76.2.5. Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB XIII 1
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 8
1. Viertel 14. Jahrhundert.
Konstanz.
In Konstanz entstanden und dort auch im 16. Jahrhundert nachgewiesen (Marx Schulthaisen zuo Constantz gehörig, S. I; zu ihm siehe
S. 1–314 |
Weingartner Liederhandschrift
1. Kaiser Heinrich (S. 1–3), 2. Rudolf von Fenis (S. 4–8), 3. Friedrich von Hausen (S. 9–18), 4. Burggraf von Rietenburg (S. 18f.), 5. Meinloh von Sevelingen (S. 20–23), 6. Otto von Botenlauben (S. 23–25), 7. Bligger von Steinach (S. 26f.), 8. Dietmar von Eist (S. 28–32), 9. Hartmann von Aue (S. 33–39), 10. Albrecht von Johansdorf (S. 40–44), 11. Heinrich von Rugge (S. 45–50), 12. Heinrich von Veldeke (S. 51–59), 13. Reinmar der Alte (S. 60–69), 14. Ulrich von Gutenburg (S. 73–75), 15. Bernger von Horheim (S. 76–79), 16. Heinrich von Morungen (S. 80–103), 17. Ulrich von Munegiur (S. 109–111), 18. Hartwig von Rute (S. 112–114), 19. Ulrich von Singenberg (S. 115–117), 20. Wachsmut von Künzingen (S. 118–120), 21. Hiltbolt von Schwangau (S. 121–124), 22. Wilhelm von Heinzenburg (S. 125–127), 23. Leuthold von Seven (S. 128–130), 24. Rubin (S. 131–137), 25. Walther von der Vogelweide (S. 139–170), 26. Namenlos [Wolfram von Eschenbach] (S. 178f.), 27. Namenlos [Neidhart, Neidhartianer] (S. 182–204), 28. Namenlos [›Winsbecke‹ und ›Winsbeckin‹] (S. 206–220 und 220–228), 29. Namenlos [Ps.-Gottfried von Straßburg] (S. 229–238), 30. Namenlos [Frauenlob] (S. 240–251), 31. Namenlos [Johann von Konstanz, ›Minnelehre‹, ›Minneklage‹ I] (S. 253–305), Nachträge des 15. Jahrhunderts: zwei Strophen (S. 310), Beginn eines Spruch (S. 313)
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Pergament, I + 156 + I Blätter (plus zwei moderne Vor- und Nachsatzblätter aus Papier), 150 × 115 mm (vor Beschnitt des 19. Jahrhunderts mindestens 170 × 125 mm), Textualis, fünf Schreiber (I: S. 1–197, 206–216, II: S. 198–204, III: S. 217–238, IV: S. 240–251, V: S. 253–305; Nachträge von zwei weiteren Händen S. 310 und 313), einspaltig, 28 Zeilen, S. 2–238: abwechselnd rote und blaue Lombarden mit einfachem Fleuronné von einer Hand, die auch farbige Korrekturen vornahm (Lombarden anderthalbzeilig für Strophenanfänge, manchmal zwei- bis vierzeilig für Gedichtanfänge), S. 240–251: Lombarden nicht ausgeführt, S. 253–304: rote zweizeilige Lombarden.
Konstanzer Dialekt.
25 Deckfarbenminiaturen auf freigelassenem Grund. Fünf der leeren Seiten dieser Handschrift kommen ferner für mögliche Bildfreiräume infrage (wurden vielleicht auch für Text-Ergänzungen des jeweils vorangehenden Corpus freigelassen): S. 177 (vor Nr. 26), 181 (vor Nr. 27), 205 (vor Nr. 28), 239 (vor Nr. 29), 252 (vor Nr. 31). Damit würde konzeptionell nur vor Nr. 30 der Bildfreiraum fehlen (und vor der ›Winsbeckin‹ als Teil von Nr. 28, die aber in dieser Handschrift vielleicht als zusammengehörig mit dem ›Winsbecken‹ verstanden wurde; vgl. demgegenüber Nr. 76.2.2., wo die ›Winsbeckin‹ eine eigene Illustration hat).
23 ganzseitige und zwei halbseitige (S. 18 und 23) gerahmte Darstellungen der ersten 25 Dichter der Handschrift, dem jeweiligen Dichtercorpus vorangestellt. Die Rahmen ein- bis dreifarbig, oft mit floralen oder geometrischen Mustern versehen, darin über der Miniatur in Rot Stand und Name des Dichters.
Ganzkörperporträts meist in Dreiviertelansicht (Ausnahmen: Nr. 1, 3, 20, 23 frontal, Nr. 9 seitlich), ohne oder in nur angedeuteter Umgebung (Sitzgelegenheit, grüne Rasenfläche). In zwölf Fällen befinden sich Wappen und Helm mit Helmzier im durch eine Rahmenleiste abgetrennten oberen Drittel der Miniatur (in acht Fällen ist das Wappen und/oder der Helm in das Bild hineingenommen).
