KdiH

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74.9.8. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 6834, 1–2

KdiH-Band 8

Datierung:

Mitte 15. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Wien (Palenik [2010] S. 57f.: Augsburg).

Besitzgeschichte:

Die wohl ursprünglich einbändige, jetzt (bei der Neubindung im 17. Jahrhundert?) geteilte Handschrift stammt vermutlich aus Wien. Genaue Angaben zur Provenienz können nicht gemacht werden, aber sie ist einer Gruppe von ›Der Heiligen Leben‹-Handschriften zuzuordnen, die dorthin zu lokalisieren sind. In beiden Bänden der Handschrift befindet sich ein eingeklebtes, nicht identifiziertes Exlibris (zwei ineinander geschriebene A mit einer Krone), das laut Petzet auf »englische[n] Privatbesitz« deutet (vgl. ausführlich hierzu Wunderle [2018] S. 607). Die Bleistifteinträge (19. Jahrhundert) in den vorderen Spiegeln geben nur Auskunft über die Ausstattung und den Umfang der Bände. Die Handschrift wurde 1913 von der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek beim Antiquariat Julius Halle erworben.

Inhalt:
Cgm 6834, 1 1r–235v ›Der Heiligen Leben‹
M39 (Williams-Krapp [1986] S. 219); Sommerteil Nr. 87, 88, 108, 87 (!), 5, 48, 111, 63, 54, 59, 79, 84; Winterteil Nr. 86, 107, 21, 55, 45, 98; Sommerteil Nr. 10, 11
Cgm 6834, 2 1r–248v ›Der Heiligen Leben‹
Sommerteil Nr. 62, 65, 46, 118, 15, 39, 101, 108, 3, 64, 35, 115; Apollonia (›Der Heiligen Leben, Redaktion‹); Winterteil Nr. 52, 40, 88, 89, 48, 56, 26, 27
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, Bd. 1: I (Papier) + 235 + I (Papier) Blätter; Bd. 2: I (Papier) + 248 + I (Papier) Blätter, 205 × 150 mm, Bastarda, fünf Hände (I: 1r–50v Bd. 1; II: 51r–146v Bd. 1; III: 147r–149v Bd. 1; IV: 150r–154v Bd. 1; V: 155r–235v Bd. 1; 1r–248v Bd. 2), einspaltig, 21–26 Zeilen, Überschriften rot, Strichelungen, ornamentale und figürliche Initialen. Die Lagenverteilung (siehe Wunderle [2018] S. 605) und die Textverteilung sprechen dafür, dass die Legenden ursprünglich in einem Band vereinigt waren. Beide Bände wurden bei der Neubindung stark beschnitten, was vor allem zum Verlust von Rankenschmuck geführt hat.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

34 historisierte Initialen in Deckfarbenmalerei. 16 Illustrationen in Bd. 1, 18 Illustrationen in Bd. 2, ein Illustrator.

Format und Anordnung:

Die gerahmten Initialen, rechteckig oder annähernd quadratisch, befinden sich jeweils am linken Spaltenrand am Anfang der Legende neben der Überschrift, sieben bis zehn Zeilen hoch, etwa die halbe Spalte in der Breite einnehmend (genaue Maße bei Wunderle [2018] S. 605f.), meist gegenüber dem Schriftspiegel nach links ausgerückt. Einige Initialen, die sich am Kopf des Blattes befinden, überschreiten den Schriftspiegel nach oben (1r, 109v Bd. 1; 80r, 106r, 125v, 147r, 152r, 200v, 206r, 214r, 224v Bd. 2). Die Initialen sind eng in den Text eingepasst und wurden wohl später eingefügt. Bei fünf Legenden sind die Initialen ausgeführt, es fehlen jedoch die Überschriften, so dass Lücken im Text stehen geblieben sind (155r, 172v Bd. 1; 15v, 24r, 48r Bd. 2).

