59.8. Historienbibel IIIb
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 7
Die Textgruppe IIIb basiert zunächst auf der »Endstufe« der Historienbibel IIIa, d. h. sie legt deren Übersetzung der ›Historia Scholastica‹ nach Petrus Comestor, ergänzt um den ›Hiob‹ des österreichischen Bibelübersetzers und den ›Prophetenauszug‹ zugrunde. Diese Textbasis erweitert der Bearbeiter um die Jahrhundertmitte jedoch beträchtlich, indem er erneut auf die ›Weltchronik‹ nach Heinrich von München zurückgreift, auch um dieser die ›Incidentiae‹ zu entnehmen, die nun zwischengeschaltet werden und über profangeschichtliche Ereignisse berichten. Die Alte Ee beginnt nach einem Prolog ( Herr Jesu Christ vogt hymlischer herschafft Got vnd chunig …) mit dem Schöpfungsbericht (Man möcht also fragen wo was got do kain creatur noch kain geschöph gemacht was …) und endet wie die Historienbibel IIIa zunächst mit Makkabäer II. Im Laufe der Verbreitung wird dieser Fassung dann ein neutestamentlicher Teil hinzugefügt. In der wohl ältesten Handschrift Hamburg, Cod. 8 in scrin (Nr. 59.8.3.) ist er noch nicht vorhanden, alle jüngeren Textzeugen aber überliefern eine Neue Ee, deren Grundbestand nach zwei Prologen (I: Chunig dauid pehielt gottes gepot …; II. Nach dem vnd wir von essen wegen des holcz …) dem Bericht Heinrichs von München folgt (Der kayser augustus in rom gepot das man all stet …) und weit über das Neue Testament hinausgreifend die Geschichte der Kaiser und Päpste in den Vordergrund stellt. Zeitlich reicht die Historienbibel IIIb damit bis unmittelbar vor die Epoche Karls des Großen. Dabei gibt es zwei redaktionelle Varianten. Nur die Handschriften aus dem Wiener Schottenstift und aus Vorau (Nr. 59.8.4., Nr. 59.8.7.) berichten ausführlich über das Leben und die Passion Jesu bis zur Aussendung der Apostel, wobei sie für diesen Teil eine Perikopenfassung des Neuen Testaments wählen. Der Redaktor der Vorauer Handschrift fügt in diese noch den ›Passionstraktat‹ des Heinrich von St. Gallen ein (Dje marter Cristi hebt dy heilig Geschrifft also an Cristus do der mer denn drew vnd dreissig iar alt was …). Alle übrigen Handschriften haben einen kürzeren neutestamentlichen Teil, sie streifen das Leben Jesu im Grunde nur und fahren nach dem Bericht über Jesus als Zwölfjährigen im Tempel gleich mit der römischen Geschichte fort (In der zeit starb der chunig Archelaus in Iudea …). Wien, Schottenstift, Cod. 169 (Nr. 59.8.7.) schaltet darüber hinaus zwischen Alte und Neue Ee einen vollständigen Psalter ein.
Dennoch bilden die Überlieferungszeugen der Historienbibel IIIb eine sehr homogene Gruppe. Anders als noch die Historienbibel IIIa weist IIIb eine außerordentliche Affinität zu Bildbeigaben auf. Mit bislang nur einer erst kürzlich bekannt gewordenen Ausnahme sind alle überlieferten Handschriften illustriert, und selbst diese nicht bebilderte Handschrift Münster, Westfälische Universitäts- und Landesbibliothek, o. Sign. (freundlicher Hinweis Volker Honemann/Gisela Kornrumpf) steht als Schwesterhandschrift des reich bebilderten Codex discissus (Nr. 59.8.1.) den Bilderkodizes nicht fern. Kennzeichnend für diese sind überaus opulente Miniaturenzyklen; ihr Umfang und die Ausstattungsmerkmale insgesamt stellen die Handschriften der Gruppe IIIb in die Nähe der gereimten Weltchroniken: Es handelt sich um Repräsentationshandschriften von großem Format, sehr sorgfältig geschrieben, die Initialen immer, die Illustrationen z. T. in Deckfarbenmalerei mit Blattgoldverwendung ausgeführt. Höchstes Ausstattungsniveau erreicht insbesondere der Wiener Cod.2766 (Nr. 59.8.6.) durch sein besonders großes Format, den Beschreibstoff (ausschließlich Pergament) und die Pracht des Rankenwerks.
