59.8.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 567 a–c; New York, The New York Public Library, Spencer Collection, Ms. 52; Mainz, Gutenbergmuseum, Hs. 1
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 7
Codex discissus.
1464.
Eberau/Burgenland.
Die Berliner Fragmente aus unbekanntem Besitz in die Staatsbibliothek gelangt (Acc. Nr. 2274); die New Yorker Fragmente ehemals in der Bibliotheca Phillippica in Cheltenham (Nr. 7129), 1947 von William H. Robinson für Spencer erworben; die Mainzer Fragmente aus dem Besitz des Dr. von Lohr, Duisburg, als Depositum nach Mainz gelangt.
New York, Ms. 52:
3ra–11vb, 13ra–46vb Berlin, Ms. germ. fol. 567a: 47ra–95vb Berlin, Ms. germ. fol. 567b: 96ra–106vb, 120ra–158vb Mainz, Hs. 1: 159ra–168vb Berlin, Ms. germ. fol. 567c: 169ra–179vb, 181ra–227vb New York, Ms. 52: 1ra–2vb (richtig: 228ra–229vb) |
3ra–230rb |
Alte Ee, Genesis bis Makkabäer II
mit dem ›Hiob‹ des Österreichischen Bibelübersetzers
und dem ›Prophetenauszug‹ Prolog und die zwei ersten Kapitel fehlen, Text beginnt mit […] vmb geben das in ain magt geper … Ende I Sm bis Anfang I Kg fehlt, weitere Fehlstelle im Buch Genesis (Versuchung Adams und Evas durch Satan) und Ester (Incidentiae) |
Berlin, Ms. germ. fol. 567c:
230ra–241vb New York, Ms. 52: 12ra–vb (richtig: 242ra–vb) Berlin, Ms. germ. fol. 567c: 243ra–248vb, 252ra–261ra |
230rb–261vb |
Neue Ee (230rb–va Prolog I, 230va–231va Prolog II, 231va–257rb Leben Jesu und Papst-
Kaiser-Chronik [Fehlstelle zwischen Papst Sixtus XXII. und Kaiser Julian Apostata], 257rb–261ra Register) |
Papier, ehemals 259(?) Blätter (alte Blattzählung bis 257, modern ergänzt bis 261, Zählung springt von 201 auf 204; es fehlen die Blätter 1–2, 12, 107–119, 180, 249–251, am Platz von Blatt 1–2 stehen Blatt 228–229 aus dem Berliner Teil, am Platz von Blatt 12 steht Blatt 242 aus dem Berliner Teil, Blatt 53 ist mit einem Fragment geflickt, das aus den fehlenden Blättern 107–119 stammt), 292–301 × 214–219 mm, zweispaltig, 40 Zeilen, sorgfältige schleifenlose Bastarda, ein Schreiber: Heinrich Wolff rfranco de bamberga tunc temporis astans in vngaria in opido Eberaw (Kolophon mit Datierung 24. August 1464 262ra; vom selben Schreiber ist kürzlich eine weitere Abschrift der Historienbibel IIIb bekannt geworden: Münster, Universitäts- und Landesbibliothek, o. Sign., geschrieben 1462, ebenfalls in Eberau/Ungarn), rote Strichel, Überschriften mit Caput-Zeichen, Seitentitel (Bücher der Bibel), Raum für Lombarden über drei Zeilen, nur anfangs (bis 48r) regelmäßig ausgeführt.
bairisch-österreichisch.
255 erhaltene von ehemals ca. 280 kolorierten Federzeichnungen und Deckfarbeninitialen. Berlin, Ms. germ. fol. 567: 155 Textillustrationen und 31 historisierte Initialen, dazu eine Ornamentinitiale 47ra in Deckfarbenmalerei. Mainz, Hs. 1: acht Textillustrationen und vier historisierte Initialen, dazu 168vb ein später quer eingeklebtes Andachtsbildchen aus fremdem Zusammenhang, New York, Ms. 52: 53 Textillustrationen und vier historisierte Initialen.
die Textillustrationen in meist ungefähr quadratische, spaltenbreite Bildräume in unmittelbarer Nähe zur Bezugsstelle im Text platziert, ungerahmt, nur die Schöpfungsbilder in linearer Einfassung (3ra–6ra als Medaillons, 3vb in Vierpassrahmen). Oft auf den Raum am Seitenrand oder zwischen den Spalten ausgreifend und so um den Text herum, z. T. in den Text hinein komponiert. Ohne Beischrift.