Bildaufbau und -ausführung:

Die Miniaturen befinden sich in einem roten eckigen Rahmen, der, wenn nötig, unterbrochen wird. Besonders deutlich ist dies bei der Initiale zu Johannes dem Täufer (62r Bd. 2), wo die Rahmung nicht vollständig ist, sondern für einen kleinen Abschnitt die letzten Worte der vorausgehenden Legende zur Kreuzauffindung den Rahmen ersetzen. Eine Ausnahme in der Form bildet die D-Initiale zu Mariä Himmelfahrt (1r Bd. 1), deren Rahmen nicht eckig angelegt ist, sondern die Gestalt des Initialbuchstabens nachbildet. In ähnlicher Weise – allerdings auf einem eckigen Binnengrund – werden auch die P-Initiale zu Philippus (232v Bd. 1) und die F-Initiale zu Mariä Geburt (84v Bd. 2) gestaltet. Jede Initiale findet ihre Fortsetzung im Rankenschmuck, der sich nie um den gesamten Schriftraum erstreckt (ohne Akanthus und Dornblatt). Die Heiligen sind zentral in der Initiale platziert, alleine oder in einer Gruppe (1r, 155r Bd. 1), den Blick auf Jesus, das jeweilige Attribut oder leicht nach links in den Raum gerichtet. Die Initialen zu Maria Magdalena (121v Bd. 1) und Clara (141r Bd. 1) nehmen eine Sonderrolle ein. In beiden Fällen ist die Initiale selbst als Zierinitiale angelegt, die figürliche Darstellung der Heiligen befindet sich außerhalb der Initiale und wird durch Rankenwerk an die Initiale angebunden. Die Miniaturen sind sorgfältig in Deckfarben gemalt, meist in farbenprächtiger Vielfalt, nur die Initiale zu Ulrich (86v Bd. 1) Ton in Ton in Blau. Nur wenige zarte Akzente sind hier in Braun, Rot und Gelb gesetzt (Wangen, Fisch, Haare, Bischofsstab). Der Binnengrund der Initialen ist ebenfalls in Deckfarben gemalt oder auch in punziertem Blattgold, das immer wieder auch bei der Gestaltung der Buchstabenkörper verwendet wird. Abgesehen von der prachtvoll verzierten Initiale zu Mariä Himmelfahrt (1r Bd. 1) zu Beginn der Sammlung ist vor allem die ebenfalls mit Blattgold ausgestattete figurierte Initiale zur Katharinenlegende (152r Bd. 2) zu nennen. Die Bedeutung dieser Heiligen wird zudem dadurch betont, dass auch der Legendenabschnitt zum Lob der Katharina mit einer Zierinitiale aus Blattgold begonnen wird. Die Figuren selbst sind sorgfältig vor meist blauem, aber auch weißem oder rotem Hintergrund innerhalb des Buchstabenkörpers ausgeführt. Wenn Teile des Buchstabens den Freiraum beanspruchen, steht die Figur davor, es gibt meist keine Verschlingungen oder Überlagerungen. Nur bei den Initialen zu den beiden Legenden zu Mariä Geburt (31v Bd. 1; 84v Bd. 2) überlagert der Quersteg des F die Figur der Heiligen. In der Initiale auf 31v ist dieser Steg geschickt in die Bildkomposition eingebaut, denn auf ihm ruht die Hand Mariens, die das Kind hält. Die schmalen Gesichter der Heiligen sind zart koloriert, die Haare sorgsam in Schattierungen ausgearbeitet, die ausdrucksstarke Gestik verleiht den Illustrationen Dynamik. Die Gewänder sind detailreich ausgeführt, mit üppigem Faltenwurf, durch Weiß und unterschiedliche Farbstufen modelliert. Auch die Buchstabenkörper sind mit großer Sorgfalt und Kreativität ausgestaltet. Durch rankenähnliche Ornamentik und Bogenverbindungen ebenso wie durch Einarbeitungen von Figuren, Gesichtern und Tieren findet der Betrachter ein Kaleidoskop von Themen und Formen, die er zur Legende in Beziehung setzen kann. Der Buchstabenkörper tritt damit zwar hinter der figürlichen Darstellung der/des Heiligen zurück, führt aber das Thema weiter (z. B. das wilde Tier bei Maria Aegyptiaca, 106r Bd. 2). Nicht immer passen die Initialbuchstaben zum nachfolgenden Wort, d.h. es werden Buchstaben gewählt, die nicht dem ersten Buchstaben des Textes entsprechen (54r, 109v Bd. 1; 62r, 80r, 106r, 113r Bd. 2). So fehlt beispielsweise 54r der mittlere Quersteg des großen E (im Gegensatz zu 106r). Damit eröffnet sich der Miniator alle Möglichkeiten der Gestaltung, verzichtet aber auf die textliche Richtigkeit. Für 54r bedeutet dies, dass Georg ohne die Unterbrechung in der Bildmitte dargestellt ist. Die unvollendete D-Initiale zu Mariä Himmelfahrt – nur der Buchstabenkörper ist modelliert, das Binnenfeld ist frei – zeigt, dass der Illustrationsvorgang der Handschrift nicht abgeschlossen wurde. Pfändtner (2011, S. 191) gibt an, dass der Codex nur textlich zu den nach Wien verweisenden Codices (siehe oben) gruppiert werden kann, jedoch »vom Buchschmuck her stilistisch nicht nach Wien zu lokalisieren ist.« Palenik (2010, S. 39) hingegen kommt nach der Beschreibung des Rankenschmucks zum gegenteiligen Ergebnis, verortet die Handschrift aber dennoch nach Augsburg (vgl. kritisch dazu Klaus Graf in https://archivalia.hypotheses.org/13883). Einen Maler bzw. eine entsprechende Werkstatt benennen weder Pfändtner noch Palenik.

