschrift (Nr. 74.2.2.) – oder in einer zentralen Szene der Legende, in der die Handlung einfühlsam erfasst ist. Beispielsweise trägt Christophorus mit angestrengtem Gesichtsausdruck den vergnügten Christus auf den Schultern, der mit aufmunternder Mimik und segnender Gestik Lebensfreude signalisiert, die flatternden Umhänge beider geben der Illustration darüber hinaus noch Dynamik (86v). Die Heiligen sind durchgängig in grünen und roséfarbenen Pastelltönen mit zartgelbem Nimbus gezeichnet. Akzente werden durch kräftiger kolorierte Details (Blumen 78v, Teile der Kopfbedeckungen 118v) gesetzt, die ansonsten hinter der Personendarstellung eine Nebensache bilden (z. B. das Rad von Katharina klein und zerbrochen, beinahe versteckt hinter ihr liegend) oder die Charakterisierung der Personen unterstreichen (so z. B. die Hüte der Sieben Schläfer, die die farblich vom Stein nicht unterscheidbaren Schläfer als Einzelfiguren markieren). Die Wiesenlandschaften sind flächig gemalt, räumlich gestaffelt in kräftigem Grün (86v, 118v). Bei der Darstellung der Heiligen als Einzelfigur bleibt der Hintergrund leer. Figürliche Plastizität wird durch Farblavierung erzeugt, die den weißen Papiergrund stark in die Abschattierung der Gesichter und die Modellierung der Faltenwürfe einbezieht. Die schmalen Körper sind in faltenreiche, auf dem Boden aufliegende Gewänder gehüllt, die Gesichter oval (Ausnahme ist Magnus 160v) mit runden Augen, oft halb geschlossen durch die Augenlider, Frauen meist mit Wangenrot und rötlichem Halsansatz, variierenden Frisuren (meist lange Haare offen, geflochten 31v).

Bildthemen:

Keine Martyrien, sondern die Heiligen mit den üblichen Attributen bzw. in einer maßgeblichen Szene der Legende: Margareta (15v) tötet den Drachen mit einem dünnen langen Kreuzstab durch einen Stich in den Rachen (vgl. Nr. 51.22.4.), der Drache beinahe identisch dargestellt in der Illustration zu Magnus von Füssen (160v), Ursula (23v) mit dem Pfeil (vgl. Nr. 51.33.1. und Nr. 51.33.2.), Apollonia (31v) mit der Zange in der Hand als Zeichen ihres Martyriums. Katharina von Alexandrien (43v) stützt sich mit beiden Händen auf das Schwert, hinter ihr am Boden das kleine zerbrochene Rad (vgl. Nr. 51.17.3.), Dorothea (78v) mit dem Körbchen mit Rosen (vgl. Nr. 51.8a.1. [Datenbank-Nachtrag]), Christophorus (86v) trägt das Jesuskind über das Wasser, Gregorius auf dem Stein (96v) als Papst, in der linken Hand ein Buch (Verbindung zur ikonografisch bekannten Darstellung Gregors des Großen), Sieben Schläfer (118v) im Berg schlafend, Magnus von Füssen beim Kampf gegen einen Drachen (ein seltenes Motiv, ansonsten Magnus mit dem Bären vgl. Nr. 51.28.1.).

Farben:

Grün, Rot, Braun, Inkarnat, Gelb.

Abb. 85: 86v. Christophorus trägt das Jesuskind über das Wasser.

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Abb. 85.