Auf Einheitlichkeit über redaktionelle Varianz hinaus weist auch die Verwendung des Trinitätsmotivs als Eingangsbild oder Initiale zur Neuen Ee (in Berlin Ms. germ. fol. 1108 zur Alten Ee). Allerdings wird die Vorstellung vom einen Gott in drei Personen in unterschiedlichen Versionen ins Bild gesetzt: Während der Codex discissus (Nr. 59.8.1., 230rb) recht konventionell Gottvater mit Zepter, zu seiner Rechten sitzend Gottsohn mit Kugel, darüber die Taube des Heiligen Geistes zeigt, werden in Wien Schottenstift 169 (Nr. 59.8.7., 443ra), Wien 2766 (Nr. 59.8.6., 231vb) und Berlin 1108 (Nr. 59.8.2., 1ra) drei gleiche Gottheiten in Menschengestalt ins Bild gesetzt. Am anspruchsvollsten gestaltet das Motiv der Wiener Cod. 2766: Die drei göttlichen Personen sind hier einerseits durch unterschiedliche Attribute identifiziert (links Gottvater mit Zepter und Kugel, rechts Heiliger Geist mit Zepter, Buch und Taube, Mitte Christus mit Kreuz), zu-gleich aber durch die Umhüllung mit einem einzigen Gewand zu einem Wesen verschmolzen (vgl. auch die Trinitätsdarstellung zu Beginn der Alten Ee in Historienbibel Ia: Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. fol. 565 [Nr. 59.1.1.]). Die Vorauer Handschrift geht eigene Wege, indem sie zur Einleitung der Neuen Ee König David zeigt, zu dem Gott spricht (Nr. 59.8.4., 355vb); allerdings teilt sie mit der Handschrift des Wiener Schottenstifts und Wien Cod. 2766 die Wahl eines anderen Dreifaltigkeitsmotivs, das nämlich des Gnadenstuhls, zur Einleitung der Alten Ee. Die Historienbibel im Wiener Kapuzinerkloster schließlich (Nr. 59.8.5.) verzichtet völlig auf Eingangsbilder oder -initialen.
Entstehung und Überlieferung der Historienbibel IIIb beschränken sich auf den niederösterreichischen Raum, vielleicht sogar – mit Ausnahme des Codex discissus (Nr. 59.8.1.) und seiner Schwesterhandschrift – auf Wien und Umgebung. Ein wohl in Wien anzusiedelnder Schreiber bzw. eine Schreibwerkstatt wirkt dabei als Multiplikator, wobei sich hier durchaus experimentelle Züge zeigen: Drei Handschriften – Nr. 59.8.4., Nr. 59.8.5., Nr. 59.8.7. – sind zwar von ein und demselben Schreiber angelegt worden, erproben jedoch unterschiedliche Textredaktionen und sind von sehr unterschiedlichen Buchmalern ausgestattet worden. Über ihre Auftraggeber und Vorbesitzer ist bislang nichts in Erfahrung gebracht worden. Die Repräsentationshandschrift Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2766 (Nr. 59.8.6.) dagegen kann mit der Habsburger Dynastie in Verbindung gebracht werden, auch Berlin, Ms. germ. fol. 1108 (Nr. 59.8.2.) weist Bezüge zum österreichischen Hochadel auf; Hamburg, Universitätsbibliothek, Cod. 8 in scrin. 2º (Nr. 59.8.3.) gehört entstehungsgeschichtlich in das Umfeld des Lehrbüchermeisters, dessen Auftraggeber im Umfeld der Wiener Universität, des Hofs Kaiser Friedrich III. und des Chorherrenstifts Klosterneuburg zu suchen sind. Ob der nicht im Wiener Raum, sondern im burgenländischen Eberau entstandene Codex discissus (Nr. 59.8.1.) über die in Eberau residierenden Ellerbacher ebenfalls mit dem Wiener Hof in Verbindung zu bringen ist, muss dahingestellt bleiben.
Nur der mit Historienbibel IIIa übereinstimmende ›Prophetenauszug‹ ist ediert; siehe Einleitung Untergruppe 59.7.
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