Bildthemen:

Eine ikonografische Untersuchung mit Nennung der Bildthemen bietet Palenik (2010, S. 129–149). Historisierte Initialen finden sich zu folgenden Legenden: Mariä Himmelfahrt 1r, Mariä Geburt 31v, Georg 54r, Ulrich 86v, Christophorus 109v, Margareta von Antiochien 116v, Maria Magdalena 121v, Afra 136v, Clara 141r, Lichtmess 155r, Mariä Verkündigung 172v, Thomas 202v, Andreas 214v, Matthias 223v, Jacobus Minor 228r, Philippus 232v (alle Bd. 1); Jacobus maior 1r, Petrus 15v, Paulus 24r, Matthäus 48r, Johannes der Täufer 62r, Aegidius 80r, Mariä Geburt 84v (auch 31v Bd. 1), Maria Aegyptiaca 106r, Anna 113r, Marina 122v, Apollonia 136v, Ottilie 147r, Katharina 152r, Agatha 200vDorothea 206r, Barbara 214r, Anastasia 224v (alle Bd. 2). Thematische Schwerpunkte sind Marienlegenden, Jungfrauenlegenden und Apostellegenden. Nur eine Martyriumsdarstellung wird gezeigt (Anastasia 224v Bd. 2). Doppelt vorhanden sind die Legenden zu Mariä Himmelfahrt (1r, 53r, hier die zweite Illustration nicht vollendet, Bd. 1 ) und zu Mariä Geburt (31v Bd. 1; 84v Bd. 2, mit identischer Illustration). Die Legenden zur Kreuzauffindung (53r Bd. 2) und Kreuzerhöhung (125v Bd. 2) sind jeweils mit Initialen ausgestattet, die das Kreuz zeigen. Die Mehrzahl der Heiligen werden nur mit ihren Attributen gezeigt. Dadurch haftet den Illustrationen eine gewisse Statik an. Selbst das Martyrium der Anastasia wirkt statisch, da das Feuer durch die farbliche Anpassung an den Hintergrund erst auf den zweiten Blick sichtbar ist und der Körper der Heiligen rein und unversehrt wirkt. Nur die Leidensmiene der Heiligen weist auf die Situation hin. Offensichtlich soll der Heiligenstatus dargestellt werden, nicht der Vorgang des Martyriums. Einen dynamischeren Eindruck vermitteln die Marienlegenden, weil Maria hier jeweils in Interaktion mit anderen gezeigt wird. Auch die Legenden, wo das ikonografische Muster die Aktion ist (Georg als Drachenkämpfer, Christophorus trägt das Kind), zeigen deutlich mehr Bewegung. Bei Georg wird dies noch dadurch unterstützt, dass sein Schwert die Kontur der Initiale durchschneidet und der Drache geradezu hilfesuchend zu Georg aufblickt. Bei der Zuordnung der Attribute ist der Maler sicher, nur Jacobus minor (228r Bd. 1) wird fälschlich mit Schlüssel und Buch dargestellt, also den Attributen, die Petrus zugeschrieben werden und mit denen dieser auch gezeigt wird (15r Bd. 2).

Farben:

in Abstufungen Blau, Violett, Gold, Weiß, Grün, Orange, Gelb, Rot, Höhungen mit Weiß, Blattgold.

Literatur:

Wunderle (2018) S. 604–612. – Williams-Krapp (1986) S. 219; Der Heiligen Leben (1996) S. XXIII; Der Heiligen Leben (2004) S. XX; Palenik (2010); Pfändtner (2011) S. 191; Williams-Krapp (2015) S. 95; Bilderwelten (2016) S. 124 [Elisabeth Wunderle, Karl-Georg Pfändtner].

Weitere Materialien im Internet:

http://www.handschriftencensus.de/20099

Abb. 91: 106r (Bd. 2). Maria Aegyptiaca.

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Abb. 91.