76.7.1. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 120
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 8
Um 1480/90 (I), um 1485/90 (II).
Südlicher Oberrhein.
Nach Ausweis des Buchschmucks wohl in einem Frauenkloster (
Zu Faszikel I (Text 1 und 2) siehe Beschreibung der Handschrift unter Nr. 27.0.3.
3. | S. 205–321 |
Donaueschinger Liederhandschrift
40 Lieder in 21 Tönen. Teil I: sieben geistliche Lieder in Tönen verschiedener Meister (S. 205–224), Teil II: sechs Marienlieder Reinmars von Zweter und Frauenlobs (S. 225–248), Teil III: geistliche Lieder in zwölf Tönen Frauenlobs (S. 249–321). Vgl.
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Papier, V Blätter + 322 Seiten + VI Blätter, 280 × 205 mm, Bastarda, zwei ursprünglich selbständige Faszikel (I: S. 1–204; II: S. 205–322), II: von derselben Hand wie I, dazu eine weitere Hand, die die Noten und unter ihnen stehenden Texte schrieb (
alemannisch.
Acht kolorierte Federzeichnungen, ein Maler oder eine Malerin.
Die ungerahmten Illustrationen haben unterschiedliche Formate: Sie nehmen ein Viertel bis die Hälfte der Seitenhöhe ein, die Figuren stehen vor blankem Papiergrund, wobei manche von ihnen auf einem grünen oder braun-grünen Bodenstück platziert sind, das dann (außer auf S. 264) jeweils Schriftraumbreite erreicht (nur auf S. 278 ragt die Zeichnung bis zum Blattrand hin und wird von ihm angeschnitten). Sie stehen meist vor (S. 264, 280, 287, 291, 311), aber auch in (S. 281) oder nach (S. 274, 278) dem Lied, auf das sie sich beziehen.
Gedrungene Figuren mit überlangen Armen und großen Köpfen, Gewänder mit üppigen, sich am Boden stauenden Falten, die den Figuren in ihrer steifen Gestik dennoch wenig Beweglichkeit verleihen. Die Gesichter haben breite Nasen und, wenn sie größer sind, schwere Lider (S. 264, 291, 311). Die Darstellungen bleiben flächig, ein Ansatz zu Perspektive und Tiefe sind die schraffierten und dunkler kolorierten Unterseiten der Holzbalken bei den Kreuzdarstellungen (S. 264, 274 und 287) oder Rundungen von Körperteilen (S. 280, 281, 287).
Verglichen mit dem ersten, nach Ausweis der Wasserzeichen etwas später entstandenen Faszikel (vgl. Nr. 27.0.3.) ist der Stil ähnlich, die Ausführung jedoch etwas ungeübter. So ist etwa das nackte Jesuskind auf S. 6 weich und rundlich und hat Babyfalten am Bauch, wohingegen das Jesuskind auf S. 287 im Vergleich zum Kreuz unproportional und mit seinem hängenden Bauch verunglückt scheint.
Acht Illustrationen zu sieben Liedern in Teil III (Frauenlob-Töne). Sehr klare Text-Bild-Beziehungen: Offenbar wurden die Bildthemen unmittelbar aus den Liedern abgeleitet.
S. 264: Hieronymus, der sich mit einem Dolch eine Seitenwunde zufügt, neben ihm der Löwe vor dem Kreuz (mit Nägeln, Geißel und Rute). Das Bild bezieht sich auf die S. 265–271 überlieferte Passionsbetrachtung im Neuen Ton (
S. 274: Christus am Kreuz. Das S. 271–274 überlieferte Lied im Neuen Ton (
S. 278: Neben einem Zelt steht nackt Frau Welt, aus deren Rücken und zu deren Füßen sich Schlangen winden. Illustration zu dem Lied im Tannton (S. 275–278;
S. 280: Elefant, dem ein Turm auf den Rücken geschnallt ist; S. 281: Schlange. Lied im Gekrönten Ton (S. 280–282;
S. 287: Drei der fünf Strophen dieses Liedes im Zarten Ton (S. 287–290;
S. 291: Maria vor einem Bäumchen mit roten und weißen Blüten. In diesem Marienlob im Zarten Ton (S. 291–295;
S. 311: Links steht ein Gelehrter in braunem Rock in Interaktion mit einer rechts auf einem Sockel stehenden, blau gewandeten Frau (oder mit dem unverbunden über ihr schwebenden aufgeschlagenen Buch?). Es handelt sich um die Illustration des Anfangs von einem Lied im Grünen Ton (S. 312f.;
Faszikel II: im Vergleich mit Faszikel I gedecktere Farben wie Blaugrün, dunkles Gelb, Blauschwarz, Ocker, Braun, Rot.