Teilweise noch sichtbare rote Vorzeichnungen (etwa Nr. 17: Arm, Nr. 9: Schild) wurden mit schwarzen Linien nachgezogen oder korrigiert, dann deckend koloriert. Keine Modellierung oder Höhung durch Farbe oder Deckweiß. Männer- und Frauenfiguren gleich gestaltet: schlanke, mal gotisch s-förmige, mal sehr gerade Körper. Köpfe in der Regel geneigt, geschwungene, in eine kräftige Nase auslaufende Brauen über langgezogenen, unten gerade abschließenden Augen, volle Lippen. Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Haartracht (Männer schulterlanges, Frauen hüftlanges Haar, allerdings auch die Männer bartlos) und Kopfschmuck (manche Frauen tragen ein gebende [Nr. 5, 10, 13], eine einen Schleier [Nr. 19], viele Männer, aber auch Frauen ein rotes Schapel). Gewandfalten dargestellt durch wenige, lange, weich auslaufende Linien. Kleidung für Männer wie Frauen: langärmeliger roc, darüber Mantel oder ärmelloser kursît, mitunter mit Pelzfutter oder Pelzbesatz.
Eine Werkstatt. Von Nr. 14 an (Beginn der vierten Lage) mit Abweichungen in Zeichnung und Kolorit, »ohne daß man die einzelnen ›Hände‹ säuberlich scheiden könnte« (
Was die Gestaltung der Köpfe angeht, vergleicht sich in der Buchmalerei vor allem das Graduale aus Kloster Katharinental bei Diessenhofen von 1312 (Zürich, Schweizerisches Landesmuseum, LM 26117). Ferner wurde auf Ähnlichkeiten zu den Fresken im Konstanzer Haus zur Kunkel hingewiesen. Überzeugend sind auch die Parallelen zur Konstanzer Glasmalerei. Hier sind nicht nur die Formensprache der Gesichter, sondern auch der Umgang mit Linie und Farbe vergleichbar, etwa Heiligkreuztal (um 1312) oder Münchenbuchsee (um 1300) oder das aus Konstanz stammende Klingenbergfenster im Freiburger Münster (um 1320). Zu diesen Vergleichen siehe ausführlich
13 Dichter sitzen (davon Nr. 1 auf dem Thron), sechs stehen, vier reiten, einer sitzt im Schiff (Nr. 3), einer führt einen Esel (Nr. 8). Dabei sind 13 Dichter allein, sieben im Gespräch mit der Dame, drei mit einer männlichen Person (Diener, Bote) dargestellt (im Vergleich zu Nr. 76.2.2. »auffallende Dominanz der Einzelfigur«,
Die meisten Miniaturen verweisen durch die beigegebenen Attribute auf die Funktion der dargestellten Person im Kontext der Liedersammlung: Sie sind hier nicht primär als Ritter relevant, sondern als Dichter. Zwar ist vielen ein Schwert und den meisten ein Wappen beigegeben, auch sitzt der Kaiser (Nr. 1) auf dem Thron. Aber anstelle des Reichsapfels hält er eine Schriftrolle, wie sie als »absolut dominierende[s] ikonographische[s] Leitmotiv« (
Manche Dichter sind in Interaktion mit der Dame (Nr. 5, 10, 13, 15, 19, 21, 24) oder einem Boten/Knappen (Nr. 17, 18) gezeigt, was die Illustration der typischen Minnesang-Sprechsituation ist. Dass auch viele der allein dargestellten Dichter als Sprechende verstanden werden sollen, ist durch Sprechgesten (Nr. 2, 3?, 4, 7, 14?) und/oder deutliches Präsentieren der Schriftrolle verdeutlicht (Nr. 1, 2, 6, 14, 17, 22, 23), vgl.
Zwei Dichter sind mit auf die Hand aufgestützter Wange dargestellt, was als Gestus des Traurigen (vgl. grundlegend
Hinter die Charakterisierung der Dargestellten als Dichter und Sänger treten einzelne Bild-Text-Bezüge zurück (zur Einschätzung der Text-Bild-Bezüge in dieser Untergruppe vgl. auch die Ausführungen unter Nr. 76.2.2.). Ein Großteil der Bilder ist allgemein gehalten und wäre, unter Anpassung der Wappen, auch auf andere Dichter zu beziehen. Bestimmte Bildformeln, wie der Dichter im Gespräch mit der Dame, werden für verschiedene Dichter verwendet, und auch eine außergewöhnlichere Darstellung wie der Dichter mit dem Schreibtafel-Diptychon kann hier das Œuvre Heinrichs von Morungen (Nr. 16) illustrieren (eine auf das Motiv der Spiegelung ausgerichtete Deutung der Miniatur bei
Orange-Rot, Gelb, Blaugrau, Schwarz, Weiß, blasses Grün, blasses Blaugrün-Lila, blasses Grau, blasses Rosé (unter anderem für Inkarnat).
Abb. 112: S. 51. Heinrich von Veldeke (Nr. 12).