Die Initialen sind nicht in den Text eingerückt, sondern mit wenigen anfänglichen Ausnahmen (25rb, 63rb, 94vb) wie in Wien, Schottenstift 169 und der Vorauer Historienbibel (Nr. 59.8.4. und Nr. 59.8.7.) dem jeweiligen Kapitel als spaltenbreites Bild vorangestellt. 47ra eine Mischform: Das Initium des Buches Exodus beginnt mit einer spaltenbreiten Deckfarbenminiatur, einer ornamentierten B-Initiale (Gold auf Blau mit weißen Ranken) in Kastenrahmen (Zinnober/ Grün mit Gelbhöhung), der Text setzt mit einer eingerückten historisierten U-Initiale (Mose mit Schriftband) ein.
die Initialen entweder vor nahezu quadratischem (z. T., etwa 96r, abgeriebenem) Blattgoldgrund (Blattgold füllt die Ecken aus, die den Buchstabenkörper zum Quadrat ergänzen), oder selbst in Blattgold, dann ohne Hintergrund, im Binnenfeld kolorierte Federzeichnung in gleicher Ausführung wie in den Textillustrationen. Die Protagonisten agieren auf unkonturierten, in sehr unterschiedlichen Formungen getuschten Bodenstücken, die oft durch Einzelbäume mit breiter, flacher Krone belebt sind. Der Bildraum wird oben durch einen schmalen getuschten Himmelstreifen gegen den Text abgegrenzt, charakteristisch ist die Angabe von Innenraum durch ein den oberen Bildabschluss bildendes, frei schwebendes Maßwerk- oder Phantasieelement. Figuren selten statuarisch, meist in mehr oder weniger heftiger Bewegung. Mehrfach sind Vorzeichnungen von anders zur Ausführung gekommenen Haltungen noch sichtbar. Dialoge durch einfallsreiche Gesten und ausdrucksstarke Körperhaltungen belebt ( 50v Griff an den Hut, Zurückweichen des Oberkörpers), Schlachtendarstellungen bestehen nicht aus neben- oder hintereinander gestaffelten Kämpfern, sondern jede Figur hat eine eigene Position und Gestik, dabei vielfältige Ausprägungen von Schrägstellung, Rückenansicht u. ä. In der Figurenkennzeichnung sehr detailreich (z. B. 206v Jeremia mit Brille, 177rb Ester mit modernster Haube, u. a.). Vielfach Belebung der Szenen mit pittoresken Nebenaktionen (38ra: Jakob, der mit dem Engel ringt, wird von hinten von einem wütenden Hund angefallen).
Die Darstellungen überborden bewusst den vorgesehenen Bildraum, insbesondere Kampfszenen bestehen nicht nur aus oft teppichartig flächendeckenden Figurenarrangements, sondern sprengen den Raum geradezu explosionsartig und sind äußerst lebendig um den Text herum arrangiert (z. B. 57ra, 73ra, 76va, 81ra, 94va, 97rb u. ö.). Auch anderswo nutzen die Bildkompositionen fast durchwegs und oftmals sehr gezielt die Randstege, z. B. um unterschiedliche Höhendimensionen zu kennzeichnen (35ra Jakobs Traum von der Himmelsleiter, 131vb Elijas Auffahrt im Feuerwagen), oder um Architekturen oder Kulissen auszuführen (81ra unten, 81va, 103rb unten).
Insgesamt sehr flott und äußerst lebendig gezeichnet, Modellierung weniger durch Schraffuren als durch lebhaft schattierende Abstufungen der Farben, die teilweise lasierend, teilweise deckend unter Einbeziehung von Partien mit freistehendem Papiergrund aufgetragen sind. Malanweisungen am unteren Blattrand meist durch Beschnitt entfallen (z. B. 62r–63r, 157v und 165v unten sichtbar).
Vom selben Maler wie die Handschrift Berlin, Ms. germ. oct 482 (Meister Ingold, ›Das Goldene Spiel‹), die aufgrund ihres Schriftdialekts im ostalemannischen Raum anzusiedeln ist.
(Teilübersichten bei
An die Handschriften aus Vorau und dem Wiener Schottenstift (Nr. 59.8.4. und Nr. 59.8.7.) schließt der Codex discissus nicht nur mit der Positionierung, sondern auch mit der Bildgestaltung der historisierten Initialen an. Eine historisierte Initiale zu Beginn der zweiten Welt (nach Heinrich von München) hat dagegen nur der Codex discissus (dem Text entsprechend: Noachs Dankopfer 20va; vgl. aber Wien, Cod. 2766, 18va, wo an dieser Position eine Zierinitiale über sechs Zeilen mit Rankenleiste steht).
Grün, Ocker, Braun, Rosa, daneben Blau, Schwarz, wenig Rot, Deckweiß. In den Initialen dazu Blattgold.
Taf. VIIa: Mainz, Hs. 1, 163v. Nebukadnezzar, nach seinem Tod zerstückelt.