76. Liedersammlungen
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 8
Das deutschsprachige Lied des Mittelalters ist breit und vielfältig überliefert, und ein nicht unbeträchtlicher Teil der Handschriften ist illustriert. Es handelt sich um unterschiedliche Ausprägungen des Liedes, nämlich lateinisch-deutsche Lyrik (Carmina Burana, Nr. 76.1.), Minnesang und Spruchdichtung (Dichtersammlungen in der Manesse-Tradition, Nr. 76.2.), Sängerstreit-Dichtung (›Der Wartburgkrieg‹, Nr. 76.3.), Lieddichtung um 1400 (Hugo von Montfort, Nr. 76.4., und Oswald von Wolkenstein, Nr. 76.5.), Liederbuch-Dichtung (Hohenfurter Liederbuch, Nr. 76.6.) sowie meisterliche Liedkunst (Donaueschinger Liederhandschrift, Nr. 76.7.). Damit haben sich illustrierte Textzeugen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert erhalten.
Die lange Überlieferungstradition ebenso wie die Heterogenität der Liedtypen bedingten verschiedene Ordnungsprinzipien der Handschriften. Die Lieder können nach thematischen Gruppen angeordnet sein, wie bei den Carmina Burana (Nr. 76.1.1.) oder in ihrer Abfolge eine Erzählung ergeben, so beim Hohenfurter Liederbuch (Nr. 76.6.). Andere Liederhandschriften wurden als Dichtersammlungen angelegt, wie der berühmte Codex Manesse und weitere in derselben Tradition stehende Handschriften (Untergruppe 76.2.) sowie die Liedersammlungen Hugos von Montfort (Nr. 76.4.1.) und Oswalds von Wolkenstein (Nr. 76.5.1. und Nr. 76.5.2.). Je nach Ordnungsprinzip erfolgte die Illustrierung der Handschriften: Sie greifen entweder einzelne Inhalte der Lieder heraus, fassen Charakteristisches für Liedgruppen ins Bild oder unterstreichen durch die Illustration mit Autorbildern den Typus der Dichtersammlung.
Außerhalb des deutschsprachigen Raums sind vor allem romanische illustrierte Liederhandschriften vergleichbar (vgl.
Im Kontext dieser Stoffgruppe ist noch hinzuweisen auf die bildliche Darstellung von Liedüberlieferung selbst, in der Regel in Form eines Liedblatts. Sie liegt vor in dem Autorbildnis in Nr. 76.5.2., wo die Autorrolle Oswalds von Wolkenstein dadurch unterstrichen wird, dass er auf seinem Porträt ein Liedblatt in der Hand hält. Vereinzelt wird Liedüberlieferung auch in anderen Kontexten dargestellt: So zeigt die Titel-Illustration eines Büchsenmeisterbuchs von ca. 1470/80 (siehe Nr. 39.7.6.) drei Sänger, die gemeinsam ein Notenblatt mit einem Liedtext halten, den