76.5.1. Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, o. Sign.
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 8
1432 (1r; Nachträge 1436 [45v] und 1438 [47rc]).
Tirol.
Nach dem Tod des Dichters in Familienbesitz (m w im Spiegel des Vorderdeckels als Initialen von Oswalds Sohn Michael, so
1r–49v |
Oswald von Wolkenstein, Handschrift B
Inhaltsverzeichnis (1r–v), 117 Lieder und ein Reimpaarspruch (Kl 112) (2r–49v)
|
Pergament, I + 49 Blätter (Bl. I mit Falz an Bl. 1 angeklebt; zeitgenössische Zählung I–XXXXIIII, auf die sich die Ausgabe bezieht, daneben hier und bei
bairisch-österreichisch (tirolerisch).
Ein ganzseitiges Dichterporträt (Iv).
In kräftigen Ölfarben (
Haar, Pelz sowie die Schärpe erhalten Fülle und Plastizität durch weiße Höhungen. Das Gesicht ist mit Blick für Details modelliert, wie etwa feine Augen- und ausgeprägte Nasolabialfalten, angedeutete Bartstoppeln oder das rosafarbene untere Augenlid. Der Gesichtsausdruck ist konzentriert, die leicht hängenden Mundwinkel, das Doppelkinn und das geschlossene rechte Auge (Oswald verlor sein Auge bereits in Kindertagen) verleihen dem Porträt etwas Strenges. Das Bild gilt als erstes realistisches Porträt eines Dichters und legt in seinem »Wunsch zur Selbstdarstellung« (
Obwohl eingeklebt, scheint das Bild konzeptionell zu dieser Handschrift zu gehören: Das Format entspricht dem des Buchblocks, und der erhaltene Rahmen zeigt, dass es nicht beschnitten worden ist. Unter der Farbschicht ist eine Vorzeichnung zu erkennen, die gegenüber dem ausgeführten Bild noch stärker individuelle Züge trägt (Untersuchung und Abbildung bei
Bemerkenswert ist das Fehlen eines Wappens nicht nur auf dem Porträt, sondern in der gesamten Handschrift, womit sie sich gegen die seit dem Codex Manesse (Nr. 76.2.2.) etablierte Darstellungs-Tradition für Dichter stellt und sich auch von der nur wenige Jahre früher entstandenen ersten Liedersammlung Oswalds unterscheidet (Nr. 76.5.2.).
Mindestens zwei frühneuzeitliche Darstellungen Oswalds gehen auf dieses Porträt zurück, nämlich eine um 1609 entstandene Nischenfigur im Ahnensaal der Trostburg (eine Arbeit von Joseph Proy) sowie Oswalds Darstellung im aus dem 17. Jahrhundert stammenden Wappenstammbaum auf der Churburg (
Abb. 121: Iv. Porträt Oswalds von Wolkenstein.